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Kitabı oku: «Südamerika», sayfa 4

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4. Buenos Ayres und seine Umgebung

Die Rhede von Buenos Ayres ist nichts weniger als günstig gelegen, denn auf der inneren können nur kleine Fahrzeuge, die nicht tiefer als acht Fuß gehen, ankern, während die äußere wenigstens vier englische Meilen vom Lande entfernt liegt und bei einem starken Südoster – wie wir ihn gerade unglücklicher Weise hatten, die Fahrzeuge fast ebensogut in offener See bleiben könnten. Eine andere Unannehmlichkeit ist die, daß bei einem solchen Wind die See ebenfalls gegen das flache felsige Ufer steht, und durch ihr Branden den Booten großentheils das Landen unmöglich macht – ja zu nur etwas tief gehenden Booten müssen selbst bei ruhigem Wetter besonders dazu gehaltene Karren hinausfahren, Mannschaft oder Ladung in Empfang zu nehmen.

Einen vollen Tag lagen wir solcher Art auf der Rhede, mit der Stadt in der Ferne vor uns, ohne an Land zu können, und am zweiten Tag wehte es noch ebenso stark. Der Capitän, dem bange war, daß sein Salz im Preise fallen würde (was auch wirklich an demselben Morgen geschah, denn am vorigen Tag hätte er noch eine vortreffliche Fracht gemacht) wollte sich aber nun unter keiner Bedingung länger zurückhalten lassen, während der Lootse, der sich bei einer von mir aus Rio mitgenommenen und noch wenig angesprochenen Flasche Absynth bene that, erklärte, der Capitän könne, wenn ihm das Spaß mache, in solcher See an Land fahren, er selber bliebe aber an Bord. Ich hielt mich natürlich zum Capitän, denn ich hatte das an Bord herumgeworfen werden herzlich satt bekommen. Unser kleiner Schooner schaukelte nämlich, selbst auf der Rhede, noch so stark, daß wir ein Segel aufsetzen mußten, das Fahrzeug nur in etwas auf der Seite zu halten, und selbst das wollte nichts helfen.

Als der Lootse übrigens sah, daß wir wirklich Ernst machten, schämte er sich allein zurückzubleiben; das große Boot war indessen ausgesetzt, die Sachen hinein gelassen, der kleine Mast aufgestellt, und von günstigem Winde getrieben, schoßen wir in unserem kleinen Fahrzeug pfeilschnell über die aufgeregte schäumende See des gewaltigen Stromes, der Haupt- und Residenzstadt der argentinischen Republik, Buenos Ayres, entgegen.

Im Anfang war ich ziemlich darauf gefaßt gewesen, durch die Spritzwellen, vielleicht gar durch eine übergehende See ordentlich durchnäßt zu werden, wider Erwarten kamen wir aber glücklich und selbst ziemlich trocken an Land.

Der Wind hatte ebenfalls in der letzten Stunde bedeutend abgenommen, die Brandung am Ufer ließ nach und der Steuernde wußte eine Welle so trefflich zu benutzen daß sie uns, mitten zwischen ein paar flache Felsplatten hinein, an eine Stelle an’s Ufer setzte, wo wir geschützt lagen und leicht und verhältnißmäßig trocken an Land kommen konnten – Aber Buenos Ayres selber? —

Hast du dich, lieber Leser, wohl schon einmal recht lebhaft in die Märchen von Tausend und eine Nacht hinein versetzt, wo ganz plötzlich und unerwartet auf ein einfaches Indiehändeschlagen oder ein anderes höchst unschuldiges Zeichen die wunderlichsten Gestalten und Landschaften aus dem Boden heraufsteigen und den Beschauer überraschen? Hast du das, so wirst du dir einen ungefähren Begriff von dem Eindruck machen können den meine Umgebung, die nun schnell um mich her aufstieg, auf mich hervorbrachte. Die Aussicht auf die Stadt war mir bis dahin nämlich, da ich hinten im Boote gesessen und wir gerade vor dem Wind der Küste entgegen liefen, ganz durch das breite aufgespannte Segel entzogen worden, und jetzt, als dieses fiel, war es als ob ein Vorhang niedergerollt wäre um mich mit vorher sorgfältig berechnetem Effect zu überraschen.

Vor mir lag, von der Brandung bespült, die schäumend über lose hingestreute flache Felsblöcke hinwegsprang und sprudelte, der Landungsplatz von Buenos Ayres, und das Ufer wimmelte förmlich von abenteuerlichen, phantastischen Gestalten. Finstere, scharfgezeichnete und sonngebräunte Gesichter starrten überall unter schwarzen Hüten und rothen Mützen auf uns hin, und wohin auch das Auge fiel, begegnete ihm grelle, bunte, meist aber zinnoberrothe Farbe. Die Tracht der Männer erhöhte dabei das Pittoreske der Farben. Den Kopf bedeckt meistens eine rothe, stets keck auf einer Seite getragene Mütze. Der Poncho oder Mantel (ein viereckiges Stück Zeug, durch dessen aufgeschlitzte Mitte der Kopf gesteckt wird) fällt in malerischen Falten um den Körper nieder, und ist nur gewöhnlich über dem rechten Arm durch einen Knopf oder Haken in die Höhe gehalten, um jenem freie Bewegung zu gestatten. Die Beine stecken darunter in weißen langbefranzten Unterhosen, zwischen denen wieder ein buntfarbiges Tuch um die Lenden gegürtet ist, die Füße meistens in ungegerbten Kuh- oder Pferdebeinhäuten, auf deren Zubereitung ich später zurückkommen werde. So ausstaffirt hängt der »Gaucho« auf seinem Pferde, und die beiden vorn aus dem Hautstiefel schauenden Zehen in den kleinen schmalen Steigbügel gestützt, die Linke träge auf den hinten am Sattel befestigten Lasso gestemmt, schaut er mit den scharfen dunklen Augen mürrisch auf den »Fremden« hin, wirft sich dann im Sattel herum und sprengt im gestreckten Galopp das Ufer entlang.

Doch von diesem wird der Blick gar bald zu dem übrigen Treiben der lebendigen Stadt gezogen. Unzählige Boote schießen unter schwellenden Segeln vom Lande, oder zwischen den dort vor Anker liegenden kleinen Fahrzeugen hin; großmächtige zweirädrige Karren fahren überall in dem seichten Uferwasser herum um Ladung und Mannschaft aus den Fahrzeugen zu nehmen, die zu tief im Wasser gehen besonders bei der unruhigen See bis dicht ans Trockne zu laufen. Hier treibt ein brauner, mit zerrissenem Poncho bedeckter Junge eine Heerde rauh genug aussehender Poneys in den Strom, und gerade vor die bald mitten zwischen ihnen hinschießenden Boote hinein, daß die Thiere oft dem rasch dahergleitenden Bug gar nicht mehr so schnell ausweichen können, und nicht selten durch die Wucht des Fahrzeugs umgeworfen werden. Dort stolziren eine Anzahl der wildest und wunderlichst aussehenden Soldaten die mir in meinem ganzen Leben noch vorgekommen sind, ziemlich lässig vor dem Gebäude des Hafencapitäns herum. Gleich daneben singt und jubelt eine Anzahl betrunkener Matrosen, die jenes Kriegsschiff da draußen, von dessen Heck der Pennant flattert, schon vor vier Tagen an Land gelassen hatte, und jetzt, trotz den wiederholten Bitten und Drohungen der Officiere noch nicht wieder an Bord bekommen konnte. Kurz, Menschen und Wogen drängen und treiben durch einander hin, und das Auge wird nicht satt, die neuen Bilder in sich aufzunehmen.

Kaum weniger interessant ist dabei die wenn auch nicht an Naturschönheiten, doch sonst an manchen Eigentümlichkeiten reiche Scenerie. Das Land, wie überhaupt das ganze Ufer des La Plata, von der Mündung bis hierher ist flach und bietet nur wenige Hügel, ja selbst höchst spärlichen Baumwuchs; die Bauart der Stadt aber, die niedrigen Häuser und flachen Dächer, die vergitterten Fenster und das düstere Roth der Backsteine gibt dem ganzen Platz einen so besondern Anstrich, daß man den ersten Eindruck dieser zusammengedrängten Häusermassen wohl schwerlich vergessen wird.

Aber auch oben an der Landung haben die nach europäischem Geschmack gekleideten Männer eine Auszeichnung, die besonders dem Fremden rasch ins Auge fällt und seine ganze Aufmerksamkeit erregt. Die grellrothe Farbe spielt selbst in ihrem Anzug eine bedeutende Rolle, und dient dazu sie als Bürger der argentinischen Republik zu bezeichnen. Die Bürger der Republik müssen nämlich den vom Gouverneur Rosas gegebenen Gesetzen nach eine grellrothe Weste – deren Stoff jedoch in ihrem Belieben steht – ein rothes Band um den Hut, und in einem Knopfloch ein langes Band von eben der Farbe tragen, auf dem die Devise der Republik: »Viva la confederacion Argentina – mueran los salvajes, asquerosos inmundos UnitariosEs lebe die Argentinische Republik, es sterben die wilden, schmutzigen, unmündigen Unitarier. mit schwarzen Buchstaben gedruckt ist. Diese Devise findet sich überall – kein Document wird ausgestellt auf dem sie nicht den Anfang macht, kein Paß wird ohne sie visirt, keine Zeitungsannonce fast ohne sie eingerückt, so daß sie in jedem Blatt unzähligemale vorkömmt; auf den Aushängeschildern findet man sie, selbst über dem Theater, und überhaupt an jedem Ort wo ein öffentlicher Anschlag, eine öffentliche Anzeige oder Ueberschrift angeschlagen, gemalt oder geschrieben ist; selbst der Nachtwächter ruft sie Nachts in den Straßen, und es mag wohl nöthig seyn ein Volk wie das argentinische auch auf keinen Augenblick vergessen zu lassen unter wessen Gewalt es jetzt steht. Früher hatte es darin wenigstens ein nur höchst mittelmäßiges Gedächtniß, und es ist wohl kaum ein Märchen was mir erzählt wurde, daß sich in jener Zeit der häufigen Revolutionen die Leute, wenn sie morgens aufwachten, nicht selten frugen – »wer ist denn nun heute Gouverneur« – Jetzt hat sich das geändert, und die Argentiner wissen für den Augenblick wer Gouverneur ist.

Trotzdem aber, daß die Regierung der jungen Republik für jetzt wohl stark und sicher befestigt ist,Ich schrieb das vor drei Jahren, als Rosas noch fest das Steuer in Händen hielt, und er würde es meiner Meinung nach noch halten, hätte er sich mit der Regierung seiner eigenen Republik begnügt; Montevideo war ihm aber erst ein Dorn im Auge und wurde dann ein Nagel zu dem Sarge seiner Diktatur. kann man den Staat selber doch immer nur als im Entstehen bezeichnen. Bis jetzt hat er sich, während der ewigen Kriege mit dem Nachbarstaat Montevideo nur erst schwach ausbilden können, der Handel auf dem Strome wurde durch die Blokade der Engländer und Franzosen gehemmt, und die Bürger mußten, anstatt zu den nützlichen, einträglichen Beschäftigungen des Bürgers und Landmanns, zu Wehr und Waffen greifen. Auch das Volk im Innern war noch zu wild und trotzig, und fügte sich nur höchst ungern und erst nach heftigem Widerstand den strengen Gesetzen, die seiner Willkür hemmend in den Weg traten. Ja selbst die wilden Stämme der Pampasindianer schreckten durch ihre rohen Grausamkeiten und nicht selten tollkühnen Angriffe die fleißigen Landbebauer zurück sich weiter ins Innere zu wenden. Jetzt aber scheint die schlimmste Krisis überstanden, und die argentinische Republik geht vielleicht bald und mit raschen Schritten einer Wohlhabenheit und Vervollkommnung entgegen, die ihr auch schon ihrer glücklichen Lage und ihres gesunden Klima’s wegen im reichsten Maße gebührt.

Für jetzt liegt noch alles im ersten Beginnen, nichts fast von allen hier verbrauchten Fabrikaten wird im Lande selber angefertigt, selbst der Gaucho sieht sich für seine einfachsten Bedürfnisse auf das Ausland angewiesen. Seine Ponchos werden in Europa gewebt, seine großen eisernen Sporen ebendort gegossen, das geringste Kleidungsstück das er trägt, die Botas ausgenommen, kommt über das Meer herüber, und selbst einzelne eigene Erzeugnisse müssen erst versandt werden um in anderem als rohen Zustand hier benutzt werden zu können. Hierher gehört besonders die Wolle, ja sogar das Pferdehaar das die Tapezierer der hier so theuern Arbeit wegen in Deutschland oder England kräuseln lassen, um es hernach zu ihrem Geschäft zu verwenden.

Auch den Fortschritt des Ackerbaues hindert der Mangel an Arbeitern, und der dadurch unverhältnißmäßig erhöhte Lohn. Weiter im Innern des Landes sehen sich die Leute nur auf Viehzucht beschränkt, und sind nicht im Stande die nöthigen Kosten an Einfriedigungen und Gräben für anzulegende Felder zu bestreiten, die überhaupt in dem holzarmen Lande ziemlich hoch zu stehen kommen müssen. Die Ausfuhr der Produkte beweist dieß ebenfalls – wie von der Westküste Afrika’s werden von hier aus bis jetzt nur Rohstoffe, als da sind Häute, Wolle, Talg, Haare ec ausgeführt, und doch hat das Land alle die Hülfsquellen die es einst zu einem der blühendsten der Erde machen müssen.

Es läßt sich dabei denken daß noch nicht viel für die Verbesserung des Landes selber geschehen konnte. Dem Hafen fehlt noch ein ordentlicher Leuchtthurm, wie ein Damm oder Ausbau, damit Boote auch, was jetzt bei einem heftigen Südoster förmlich unmöglich ist, vor der Brandung ungehindert landen und löschen können. Ja der Fluß selber muß später, um die Schiffe vor den nur zu häufigen und gefährlichen Sandbänken zu warnen, an noch mehren Stellen mit Leuchtfeuern und Baken und Tonnen versehen werden.

Auch die Straßen der Stadt sind schlecht beleuchtet und in noch ziemlich trauriger Verfassung – bei Regenwetter gleichen die meisten flüssigen Morästen und die unförmlichen, aus dem Inneren kommenden Wägen tragen viel dazu bei, sie in diesem Zustand zu erhalten.

Ein Staat kann aber nie auch gleich vollkommen geschaffen, er muß ausgebildet werden, und wenn der argentinischen Republik nur ein längerer Zeitraum der Ruhe bleibt, daß sie sich von den erst kaum überstandenen Kriegen und Anstrengungen erholen kann, so muß sie, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, reißende Fortschritte machen.

Gouverneur Rosas scheint dabei gerade der Mann zu seyn, das kräftige wilde und auch wohl blutdürstige Volk der Gaucho’s – selber ein Gaucho aus ihrer Mitte, mit all ihren Tugenden und Lastern – im Zaum zu halten. Er hat sich als Gouverneur der Republik, trotz allen Intriguen und offenen Angriffen der Gegner bis jetzt zu behaupten gewußt, er hat die Indianer schon mehrmals gezüchtigt und in ihre Grenzen zurückgetrieben und dem Land wie dessen Verkehr mehr Sicherheit gegeben als es je früher, so viel ich darüber hören konnte, gehabt hat. Dabei ist jetzt endlich nach langem Streite ein sechsmonatlicher Waffenstillstand mit Montevideo geschlossen, der wohl, wie man hier hofft und wünscht, in einem gütigen Ausgleich endigen wird.Die neueren Ereignisse haben gezeigt, daß jene Hoffnungen und Wünsche nicht erfüllt werden sollten, ein neuer Krieg hat das Land beunruhigt, Rosas, der bis dahin so gefürchtete Diktator ist vertrieben, und es kommt jetzt nur darauf an, ob die neue Regierung, der es gewiß nicht an gutem Willen fehlen wird ihre eigenen Interessen zu wahren, auch die Kraft hat ihre Absichten durchzuführen, und sich den Gehorsam der Gauchos zu sichern. Das Letzte ist dann gehoben was dem Lande seine, bis jetzt überdieß schon so spärlichen Bewohner so gänzlich entzog, daß an manchen Stellen die Estancias von ihren Insassen total entblößt wurden, daß die Gebäude zerfielen und das Vieh sich in alle Welt zerstreute. Wenn dann noch eine tüchtige Einwanderung (die schon jetzt von den benachbarten Staaten, besonders von Rio Grande und Montevideo begonnen hat), den Eingeborenen zu Hülfe kommt, so kann und muß sich das Land in seinen Erzeugnissen von Jahr zu Jahr bessern, und man darf ihm wohl eine glückliche Zukunft vorherkünden.

Was sein Klima betrifft, so ist schon der Name Buenos Ayres (gesunde Luft) eine Art Bürgschaft dafür; die Stadt selbst ist keineswegs unbedeutend, denn sie zählt über 80,000 Einwohner und die Gebäude sind, wenn auch niedrig, doch gänzlich aus Stein aufgeführt, so daß Feuersbrünste nur höchst selten vorkommen.

Die Kirchen, von denen es eine große Anzahl zu geben scheint, verleihen mit ihren gewölbten Kuppeln der Residenz ein fast morgenländisches Ansehen, dem die sonngebräunten Gestalten der Bewohner auch keineswegs widersprechen, aber die raschen lebendigen Bewegungen dieses centaurenartigen Volkes passen nicht zu dem Bild das wir uns gewöhnlich von den stillen ernsten Söhnen Muhameds machen, und die Kreuze der Kirchen predigen den »rechten Glauben.«

Ich habe meinem Tagebuch hier etwas vorgegriffen, denn der Leser kann sich wohl denken daß ich das nicht Alles gleich auf den ersten Blick übersah, für die ersten Tage die ich in Buenos Ayres verbrachte, bleibt mir aber auch nur sehr wenig zu erzählen, denn meine Beschäftigung beschränkte sich großentheils darauf zuerst ein Unterkommen zu suchen und dann herumzuhören was die Leute hier über meine Absicht, quer durch’s Land hin nach Valparaiso zu, sagen würden.

Das erste hatte weiter keine Schwierigkeit, denn ich fand in einem englischen Haus, in welchem sich gewöhnlich deutsche und dänische Capitäne – und von beiden Nationen befanden sich gerade eine ziemlich bedeutende Anzahl in Buenos Ayres – einquartierten, zu einem mäßigen Preis Bett und Kost. – Desto trübseliger sah es aber mit dem anderen aus. Die Leute die ich frug ob ich die Reise jetzt durch die Pampas unternehmen könnte, sagten einfach nein, es wäre nicht möglich – die Pampasindianer hätten sich gerade in diesem Augenblick wieder gegen Rosas empört, und durchstreiften die Steppen nach allen Richtungen in Banden von 200—300 Mann – würde ich von ihnen erreicht, und das sey, wie die Sachen jetzt stünden, kaum anders möglich, so hätte ich auf kein Erbarmen zu rechnen, es sey festes Gesetz bei ihnen die jungen Frauen und Mädchen mitzuschleppen und den Männern einfach die Hälse abzuschneiden. Käme ich aber auch wirklich nach Mendoza, wozu sie aber nicht einmal die Möglichkeit sähen, so müßte ich dann dort jedenfalls liegen bleiben, da ich die Cordilleren gerade mitten im Winter, im Juli, erreichte, und diese durch Schnee, um solche Jahreszeit stets, geschlossen fände – ein Versuch dort hinüberzugehen wäre einfacher Wahnsinn, und ich solle lieber sehen, daß ich – wenn ich doch nun einmal nach Valparaiso müßte, Passage auf einem der gerade in dieser Zeit abgehenden Schiffe fände, die mich sicher und um mäßigen Passagepreis – ich glaube 100 Dollar, bis nach Valparaiso hinüberschaffen würden.

Hätten mir das nur zwei, oder zehn, oder zwanzig Leute gesagt, so wäre noch der Trost dabei gewesen, daß Andere auch eine andere Meinung über die Sache hätten, so aber waren, wunderbarer Weise, Alle gerade in dieser Sache einig, und ich fing in der That schon an zu glauben ich hätte irgend ein wahnsinniges Unternehmen vor, von dem ich doch am Ende, wenn ich mir nicht muthwillig wollte den Hals abschneiden lassen, abstehen mußte.

Der amerikanische Consul, ein Mr. J. Graham von Ohio, der mir überhaupt mit wirklicher Zeitaufopferung die größten Gefälligkeiten erwies, gab sich selber alle Mühe etwas Gewisses oder vielmehr Tröstlicheres über die Reise zu erfahren, denn ich hatte ihm gesagt ich verlange weiter nichts, als nur einen Menschen in der ganzen Stadt zu finden der mir zugestehe daß die Tour eben möglich wäre. Endlich trieben wir einen alten Spanier – ich habe seinen Namen vergessen – auf, der längere Zeit in Mendoza selber gewohnt hatte, und dieser, der auf die erste Anfrage hin ebenfalls nein antwortete, meinte endlich achselzuckend, möglich sey es allerdings, aber ich müßte viel Glück haben.

Viel Glück hatt’ ich, also war die Sache abgemacht.

Damit im Reinen, schien es, als ob mir ein ordentlicher Stein vom Herzen gefallen wäre, und ich konnte mich nun in voller Ruhe all den fremden wunderlichen Eindrücken hingeben, die diese fremde und wunderliche Umgebung auf mich machte. Was ich jetzt auch noch gegen die Reise selber hörte, betrachtete ich vom richtigen Gesichtspunkt aus und ließ die Leute eben reden.

Vor allen Dingen beschäftigte ich mich nun damit, meine kurze Zeit in Buenos Ayres auch so gut als möglich anzuwenden, und so viel ich konnte über die Verhältnisse der Deutschen dort, oder überhaupt der Fremden, in Bezug der Auswanderung zu hören. Im Auftrag hierzu von unserem früheren deutschen Reichsministerium (wenn die Deutschen doch wenigstens nie vergessen wollten, daß sie einmal ein Reichs ministerium hatten) suchte ich auch direkt vom Präsidenten der Republik zu erfahren, in wie weit er deutsche Einwanderung begünstigen würde, und machte mehre kleine Streifzüge in die nächste Nähe der Stadt, die dortigen Estancias und Anpflanzungen selber zu sehen, wie etwas Näheres über ihre Bearbeitung und ihren Fortgang zu hören.

Ehe ich jedoch dazu übergehe, will ich mich in ein paar Worten noch mit der Stadt selber beschäftigen.

Buenos Ayres ist eine längs dem Fluß in regelmäßigen Blöcken und breiten Straßen vortrefflich ausgelegte Stadt, die einen sehr bedeutenden Flächenraum einnimmt, und eine doppelt so große Zahl von Einwohnern in sich fassen könnte, wäre nicht die weitläufige spanische Bauart mit den niederen Gebäuden und luftigen Hofräumen, mehr auf das warme Klima als darauf berechnet, eine Masse von Seelen oder vielmehr Körpern, in einen möglichst kleinen Raum zusammen zu drängen.

Die Tracht der Einwohner ist eine wunderliche Mischung von Französisch, Spanisch und Indianisch – die gebildetere Klasse wie die Fremden tragen die französische Tracht – Frack, Oberrock, lange Beinkleider und schwarzen Hut, die Argentiner nur eben mit dem patriotischen Zusatz der rothen Weste und dem rothen Hutband, dennoch aber, und besonders beim Reiten, auch dem des Poncho. Da ich diesen Poncho aber, bei einem längeren Aufenthalt in Südamerika, wohl ziemlich häufig erwähnen werde, ist es vielleicht besser ihn hier gleich so kurz, aber auch so genau als möglich, zu beschreiben.

Der Poncho ist, aus den verschiedenartigsten Stoffen – von der feinsten Weberei nieder bis zu der gewöhnlichsten wollenen Decke hinunter verfertigt, ein länglich viereckiges Stück Zeug, mit einem Schlitz in der Mitte, gerade groß genug, den Kopf hindurch zu lassen. Er hängt in Falten über die Schultern hinunter, wird aber beim Reiten, besonders wenn der Reitende seinen Lasso zum Gebrauch fertig hält, auf der rechten Schulter in die Höhe genommen und fest geknöpft, den rechten Arm frei zu lassen.

Der Gaucho und Peon oder Diener, selbst die meisten Abtheilungen der Soldaten, wenigstens die ganze Cavallerie tragen diesen Poncho, und darunter, statt der Hosen die sogenannte cheripa, ein dem Poncho ähnliches Stück Tuch, das hinten am Gürtel befestigt ist, und zwischen den Knieen durch, vorn zum Gürtel heraufgezogen und dort eingesteckt wird.

Die Füße der unteren Klassen, natürlich nur die der Männer, stecken in Stücken ungegerbter Haut, die sie den Beinen junger Pferde und Rinder nur eben abgestreift haben, sie auf die eigenen Füße zu ziehen. Die Haare werden mit ihren scharfen Messern herunterrasirt und das Fell dann durch Oel geschmeidig erhalten.

Die Tracht der Frauen ist meist spanisch, wenigstens gibt ihnen die Mantille ein solches Aussehen, obgleich die Damen der argentinischen Residenz, selbst den Französinnen nicht in geschmackvoller Toilette nachstehen würden.

Merkwürdig für den Fremden, und für mich besonders ungemein interessant, ist das Leben und Treiben in den Straßen selber. Die wilden Gestalten der Gauchos mit ihren flatternden Ponchos und Kopftüchern – die großen unbehülflichen Wägen, die, von Ochsen gezogen, mit ihren zwei riesigen, oft zehn Fuß hohen Riemen umwickelten Rädern durch die Stadt rollen – die Gauchojungen, die Morgens mit ihren zwei Milchblechen auf dem Pferd, das eine nackte Bein herunterhängend, das andere auf den Sattel gezogen, zu Markt kommen – die zerlumpten Soldaten, die vor den öffentlichen Gebäuden Wache stehen – die vorherrschend grell rothe Farbe der ganzen Bevölkerung – die langen, freilich verbotenen Messer in den Gürteln – die niederen Häuser dabei und vergitterten Fenster, das Alles glitt mir oft wie die wunderlichen Bilder einer Laterna magica vor den Augen vorüber und ich freute mich dann wohl im Stillen, daß ich da wirklich mitten drin sitze in all dem Schaffen und Treiben, und jetzt so recht hineinstürmen dürfe in das freie fröhliche Leben.

Was nun die Vergnügungen der Stadt betrifft, so bin ich freilich nicht im Stande viel darüber zu sagen – meine Zeit war mir dort viel zu knapp zugemessen, mich diesem überlassen zu dürfen, und nur einer Beschreibung nach, kann man in solche eben nicht genug eingeweiht werden, dem Leser wieder einen deutlichen Begriff zurückgeben zu können. Das wenige, was ich aber darüber weiß, soll ihm nicht vorenthalten bleiben.

Buenos Ayres hat zwei, und wie es heißt, sehr gut besuchte Theater, das eine – das Victoriatheater, soll eine recht tüchtige Oper besitzen, das andere bringt Schauspiele, verschmäht es aber auch nicht, Taschenspieler und Seiltänzer in seine Räume und den Kreis seiner Wirksamkeit aufzunehmen.

Aber selbst im Theater entgehen die Argentiner nicht der Devise, bei der es nur fehlt, daß sie die Bäcker auch noch mit auf die einzelnen Brödchen drucken müßten. – Viva la confederacion Argentina etc.

Vor jedem Stück nämlich Oper, Schau- oder Lustspiel, mag es nun in Amerika, Asien oder Europa spielen, muß der Vorhang, ehe es selber beginnt, aufgezogen werden – dann stehen sämmtliche Spielende auf der Bühne, die Hauptpersonen voran, der Chor hinter ihnen (sämmtlich im Costüm) und die ersteren rufen nun mit lauter Stimme:

Hauptpersonen: Viva la confederacion Argentina – worauf der Chor einfällt,

Chor: Viva

Hauptpersonen: Mueran los salvajes Unitarios!

Chor: Mueran.

Dann fällt der Vorhang, es entsteht eine kleine Pause, und das Stück kann nun, nachdem das Publikum recht in den Geist desselben hineinversetzt ist, beginnen.Etwas Aehnliches habe ich übrigens auch später einmal in Sidney gesehen, wo die englischen Schauspieler bei einer besonders feierlichen Gelegenheit ebenfalls nach Art der Argentiner vor dem Anfang des Stückes und in vollem Costüm in Masse heraustraten und ihr God save the queen sangen. Besonders rührend machte sich dieß, da in diesen loyalen Wunsch selbst ein Chor von »Seeräubern« (in Balfe’s Oper the enchantress) mit einstimmten.

Buenos Ayres erfreut sich auch neben diesen Theatern oder erfreute sich wenigstens damals, eines Puppen- oder Marionettenspiels – mit derselben entsetzlichen Devise über dem grob gemalten Vorhang und derselben Verpflichtung gegen das Gesetz, nach der selbst die Marionetten vor dem Beginn »aufgetreten werden müssen« und ihre Leiter hinter den Coulissen mit lauter Stimme rufen – Viva la confederacion – mueran los salvajes Unitarios.

Es existirt in der Stadt ein Leseclub, der auch deutsche, französische, englische und portugiesische Zeitungen hält. In Buenos Ayres selber erscheinen vier Zeitungen, drei spanische und eine englische – »The British Packet« – aber unter diesen kein einziges eigentliches Localblatt. Am wunderlichsten ist übrigens in dem Lesecirkel die deutsche Literatur vertreten.

Die in dem Anschlagzettel verzeichneten Journale sind: Augsburger Allgemeine Zeitung, Börsenhalle, Kritische Blätter, Preußische Zeitung – der Freischütz, Elberfelder Zeitung, Deutscher Freihafen und Berliner Zeitung. Von diesen sind aber nicht da: Augsburger Allgemeine Zeitung, Preußische Zeitung, Deutscher Freihafen und Berliner Zeitung; nur der Freischütz und die Börsenhalle kommen regelmäßig. Außerdem lagen noch auf dem Tisch, ohne angezeigt zu seyn: die Grenzboten, die Fliegenden Blätter und die Düsseldorfer Hefte. Von englischen Zeitungen wird, außer verschiedenen Magazines und Reviews, die Times, Morning Chronicle, Illustrated London News, London Price Current, Lloyds List, Spectator, Gores General Advertiser, Examiner und der Liverpool Mercury, Liverpool Albion und Liverpool Times gehalten. Von den französischen Blättern stehen angezeigt: Journal des Debats, Journal du Havre, Democratie, Le Cabinet de lecture, Revue de Paris, La Reform, Le Siecle, La Presse, Moniteur Universelle; Le National, L’Union, L’Illustration. Doch fehlten auch hiervon einige.

Was die hiesige deutsche Literatur betrifft, so sieht es mit der traurig genug aus; an eine deutsche Zeitung ist gar kein Gedanke, und selbst deutsche Bücher sind nur in sehr wenigen und meist zufällig hierher verschlagenen Exemplaren bei zwei deutschen Buchbindern, Herrn Remike und Kaiser, zu haben. Viel würde von diesen allerdings nicht an Deutsche abgesetzt werden, denn der Handwerkerstand liest leider sehr wenig und kauft noch weniger Bücher, Manches würde aber doch Abnahme finden, und jedenfalls verdiente dieser Geschäftszweig etwas mehr Aufmerksamkeit.

Gleich in den ersten Tagen machte ich einen kleinen Abstecher in die nächste Umgebung der Stadt, einige Deutsche, die in der Nähe ihre Estancias haben sollten, zu besuchen, und selber einmal mit eigenen Augen diese südamerikanischen Farmen zu sehen, von denen ich so Manches gehört, und doch noch keinen rechten Begriff bekommen hatte.

Mein Begleiter war ein kleiner deutscher Bauer, seinen Namen habe ich vergessen, nichts komischeres gab es aber, als ihn oben auf seinem riesigen Pferd kauern zu sehen, und beim Trab fürchtete ich mehremale, daß es ihn förmlich auseinander schütteln würde. Er kannte aber die ganze Nachbarschaft, und brachte mich zu einigen seiner Bekannten, mit denen er vor achtzehn oder zwanzig Jahren über See gekommen war, und die sich hier meistens in vortrefflichen Umständen befanden.

Die Umgegend von Buenos Ayres bietet, außer dem breiten schönen Strom mit seiner Menge von Masten, dessen gegenüberliegende Ufer nur manchmal bei sehr hellem Wetter sichtbar seyn sollen, sehr wenig Pittoreskes; trotz dem ist die Natur auch in dieser Gestalt schön, und besonders fesselt manche Eigenthümlichkeit das Auge des Europäers. Zu diesen gehören die Einfriedigungen der Gärten und kleineren Felder nahe bei der Stadt, die des großen Holzmangels wegen meistens aus dicht aneinander gepflanzten wuchernden Aloes und Cactus bestehen. Vorzüglich schön sehen die Aloes aus mit ihren riesigen fleischigen Blättern und den oft bis über 24 Fuß hoch aufgeschossenen Blüthenstengeln (jetzt leider nicht in der Blüthe), und so dicht drängen sie zusammen, daß ein Pferd oder Rind wohl nicht leicht den Durchgang wagt, ein Mensch sich aber erst eine Bahn hindurch schneiden oder hauen müßte. Auf solchen Einbruch steht jedoch Todesstrafe, und die Gesetze lassen hier nicht mit sich spaßen.

Mitten zwischen solchen Gärten und Hecken ritten wir hin, vergebens aber suchte das Auge einen ordentlichen anständigen Baum, der eine Abwechslung in die grenzenlose Fläche brachte; nur kleines niederes Gesträuch, Weiden und derartiges Buschwerk begegnete dem Blick, und die Blüthenstengel der Aloe reichten hoch über diese hinaus.

In dem Deutschen, Herrn —, dessen Farm wir hauptsächlich besuchen wollten, fanden wir einen freundlichen gefälligen Mann, der uns bereitwillig seine ganze Einrichtung, wie Felder und Wirtschaft zeigte.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
380 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain