Kitabı oku: «Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.», sayfa 7
Capitel 5.
Susanna
Der Admiral Du Petit Thouars hatte allerdings die Inseln der Königin Pomare, worunter er damals die beiden Gruppen der Gesellschafts- und Georgen-Inseln verstand, im wahren Sinn des Worts in Besitz genommen, und dachte, allem Anschein nach, gar nicht daran, sie, wie das vorige Mal, als es bei einer Protectoratserklärung geblieben, wieder vollkommen zu verlassen, wenigstens von Militair zu entblößen. Der Admiral suchte sich einzureden daß Pomare in ihrem Widerstand gegen ihn zu weit gegangen sei, und dem zu begegnen fiel er in denselben Fehler, der ihm freilich für den Augenblick nicht soviel Schaden bringen konnte, da er gerade der Stärkere war.
Recht gut wußte er dabei daß die Insulaner, wenn nicht unnöthiger Weise gereizt, eben durch ihre Eifersucht unter sich, und bei dem Haß, den ein Theil derselben gegen die strenge Herrschaft der Missionaire hegte, nicht leicht persönlichen Widerstand leisten würden, außer, durch die Fremden, besonders die Missionaire selber angereizt und dem vorzuarbeiten, ehe ein förmlicher Bruch herbeigeführt werden konnte, that er natürlich Alles was in seinen Kräften stand. Die protestantischen Geistlichen wurden schon an und für sich gleich gewarnt, das Volk nicht gegen die jetzige rechtmäßige Regierung aufzureizen, und außerdem noch eine Proclamation erlassen worin jeder Fremde, der gegen die Französische Oberherrschaft sprechen (man sagte nicht predigen) würde, augenblicklich von der Insel, überhaupt aus den Gruppen zu verweisen sei; es war das ein Paragraph der die Missionaire am schwersten traf, und auch, besonders in England, von ihnen am meisten angegriffen und verdammt wurde.
Ebenso vorsichtig mußten sich die Franzosen dagegen zu wahren suchen daß Waffen und Munition den Insulanern durch ihre Freunde zugeführt wurden, und eins der eben eingelaufenen Schiffe erhielt augenblicklich die Ordre die Insel zu umschiffen und verdächtige Fahrzeuge abzuweisen, während die hier liegenden Engländer, von denen man aber nur das kleine Kriegsschiff in Verdacht haben konnte, ebenfalls scharf bewacht wurden. Auch Spirituosen suchte man den Insulanern fern zu halten, sie nicht aufzureizen und zu Excessen zu treiben, die unter den jetzigen Verhältnissen leicht einen ernsten Charakter annehmen konnten, und es war deshalb auch daß die Kitty Clover, von der man ziemlich genau wußte daß sie unter der Hand Spirituosen an die Insulaner verkaufe und auch noch eine ziemliche Quantität derselben an Bord habe, Befehl erhielt die Bai am nächsten Morgen zu verlassen. Niemand vermuthete daß sie auch noch weit gefährlichere Waffen zum gelegentlichen Handel bei sich führe, die Mac Rally übrigens auch wohlweislich einer ziemlich genauen Visitation seines Schiffes, sollte dieselbe ja stattgefunden haben, aus dem Weg gesteckt hatte.
Außerdem aber waren die Französischen Soldaten streng beordert die Eingeborenen freundlich zu behandeln, und ihnen strenge Strafen angedroht, wenn sie dieselben durch Erpressungen, Mißhandlungen oder sonstigen Uebermuth reizen und dadurch Anlaß zu Streitigkeiten geben würden.
Den Fremden war ebenfalls ihr Eigenthum vollständig gesichert, nur sollten sie sich, wie schon erwähnt, jeder böswilligen Einwirkung auf die Insulaner enthalten, oder der Folgen dafür gewärtig sein.
Auch eine Regierung hatte der jetzt allmächtige Admiral ernannt, einen Regierungsrath wenigstens aus drei Personen bestehend, Mr. Aubigny, Capitain der Corvette Ambuscade, Lieutenant Clou und Mr. Moerenhout, und die Wahl des Letzteren besonders kränkte Pomare tief, da sie wußte wie er von jeher ihr gesinnt gewesen, während die Missionaire in dem ihnen gerade feindlich gesinnten Mann einen vollständigen Beweis sahen, was sie für sich von der neuen Ordnung der Dinge zu erwarten hätten.
Viel Zeit durften sie aber auch nicht verlieren, denn noch an demselben Abend lief der Französische Kriegsdampfer, der Cormorant ein, und ein dumpfes Gerücht durch die Stadt daß der ganze übrige Theil der, bis jetzt noch an den Marquesas-Inseln stationirten Flotte, ebenfalls hier eintreffen würde, den Eingeborenen zu imponiren, und ihnen zu beweisen wie fruchtlos jeder Versuch des Widerstands gegen eine so gewaltige Macht unter jeder Bedingung für sie ausfallen müßte.
Die Eingeborenen fingen jetzt erst an wirklich stutzig zu werden, denn das ganze Benehmen der Fremden hatte diesmal einen weit anderen Charakter wie früher. Die ausgestellten Posten, das gelandete und ohne weiteres in einem der Pomare gehörigen Häuser untergebrachte Militair – die Besitznahme der kleinen in der Mündung der Bai liegenden Insel Motuuta, von jeher der Königssitz und in der That Lieblingsaufenthalt der Pomaren, wo die Königin sogar ihren Knaben geboren, und wohin jetzt ohne weiteres mächtige Kanonen geschafft wurden, die gar nicht aussahen als ob sie blos für die kurze Dauer des Aufenthalts der Schiffe da liegen bleiben sollten; vor allen andern Dingen aber das jetzt plötzlich so scheue und zurückhaltende Wesen ihrer Missionaire, das sie an ihnen wahrlich nicht gewohnt waren, machte sie stutzen, und flößte ihnen zum ersten Mal die ernstliche Besorgniß ein, daß doch wohl nicht Alles so geschwind wieder vorüber gehn würde und auch nicht genau so sei, wie ihnen die frommen Lehrer bis jetzt erzählt haben mochten.
Mr. Pritchard allein blieb sich, auf seine Stellung als Englischer Consul fußend, ja vielleicht trotzend, treu in dieser Zeit. So unbekümmert die Franzosen irgend etwas gegen die Religion eines fremden Staates und deren Vertreter unternahmen, und auch vielleicht unternehmen konnten, so vorsichtig mußten sie jedenfalls zu Werke gehn, wo sie es mit der Diplomatie und dadurch auch mit den Rechten desselben zu thun bekamen, und als Consul stand er, wie er recht gut wußte, unter dem direkten und unmittelbaren Schutz seines Vaterlandes. Die Eingeborenen verstanden aber diesen Charakter gar nicht; ihnen war Mr. Pritchard noch immer der Mitonare und Lehrer von früher her, nur mit mehr Autorität vielleicht als früher, da er die anderen Geistlichen oft in seinem Hause versammelte, mit ihrer Königin in stetem Verkehr stand, und dann auch durch die neue Reise noch gewaltig in ihrer Achtung gewonnen hatte. Jedenfalls kam er jetzt gerade von dem Land der Beretanis, mußte also am besten wissen was sie von dort zu hoffen hätten, und ob die Engländer Schiffe senden würden sie und ihre Religion zu unterstützen, oder ob sie auf sich selber verlassen bleiben sollten, den zahlreichen Feuerschlünden des mächtigen Feindes gegenüber.
Die anderen Missionaire hatten, durch die Drohung des Admirals eingeschüchtert, nicht gewagt, eine bestimmte Antwort zu geben, und die Gläubigen auf die Bibel und den lieben Gott vertröstet, der die Seinen schützen und schirmen würde in schwerer Noth und Angst. Mr. Pritchard dagegen sprach zu ihren Herzen, und sein Ruf an sie muthig zu sein und nicht zu verzagen war mehr ein Aufruf zu den Waffen, als ein Trost.
»Widerrechtlich hatten die Feranis die Flagge Pomares niedergezogen, widerrechtlich setzten sie eine Regierung ein, dem direkt ausgesprochenen Willen Englands gegenüber, daß das Land sich frei und unbelästigt des Friedens Segen und der christlichen Religion erfreuen könne. Mit Kanonen und Bayonnetten überwältigten sie ein stilles harmloses Volk und die »Baals-Priester« zogen im Lande umher, dem Feinde Seelen zu gewinnen. Er protestirte von Anfang an feierlich gegen jede Französische Autorität auf der Insel, die er unter keiner Bedingung anerkennen würde, und wahrte sich das Recht zu dem Volke zu reden und ihm zu rathen, wie es ihm gut dünke, und wie er es in seinem Amt als Englischer Consul sowohl wie Missionair vor seinem Gewissen und seiner Regierung, aber nicht vor dem Französischen Admiral zu verantworten habe.«
Die Insulaner hielten sein Haus förmlich belagert, denn der Mann, wie sie erst einmal die wahre Absicht der Fremden verstanden, sprach ihnen aus der Seele, aber noch mehr – er versprach ihnen auch Englische Hülfe von der zuerst einkommenden Englischen Fregatte, während mit dem Dublin schon die Klagen und Beschwerden sämmtlicher Missionaire nach England abgegangen waren.
Es läßt sich denken daß die Französischen Autoritäten, den Protestantischen Geistlichen überdies nicht gewogen, die Aufreizungen dieses Mannes mit Aerger und Verdruß ansahen und nur durch seine officielle Stellung noch zurückgehalten wurden, etwas Ernstliches und Entschiedenes gegen ihn zu unternehmen. Dazu brauchten sie aber irgend eine gegen ihn sprechende Thatsache als Vorlage, und eine solche mußte jedenfalls erst abgewartet werden.
Spione umgaben ihn dabei genug, aus seinen Reden an das Volk irgend eine, direkt zur Empörung aufreizende Aeußerung zu finden, Mr. Pritchard war aber klug genug sich keine solche Blöße zu geben, und der Zorn der Französischen Officiere gegen ihn stieg von Stunde zu Stunde.
René beschloß indessen sich von jeder Betheiligung an den politischen Ereignissen vollkommen entfernt zu halten; er mochte natürlich nicht gegen seine Landsleute kämpfen, so sehr er auch fühlte daß den Eingeborenen hier unrecht geschah, und natürlich noch viel weniger diesen feindlich entgegentreten, mit denen er durch sein Weib in so nahe und freundliche Beziehung gekommen war.
Je mehr er aber über sein künftiges Leben auf den Inseln nachdachte, desto mehr fühlte er sich davon überzeugt, wie er solcher Art, und gewissermaßen zwischen zwei Feuern, in Papetee jedenfalls eine höchst unangenehme, ja gefährliche Stellung für die Zukunft einnehmen müsse, denn von beiden Partheien wäre er, wenn er es mit keiner offen hielt, auch rettungslos verdächtigt worden. – Er wollte Papetee – Tahiti verlassen und drüben in Atiu, in der stillen Zurückgezogenheit seines häuslichen Glücks konnte er bald die Welt um sich her vergessen – verachten. Sorge um seinen Lebensunterhalt brauchte er nicht zu haben, Gott hatte den Tisch der Eingeborenen dort mit seinen reichsten Gaben überdeckt – ein fröhliches, gutmüthiges Volk bewohnte die Insel, und mit Sadie an seiner Seite —
Und Susanna? —
Fort mit dem Gedanken an sie – an Alles was sie umgab, gerade hier lag die Gefahr für ihn, für sein häusliches Glück, und er fühlte recht gut selber wie er zu schwach, viel zu schwach sei, den immer aufs Neue auf ihn eindrängenden Verführungen lange widerstehn zu können.
Er liebte Sadie aus tiefster innerster Seele, und dennoch hatte er den Zauber, die Gewalt die diese Liebe über ihn ausüben sollte, überschätzt – dennoch fühlte er, wie er jetzt flüchten müsse mit ihr, sich selber zu entgehn und seiner Leidenschaft; flüchten, einer Gefahr auszuweichen, die drohend über ihrem Glücke hing, und in dem Gefühl lag das Bewußtsein seiner Schwäche; gewaltiger noch daß er nicht wagte es sich selber zu gestehn, gefährlicher für ihn, daß er je geglaubt hatte es besiegen zu können, ja selbst jetzt noch sich selber damit täuschen wolle daß er nach freiem Willen handle.
Schon an diesem Tag begann er seine, jedoch eben nicht so bedeutenden Vorbereitungen, Tahiti zu verlassen, und Sadie sah den Eifer mit dem er es betrieb und dankte ihm in ihrem Herzen dafür. Glücklicher fast als der Gedanke ihr liebes, freundliches Atiu nun bald wieder zu sehn, es nie mehr zu verlassen, machte sie das Bewußtsein des Gatten Liebe noch zu besitzen und sich in jener furchtbaren Stunde – so entsetzlich ihr selbst jetzt noch die Erinnerung daran war – getäuscht zu haben. Er konnte jenes fremde schöne Mädchen nicht lieben, hätte er sonst so geeilt aus ihrer Nähe zu kommen? und daß es ihn gerade zurück nach Atiu zog, war ihr ja der Bürge für ihr schönstes Glück – für den Frieden ihrer Seele. Wie weh that es ihr jetzt daß Aumama nicht bei ihr geblieben war, Zeuge ihres Glücks zu sein; das wilde Mädchen hatte sich aber nicht länger halten lassen und war noch lange vor Abend schon in ihrem Canoe allein nach Taiarabu aufgebrochen, dort bei der Schwester zu bleiben; ja vielleicht – sie hatte ihr zornig klopfendes Herz fest festhalten müssen, als sie der Freundin die Worte zuflüsterte in denen ihr ganzes Elend lag – dort, dort noch einmal dem treulosen Gatten zu begegnen, und Rechenschaft von ihm zu fordern, für ein mißhandeltes, zertretenes Leben.
Arme Aumama.
René hatte sich von der Mission einen kleinen Cutter zu verschaffen gewußt, seine Sachen und was er sich an Bequemlichkeiten auf der Insel angekauft, gleich mit einem Mal nach ihrem alten Wohnplatz hinübertransportiren zu können, und derselbe wurde schon an dem nämlichen Nachmittag, ein Beweis wie es ihm Ernst war um seinen Vorsatz, von Papetee herüber und an seine Landung geschafft, wo er ruhig und vollkommen vor Wind und Wetter geschützt, vor Anker liegen konnte, bis er im Stande war seine Geschäfte hier so weit als möglich zu reguliren und sich einzuschiffen.
Niemand freute sich mehr darüber als der Mitonare Ezra, der sich augenblicklich zum Passagier anbot, und nebenbei noch versprach die Mannschaft vollständig aufzutreiben. Mehr wie drei Leute gebrauchten sie ohnedies nicht, da René ja selber Seemann genug war das wenige an Bord solch kleinen Fahrzeugs, wenn ja einmal Noth an Mann sein sollte mit verrichten und besser verrichten zu können, wie die Insulaner selber.
Mitonare erhielt da die erste Botschaft, nach der Stadt, zu dem ehrwürdigen Mr. Rowe zu kommen, und René bekam ebenfalls eine Einladung von dem jetzt Befehlenden auf Papetee, Gouverneur Bruat, ihn zu besuchen, da er sich nach Manchem bei ihm zu erkundigen wünsche.
Die Botschaft beunruhigte ihn im Anfang – sollte etwa wegen der Flagge Nachforschung gehalten sein? – aber lieber Gott, da hätten sie ihm dieselbe, wenn er wirklich verrathen wäre, einfach wieder abfordern lassen; das Tuch hatte weiter keine Bedeutung, sobald es einmal von der Stange herunter war. Oder das Duell? – es war nicht wahrscheinlich daß solche Sache in solcher Zeit zur Untersuchung kommen sollte; und überdies hatten beide Theile darin gehandelt wie es den nun einmal bestehenden Gesetzen der Ehre entsprach, denen sie sich fügen mußten.
Es half ihm Nichts daß er sich den Kopf darüber zerbrach, und gegen Abend – er war auf vier Uhr Nachmittag nach Papetee beordert worden – folgte er der Aufforderung des Gouverneurs.
Es handelte sich dabei übrigens weder um Flagge noch Duell; im Gegentheil war Mr. Bruat ungemein freundlich mit dem jungen Mann, dessen Schicksale er sich, wie er ihm versicherte, habe erzählen lassen, und um ihm zu beweisen wie er sich für ihn interessire, wünsche er ihn an sich und Papetee zu fesseln, und bot ihm, da er ja schon überdies früher in der Französischen Armee als Officier gedient, eine gleiche Stellung in Papetee, unabhängig von den Schiffen und mit gesichertem Aufenthalt auf den Inseln.
René begriff recht gut, daß er dies Anerbieten weniger seinen Verdiensten als der vermutheten Verbindung verdanke, in der er, durch seinen längeren Aufenthalt hier wie seine Heirath, mit den Eingeborenen stand. Das Abenteuer mit dem Missionair war ebenfalls, wenn auch nicht laut ausgesprochen, doch ruchbar geworden, und es fehlte den Franzosen gerade in diesem Augenblick besonders an Leuten, die ihren Interessen so ergeben, als denen der Missionaire entgegen wären, und doch dabei eine etwas freundlichere Vermittlung zwischen den beiden so schroff abstoßenden Elementen, den Eingeborenen der Insel und den Eroberern derselben, bieten könnten. Das wäre aber auch jedenfalls der Weg gewesen sich den Insulanern vollkommen zu entfremden, und er lehnte die ihm gebotene Stellung auf das artigste und mit der Versicherung größter Dankbarkeit für das ihm bewiesene Zutrauen, aber auch entschieden ab.
Monsieur Bruat schien etwas pikirt darüber; er hatte wohl keinenfalls eine so ganz definitive Weigerung erwartet, René beharrte aber fest darauf und wurde endlich mit einer zwar artigen aber sehr kalten Verbeugung entlassen.
In Mons. Belards Hause, in dem kleinen traulichen Stübchen der Madame Belard, saß diese an ihrer Arbeit, hinter den niedergelassenen Jalousien, die eine angenehme Kühle in dem freundlichen Gemach verbreiteten, während Susanna vor dem Instrument in leisen, wehmüthigen Akkorden und mit halbgeschlossenen Augen ihrer Phantasie, ihren Gedanken freien und ungestörten Lauf ließ.
»Lieber Gott, Susanna,« sagte Madame Belard endlich, ihre Nadel ruhen lassend und zu der Freundin aufschauend – »Du bist entsetzlich langweilig heute, und spielst Melodieen daß man immer glaubt es sollte Jemand zum Richtplatz geführt werden. Was um Gottes Willen steckt Dir im Kopf, was hast Du, was fehlt Dir? – heraus mit der Sprache, Mädchen, aber quäle mir die Molltöne nicht auf solch grausame, unbarmherzige Art.«
»Ich? – Nichts – was soll mir fehlen?« sagte Susanna.
»Ja das frag' ich Dich – etwas ist mit Dir, denn Du bist wie ausgewechselt gegen sonst.«
»Unsinn« lachte Susanna, die vollen Locken aus der Stirn werfend, und zu einer lebendigern Weise übergehend – es war die Marseillaise.
»Ach damit hast Du gestern Abend Monsieur Delavigne vertrieben« lachte Madame Belard – »wie rasch er aufsprang und fortstürzte. Wir hätten uns heute doch einmal sollen nach ihm erkundigen lassen, wie ihm die Aufregung gestern bekommen und ob er sein Haus glücklich erreicht hat.«
Susanna erwiederte Nichts darauf, hatte aber die Marseillaise schon wieder fallen lassen, und praeludirte eines ihrer kleinen melancholischen Creolenlieder aus Louisiana, als Schritte aus dem Vorsaal gehört wurden und Mons. Belard gleich darauf die Thür öffnete und hereinschaute.
»Ist Delavigne hier gewesen?« frug er die Damen.
»Monsieur Delavigne? nein,« rief seine Frau und Susanna hörte auf zu spielen und sah sich nach ihm um – »ist er wieder in der Stadt?«
»Hat er Euch denn noch Nichts gesagt?« frug der Gatte aber jetzt, sie etwas erstaunt ansehend und ganz ins Zimmer tretend, »wißt Ihr noch Nichts?«
»Wir? – was ist denn?« rief Madame Belard erschreckt, »um Gottes Willen – aber wenn er selber in der Stadt war – ist ihm denn zu Hause etwas passirt – seinem Weib?«
»Ah Papperlapapp,« sagte Mons. Belard lachend, und ging zu einem kleinen Eckschrank den er dort zu seinem eigenen Gebrauch stehen hatte, sich ein Glas Brandy und Wasser einzuschenken, »da soll bei Euch immer gleich was passirt sein; der Frau wird auch was zustoßen, die Indianerinnen haben eine zähe Natur und sind nicht gleich immer umgeworfen wie andere Leute. Wenn ich noch einmal zu heirathen hätte, ich wüßte auch was ich thäte.«
»Bitte, Monsieur, geniren Sie sich nicht« bat Madame Belard etwas beleidigt und mit kalter Höflichkeit – »ich möchte Ihrem weiteren Glück nicht gern im Wege stehn.«
»Aber was ist vorgefallen?« frug auch jetzt Susanna, mit größerem Interesse als sie bis jetzt gezeigt, »bringen Sie uns eine angenehme oder unangenehme Neuigkeit?«
»Nun ich weiß gerade nicht« sagte Mons. Belard die Mischung von Wasser und Brandy erst einen Augenblick gegen das Licht haltend und dann, wie mit der Farbe zufrieden, auf einem Zug leerend – »angenehm ist sie gerade nicht – wenigstens nicht für Sie Beide, und mir selber thut es auch leid, obgleich sich die Sache nun einmal nicht ändern läßt und des Menschen Wille sein Himmelreich ist. Wenn's ihm nicht länger bei uns gefällt, kann ihn natürlich keine Seele halten.«
»Mons. Delavigne will fort von hier? – aber wohin?« riefen die beiden Damen, wie fast aus einem Munde.
»Soviel ich verstanden habe, nach Atiu zurück, wo er hergekommen« lautete die Antwort.
»So wird er dorthin wohl sein Geschäft verlegen wollen.«
»Nein das ist ja eben der Unsinn« rief der Kaufmann ärgerlich, »das dacht' ich mir auch im Anfang, denn darin wäre ein Sinn, aber wie mir jetzt scheint, läuft die ganze Geschichte auf irgend einen romantischen Schwindel hinaus, und wenn das wirklich der Fall wäre, sollt' er mir leid thun, denn keine zwei Monat hält er's drüben mit seiner Paradies-Comödie aus. Er will sein ganzes Geschäft förmlich mit der Wurzel herausreißen und wegwerfen, und sich drüben hinsetzen und Brodfrucht und Tarowurzel essen mit Madame Sadie. Das klingt wohl recht schön, ist aber nur leider unausführbar – er müßte denn eben kein Franzose – kein civilisirter Mensch sein, dessen ganze Existenz, er mag sich darüber äußerlich vorlügen soviel er will, doch mit all seinen tausend Seelenfasern an dem alten gewohnten Leben hängt und nicht losgerissen werden kann.«
»Aber ist denn vielleicht hier irgend etwas vorgefallen?« sagte Madame Belard – »hat er hier Unannehmlichkeiten gehabt, die ihn vielleicht dazu treiben?«
»Doch nicht etwa mit der Regierung?« frug Susanna rasch, die unwillkürlich und mit leiser Angst der so keck eroberten Flagge gedachte.
»Nicht daß ich wüßte« brummte Mons. Belard – »im Gegentheil scheint ihm der Gouverneur wohl gewogen gewesen zu sein, denn wie mir Delavigne selber sagt hat er ein Anerbieten von dorther gehabt – ein Anerbieten einer festen gesicherten Stellung, wenn er es allenfalls nun überdrüssig gewesen wäre Handel zu treiben; aber auch das hat er von der Hand gewiesen. Er ist rein toll – oder blind.«
»Und wann will er fort?« sagte Mad. Belard.
»Morgen schon, soviel ich weiß, wenn er alle seine Siebensachen packen und zu Schiff bringen kann – er hat einen kleinen Cutter gemiethet, der schon bei seinem Hause liegt. Nein die Sache ist Ernst und nicht nur eine flüchtige Idee; ein Schlag aus reinem Himmel, denn gestern, wo ihn Brouard auf der Straße traf, wußte er noch kein Wort davon. Aber ich muß wieder fort – er kommt jedenfalls noch zu Euch hierher heute, Adieu zu sagen, und wenn ich nicht da sein sollte, bitte gieb ihm dies Papier hier, Marie; ich habe ihm versprochen, es hierher für ihn zu legen, vielleicht komm ich nachher noch einmal herüber.« Und mit kurzem Gruß verließ er das Zimmer wieder.
Die Frauen saßen noch schweigend, und in tiefem Nachdenken, als Mons. Belard schon lange das Zimmer verlassen hatte, und Susanna berührte wieder leise die Tasten in weichen, kaum hörbaren Akkorden.
»Merkwürdig« brach Madame Belard endlich das Schweigen – »etwas muß da vorgefallen sein, was ihn kann zu diesem wunderbar raschen Entschluß getrieben haben – gestern Abend schon sein eigenthümliches Betragen.«
»Du sprichst von Mons. Delavigne?« sagte Susanna, ohne die Freundin anzusehn.
Madame Belard schaute rasch nach ihr um, ließ ihr Auge einen Moment auf ihr ruhen und sagte dann leise:
»Ja.«
»Die Männer sind wunderliches Volk« sagte die Schöne – »er wird sich mit seiner Sadie wieder in einen Palmenhain zurückziehn, und von der Welt – in ihren Armen träumen.«
Madame Belard schüttelte traurig mit dem Kopf und sagte ernst:
»Das ist nicht Alles wie es sein sollte – hätte er den Entschluß langsam und mit reiflicher Ueberlegung gefaßt, so würde es mich recht von Herzen, in tiefster Seele gefreut haben.«
»Wie so?« frug Susanna rasch.
»Weil mich Sadie, das arme liebe Mädchen, in einer Welt hier in die sie nicht gehört, in die sie nicht paßt, recht von Herzen dauert. Es ist ein liebes engelgutes Kind, und verdiente glücklich zu sein – und wird es nie werden« setzte sie recht tief aufseufzend hinzu.
»Warum nicht glücklich?« sagte Susanna gleichgültig, der Stimme wenigstens den Ausdruck gebend, »so viel ich von dem Leben dieser Insulanerinnen gesehen habe, verlangen sie es, wissen sie es gar nicht besser, als daß sich ein Europäer, Franzose oder Engländer ist ihnen ziemlich gleich, um sie bewirbt und – die Dauer seines Aufenthalts vielleicht – bei ihnen bleibt; kehrt er in seine Heimath zurück fällt es ihm natürlich nicht ein eine farbige Frau mitzunehmen.«
»In der Regel, ja – « sagte Madame Belard – »leider Gottes handeln die Männer hier leichtsinnig genug in dieser Hinsicht, und haben schon manches arme Herz gebrochen, selbst unter den ungebildetsten der Insulaner – das Herz kehrt sich ja nun doch einmal nicht an Sitte und Gebrauch.«
»Sie sehn mir nicht aus, als ob ihre Herzen so leicht brechen könnten« entgegnete Susanna etwas kalt.
»Doch, doch« sagte leise Madame Belard, »und Sadie ist gar nicht wie ein Kind dieser Inseln erzogen – nur die Farbe, das Aussehn, und das Freie, Natürliche ihrer Bewegungen verkünden sie als ein Kind des Korallenbodens; der alte Mr. Osborne, der hier auf Tahiti starb, hat sie wie eine Tochter gehalten, unterrichtet und ihr damit Gutes thun wollen, aber ich fürchte fast, statt dessen einen schlimmen Dienst erwiesen. Nicht Indianerin, nicht Europäerin muß sie für das Leben ihres Vaterlandes verloren sein, nie wenigstens würde sie sich, wozu sie doch Gott bei ihrer Geburt bestimmte, an der Seite eines gewöhnlichen ungebildeten faulen Indianers glücklich fühlen können – und ich fürchte, sie wird nicht im Stande sein, den jetzt geliebten Mann auf immer an sich zu fesseln.«
»Und verlangst Du von Delavigne daß er sein Leben auf jenem Atiu verträumen – diese monotonen Inseln mit ihren ewigen Palmen und Brodfruchtbäumen nie wieder verlassen soll?« rief Susanna in ihrem Spiel aufhörend und sich rasch und fast heftig nach der Freundin umdrehend.
»Verlangen?« sagte diese achselzuckend – »ich verlange von einem Mann vor allen Dingen daß er seine Schwüre hält, es ist das wenigste was man verlangen kann, und doch unendlich viel, und thut das Delavigne, so kann er die Inseln nur verlassen, wenn er die Indianerin als sein Weib mit hinüber in das alte Vaterland nimmt.«
»Um dort der Kinder Spott zu werden« rief Susanna rasch.
»Er hat das Alles voraus gewußt,« sagte Marie Belard, »Sadie ist übrigens ein wunderhübsches Weibchen.«
»Und wie lange wird das dauern?« frug Susanna, »in sechs Jahren, in fünf vielleicht schon, ist die Blüthenzeit dieser Kinder der Tropen vorüber und die Zeit muß ihm vorschweben, wenn er an ein späteres Leben in den civilisirten Städten der alten oder neuen Welt zurückdenkt. Ja in der neuen könnte er nicht einmal jetzt mit ihr existiren, wo sich jede anständige Familie in New-York sowohl wie New-Orleans von ihm zurückziehn würde, um nur nicht in den Verdacht zu kommen mit schwarzem Blute Umgang zu haben.«
»Aber Susanna, in Virginien rühmen sich die ältesten Geschlechter von der Königstochter Pokahontas abzustammen« sagte Madame Belard.
Susanna zuckte die Achseln.
»Ja, sie zum Ahn zu haben lassen sie gelten« sagte sie, »aber frag einmal eine der dortigen Familien, ob sie jetzt einem ihrer Söhne gestatten würden die Ehre ihrer Geschlechter durch Indianisches Blut zu beflecken. Das Vorurtheil, wenn es überhaupt ein Vorurtheil genannt werden kann, wo es sich um etwas unseren Naturen total widerstrebendes handelt, besteht nun einmal und wir Einzelne können es nicht ändern – Uebrigens sind die hier geschlossenen Ehen« fügte sie mit weit leiserer Stimme etwas zögernd hinzu, »wie man überall hört, ja keineswegs so bindend, und sollen sogar schon in ihrer Formel eine Art Vorbehalt auf ziemlich willkürliche Scheidung wieder enthalten.«
»Die meisten, ja, leider Gottes« sagte Madame Belard – »die leichtsinnigen Mädchen der Inseln würden selbst die Formel nicht verlangen, hielten die Missionaire nicht darauf, bei etwas, das sie doch nun einmal nicht verhindern können, wenigstens so viel als möglich den Anstand zu wahren. Bei den meisten ist auch wirklich nichts weiter geschehn; manche aber vollziehen wirkliche Ehen, so vollständig in ihrer Ceremonie als bei uns und – ich sollte denken – auch ebenso bindend. Wahrscheinlich ist dasselbe auch mit Sadie und Delavigne der Fall; Sadie ist die Pflegetochter eines Geistlichen, und von ihm erzogen und getraut; der würdige Mann wird nicht daran gedacht haben eine andere als vollgültige Ehe zwischen den Beiden zu schließen. Ueberdies bliebe sich das auch gleich, das todte Wort was dabei gesprochen wird kann nur gesetzlich binden, und zwar an Stellen wo das Gesetz die Kraft und Ausdehnung hat, hier wo jedes Canoe den Mann aus dem Bereich desselben bringen kann, ist das eigene Wort, das eigene Herz das einzige worauf man wirklich trauen kann, und ich will zu Sadies Bestem hoffen, daß Delavigne dem fest und treu zu eigen bleibt.«
»Und glaubst Du wirklich daß er sein Leben solcher Art hier beschließen wird?« frug Susanna – »Marie denke Dir er ist vielleicht fünf oder sechs und zwanzig Jahr alt, und soll jetzt aufhören zu leben – ist das wahrscheinlich?«
»Aufhören zu leben – mit der Frau die er liebt an seiner Seite, mit seinem Kind?« frug Madame Belard dagegen, »er kann das nicht gut »aufhören zu leben« nennen, was, wie er mich oft versichert, das höchste und schönste Ziel seines Lebens gewesen; – es wäre zu traurig für die arme Sadie; und doch fürchte ich fast das wilde ungestüme Wesen des Mannes wird sich nicht in die engen festen Banden eines solchen Lebens, auf die Länge der Zeit wenigstens, einschnüren lassen. Ihr Beiden hättet besser zusammen gepaßt.«
Susanna lachte, aber sie wandte rasch den Kopf und begann wieder, und zwar mit raschen kräftigen Griffen die Marseillaise zu spielen, während Mad. Belard an das Fenster trat und hinausschaute.
Die Thür öffnete sich leise und René erschien auf der Schwelle – keine der Frauen hatte ihn in den rauschenden Tönen des kriegerischen Liedes kommen hören, und mehre Minuten lang stand er schweigend die Blicke fast wehmüthig auf die holde Jungfrau am Instrument geheftet die, den Lauscher nicht ahnend das Lied schloß und wieder über zu den weicheren seelenvollen Melodieen kleiner, spanischer, Lieder ging, wie sie dieselben daheim an den Ufern des Mississippi oft und oft gehört. Eine Weile spielte sie so fort und dann endlich, wie den Gedanken des Liedes folgend das sie begonnen, fiel sie mit ihrer weichen klangvollen Stimme leise ein.
Die Halme wehn gedankenschwer
Auf jener Wiese drüben,
Sie sagen wohl einander nur
Daß sie sich innig lieben;
Ich aber liege einsam hier
Und schaue in die Höhe —
Ach daß mich Niemand lieben will
Ist ja mein einzig Wehe.
»Ein trauriges Lied« seufzte Madame Belard und drehte sich nach der Freundin um, stieß aber unwillkürlich einen leisen Schrei aus, als sie den, mit dem sie sich eben in wirklich traurigen Bildern beschäftigt, bleich und ernst vor sich stehen sah.
Susanna schaute rasch auf den Ruf um, und während ihr das Blut in die Wangen schoß, stand sie auf und verließ das Instrument.
»Sie haben uns belauscht« sagte sie und ihr Auge haftete so fest auf dem seinen, als ob sie die Gedanken lesen wollte, ehe ihnen die Lippen Worte geliehn.