Kitabı oku: «Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.», sayfa 10
Er hielt ihm die Cigarren hin und horchte dabei nach dem Wasser hinüber; sein scharfes Ohr hatte von dorther ein Geräusch entdeckt.
»Danke« sagte der Franzose, die Cigarre nehmend und an der des Iren entzündend – »Taback – schmeckt – prächtig – wenn – man – «
»Hat sie keine Luft?«
»Danke – geht schon – wenn man ihn lange nicht gehabt hat – so, danke.«
»Hm« sagte der Ire, sein Bündel wieder aufnehmend, er that dabei langsam ein paar Schritte an der Wache vorbei und blieb dann wieder stehn.
»Gute Nacht Kamerad« sagte der Franzose.
»Gute Nacht – hm, ja – gute Nacht Mate« entgegnete Jim – das Floß hätte jetzt schon gut an Ort und Stelle sein können, und doch war's ihm immer, als ob er ein verdächtiges Geräusch gerade gegenüber auf dem Wasser höre; hinaushorchen durfte er aber auch nicht, sonst wäre der Posten ebenfalls darauf aufmerksam geworden. Er mußte noch einen Augenblick zögern, und drückte sein Cigarrenfeuer zwischen den Fingern aus, that dann ein paar Schritte, blieb stehn, zog wieder, und wollte eben zurückgehn den Mann wieder um Feuer zu bitten, als dieser sagte:
»Da draußen wird Euer Boot kommen – mir war als ob ich etwas auf dem Wasser hörte.«
»Das wäre der Teufel« brummte Jim in Englisch, setzte dann aber sogleich auf Tahitisch hinzu: »würden jetzt schwerlich glauben daß ich noch hier bin – wird wohl ein Fisch gewesen sein.«
Der Soldat horchte.
»Dürft' ich Euch jetzt noch einmal um Feuer bitten« sagte Jim wieder zu ihm tretend.
»Gern – wahrhaftig da war wieder etwas.«
»Es sind hier viel Purpoisen im Wasser und machen dann immer einen merkwürdigen Spektakel.«
»Das war kaum ein Fisch« sagte der Soldat, jetzt vollständig alarmirt und sich niederkauernd, besser über die Fläche sehn zu können, ob er nicht doch vielleicht durch die Dunkelheit irgend etwas entdecke – »müßte mich sehr irren, wenn das nicht wie eine Menschenstimme klang.«
»Vielleicht Fischer die noch draußen sind« sagte der Ire, sich jetzt ebenfalls niederkauernd, dem was man hörte Form abzugewinnen, in der That aber dem Soldaten, falls dieser wirklich laut werden wollte, so nah als möglich zu sein.
»Ruft doch einmal Euer Boot an« sagte jetzt der Soldat zu Jim, »da werden wir gleich sehen wer draußen ist.«
Das war allerdings richtig, aber daran lag dem Iren Nichts hier Lärm, und die Soldaten an der Straße nur ebenfalls aufmerksam zu machen.
»Es kann das Boot nicht mehr sein« brummte er kopfschüttelnd.
»Diable« murmelte der Franzose, »ich glaube wahrhaftig ich sehe dort etwas auf dem Wasser – ruf Kamerad, ich muß wissen was da draußen ist.«
Jim konnte sich nicht länger weigern und die Hände trichterförmig an den Mund haltend, daß der Schall so wenig wie möglich rückwärts ginge, rief er mit keineswegs lauter, dumpf klingender Stimme:
»Boot ahoy!«
Keine Antwort erfolgte.
»Lauter!« sagte der Soldat.
»Boot ahoy« rief Jim noch einmal, ohne daß sich von draußen irgend etwas als Antwort hören ließ; ja es schien eher als ob der Laut das da drüben, was es nun auch gewesen, zurückgescheucht habe in die Tiefe, aus der es vielleicht gekommen.
»Du rufst gerade als wenn man in einen Topf spricht« brummte der Soldat – »das kann man ja nicht auf fünf Schritt hören.«
»Ich bin heiser« sagte Jim – »aber es war auch jedenfalls ein Fisch – jetzt ist Alles wieder todtenstill.«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht, – da ist's wieder! qui vive!« rief er dann mit lautem, kurz abgestoßenem Ton über das Wasser hinüber, »Teufel wenn Du mir da drüben nicht antwortest, schick' ich Dir eine Kugel hinüber.«
Jim hatte die rechte Hand in seiner Tasche und stand lautlos nicht zwei Schritt von dem Franzosen, er sah sich scheu und rasch um, und die linke Hand faßte wie krampfhaft das Bündel das sie trug.
»Wenn Ihr denn da drüben nicht antworten wollt, so tragt auch die Folgen« brummte der Soldat vor sich hin und spannte den Hahn – Jim stand dicht hinter ihm, seine rechte Hand hob sich und als er sie senkte rasselte das Gewehr auf den Sand nieder, und der Körper des unglücklichen Franzosen brach lautlos zusammen.
»Hast's nicht anders haben wollen« sagte der Mörder dumpf vor sich hin und beugte sich zu seinem Opfer nieder. Unwillkürlich hatte er dabei in seiner Tasche nach etwas gesucht – er zog aber die Hand wieder zurück und lächelte unheimlich: »er braucht keinen Knebel mehr; 's giebt doch nichts besseres auf der Welt als solche Schlingenkugel für derlei Arbeit – was für einen sanften Tod der Schuft gestorben ist. Aber nun Kamerad, Dein Gewehr und Patrontasche – das Seitengewehr hilft Dir auch nichts mehr, und hier oben können wir's vielleicht brauchen.«
Rasch hatte er dem Ermordeten die Waffen abgenommen, dann noch einen Augenblick nach dem Wasser hinüberhorchend zog er die Leiche unter einen Busch, wo sie wenigstens nicht vor Tag entdeckt werden konnte, griff sein Tuch und die erbeuteten Waffen auf, und glitt am Strande hin der Stelle zu wo der kleine Cutter vor Anker lag und das Floß mit den Waffen ebenfalls anlegen sollte. Den Boden stampfte er aber vor Wuth, als noch keine Spur von den versprochenen Fässern sichtbar war, und die kostbare Zeit verfloß indeß in unverantwortlichem Warten. Schon wollte er wieder zurück am Strande, ob er weiter oben Nichts erkennen könne, als ein leiser leiser Pfiff, mehr wie das Zischen eines Seevogels, vom Wasser herübertönte.
»Endlich« knurrte der Seemann, die Zähne fest zusammenbeißend und wie er den Ruf kaum, eben so vorsichtig, beantwortet, kam auch schon im Fahrwasser das lange Floß mit den Schwimmern heran. »Wo zum Teufel habt Ihr so ewig lang gesteckt?« fluchte hier Jim ihnen entgegen, »glaubt Ihr daß sie uns die ganze Nacht Raum zu unserer Arbeit geben werden?«
»Wir saßen da drüben auf einer Koralle und konnten nicht wieder loskommen« sagte Einer der Eingebornen.
»Und habt einen Skandal gemacht, daß man's hätte in Papetee hören können« zürnte der Ire.
»Hat die Schildwacht 'was gemerkt?«
»Euere Schuld wär's nicht, wenn sie's hätte – aber jetzt fort, heran hier mit dem Faß, und nicht länger geschwatzt – habt Ihr die Säge mit? – so hier, nun sägt die Reifen vorsichtig durch – halt ich will das selber thun – herauf mit dem Faß hier, und Du mein Bursche läufst über den Weg hinauf und holst die Leute herunter die dort versteckt liegen – Rasch mit Dir, sie sollen Alle kommen, wir müssen die Fracht in Zeit von einer Stunde wenigstens im Busch drinn haben; dort bleibt uns dann die ganze übrige Nacht, sie aus dem Weg zu schaffen.«
Der Insulaner schlich sich rasch am Haus hinauf und kehrte bald darauf mit einer Anzahl seiner Landsleute zurück, die schon ungeduldig genug darauf gewartet hatten abgerufen zu werden, Jim aber sägte indessen mit einer seinen scharfen, besonders dazu hergerichteten Säge die hölzernen Reifen der Fässer durch, diese zu öffnen, und reichte die schon in tragbare Pakete eingeschnürten Gewehre, wie die kleinen Fäßchen Pulver rasch hinter einander hinaus. Blei befand sich schon genug an Land, was früher zu anderen Zwecken bestimmt gewesen. Vier Fässer waren solcher Art in unglaublich kurzer Zeit aufs Trockene gewälzt, geöffnet und geleert worden, und selbst von dem fünften hatte Jim schon die Reifen herunter, die Dauben mit Hülfe von ein paar Insulanern sorgfältig auseinander genommen, und angefangen die Pakete herauszureichen, mit denen zwei augenblicklich nach oben liefen, als sie den zurückkehrenden René über den freien Platz gleiten und in das Haus verschwinden sahen. Einer der Indianer sprang rasch zurück, dem Iren die unwillkommene Ankunft zu melden, dieser aber ließ sich nicht irre machen und betrieb das Ausladen nur um so schärfer.
»Fort mit Euch – fort.« flüsterte er rasch und leise – »in zehn Minuten können wir mit unserer ganzen Sache in Sicherheit sein und dann mögen sie kommen und spioniren; in die Guiaven folgt uns doch so leicht Keiner hinein. Hier meine Jungen, auf mit Euch und davon – was steht Ihr da? – die Thür? – fort mit Euch – so lange das Zeichen nicht – ha Teufel!« unterbrach er sich rasch, als da Mitonares langgezogener Warnungsruf zu ihm niederschallte, »da ist wirklich Noth an Mann.«
»Sollen wir noch gerad hinauf?« frug ihn Einer der Leute, der seine Last schon auf den Schultern trug.
»Nein, hier rechts hinein« rief Jim rasch, »in des Franzosen Haus da neben an ist auch Niemand daheim, und die Fenz hier unten am Wasser hab' ich schon niedergebrochen. Dort hinüber und dann gerade hinauf in die Guiaven. Hier noch ein Pack. Pest, wenn nur noch zwei Leute unten wären; fort – macht daß Ihr fortkommt – um Euer Leben.«
Und die Warnung kam nicht zu spät, denn Jim O'Flannagans scharfes Ohr hatte schon die herbeieilenden Soldaten entdeckt, die rasch und ziemlich laut durch die Büsche traten, während zu gleicher Zeit René in seiner Thür erschien. Nur noch zwei Pakete Waffen waren dabei übrig geblieben, davon schob er das eine jetzt rasch auf das Deck des kleinen Cutters, vielleicht vor anbrechendem Morgen noch einmal Gelegenheit zu bekommen es von dort wieder durch irgend einen der Eingeborenen zu entfernen, während er selber das andere auffaßte und damit, so rasch ihn seine Füße trugen, den letztgegangenen Indianern folgte.
»Halt steh da!« schrieen ihm einzelne Stimmen nach, denn seine dunkle Gestalt war von oben herab gegen den helleren Wasserspiegel sowohl als den weißen, durch die Ebbe bloßgelegten Sand des Strandes entdeckt worden, und drei Kugeln schwirrten zu gleicher Zeit nach ihm hinüber. Eine davon traf das Paket das er trug, und warf ihn fast durch den scharfen Druck zu Boden, die anderen beiden fehlten, und seine Last mit dem linken Arm nur fester umspannend, während er das dem ermordeten Posten abgenommene Gewehr in der rechten Hand trug, sprang er mit wenigen Sätzen durch den Garten, brach die kleine und ziemlich schwache Bambusthür nieder und erreichte eben die Guiaven-Dickung, als seine Verfolger dicht unter dem Weg erschienen und den Hang hinanstürmten ihn auch dort nicht aufzugeben. Jim aber feuerte hier, theils um sie zu schrecken, theils sich vielleicht Eines der Verfolger zu entledigen, das geladene Gewehr das er trug, ohne lang zu zielen, auf sie ab, und die Kugel schlug mitten zwischen ihnen durch in einen jungen Baum. Das aber zeigte ihnen auch welcher Gefahr sie sich hier, ohne die mindeste Aussicht auf Erfolg aussetzten, denn bei Nacht war in einem solchen Dickicht gar nicht daran zu denken die, noch dazu mit dem Terrain vertrauten Indianer einzuholen, und die weitere Verfolgung wurde auf morgen früh mit Tageslicht festgesetzt, bis wohin auch Verstärkung von Papetee herbeigeholt, wie die vermißte Schildwacht aufgefunden werden konnte, wenn sie nicht, wie man sie jetzt stark in Verdacht hatte, gemeinsame Sache mit den Eingeborenen gemacht, und mit ihnen auch in die Berge geflohen sei.
Capitel 7.
Consul Pritchards Gefangennahme
Trommeln wirbelten und Patrouillen zogen in kleinen finsteren Trupps mit raschen Schritten durch die von der Morgensonne freundlich beschienene Stadt. Die Insulaner standen in kleinen Gruppen bestürzt beieinander, und die Mädchen liefen neugierig herüber und hinüber, zu sehn und horchen was geschehn, was vorgefallen sei, eine so plötzliche auffallende Veränderung in dem Benehmen der Fremden zu rechtfertigen. Keiner sprach, Keiner lachte mehr mit ihnen; barsch zurückgewiesen wurden sie, sobald sie sich ihnen nur näherten, und von den verschiedenen Schiffen landete Boot nach Boot, vollgedrängt von Bewaffneten, die verschiedene am Strand gelegene und der Königin gehörige Bambushäuser in Besitz nahmen, Wachen, ja Festungen daraus zu bilden.
Dumpfe Gerüchte verbreiteten sich indeß auch unter den Bewohnern von Papetee, die keine Ahnung irgend einer begonnenen Feindseligkeit haben konnten. Eine Parthie Waffen war gestern Nacht in Mativai Bai auf schlaue Weise an Land geschmuggelt; man hatte nicht allein einzelne Stücken, ein Bayonnet und mehre andere Kleinigkeiten an der Straße, sondern auch ein ganzes Paket mit Englischen Musketen in einem kleinen Cutter der dort vor Anker lag, gefunden, und gegen Morgen noch, wo man mit Fackeln nachgesucht, war der Leichnam der überfallenen und ermordeten Französischen Schildwache, ebenfalls ihrer Waffen beraubt, entdeckt worden. Viele Personen waren deshalb schon verhaftet, auf anderen lag schwerer Verdacht, und die herbeigezogene Truppenmasse schon allein genügte, die sorglose Stimmung der Eingebornen zu zerstören, und ihnen einigermaßen das Verhältniß in seinem wahren und grellen Licht zu zeigen, in dem sie zu den fremden Eindringlingen standen, und welche Stellung diese, ihnen gegenüber, einzunehmen gedachten.
Was sollte geschehen, was wollten diese von ihnen, und weshalb eine Armee in ihre Hütten werfen, die ihnen noch keinen Widerstand geboten, und jetzt überall durch die fremden unwillkommenen Gäste unwohnlich und beschränkt wurden. Die Häuptlinge traten zusammen und schickten Boten an die Missionaire ab, diese um Verhaltungsmaßregeln zu ersuchen; die geistlichen Herren fühlten aber daß ihr Regiment, für den Augenblick wenigstens, hier ausgespielt sei, und der einzige von ihnen, Mr. Pritchard, der sich durch die Flagge seiner Nation geschützt glaubte, zürnte offen und frei wie vor gegen die förmliche und muthwillige Eroberung, nein nicht einmal Eroberung, sondern einfache Besitznahme eines vollkommen friedlichen Landes an, dessen Fürstin sich jetzt nur gezwungen einer solchen Gewalt füge und wissen werde sich ihr Recht zu wahren, wenn die Zeit dazu gekommen sei.
Die Franzosen kehrten sich aber wenig an Herrn Pritchard; ihre Flagge wehte schon von fünf oder sechs occupirten Gebäuden, ihre Soldaten durchzogen die Stadt nicht allein, sondern setzten sich an dem obern wie untern Theil derselben fest, und Massen von ihnen, die Flinte und Seitengewehr so lange ablegten und zu Spitzhacke und Schaufel griffen, fingen nicht allein an auf der kleinen reizenden Insel Motuuta Verschanzungen aufzuwerfen, sondern auch, zum unbegrenzten Erstaunen der Bewohner von Papetee, Gräben zu ziehn und Erdwälle aufzubauen um die Stadt selbst herum, als ob sie sich gegen die Berge und das benachbarte Land vor einem Angriff sichern wollten, an den in der That noch wenige der Insulaner gedacht, und der ihnen dadurch erst vor die Augen gerückt und als möglich und ausführbar gestellt wurde.
Die Französische Regierung aber, oder vielmehr das Französische Regiment, das recht gut fühlte wie es bei einem wirklichen Angriff gut bewaffneter Insulaner, hier dicht von den Bergen überall eingeschlossen, mancher Gefahr ausgesetzt sein könne, suchte gleich im Anfang mit durchgreifenden Maßregeln allen solchen Versuchen entgegen zu arbeiten, und eine etwaige Empörung im Keim zu ersticken. Strenge schien hierbei vor allen Dingen nöthig und den Befehlshabern war deshalb besonders daran gelegen die Mörder des Franzosen heraus zu bekommen, oder wenigstens ihre Spur zu finden, von der es schon ziemlich bestimmt im Französischen Lager hieß daß sie in das Haus eines der Protestantischen Missionaire, vielleicht gar des Englischen Consuls führen würde. Mr. Pritchard mit seiner offnen und ungescheuten Predigt gegen ihre Macht war ihnen überhaupt ein Dorn im Auge.
Zu den ersten Maßregeln des Französischen Kommandanten gehörte es aber auch an diesem Morgen René Delavigne verhaften zu lassen, auf dessen Grundstück – ob mit seinem Vorwissen oder nicht mußte die Untersuchung erst ergeben – die Waffen ausgeladen waren und auf dessen, durch ihn hingeführten und dort gehaltenen Cutter man noch ein frisch eingenähtes Paket Waffen gefunden, das jedenfalls von Bord irgend eines der im Hafen liegenden Englischen Schiffe hinüberbefördert und dann während der Entdeckung und dem Angriff der Französischen Wache, dort zurückgelassen war. Sein spätes Außensein und seine doch sichere Bekanntschaft mit der dortigen Oertlichkeit wurde sogar mit der erschlagenen Wache in Verbindung gebracht, wobei ihm das nicht einmal zur Rechtfertigung dienen konnte, den Französischen Soldaten selber dorthin geführt zu haben, wo sie die Schmuggler entdeckten – jedenfalls waren die Vorräthe zu der Zeit schon in Sicherheit gewesen und die Möglichkeit lag unter jeder Bedingung vor, daß ein solcher Schritt, später gerechtfertigt dazustehn, ausführbar, ja sogar klug gewesen wäre.
Den Cutter, an dessen Bord man die Waffen gefunden, nahm die Regierung ebenfalls in Beschlag, ja er wurde sogar, nicht einmal blos vor der Hand in Untersuchung gelegt, sondern gleich ohne Weiteres confiscirt und zum Französischen Küstendienst requirirt – an Wiederherausgeben war gar kein Gedanke mehr.
Sadie erschrak, als an dem Morgen, an dem sie gehofft hatte dem wilden stürmischen Tahiti den Rücken zu kehren und hinüber zu flüchten in ihr friedliches, freundliches Atiu, Bewaffnete kamen ihren Gatten fortzuführen; aber rasch gefaßt, und dem Unvermeidlichen sich fügend, übersah sie auch bald daß René, vollkommen unschuldig an den Vorgängen des letzten Abends, auch bald gerechtfertigt wieder dastehn und natürlich freigegeben werden würde. Ernstlichere Folgen sah sie nicht und konnte sie nicht eine in einer solchen Maßregel sehn. Aber sie bezwang sich auch, dem Gatten gegenüber, noch weit gewaltiger, als ihr eigentlich zu Sinn war; sie wollte ihn nicht mit schwerem Herzen fortgehn lassen, wo er ja gerade Alles gethan hatte sie wieder froh und glücklich zu machen, und wenn das nun für den Augenblick noch nicht ging, so war das ja nicht seine Schuld sondern – das Herz schlug ihr doch laut und ängstlich wenn sie in diesem Augenblick daran dachte wer die Hand zu dem Ganzen geboten, und nur das Bewußtsein vermochte sie dabei vollständig zu trösten, daß Alles ja nur geschehn wäre ihr Vaterland von den Unterdrückern desselben zu befreien, und den Schwachen, Niedergeworfenen, gegen den starken und übermüthigen Feind zu schützen.
Nicht allein René wurde aber an dem Morgen verhaftet, sondern auch der kleine Mi-to-na-re, der allerdings schon mit Sonnenaufgang einen Versuch gemacht hatte das, die ganze Nacht umstellte Haus zu verlassen, von den Wachen aber verhindert war und nun mit nach Papetee abgeführt wurde.
»Armer Mitonare« sagte Sadie traurig, als er, aufgefordert der Patrouille zu folgen, an jenem Morgen sein Gebetbuch wieder in die linke Rocktasche hineinzwängte, und unverkennbar niedergeschlagen sich bereit machte dem eben nicht freundlich gegebenen Befehl zu gehorsamen – »armer Mitonare ist von seinem freundlichen Atiu hier herüber gerufen um Sorge und Noth zu haben, um des Glaubens Willen.«
Bruder Ezra schüttelte aber mit dem Kopf und sagte, keineswegs zufrieden mit der ganzen Begebenheit:
»Glauben? – der Glauben hat wenig genug damit zu thun – wir sollen glauben, Pudenia, und die Wi-Wis wissen Alles gewiß. Glauben – ja, ist ein schönes Ding, aber ein bequemes Haus dabei, und viel Brodfrucht – nicht so in der Welt herumlaufen und das schwere Buch hinten in der Tasche mitschleppen. Warum stecken sie Bodder Aue nicht ein?«
»Wer ist das?« sagte Einer der dabeistehenden Französischen Soldaten, der eben genug von dem Tahitischen Dialekt verstand, den Sinn zu begreifen, »wo ist der, den Du eben genannt hast?«
»Bodder Aue?« sagte Mitonare, und der ihm eigene Zug drollen Humors, der ihn auch in diesem Augenblick nicht verließ, spielte ihm um die Lippen – »Bodder Aue ist sehr guter Freund von mir auf Atiu – aber nicht hier – wenn wir ihn haben wollen können wir einen Brief schreiben; gehe wieder hinüber, sobald die Feranis keine Brodfrucht mehr für mich haben.«
»Fort denn, mein Bursche« sagte der Soldat ärgerlich, »wir haben lange genug hier getrödelt,« und während man René noch Zeit ließ, ein paar Briefe an Bertrand und Herrn Belard zu schreiben, die er augenblicklich abgegeben zu haben wünschte, wurde der kleine braune Missionair, unter den Spottreden und Witzen der Französischen Soldaten, die sich über seine unsinnige eingezwängte und unpassende Kleidung nicht wenig amüsirten, nach Papetee zu abmarschirt. Mitonare nahm aber die Sache ungemein kaltblütig – klemmte seinen linken Rockschoß wieder unter den Arm, setzte seinen hohen Hut auf und schritt so ehrbar und ernst zwischen den bärtigen Kindern eines andern Landes hin, und grüßte so würdevoll die ihn begegnenden Insulaner, von denen ihn Viele kannten und lieb hatten, daß sich der Spott der Soldaten endlich auch abstumpfte, und sie ihn ungefährdet weiter in das Hauptquartier lieferten.
René blieb übrigens, wie er auch Sadie zu ihrer Beruhigung vorhergesagt, nur wenige Stunden in Haft; leicht war es ihm durch seine Freunde zu beweisen, wie er wirklich den ganzen vorigen Nachmittag in Papetee zugebracht, und erst lange nach Dunkelwerden nach Hause aufgebrochen sei. Dort selber hatte er den Französischen Soldaten mitnehmen wollen, als sie die Schmuggler trafen; an eine Mitwissenschaft war nicht zu denken. Schwieriger wurde es ihm zu beweisen, daß der kleine Cutter die Waffen nicht an Bord gehabt, als er ihn dort bei sich vor Anker legte, und daß er der Mission selber gehöre machte die ganze Sache nur noch verwickelter. Es ließ sich kaum denken daß der junge, mit den Officieren auf so freundlichem Fuß stehende Franzose etwas Derartiges gegen seine Landsleute unternehmen, oder auch nur unterstützen würde, und dennoch mochten die Französischen Behörden eine solche Gelegenheit, die Mission selber in eine Untersuchung hineinzuziehen, nicht unbenutzt wieder entschlüpfen lassen – wer wußte ob nicht dann, wenn auch selbst nicht über diesen Fall, doch manches Andere an den Tag kam. Gern wurde deshalb auch die Bürgschaft der Herrn Belard und Brouard angenommen, René Delavigne augenblicklich wieder auf freien Fuß zu lassen, mit der Bedingung nur, Tahiti nicht zu verlassen, bis eben die Sache streng und vollkommen untersucht sei, wozu man sowohl seiner Gegenwart wie seines Zeugnisses glaubte benöthigt zu sein.
Nicht so leicht sollte dagegen Bruder Ezra davonkommen, und trotz dem Protest der Missionaire, die es als einen Eingriff in ihre Religion betrachtet haben wollten einen fungirenden Missionair auf nur flüchtigen Verdacht hin seinem Amt zu entziehn, trotz der eben so ernsten Reclamation des Englischen Consuls, der in dem Indianer, als aktivem Mitglied einer Englischen Missionsgesellschaft, auch einen Englischen Bürger zu sehen glaubte oder zu sehen behauptete, behielt man ihn im Verwahrsam, und die Antwort die dem Englischen Consul wurde, war: sich selber in Acht zu nehmen und von gefährlichen Demonstrationen fern zu halten, wenn er nicht gleiches Schicksal – vielleicht noch Schlimmeres, gewärtigen wollte.
Solcher Art standen die Sachen mehrere Tage, die Französischen Kriegsschiffe fuhren ab und zu, umsegelten die Insel Tahiti einige Male, kreuzten nach Imeo hinüber, und Einzelne davon wurden sogar auf eine regelmäßige Expedition beordert, die Französische Flagge nämlich auf der Nachbargruppe der Gesellschafts-Inseln, auf Huaheine, Bola Bola, Raiatea und den anderen aufzupflanzen, ja man sprach sogar schon davon auch die, gerade unter dem Wind liegenden »Cooks-Inseln« zu denen Atiu gehörte, in Besitz zu nehmen und hie und da Garnisonen zu lassen. Doch hatten die Schiffe für jetzt eben mit der Gesellschaftsgruppe alle Hände voll zu thun, und ließen die übrigen Inseln für eine spätere und günstigere Zeit.
Indessen waren die Franzosen unendlich thätig in Papetee und der Umgegend; feste Blockhäuser zu Kasernen und Gefängnissen wurden mit einer Masse von Leuten in unglaublich kurzer Zeit gebaut, Laufgräben um die eigentliche Stadt gezogen, ein tüchtiger Damm als Brustwehr aufgeworfen, und Geschütze von den Schiffen an Land gebracht, diese, sobald sie nöthig werden sollten gegen den Feind verwenden zu können. Auch die kleine Insel im Eingang des Hafens, welche die Haupteinfahrt allerdings vollkommen überwacht, wurde mit schwerem Geschütz versehn, irgend einem doch vielleicht gefürchteten Angriff der Engländer zu begegnen, und das gerade war es was den Insulanern, durch die Europäer darauf aufmerksam gemacht, wieder neuen Muth gab, ihre Sache noch nicht verzweifelt zu glauben. Beschäftigten ihre Freunde die Beretani's – die übrigens auch hätten etwas früher kommen können – nur die Schiffe, so wollten sie dann schon mit den am Lande befindlichen Wi-Wis – mochten das auch noch so viel sein, fertig werden.
Die Stimmung gegenseitig wurde ebenfalls eine feindlichere von Tag zu Tag. Die Eingebornen mußten eine Masse Provisionen und Früchte in die Stadt liefern, die man ihnen allerdings vollkommen gut bezahlte; aber dies zwang sie zu einer ihnen fremden und unbequemen Thätigkeit, einer Thätigkeit die sie nicht einmal gern für sich selber, viel weniger für die erklärten Feinde ihres Glaubens und Landes anwenden wollten, und sie erkundigten sich vor allen Dingen bei ihren Missionairen, ob sie dazu verpflichtet wären den Französischen Soldaten Brodfrucht und Fleisch und Früchte und Fische zu Markt zu bringen.
Welche Antwort sie dort erhielten ist nicht bekannt, aber sie weigerten sich von da an die verlangten Provisionen einzuliefern, und eine Proclamation des Gouverneurs erklärte sie für Rebellen.
»Rebellen?« bah, das war Unsinn – das Wort das sie für Rebellion hatten, bezog sich auf eine Empörung gegen ihren Landesherrn und Gebieter, nicht gegen einen fremden Wi-Wi, der mit großen Schiffen kam und ihnen das Land wegnahm; denn selbst daß Einzelne ihrer Häuptlinge die Franzosen ersucht hatten sie zu beschützen konnte ihrer Meinung nach die Fremden nicht berechtigen ihre Königin abzusetzen, gegen die sie ja gar keinen Schutz verlangt hatten, und ihnen Fremde zu Richtern und Distriktsoberhäuptern zu geben. Daß die Wörter »Protektorat« und »Besitznahme« dem Französischen Admiral ähnlich genug klangen sie zu verwechseln, konnten sie nicht wissen.
Neue Forderungen des Kommandanten um Provision gingen indeß mit der scharfen Drohung ein, die ernstesten Maßregeln ergreifen zu wollen, wenn dem Befehl nicht Folge geleistet würde, und besonders sollten die Häuptlinge, als die Einzigen an die man sich möglicher Weise direkt halten konnte, für das Betragen des Volks in diesem Fall verantwortlich gemacht werden.
Auch den Missionairen wurde nochmals die, in nicht sanften Ausdrücken abgefaßte Warnung gegeben, sich nicht im Mindesten um die politischen Verhältnisse der Insel zu bekümmern, wenn sie sich nicht, im entgegengesetzten Fall, den unangenehmsten Folgen selber aussetzen wollten; ja es wurde ihnen sogar die auch bald darauf in einer Proklamation veröffentlichte Drohung verschärft in's Gedächtniß zurückgerufen, daß jeder Fremde, der gegen die jetzt bestehende Regierung sprechen würde, augenblicklich, und ohne Einspruch von irgend einer andern Seite zu gestatten, von der Insel verbannt werden würde.
Mehre der Missionaire, vielleicht ängstlicher als die Anderen, oder sich auch möglicher Weise irgend einer Aeußerung bewußt die ihnen das Mißfallen der jetzt mächtigen Franzosen zuziehen konnte, verließen Papetee und gingen theils nach Imeo theils nach Bola-Bola oder Huaheina hinüber; die meisten blieben aber auf ihrem Posten, fest entschlossen dem fremden Einfluß unverdrossen, und so viel nur irgend in ihren Kräften stand, entgegenzuarbeiten, mochten die Folgen dann ausfallen wie sie wollten.
Der neue Aufruf an die Häuptlinge veranlaßte diese wieder sich an die Königin zu wenden, und von ihr Verhaltungsmaßregeln einzuholen, was sie thun, wie sie handeln sollten. Pomare aber, obgleich keineswegs gewillt sich zu unterwerfen, war doch auch wieder durch die Flucht so vieler Missionaire und die Warnungen der Uebrigen nicht zu weit zu gehn, ehe sich England nicht entschieden hätte, zu sehr eingeschüchtert worden, und gab ausweichende Antworten, ja verwies die an sie abgesandten Häuptlinge sogar an den Consul Pritchard, und da dieser erklärte in seiner Stellung – was auch seine Privatmeinung sein möge – der Königin nicht officiell beitreten zu können, bis er Verhaltungsbefehle von London habe, an den Missionair Rowe.
Diesen aber weigerten sich die Häuptlinge (wenigstens die Mehrzahl derselben, denn Einzelne, mit Aonui an der Spitze, verlangten keinen bessern Wegweiser für ihr Verhalten) als Führer anzunehmen; Fanue vor allen Andern schwor, sie hätten lange genug unter dem Regiment der Priester gestanden, und das gerade sei ihr Fluch gewesen von je her. Er verlangte deshalb auch eine Zusammenkunft der Ersten des Volks, wo sie die Befehle ihrer Königin einholen und das Beste des Landes, das jetzt gerade ihr Zusammenstehn am Meisten fordere, berathen konnten.
Diese, den Interessen der Franzosen geradezu entgegenlaufende Maßregel wurde vom Consul Pritchard auf das lebendigste unterstützt; er behauptete das Volk habe ein Recht über sein eigenes Wohl zu sprechen, das eine fremde Nation, sie möge es so gut mit ihm meinen wie sie wolle, gar nicht verstehen könne, viel weniger die Französische und er redete der Königin zu darein zu willigen, ja suchte sogar den Capitain des kürzlich eingelaufenen Dampfers Cormorant dafür zu gewinnen, den Häuptlingen den Schutz seines Dampfers zu einer freien Besprechung zu gestatten, damit sie am Land nicht vielleicht durch überall umherstreifende Truppen gestört, oder gar aufgehoben wurden.
Die Französischen Officiere bekamen noch an dem nämlichen Abend Kenntniß von dieser Absicht, und trafen ihre Maßregeln den Feind, der ihnen vielleicht gefährlich, jedenfalls aber höchst unbequem war, so rasch als möglich unschädlich zu machen.
Am andern Morgen war ein Placat an den Ecken angeklebt, worin die Eingebornen gewarnt wurden sich durch irgend Eines Rede gegen die einmal bestehende Obrigkeit aufzulehnen, während man Alle mit den härtesten Strafen bedrohte, die etwas Derartiges in, den Franzosen feindlichem Interesse, unternehmen sollten. Namen waren nicht dabei genannt, aber das Ganze so entschieden gehalten, daß selbst Bruder Rowe fühlte sie seien, für jetzt wenigstens, an einer Grenze ihrer Thätigkeit angelangt, und würden wohl thun sich entweder für eine Zeitlang von dem Schauplatz Französischer Herrschaft zu entfernen, oder doch wenigstens die Sache, die sie nicht mehr aufhalten konnten, ihren ungehinderten Gang gehn zu lassen, damit sie nicht zu Schaden kämen.