Kitabı oku: «Königin Luise», sayfa 2

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Im Juni begann die Belagerung von Mainz, die vier Wochen in Anspruch nahm. Der Kronprinz mußte ins Feld. Ihm war nicht gerade kriegerisch ums Herz, zumal er nicht im geringsten von der Notwendigkeit dieses Feldzugs überzeugt gewesen war. Er stand mit dieser Ansicht auf der Seite der Mehrheit des preußischen Volkes. Nur der alte König und einige seiner Ratgeber stimmten für den Krieg gegen die französische Revolution, der Friedrich Wilhelm II. hauptsächlich durch seine Freunde, die Emigranten und Rosenkreuzler suggeriert wurde. Im Volke selbst war man damals viel mehr für Frankreich und gegen Österreich. Im Widerwillen gegen diesen Krieg und im ersten Rausche seiner Liebe suchte der Kronprinz sich so viel wie möglich von seinen militärischen Verpflichtungen freizumachen. Entweder besuchte er seine Braut, oder sie machte ihm einen Besuch im Felde. Friederike war dann auch immer dabei. Anfangs kamen die jungen Prinzessinnen fast täglich nach Mainz ins Lager, wo sich auch der König befand. Vor allem führte der geniale Prinz Louis Ferdinand dort ein sehr geselliges Leben, ohne seine Rolle als Soldat zu vergessen. Denn er zeichnete sich besonders aus und wurde vor Mainz ziemlich schwer verwundet, worauf er äußerst stolz war. Seine Schwester, Prinzessin Radziwill, sagte: »Man begab sich ins Lager von Mainz wie zu einem Fest ... Die elegantesten Frauen waren dort versammelt.« Die meisten Offizier« hatten ihre Frauen bei sich. Der damalige Oberstleutnant und spätere General von Rüchel ließ außer seiner Frau sogar seine Töchter ins Feldlager kommen. Beinahe wäre damals der Verlobte Friederikes ums Leben gekommen. Prinz Louis hatte sich im Lager an einem Kaminfeuer seines Zeltes niedergelegt und war eingeschlafen. Ein paar überspringende Funken entfachten einen Brand, und bald stand die ganze Einrichtung in Flammen. Des Prinzen Kleider begannen bereits zu brennen. Aber er spürte weder die Glut noch den Rauch, so fest schlief er. Glücklicherweise wurde der vor dem Zelt wachehaltende Soldat auf den Brandgeruch aufmerksam. Er stürzte hinein und rettete Louis vom Flammentod.

Auch außerhalb des Lagers von Mainz trafen sich Luise und ihr Bräutigam: in Großgerau, auf Schloß Kranichstein und bei Onkel Georg in Braunshardt. Als Friedrich Wilhelm dann, nachdem Mainz sich ergeben hatte, in die Pfalz als Befehlshaber des Belagerungskorps von Landau geschickt wurde, entspann sich selbstverständlich ein sehr lebhafter Briefwechsel zwischen den beiden Verlobten. Wie wenig Luise von der Etikette hielt und wie einfach und ganz natürlich sie in ihrem Empfinden war, geht aus einem Zettel hervor, den sie einem der ersten »offiziellen Briefe« an ihren Bräutigam beilegte. Sie mußte nämlich alle Briefe an Friedrich Wilhelm, ehe sie sie abschickte, ihrer Großmutter vorlegen, damit diese sich überzeugte, daß sie nicht gegen den guten Ton verstießen und nicht allzu zärtlich ausfielen. Der jungen Luise waren alle gesellschaftlichen Phrasen und Heucheleien im Innersten zuwider. Sie wollte ihrem Verlobten alles schreiben, was und wie sie für ihn fühlte, besonders ihm aber sagen, wie einfach menschlich sie im Grunde ihres Wesens sei. Und so legt sie, nachdem die Großmama den vorschriftsmäßigen Brautbrief zu ihrer Zufriedenheit gelesen hat, heimlich einen Zettel bei, der aus ihrem guten, liebenden Herzen kommt. »Sie werden vielleicht bemerkt haben, liebster Freund,« schreibt sie ihm, »daß ich viele Dinge in Ihrem Brief mit Schweigen übergehe. Wundern Sie sich nicht darüber. Papa und Großmama haben gewünscht, daß ich ihnen meinen Brief an Sie zeige, und Großmutter vor allem hat mir eindringlich empfohlen, Ihnen nicht zu zärtlich zu schreiben. Gut, daß Gedanken und Empfindungen zollfrei sind und man darüber keim Vorschriften machen kann. Hören Sie, lieber Prinz! Die Namen ›Freundin‹, ›liebe Luise‹ und alles andere hat mich unendlich erfreut. Nennen Sie mich immer wie Sie wollen. In meinem Leben wird es mir nicht in den Sinn kommen, das böse zu finden. Im Gegenteil, es macht mich froh. Da wir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an ganz natürlich und ohne Zwang beisammen waren, hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen den Grund zu sagen, warum in meinen Briefen ein gewisser gezierter Stil herrscht, der nicht meinem Charakter entspricht. Sie könnten sonst glauben, daß ich gegen Sie verändert wäre. Aber ich schwöre Ihnen, es ist nicht der Fall. Im Gegenteil, Sie sind mir nicht gleichgültig. Sie wissen, was ich für Sie empfinde, und so habe ich nicht nötig, Ihnen zu wiederholen, daß ich Sie recht von Herzen liebe. Seien Sie immer der gleiche gegen mich. Ich gestehe Ihnen: mein Herz ist unfähig, sich zu verändern ... Bitte, lieber Prinz, zeigen Sie diesen kleinen Zettel keinem Menschen, und wenn Sie darauf antworten, so tun Sie es nicht in Ihrem Briefe, sondern auf einem kleinen Blatt für sich, damit Großmutter es nicht merkt, sonst habe ich Unannehmlichkeiten ... Noch eins: Großmutter wünschte, ich sollte vorerst einen Entwurf für meinen Brief an Sie machen, weil ich so unorthographisch schreibe. Ich gestehe, er ist nicht schön, aber Sie sollen auch meine Fehler kennenlernen. Wenn ich als Kind fleißiger gewesen wäre, könnte ich Ihnen jetzt vielleicht ohne Fehler die Empfindungen meines Herzens sagen, so kann ich es immer nur fehlerhaft ...« Später wurden Luises Briefe bedeutend vertraulicher und herzlicher, besonders wenn sie sie in köstlichem Kauderwelsch französisch und deutsch durcheinander schrieb, oder gar, wenn sie pfälzische Sätze mit einflocht wie den: »Die ollen Scharteken, die Wägen fahren vor, die alten metallenen Klocken läuten, und ich, ich habe keine Lust in die Kirche zu gehen. Gott verzeihe mir's. Adieu altesse royale de mon coeur ... Ich muß fort in Kirch gehn, sonst schlägt mich mey alte Großmäme«. Oder: » Je mange depuis sieben weniger un quart des cerises délicieuses noires comme un Hut et je souhaiterais, pour qu'elles me paraissent tout à fait délicieuses, la présence d'un certain Monsieur de votre connaissance.« Mit dem » certain Monsieur« meinte die Schelmin natürlich den Kronprinzen selbst.

Sie sah ihn noch einmal in Mannheim bei der Prinzessin Auguste von der Pfalz wieder. Ende August aber mußten sie sich endgültig trennen, und erst im November sahen sie sich zum letztenmal vor ihrer Hochzeit, in Frankfurt. Nach diesem letzten Beisammensein schrieb sie ihm: »Ich verspreche mir ein vollkommenes Glück, nicht ein romanhaftes Glück, aber sicher werden wir so glücklich sein wie zwei Gatten, die sich lieben können.« Für eine so junge Braut fast allzu vernünftige Worte. Aber ihr gerader Sinn wollte sich nicht etwas einreden, was sie nicht unbedingt glaubte. Das Himmelhochjauchzende wie auch das Zutode-Betrübte waren ihr unbekannt, aller Schein war ihr fremd.

Aber das rein Menschliche und Herzliche war in ihr wunderbar mit Vornehmheit vereint. Sie konnte, im Gegensatz, zu dem nüchternen, trockenen Wesen Friedrich Wilhelms, schelmisch, lustig und ausgelassen wie ein Kind und zu allen bösen und guten Streichen aufgelegt sein. So hatte sie es zum Beispiel ersonnen, die Aufmerksamkeit der guten Großmama während der Besuche des Kronprinzen dadurch von sich abzulenken, daß sie ihr den Adjutanten Schack auf den Hals schickte. Der mußte die alte, sehr redselige Dame unterhalten, während Luise und Friedrich Wilhelm allein im Garten saßen und ihre Herzen sprechen ließen. Wenn die Großmama beschäftigt war, waren sie vor »ihren Geschichten und geistvollen Bemerkungen« sicher, »denn«, schreibt Luise später einmal an ihren Mann in humorvoller Laune: »Ich glaube, sie hätte lieber gesehen, daß Du ihr den Hof machest als mir.«

Dann aber lag auch wieder in Luises Bewegungen, in ihrer Art, sich zu geben, trotz aller Anmut und herzgewinnender Liebenswürdigkeit kühle, vornehme Zurückhaltung, die ihr manche Leute, die sie nicht genau kannten, als Herzenskälte und Hochmut auslegten. Solche Zurückhaltung war jedoch ganz geeignet für eine zukünftige Königin von Preußen an einem Hof, der sich infolge des leichtfertigen Lebens des alten Königs und des wenig vornehmen Regiments der Gräfin Lichtenau eines sehr schlechten Rufs erfreute. Ja, der Ruf war so schlecht, daß die alte Landgräfin und der Vater Luises nicht sofort geneigt waren, ihre Kinder in diesen »Sündenpfuhl« zu verheiraten. Besonders war die Tante, die regierende Landgräfin Luise, ganz gegen diese Verbindung. Und nur der gute Ruf des biederen Charakters des Kronprinzen hatte entschieden. Als die Tante ihn dann persönlich kennenlernte, war sie sogar so entzückt von ihm, daß sie öfter bemerkte: »Ach, es is e gar zu ehrlicher Mann, der gut Kronprinz, ich hab' en gar zu lieb«.

Zweites Kapitel. Als Kronprinzessin am Hofe des alten Königs.


Friedrich Wilhelm II. Radierung von Wilhelm Chodowiecki

Einzug der zukünftigen Kronprinzessin in Berlin – Begeisterung der Bevölkerung – Vorstellung der Prinzessinnen bei Hofe – Die Trauung Luises und Friedrich Wilhelms – Alte Hochzeitsgebräuche am preußischen Hofe – Der verpönte Walzer – Luises Popularität – Szenen aus dem Hofleben des alten Königs Berliner – Sitten – Luise in der neuen Umgebung – Ihre Vorliebe für Tanz und Vergnügen – Sie versucht geistig auf ihren Gatten einzuwirken – Ihre innere Einsamkeit – Friederike – Ihr Einfluß auf Luise – Großstadtgefahren – Louis Ferdinands Annäherung – Seine Persönlichkeit – Das Ende der Idylle – Die Persönlichkeit des Kronprinzen – Luises Ehe – Ihr Privatleben – Tod des Prinzen Louis und der Witwe Friedrichs des Großen – Beginn der Krankheit des Königs – Luise in Pyrmont – Paretz – Der sterbende König – Scharlatane und Abenteurer – Die Lichtenau und ihre Freunde – In der Todesstunde Friedrich Wilhelms II.

An einem wunderschönen Wintermorgen, am 22. Dezember 1793, hielt die siebzehnjährige Prinzessin Luise ihren Einzug in Berlin. Die Landgräfin-Witwe von Darmstadt und ihre Brüder Georg und Karl von Mecklenburg-Strelitz begleiteten sie. Die Großmutter strahlte vor Stolz und Glück. Luise fuhr in der goldenen Karosse, in der alle preußischen Königsbräute eingeholt wurden. Der Kronprinz und Prinz Louis empfingen die Prinzessinnen in Potsdam am südlichen Schloßportal, wo auch der neue Hofstaat der beiden Bräute versammelt war.

Die Berliner Bevölkerung war begeistert von der neuen Kronprinzessin. Alle Straßen waren festlich mit Blumen und Fahnen geschmückt. Eine ungeheure Menschenmenge durchwogte die Stadt. Man war von der Natürlichkeit und Unbefangenheit der hübschen jungen Prinzessin entzückt, und sofort eroberte sie sich alle Herzen im Sturme. Der Zug bewegte sich vom Potsdamer Tor durch die Leipziger und Wilhelmstraße bis zu den Linden, immer an Tausenden von jauchzenden, frohen Menschen vorüber, die sich nicht genugtun konnten in Tücherschwenken und Jubelrufen. Als Luise von einer Reihe weißgekleideter kleiner Mädchen empfangen wurde, beugte sie sich zu der niedlichen Sprecherin, die ihr einen Blumenstrauß mit einem Gedicht überreichte, in spontaner Rührung hinab und küßte das Kind zum großen Erstaunen der alten Voß, die so etwas von Übertreten der Etikette noch nicht erlebt hatte.

Am Abend wurden Luise und Friederike bei Hofe vorgestellt, worauf bei der regierenden Königin Friederike Cour stattfand. Man sagte, sie hätte sich ihre Nichten, die Prinzessinnen von Baden oder Homburg, als Schwiegertöchter gewünscht und sei deshalb über die Wahl ihrer Söhne nicht besonders erfreut gewesen. Beim Lottospiel entlud sich dann auch ihre schlechte Laune besonders gegen die Prinzessin Luise. Als die Kronprinzessin naiverweise die Höflinge begrüßte, die an ihr vorbeischritten, sagte ihre Schwiegermutter ziemlich spitz zu ihr: »Wenn bei mir Cour ist, so gilt diese Cour nur mir, und ich allein habe zu grüßen.« Auch Friederike wurde getadelt und ausgescholten.

Am 24. Dezember, abends 6 Uhr, fand im Weißen Saal des Berliner Schlosses die Trauung Luises unter den althergebrachten Zeremonien statt und wurde vom Konsistorialrat Sack vollzogen. Die Braut sah entzückend aus. »Schön wie ein Engel«, meinte Prinzessin Radziwill. »Die diamantene Königskrone auf dem aschblonden Haar stand ihr bezaubernd.« Der Kronprinz war trotz seines kühlen und ernsten Wesens so von seinem Glück durchdrungen, daß man es ihm ansah.

Nach der Trauung fand im Rittersaal ein großes Bankett statt, bei dem nach überlieferter Sitte die Generale Graf Brühl und von der Marwitz di« Speisen auftrugen und Kammerherren und Hofdamen bei Tisch bedienten, bis die königliche Familie den ersten Trunk getan hatte. Dann zogen sich die Höflinge an die Marschallstafel zurück, um dort ebenfalls zu speisen. Nach der Tafel fand der gleichfalls seit alters gebräuchliche Fackeltanz im Weißen Saale statt. Voran schritten zu Paaren die achtzehn Staatsminister, jeder eine Wachskerze in Form von Fackeln in der Hand. König Friedrich Wilhelm II. führte die Braut, der Kronprinz beide Königinnen, seine Mutter und die Witwe Friedrichs des Großen. Danach folgten die übrigen Prinzen und Prinzessinnen mit ihren Hofdamen und Kavalieren.

Luise und ihre Schwester, deren Trauung erst am 26. Dezember stattfand, tanzten den bis dahin am preußischen Hof streng verpönten Walzer, und tanzten ihn mit aller Anmut und Grazie ihrer Jugend. Der König und alle Herren waren entzückt. Es entstanden Parteien, welcher von beiden Prinzessinnen der Preis der Schönheit zukomme. Nur die Königin war empört über die »Indezenz« eines solchen Tanzes, besonders aber, weil ihn ihre Schwiegertöchter am Hofe einführten. Sie verbot ihrer Tochter aufs strengste, Walzer zu tanzen, und wandte sich voll Abscheu ab, um nicht sehen zu müssen, wie die anderen »walzten«. Erst, nachdem die Neuvermählten in ihre Privatgemächer geleitet worden waren und die Oberhofmeisterin von Voß erschien, um jedem Zeugen der Hochzeitsfeier das bewußte Stück Strumpfband der Kronprinzessin zu zeigen, zogen sich die Gäste aus dem Schlosse zurück.

Bei der Trauung hatten in den großen Räumen neben dem Rittersaal alle Klassen der Bevölkerung Zutritt, und es waren viele Menschen versammelt, um die neue Kronprinzessin zu bewundern. Hatte doch der König besonders befohlen, daß »alle zugelassen werden sollten, die einen ganzen Rock anhätten«. Und dabei kam er selbst in die Enge mit seiner großen breiten Gestalt, die mit den Jahren immer mehr an Fülle zugenommen hatte. Durch die Menschenmassen mußte der König sich mit seiner Dame, der Witwe Friedrichs des Großen, durchschlängeln. Er gebrauchte dabei tüchtig seinen linken Ellenbogen, während er am rechten Arm die verwitwete Königin nach sich zog: »Braucht euch nicht zu genieren, Kinder,« rief er den dichtgedrängten Bürgern zu, »der Hochzeitsvater darf sich heute nicht breiter machen als die Brautleute.« Die Illumination hingegen hatte der aller Verschwendung und allem Aufwand abholde Kronprinz in Hinsicht auf die schweren Kriegszeiten abgelehnt. Er hatte es den Berliner Bürgern anheimgestellt, das Geld, das sie zur Erleuchtung ihrer Häuser bestimmt hatten, lieber zur Unterstützung armer Kriegerwitwen und Waisen zu verwenden. Und so geschah es auch. Der Hof selbst beteiligte sich daran, und die Einnahme der Vorstellung im Hoftheater wurde ebenfalls zu diesem Zwecke verwendet.

Vom Augenblick ihres Einzugs in Berlin an gewann Luise eine Popularität, wie sie vor ihr nur noch die erste Königin von Preußen, die reizende Sophie Charlotte, die Gattin Friedrichs I., besessen hatte. Unzufrieden waren die Berliner nur mit der Zusammensetzung des Hofstaats der Kronprinzessin, der hauptsächlich aus Mecklenburgern bestand. Die Oberhofmeisterin Voß verdankte ihre Stellung besonders dem Umstand, daß sie mit der Gräfin Jugenheim, der einen morganatischen Gattin des Königs, verwandt war. Die beiden Fräulein von Viereck, Henriette und Doris, wurden zur ersten und zweiten Ehrendame ernannt. Die eine davon, so hieß es, sei die Mätresse des Königs gewesen. Major von Massow wurde Hofmarschall und Herr von Schilden Kammerherr der Kronprinzessin. Er war früher beim Prinzen Ferdinand von Preußen, dem Vater Louis Ferdinands, ebenfalls Kammerherr gewesen.

Eine solche Wahl fand natürlich die schärfste Kritik im Volke. Aber Luises sympathisches Wesen überbrückte alle Unzufriedenheit. Hauptsächlich war es das glückliche Familienleben, das man am Berliner Hofe seit langem vermißt hatte, das sie dem Volke näherbrachte. Weder in der Ehe Friedrichs des Großen noch Friedrich Wilhelms II. hatte man so etwas erlebt. Im Gegenteil, Eifersuchts- und Skandalszenen waren besonders in der Umgebung des Königs, Luises Schwiegervaters, an der Tagesordnung. Er war zweimal morganatisch verheiratet. Das eine Mal mit Fräulein von Voß, der späteren Gräfin Ingenheim, das zweitemal mit der Gräfin Dönhoff, die ihm zwei Kinder gebar. Und die Ritz, alias Gräfin Lichtenau, führte als Hauptmätresse noch immer das Zepter. Auch sie hatte von ihm zwei Kinder, den Grafen und die Gräfin von der Mark. König und Königin führten getrennte Hofhaltungen, und es herrschte zwischen ihnen ein strenges Zeremoniell.

Es muß für die junge Kronprinzessin nicht leicht gewesen sein, sich in diese, für sie vollkommen neue Welt zu finden. Wenn auch nicht alle Mätressen zu gleicher Zeit im der Umgebung des Königs lebten, so erschien doch immer mal eine und machte ihm eine Szene. Die Dönhoff war zwar nach 1791 in die Schweiz geflohen, aber ab und zu fuhr sie wie der Blitz mitten unter die Gesellschaft des Königs, um ihn wieder für sich zu gewinnen. Ein höchst merkwürdiges Licht wirft folgende Szene auf das Leben am preußischen Hof zur Zeit der jungen Ehe Luises. Eines Tages fand im Marmorpalais von Sanssouci ein Konzert beim König statt, an dem wie immer Madame Ritz und ihre Tochter, die Gräfin von der Mark, teilnahmen. Plötzlich wurden die Türen aufgerissen, und Gräfin Dönhoff, die in der Schweiz einem Mädchen das Leben gegeben hatte, erschien mit ihren beiden Kindern im Salon. Sie wollte sich mit Friedrich Wilhelm II. wieder aussöhnen. Alle Anwesenden waren wie vom Donner gerührt, als sich die aufgeregte Frau mit ihren Kindern dem König zu Füßen stürzte und ihm vor allen Leuten die fürchterlichste Szene machte. Er war in höchster Verlegenheit und hatte die größte Mühe, die Gräfin in ein Nebengemach bringen zu lassen, über diesen kühlen Empfang war die Dönhoff so außer sich, daß sie nichts mehr von ihren Kindern wissen wollte, sie dem König in die Arme warf, wütend hinausstürmte, ihren Wagen bestieg und nach Berlin abfuhr. Darauf reiste sie sogleich auf Nimmerwiedersehen nach Lausanne. Ihre Kinder nahm Madame Ritz in Obhut und erzog sie auf Verlangen des Königs.

Nicht nur am Hofe, sondern auch in Berlin unter der Bevölkerung war das Leben ziemlich demoralisiert. Die Ehen wurden unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. außerordentlich leicht geschieden, und die Frauen »waren so verdorben, daß selbst vornehme adlige Damen sich zu Kupplerinnen herabwürdigten, junge Mädchen und Weiber von Stande an sich zu ziehen, um sie zu verführen.« ... Bei Hoffesten plünderten die eingeladenen jungen Offiziere ganz ungeniert die Tafeln und Büfette und benahmen sich wie im Felde vor den Marketenderbuden. »Der Offizierstand, der schon früher ganz dem Müßiggang hingegeben, den Wissenschaften entfremdet war, hat es am weitesten unter allen in der Genußfertigkeit gebracht. Sie treten alles mit Füßen, diese privilegierten Störenfriede, was sonst heilig genannt wurde: Religion, eheliche Treue, alle Tugenden der Häuslichkeit der Alten. Ihre Weiber sind unter ihnen Gemeingut geworden, die sie verkaufen und vertauschen und sich wechselweise verführen.« So die vertrauten Briefe.

Es war kein Wunder, daß man die junge Kronprinzessin in ihrer Unverdorbenheit und Natürlichkeit wie ein vom Himmel gesandtes Wesen betrachtete. Wie aber hat sie sich selbst in dieser Welt zurechtgefunden?

Zunächst half ihr das gesunde fröhliche Naturell, das sie besaß, über alles hinweg. Ferner war ihre große Jugend vielleicht die natürlichste Schranke, die sich zwischen ihr und dem verdorbenen Milieu Friedrich Wilhelms II. aufbaute, ohne daß Luise es selbst wüßte. Wie man vom Salamander annimmt, daß er unbeschädigt durchs Feuer gehen kann, so ging auch Luise in ihrer Unschuld und Unerfahrenheit unberührt durch den Schmutz des sie umgebenden Lebens. Vielleicht erkannte sie es nicht einmal in seinem ganzen krassen Umfang. Ehe es ihr zum vollen Bewußtsein kommen konnte, versank es durch den Tod der Hauptbeteiligten wieder, und vor ihr baute sich ein neues Leben auf, ein Leben, wie sie es verstand und wie es ihrer Wesensart entsprach, denn sie war es, die ihn den Stempel ihrer Persönlichkeit aufdrückte.

Trotz aller Bescheidenheit und Zurückhaltung war sie durchaus nicht fröhlicher Ausgelassenheit und frohen Festen abhold. Im Gegenteil, sie hatte ihre helle Freude daran. Kam sie doch aus dem leichteren Süden von Deutschland, vom Rhein, wo das Blut lebhafter in den Adern fließt, wo die Menschen sich freier und harmloser ihren Vergnügungen und Freuden hingeben, kurz, wo man das Dasein freudiger genießt als im Norden. Luise tanzte für ihr Leben gern und – was man ihr in den schweren Zeiten nicht immer verzieh –, sie ließ sich gern beim Tanzen bewundern und gab deshalb oft zu Veranstaltungen Anlaß, in denen sie in irgendeiner tanzenden Rolle auftrat. Das gehörte zu ihren kleinen Schwächen, richtiger wohl aber zu den Schwächen der Zeit überhaupt, denn an allen anderen Höfen, in Hannover, in Darmstadt, in Weimar, besonders aber später am Hofe Napoleons gehörten Aufführungen dieser Art, an denen sich die Prinzessinnen des Hauses persönlich beteiligten, zum guten Ton. Auch ihre Vorgängerin in der Gunst des preußischen Volkes, die schöne Königin Sophie Charlotte, hatte es getan. Auch deren Feste und Maskenbälle waren berühmt gewesen. Die junge Kronprinzessin gab sich mit rheinischem Übermut den Faschingsfreuden hin. Schon im Jahre 1794 wurde der Karneval am preußischen Hofe zu einem glänzenden Feste. Alle Tanzvergnügen waren sehr beliebt, weil sie eine angenehme Abwechslung in das im großen und ganzen eintönige Hofleben, wie es Friedrich Wilhelm III. einführte, brachten.

Luise tanzte viel, sehr viel. Nach dem Begriff ihrer Oberhofmeisterin und strengdenkender Menschen vielzuviel für eine jungverheiratete Frau. Aber sie war selig, sich diesen Zerstreuungen hingeben zu können, zumal es ihr nach der Verheiratung nicht leicht gefallen war, sich ohne die mütterliche Liebe ihrer Großmutter und ohne die zärtliche Freundschaft aller ihrer Geschwister, mit denen sie bisher in engster Gemeinschaft gelebt hatte, abzufinden. Denn wenn sie auch ihrem Gatten – schon aus Pflichtgefühl und aus innerer Güte ihres unverdorbenen Herzens – sehr zugetan war, so war ihr Friedrich Wilhelm doch noch außerordentlich wesensfremd. Bereits als Braut hatte sie versucht, ihn zu einem höheren geistigen Leben mit fortzureißen. Denn sie selbst war außerordentlich bildungsbedürftig und suchte die Lücken ihres Wissens, so gut sie es vermochte, auszufüllen. Bei Friedrich Wilhelm jedoch scheiterte alle ihre Geschicklichkeit. Er las höchstens sentimentale Moderomane, Räubergeschichten und Bücher über Pferde und Uniformen. Von Musik verstand er nichts. Nur Militärmärsche, Janitscharenmusik und Tänze fanden seinen Beifall. Es war ein Wunder, daß er die kleinen Lieder geduldig und gern anhörte, die Luise ihm bisweilen vorsang. Vielleicht datierte diese Abneigung gegen alle Hausmusik daher, daß er als Kind nur zu oft gezwungen worden war, den Konzerten beizuwohnen, die sein Vater beinahe täglich veranstaltet hatte. Für Kunst hatte er nicht das geringste Verständnis, und seine Kenntnisse in der Malerei beschränkten sich auf rein militärische Bilder, die er nur von diesem Standpunkt aus betrachtete. Selbst die eigenen ungeschickten Zeichenversuche seiner Jugend waren immer nur Karikaturen von Soldaten. Uniformen und alles, was mit seinem Offiziersberuf zusammenhing – ausgenommen der Krieg – interessierten ihn ungemein. Aber für alles Geistige vermochte er nicht das geringste Interesse aufzubringen.

Auch sein Gefühlsleben war grundverschieden von dem seiner Frau. Infolge einer großen Zurückhaltung war es ihm trotz aller Zuneigung und Liebe nicht gegeben, seine Zärtlichkeit für Luise in so reichem Maße zu zeigen, wie es ihrer warmherzigen Natur Bedürfnis war. So fühlte sie sich in der ersten Zeit schrecklich vereinsamt. Ihre Gemütsstimmung kommt besonders in einem Briefe an den Bruder Georg vom 14. Februar 1794 zum Ausdruck, nachdem die Verwandten, vor allem Georg, aus Berlin abgereist waren:

»Nichts kommt dem Schmerz gleich, den Deine Trennung meinem Herzen verursacht. Ich kann mich nicht in den Gedanken finden, daß ich von Dir so weit entfernt leben muß, und dennoch zwingt mich die Wirklichkeit dazu, die mich denn auch alle Bitterkeit dieses Gedankens empfinden läßt. Die Leere in meinem Hause ist wirklich unbeschreiblich, und besonders die Frühstücksstunde ist für mich ganz schrecklich. So ganz allein sitze ich denn da an meinem Fenster, bin aller angenehmen Unterhaltung mit Dir, bester George, beraubt und beschäftige mich allein mit dem Gedanken, wo meine lieben Reisenden sein werden, und alsdann erfolgen tausend heiße Wünsche für Euer Glück, Ruhe und Zufriedenheit. Gestern war ein harter Tag für mich; ich war über alle Beschreibung melancholisch und traurig, kein Mensch von meiner Gesellschaft war heiter, und keiner hatte das Herz, aus Schonung für mich, viel zu sprechen, so daß das Mittagessen in tödlichster Stille vorbeiging. In dem Augenblick, als wir uns setzten, glaubte ich von Tränen erstickt zu werden, wie ich niemand von meinen Verwandten erblickte; ich mußte sie aber ersticken, weil Tränen öfters anders ausgelegt werden können. Genug hiervon, sonst fange ich wieder an zu brüllen, und das wäre sehr zur Unzeit ... Lieber, bester Junge, ich drücke Dich herzlich in Gedanken an mein trauriges Herz und versichere Dich, daß ich Dich mehr liebe als mein Leben.«

Man spürt, daß sie noch nicht eingelebt ist, weder in ihrer Ehe noch in ihrer Umgebung. Der König Friedrich Wilhelm II., der seine Schwiegertochter sehr liebte, hatte für sie das kronprinzliche Palais Unter den Linden einrichten lassen. Sie bezogen es gleich am Tage nach ihrer Trauung. Es waren zwanzig bis fünfundzwanzig Zimmer, wovon wohl ungefähr zehn zu Luises und ihres Gatten Privatgebrauch zur Verfügung standen. In den weiten, ziemlich kahlen und kalt ausgestatteten Räumen kam sie sich in der ersten Zeit sehr verlassen vor. Nur ihr Schreib-, Schlaf- und Ankleidezimmer war einigermaßen gemütlich. Hier verweilte sie am liebsten. Bisweilen wurde sie auch zur regierenden Königin gerufen und mußte ihr bei Tisch Gesellschaft leisten; der alte König war höchst selten an der Tafel seiner Frau. Diese Mahlzeiten waren durchaus nicht nach Luises Geschmack, denn die Königin liebte ihre Schwiegertochter anfangs wenig, und auch Luise hatte nicht viel für die Königin übrig. Später hat sich beider Verhältnis etwas freundlicher gestaltet, obwohl Luise stets die Sonntage und Donnerstage fürchtete, an denen die Königin in Monbijou Cour hielt. Bei derartigen Gelegenheiten mußte Luise sich immer Zwang antun. Es war zum Sterben steif und langweilig, weil die Königin auf die strengste Etikette hielt und sehr altmodisch war. Zum Glück wohnte Friederike mit dem Prinzen Louis ganz in der Nähe, im »Kleinen Palais«. »Bald waren wir drüben bei ihnen, oder sie bei uns, aber immer war man beisammen«, schreibt die alte Voß in ihr Tagebuch. Sie besuchten auch zusammen Theater und Oper, Konzerte und Bälle, Abendunterhaltungen bei den verschiedenen Gesandten und Ministern und in dem gastlichen Bellevue des Prinzen Louis Ferdinand. Beide Prinzessinnen tanzten sich manche Nacht fast zu Tode.

Aber der Einfluß der jungen Schwester, die viel oberflächlicher war als Luise und mit ihren sechzehn Jahren vielleicht auch des Ernstes und der Überlegung entbehrte, war nicht immer von Vorteil für die Kronprinzessin. Infolge ihrer inneren Einsamkeit war Luise, obwohl sie von allen bewundert und verwöhnt wurde, den geringsten Liebenswürdigkeiten und Schmeicheleien zugänglich und für die kleinste Aufmerksamkeit, die man ihrer Person entgegenbrachte, dankbar. So kam es wohl, daß sie sich im Frühjahr 1794, mehr, als es sich nach den damaligen Begriffen für eine Neuvermählte schickte und es der strengen Hofetikette entsprach, dem schönen Prinzen Louis Ferdinand anschloß, dem jungen Helden, von dem die ganze Welt begeistert war, der sich aber auch eines sehr galanten Rufes erfreute. Bereits im Lager vor Mainz, 1793, hatten sie und ihre Schwester ihn gesehen, und Louis Ferdinand, ein großer Frauenverehrer, war schon damals von der Lieblichkeit der beiden jungen Mädchen entzückt gewesen. Friederike entgingen seine heißen Blicke nicht. Sie schrieb zu jener Zeit an ihre Schwester Therese von Thurn und Taxis: »Der Prinz Louis Ferdinand betrachtet uns beide mit seinen durchdringenden Blicken; er ist sehr liebenswürdig.«

Er war nicht nur sehr liebenswürdig, sondern auch einer der schönsten und gefährlichsten Männer seiner Zeit. Die Frauen rissen sich um ihn. Überall hatte er Liebschaften. Zur Hochzeit der Kronprinzessin war er nicht eingetroffen, obwohl man auch ihn erwartet hatte, weil er, wie seine Schwester erzählt, »nur ungern das Heer und die Vicomtesse von Contade« verließ, mit der ihn sehr enge Bande verknüpften. Aber gerade zum Geburtstag der Kronprinzessin, am 10. März 1794, traf er am Hofe ein. »Er war noch größer und schöner geworden.« Mit den nach neuester Mode ungepuderten Haaren, die ihm in weichen Wellen in die Stirn fielen, in seinem außerordentlich eleganten Reiseanzug sah er so eigenartig aus, daß seine Schwester ihn kaum erkannte. Aber nicht nur sie sah die Schönheit und erlag dem außerordentlichen Zauber, den der Prinz um sich verbreitete. Luise mit ihrem für alles Schöne und Edle empfänglichen Herzen, mit ihrer rheinischen Natürlichkeit war sofort von seiner Persönlichkeit gefangen, um so mehr, da der Prinz sich sichtlich bemühte, Eindruck auf sie zu machen. Louis Ferdinand war feurig und leidenschaftlich, ein Charmeur, ein Frauenverführer. Er hatte viele Frauen gekannt, und keine hatte ihm widerstehen können. Außer seiner männlichen Schönheit war es sein genialer, hinreißender Charakter, der ihm alle Frauenherzen im Sturme eroberte. Der Prinz merkte gleich, daß die junge, reizende Kronprinzessin nicht ganz am richtigen Platze am der Seite jenes steifen, ungelenken Mannes war, der kaum die bezaubernde Schönheit und Lieblichkeit seiner Gattin zu bemerken schien oder zu schüchtern und ungeschickt war, um ihr alles zu sagen, was er empfand.

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