Kitabı oku: «UNTERNEHMEN(S)GESUNDHEIT»
EHP – PRAXIS
Hg. Andreas Kohlhage
Die AutorInnen:
Ina Jäkel, Jg. 1961; Pädagogikstudium und sozialtherapeutisches Zusatzstudium an der Humboldt-Universität Berlin, Masterabschluss in Kommunikationspsychologie an der Dresden International University; seit mehreren Jahren in Leitungsfunktionen bei einem gesetzlichen Unfallversicherungsträger; Mitarbeit in Gremien der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und freie Dozentin in den Themenfeldern »Gesundheitsgerechte Kommunikation«, Gesundheitsförderung und Prävention u. a. an der Dresden International University.
Gisbert Stein, Jg. 1958; Pädagogikstudium an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Masterabschluss in Gesundheitswissenschaften an der Leuphana-Universität Lüneburg; zunächst Tätigkeit als Gruppenpsychotherapeut, dann als Verwaltungsleiter in einer Fachklinik für Abhängigkeitskranke. Anschließend übernahm er eine Stabstelle beim Senator für Wirtschaft, Gesundheit und Soziales bei der Hansestadt Lübeck, danach führte er als Geschäftsführer ein mittelständisches Unternehmen. Seit 2009 ist er selbstständiger Trainer und Dozent für Führungskräfte, Supervisor und Business Coach.
© 2016 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationabibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich
Zeichnungen: Matthias Jäkel
Redaktion: Monika Cyran
Umschlagentwurf: Uwe Giese
Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin
Gedruckt in der EU
Alle Rechte vorbehalten
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ISBN 978-3-89797-095-3 (print)
ISBN 978-3-89797-614-6 (epub)
ISBN 978-3-89797-615-3 (pdf)
Inhalt
Vorwort (Herbert Bock)
Einleitung
Aus der Praxis für die Praxis: das Themenfeld Unternehmen(s)gesundheit
Welcher Inhalt erwartet Sie?
Gesundheit in Unternehmen
Situation und Auswirkungen
Prävalenz psychischer Störungen und Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage
Auswirkungen von psychischen Störungen
Auswirkungen und Folgen für Betroffene
Exkurs: Historische Dimension psychischer Störungen
Auswirkungen und Folgen für Angehörige
Auswirkungen und Folgen im Arbeitsumfeld
Auswirkungen und langfristige Folgen von psychischen Störungen für Unternehmen
Führungskräfte als Akteure und Betroffene
Führungskräfte im Netz von Anforderungen
Führungskräfte als selbst Betroffene
Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand von Führungskräften
Einstellungen von Führungskräften gegenüber Menschen mit psychischen Störungen
Warum Führungskräften das aktive Handeln so schwer fällt
Wie findet Personalführung bei psychischen Auffälligkeiten im Unternehmen statt?
Unternehmen im Netz von Anforderungen und ihre Auswirkungen für Menschen mit psychischen Belastungen und Störungen
Präventionsnotwendigkeiten und Präventionsmöglichkeiten in Unternehmen
Verhaltensprävention im Setting Unternehmen
Verhältnisprävention im Setting Unternehmen
Führung als Präventionsinstrument für psychische Gesundheit
EAP: Externe Mitarbeiterberatung, ein Instrument der Sekundärprävention
Wie betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz mit gesundheitsrelevanten Themen umgeht
Arbeits- und Gesundheitsschutz aus Sicht der verantwortlichen Akteure
Erlebter Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen kommunikationspsychologisch betrachtet
Gesundheit als Last – was die Sprache des Gesetzes bei den Beteiligten auslösen kann
Wie gesundheitsrelevante Themen kommuniziert werden
Handeln im systemischen Kontext
Handlungsableitungen für die Praxis
Gesundheit als Lust vermitteln: primärpräventive Strategie im Unternehmen
Reflexionsphasen in Meetings einbauen: zwei Beispiele
Der präventive Nutzen des bewussten Umgangs mit sprachlichen Bildern
Lage- und Handlungsorientierung der Individuen im betrieblichen Gesundheitsmanagement erkennen, beachten und nutzen
Kommunikationskultur situations- und persönlichkeitsgerecht gestalten
Selbstreflexion als Weg zur Achtsamkeit auf allen Ebenen fordern und fördern – Selbstreflexion als Kernelement von Achtsamkeit und Selbstsorge
Selbstreflektiertheit in der Gesprächsführung als Merkmal gesundheitsgerechter Kommunikation im Unternehmen
Unternehmenskommunikation gesundheitsgerecht gestalten
Gesundheitsgerechte Kommunikationskultur: Aspekte für das Unternehmensmanagement
Gesundheitsgerechte Kommunikationskultur: Aspekte für Führungskräfte der mittleren und der unteren Ebene
Anspruch an eine gesundheitsgerechte Kommunikationskultur: Aspekte für das Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement
Das HaSiER -Modell® – Orientierungsangebot für die gesundheitsgerechte Kommunikationsgestaltung in Unternehmen
Das HaSiER-Modell® im Überblick
Anwendungsmöglichkeiten des Modells in der Praxis
Gesundheitsgerechte Kommunikationskultur: Aspekte für das Problemfeld der »psychischen Störungen« in Unternehmen
Handlungsableitungen für den Umgang mit auffälligen Mitarbeitern als Sekundärprävention
Gespräche mit auffälligen Mitarbeitern – Hinweise für Führungskräfte
Wie spreche ich Auffälligkeiten an? – Allgemeine Hinweise
Wie spreche ich Auffälligkeiten an? – ein Fallbeispiel
Besonderheiten in der direkten Kommunikation mit psychisch belasteten oder psychisch gestörten Beschäftigten
Abschließende Gedanken anstelle eines Schlusswortes
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Vorwort
Das vorliegende Buch ist viel mehr als eine wissenschaftlich fundierte Belehrung zu wünschenswerten Führungskompetenzen in einer globalisierten, beschleunigten und verdichteten Arbeitswelt, in deren Rahmen seit Jahrzehnten eine Zunahme an psychischen Erkrankungen von Mitarbeitern Fakt ist. Ina Jäkel und Gisbert Stein ist es gelungen, die einschlägigen Themen zur Prävention von psychischen Erkrankungen auch durch eigene Untersuchungsergebnisse auf den Unternehmenskontext zu beziehen und in Handlungsempfehlungen praxisnah und durch Fallbeispiele veranschaulicht überzeugend zu präsentieren.
Das Buch bietet zunächst eine hoch informative Zustandsbeschreibung psychischer Belastungsfaktoren sowie einen Überblick über deren Auswirkungen und Folgen für den Einzelnen und die Unternehmen in der modernen Arbeitswelt. Um die nötigen Impulse für eine erfolgreiche Prävention psychischer Erkrankungen in Unternehmen wirksam werden zu lassen, wird der Stellenwert von Führungskräften zur Sicherung der betrieblichen Arbeitsund Gesundheitsschutzmaßnahmen herausgearbeitet. Auf der Basis eigener Untersuchungsergebnisse zeigen die Autoren sehr deutlich auf, dass nicht wenige Führungskräfte die Kommunikation von Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen als lästige Zusatzbelastung bewerten, die das eigentliche operative Geschäft behindert.
Im Gegensatz dazu sind entsprechende Aufgaben aus Sicht der Autoren nicht als Pflicht, sondern als wichtige Führungsaufgabe anzusehen. Eine erfolgreiche Realisierung dieser Aufgaben dient letztlich sowohl den einzelnen Mitarbeitern als auch den Unternehmen als Ganzen.
Der Umgang mit gesundheitsrelevanten Themen in Unternehmen wird von Jäkel & Stein aus gesundheitswissenschaftlicher und kommunikationspsychologischer Perspektive beleuchtet und kritisch diskutiert. Handlungsempfehlungen werden u. a. mit dem Ziel aufgezeigt, die kommunikative Vermittlung von Gesundheitsthemen mit Lust als ernsthafte Aufgabe in Angriff zu nehmen. Dabei sind sowohl die eigenen Haltungen zu reflektieren, sprachliche Besonderheiten der Kommunikation zu beachten und Persönlichkeitsbesonderheiten von Mitarbeitern zu berücksichtigen. Dass auch diese Aufgaben – wie das operative Geschäft – im Kontext der Unternehmensziele und der Unternehmenskultur zu betrachten sind, versteht sich für die Autoren von selbst und wird als wesentliche Führungskompetenz an zahlreichen Fallbeispielen veranschaulicht.
Dass Führungskräfte neben ihrer fachlichen Kernkompetenz zunehmend als weitere Kernkompetenz auch ausgewiesene kommunikative Fertigkeiten z. B. bei der Realisierung ihrer Aufgaben der Betrieblichen Gesundheitsförderung benötigen, wird dem Leser des Buches nachdrücklich vor Augen geführt und durch vielfältige praktische Erfahrung bestätigt.
Prof. Dr. Herbert Bock, Dresden im Sommer 2015
Einleitung
Gesundheit als individuelles Phänomen wurde in den letzten Jahren öffentlich immer stärker ganzheitlich und im gesellschaftlichen Kontext diskutiert. Warum auch nicht? Schließlich ist jeder von uns Teil eines oder mehrerer sozialer Gebilde. Ob in der Partnerschaft, der Familie, im sozialen Umfeld von Nachbarschaft, Beruf oder Aus- und Weiterbildung, wir treten in Interaktion mit anderen Individuen und beeinflussen uns in unseren Gedanken, Emotionen, Haltungen und damit im Handeln gegenseitig. Außerdem sind wir geprägt von dem, was global um und mit uns geschieht. Wir sind Element in Mikro- und Makrosystemen mit allem, was wir an Prägungen, Erfahrungen und erworbenen Mustern im Rahmen der Interaktion mit anderen Menschen einbringen und durch andere erfahren.
Seit Gründung der Weltgesundheitsorganisation 1946 besteht Konsens darüber, dass Gesundheit nicht nur »das Freisein von Beschwerden und Krankheit« einschließt, sondern als ein »Zustand des vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens« zu begreifen ist (vgl. WHO 2002).
Nach systemischem Ansatz kann Gesundheit des Einzelnen nur im Kontext mit den heutigen gesellschaftlichen Fragen und im Zusammenhang mit der herrschenden Kultur der Teilsysteme, denen wir angehören, betrachtet werden. Gesundheit ist damit nicht nur Privatangelegenheit, sondern Merkmal, Indikator und Einflussfaktor eines funktionierenden Unternehmenssystems.
In modernen Unternehmen wird dem Thema Mitarbeitergesundheit immer mehr Beachtung geschenkt. Die Ausstattung der Arbeitsplätze, die Umsetzung technischer Arbeitsschutzmaßnahmen und die Minimierung von Arbeitsunfällen haben in den letzten Jahren immer größere Fortschritte zu verzeichnen. Psychische Fehlbelastungen und psychische Erkrankungen bei der Arbeit gewinnen in der öffentlichen Diskussion immer mehr an Bedeutung. Die betrieblichen Akteure des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung ringen gemeinsam mit den Unternehmensleitungen um einen adäquaten Umgang mit dieser Herausforderung, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen von psychisch bedingten Fehlzeiten der Beschäftigten. Deshalb wenden wir uns in den einzelnen Kapiteln immer wieder besonders der psychischen Gesundheit in Unternehmen zu.
Dieses Buch soll vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und unserer Erfahrungen aus der Praxis den Umgang mit dem Thema Gesundheit in Unternehmen hinterfragen und beteiligte Akteure für eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Gesundheitsmanagementpraxis sensibilisieren und motivieren. Gesundheit im Unternehmen systemisch zu analysieren, zu denken, zu ermöglichen und gesundheitsgerecht zu kommunizieren, heißt, den Anspruch zur Förderung der physischen und insbesondere der psychischen Gesundheit bei der Arbeit zu leben. Im Unterschied zu anderen Veröffentlichungen greifen wir die Thematik nicht nur in erster Linie im Sinne von Leitfäden, Checklisten oder Handlungsanleitungen für Führungskräfte auf. Führungsverhalten ist bei der Prävention psychischer Störungen im Arbeitsgeschehen ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt. Es findet jedoch unter Rahmenbedingungen und in individuellen und organisationsspezifischen Mustern statt, die es wesentlich prägen und die es zu reflektieren gilt. Daher blicken wir auf das Gesamtsystem Unternehmen und ermutigen zu einer veränderten und gesunden Unternehmenskultur. Unser Buch richtet den Fokus auf die menschlichen und unternehmerischen Kommunikationsstrukturen mit ihren systemischen Verknüpfungen und damit verbundenen Auswirkungen.
Nur wer Verhalten, Kommunikationsformen, -muster und -strukturen versteht, kann sein eigenes Handeln auf Dauer effizient und zufriedenstellend für sich und andere ausrichten.
Wir wenden uns an Führungskräfte aller Hierarchiestufen, an HR-Verantwortliche, Betriebs- und Personalräte, Personalentwickler sowie alle Interessierten, die zu einem gesunden Unternehmenserfolg, einem zeitgemäßen Umgang mit Gesundheit und damit zur Prävention psychischer Störungen im Unternehmen beitragen wollen. Wenn wir die Akteure der betrieblichen Organisation und Sie als »Leser« in der männlichen Form ansprechen, schließen wir dabei jedes Mal das weibliche Geschlecht mit ein.
Wir stellen systemische Zusammenhänge dar und leiten Handlungsempfehlungen für die unterschiedlichen Akteure in den Bereichen Management, Führung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz ab. Dabei legen wir Wert auf die Anregung zur individuell kritischen Auseinandersetzung der Leserinnen und Leser mit unseren Gedanken und Ideen, denn in erster Linie geht es uns um die Verdeutlichung von Zusammenhängen, Abhängigkeiten, Wechselwirkungen und Verzahnungen innerhalb eines komplexen Kontextes, der in der primär- und sekundärpräventiven Betrachtung des Themenfeldes psychischer Gesundheit, psychischer Belastung und psychischer Störung bei der Arbeit eine Rolle spielt. So werden diesbezüglich das Wechselspiel zwischen verhaltenspräventiven und verhältnispräventiven Gesichtspunkten im Bereich der Primärprävention beschrieben und sekundärpräventive Maßnahmen und Notwendigkeiten im Zusammenhang mit psychischen Störungen aufgezeigt.
Mit unserer langjährigen Erfahrung aus Mitarbeiterführung und Beratungsund Dozententätigkeit im Themenbereich Arbeit und Gesundheit laden wir Sie mit diesem Buch zu einer praxisbezogenen Auseinandersetzung ein. Wir greifen dabei Fallbeispiele und Analysen aus unserer eigenen beruflichen Praxis auf, spiegeln sie an zeitgemäßen wissenschaftlichen Erkenntnissen und entwickeln daraus praxistaugliche Handlungsalternativen für die beteiligten Akteure im Unternehmen.
Ina Jäkel und Gisbert Stein, Berlin und Reinfeld im Juli 2015
Aus der Praxis für die Praxis: Das Themenfeld Unternehmen(s)gesundheit
Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern zunehmend auch in Unternehmen werden psychische Belastungen und Störungen mehr und mehr zum Thema. Als Gründe für Krankschreibungen stehen sie zurzeit noch an dritter Stelle (DAK, 2014, 17). Nach den Prognosen der WHO werden psychische Erkrankungen im Jahr 2020 – hinter Herz-Kreislauf-Beschwerden – an zweiter Stelle der weltweit häufigsten Krankheiten stehen (Deutsches Ärzteblatt 17/2008, 880). Schon seit einigen Jahren bilden sie nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (Richter, 2006, 212 ff.) die Hauptursache bei Frühberentungen. Moderne Unternehmen werden sich künftig aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des demografischen Wandels noch mehr der Thematik annehmen müssen, wollen sie diese gesellschaftliche Entwicklung nicht sträflich ignorieren. Die dramatische Steigerung der Fallzahlen ist u. a. in einer zunehmenden Arbeitsverdichtung und -beschleunigung, einem erhöhten Leistungs- und Konkurrenzdruck, einer ständigen Erreichbarkeit, der damit einhergehenden Grenzverwischung zwischen Arbeit und Privatheit, eigenen Ansprüchen an sich selbst, einer beruflichen und persönlichen Sinnentleerung sowie in einer verbesserten und differenzierten Diagnostik zu suchen. Die Thematik gewinnt infolgedessen zunehmend im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements an Bedeutung. Wie können und müssen Unternehmen reagieren? Was sind die notwendigen Strategien und Interventionen zur Reduzierung und Prävention? Hier werden in der Theorie ein konsequentes betriebliches Gesundheitsmanagement wie auch eine bewusste Selbstfürsorge und Achtsamkeit eines jeden Einzelnen als besonders wirkungsvoll benannt. So hat sich inzwischen im Rahmen des »Betrieblichen Gesundheitsmanagements« ein Klima von Aktivismus für den Bereich der psychischen Belastungen entwickelt, welches mit Hilfe von Einzelmaßnahmen zu partiellen Veränderungen führt. Gesundheit, zunehmend auch psychische Gesundheit, wird immer mehr zum Unternehmen im Unternehmen mit Akteuren, Strukturen, Hierarchieebenen, Zielen, Kennzahlen und damit verbundenem Wettbewerbs- und Wachstumsdenken. Die Gesundheitsquote gewinnt als wesentliche Kennzahl im Gesundheitsmanagement der modernen Großunternehmen mehr und mehr an Bedeutung. Eine erhebliche Senkung der Fehlzeiten lässt sich jedoch noch nicht feststellen, obwohl eine Vielfalt verhaltenspräventiver Maßnahmen für Beschäftigte in Unternehmen angeboten wird. Aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht ist dies zu kurz gedacht und ineffektiv. Die wesentlichen Schlüsselstellen, die zum einen mit den strukturellen Gegebenheiten verbunden sind und zum anderen die persönlichen Einstellungen und Kommunikationsformen der Führungsverantwortlichen betreffen, finden häufig zu wenig Berücksichtigung. In der Praxis lässt sich beobachten, dass trotz Wissens über die Ursachen und die notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von psychischen Störungen, insbesondere seitens der Verantwortlichen, bislang nicht oder nur vereinzelt das entsprechende Handeln erfolgt. Ein Ausflug ins Weltall scheint einfacher zu sein, als innerhalb von Unternehmen ein umfassendes Gesundheitsbewusstsein zu etablieren. Die Gründe hierfür sind so spannend wie vielfältig.
Psychische Störungen werden als abweichendes Verhalten von der Idealnorm gesehen, und die davon betroffenen Menschen werden nicht selten mit Begriffen belegt wie komisch, seltsam, verschroben, schwach, verklemmt, durchgedreht, verrückt, geistesgestört etc. Die gesellschaftliche Einstellung diesen Menschen gegenüber ist oft stigmatisierend und diskriminierend. Trotz der inzwischen vorhandenen Kenntnisse über die enormen Verbreitungszahlen werden »Charakterschwäche« und das »Sich-nicht-zusammenreißen-Können« als persönliche, private Ursache angeführt. Mag dies auch ein Grund für die zögerliche Herangehensweise sein? Oft werden Betroffene gemieden, ausgegrenzt, manchmal sogar verhöhnt. Sicher ist nur: Jeder, ja, jeder Mensch, kann an einer psychischen Störung erkranken, und so wird die eigene Betroffenheit nicht selten zu einem mehrfachen Problem, wie an der Aussage einer 57-jährigen Personalleiterin (die Fallbeispiele in diesem Buch wurden aus Datenschutzgründen so verändert, dass die realen Personen nicht zu erkennen sind) zu sehen ist:
»Wissen Sie, was für mich das Schlimmste ist, womit ich fertig werden muss? – Den Zustand, den ich jetzt habe, habe ich viele Jahre lang bei meinen Mitarbeitern überhaupt nicht ernst genommen und nachvollziehen können. Für mich stellten die sich nur an – waren eben etwas weich und wenig belastbar. Jetzt selbst zu erleben, dass ich aus meinem Tief, meiner Hoffnungslosigkeit nicht mehr rauskomme, macht mir nicht nur große Angst – ich schäme mich auch so, weil ich so vielen Menschen Unrecht getan habe.«
Das Thema psychische Gesundheit wird in Unternehmen oft entweder nur vom verhältnis- oder vom verhaltenspräventiven und personenbezogenen Ansatz her beleuchtet. Bei unserer Betrachtung sind die Einbeziehung von intra- und interpersonellen Kommunikationsebenen sowie die Wirkung sprachlicher Bilder im ex- und internen Kontext von Gesundheitsmanagementprozessen vorgesehen und der Begriff »gesundheitsgerechte Kommunikation«, der sich von »Gesundheitskommunikation« abgrenzt, gewinnt eine sehr bedeutungsvolle Rolle. Es geht dabei nicht darum, »nur« Gesundheit zu kommunizieren. Gesundheit muss bei der Gestaltung von Kommunikationsprozessen und betrieblichen Abläufen einen selbstverständlich integrierten Platz einnehmen, unabhängig von der Funktion und Hierarchieebene der Akteure. Wissenschaftliche Erkenntnisse, für den Leser verständlich und praxisbezogen aufbereitet und integriert, begründen die Analyse des Zustandsbildes und die vorgeschlagenen Handlungsmöglichkeiten. Diese Kombination sensibilisiert für und ermöglicht eine systemische Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen Organisation – Umgang mit psychischen Belastungen – Individuum und Unternehmenskultur. Das Buch leistet damit nicht nur einen Beitrag zu einer verstehbaren Organisation, sondern regt durch den Anstoß zum Um- und Neudenken zu einem ganzheitlichen, gesundheitsgerechten Handeln an. Es leistet so einen Beitrag zur Verbesserung der Unternehmens- und individuellen Gesundheit. Es zwingt den Leser zur selbstkritischen Reflexion des Verhaltens gegenüber anderen und im Umgang mit sich selbst. Der Blick auf die menschlichen und unternehmerischen Kommunikationsstrukturen mit ihren systemischen Verknüpfungen ermöglicht einen bislang nicht geleisteten Ansatz zur dauerhaften Reduzierung und Prävention psychischer Störungen in Unternehmen. Kompetentes Handeln setzt voraus, sich seiner persönlichen Einstellungen, Urteile, Vorurteile, Motive und inneren Leitsätze bewusst zu sein. Das Buch soll somit dazu anregen, sich als Führungskraft, Personalverantwortliche und Prozessbeteiligte das Thema persönlich zu erschließen. Problemfelder zu erkennen und zu reflektieren, welche Bedeutung sie im beruflichen Kontext in der Vergangenheit eingenommen haben und was dies für die aktuelle und künftige betriebliche Realität bedeutet, lässt Rückschlüsse auf Werte und Haltungen zum Thema Gesundheit zu. Nur wer seine Haltung kennt, kann sich auch entsprechend verhalten.