Kitabı oku: «Die Königin des Lichts», sayfa 3

Yazı tipi:

Die Alte kicherte. Jetzt wusste sie, wo die Kinder waren. Sie starrte ins Blätterdach und wetterte: „Nur nicht so frech, du Erdling! Komm runter, wenn dir dein Leben lieb ist. Ich hab dich schon längst gesehen.“

Luzie glaubte nicht, dass die Alte sie gesehen hatte. Die Baumkrone war so hoch und die Blätter so dicht, dass es schier unmöglich war, von unten das Licht zu sehen. Sie lugte über den Nestrand und rief furchtloser, als ihr zumute war: „Dann hast du uns eben gesehen, du alte Hexe. Was willst du?“

„Komm runter, dann sag ich es dir. Du weißt doch, dass du dich nicht verstecken kannst, deshalb heißt du ja Blinki!“

„Na und?! Besser ich heiße Blinki und blinke, als dass ich so stinke wie du. Auch wenn du meinen Freund Erdling nennst, ist dieser Name genauso wie der meine besser als deiner!“

„Ach! Und wie heiß ich deiner Meinung nach?“

„Das ist nicht schwer zu erraten. Du stinkst drei Kilometer gegen den Wind und deine drei Zähne sind wackelig. Du kannst nur Stinki Wackelzahn heißen.“

Max zupfte Luzie am Ärmel. Ihm war es peinlich, so respektlos über die alte Frau zu sprechen, und er wunderte sich, woher Luzie den Mut nahm. Trotzdem musste er lachen. Stinki Wackelzahn, der Name passte hervorragend.

Luzie sah ihn finster an. Immer wenn jemand sie ärgerte oder etwas Unrechtes geschah, gerieten ihre Gefühle außer Kontrolle. So konnte sie ihr Versprechen, sanftmütiger zu sein, nie einhalten. Nun passierte es schon wieder. Verärgert schlug sie mit der Faust gegen den Ast. „Wieso kennt die Alte meinen Spitznamen?“

„Keine Ahnung, vielleicht hat sie uns heimlich beobachtet.“

„Waaas?! Wenn das stimmt, dann weiß die Wackelzahn, wo wir wohnen.“

Max erschrak. Er spähte nach unten, beobachtete die Hexe und erschauderte. „Luzie! Guck mal, die Hexe hängt an den Zweigen und will hoch.“

Luzie lehnte sich über den Nestrand und sah, wie Stinki sich an einen Ast klammerte und dauernd abrutschte. Es war sonderbar, sobald sie ihre Füße vom Boden hob, brauste ein Sturm durch die Weide und peitschte ihr die langen Zweige ins Gesicht. Diese trafen ihren Rücken, ihre Arme und schlugen auf ihre Beine. Die Hexe verlor den Halt, fiel runter und blieb auf dem Boden liegen. Sie wartete, bis der Wind sich legte, und versuchte es erneut. Doch es passierte genau dasselbe wie zuvor. Sobald sie sich der Trauerweide näherte, heulte der Wind durch das Geäst und die Zweige peitschten sie zurück.

Max lachte. „Na, hast du jetzt genug? Hau ab!“

„Halt’s Maul, Erdling! Ich krieg dich noch. Wenn nicht heute, dann morgen. Irgendwann kreuzen sich unsere Wege.“

Luzie duckte sich tiefer ins Nest. Sie drückte Tino enger an sich, schlang ihre Arme um Max und flüsterte: „Was will die Hexe von uns? Hoffentlich haut die bald ab.“

„Vielleicht hat das was mit deinem Licht zu tun und sie will dich fangen.“

„Das glaub ich nicht. Die ist hinter Tino her, das hat sie doch gesagt.“

„Stimmt! Am besten bleiben wir hier und warten, bis sie weg ist.“

Die drei saßen eng beieinander und warteten. Keiner sagte ein Wort. Plötzlich wurde Max ganz verlegen. Er druckste herum, wollte was fragen, traute sich aber nicht. Nach ein paar Minuten gab er sich einen Ruck und sagte mit gespielter Gleichgültigkeit: „Luzie ... zeigst du mir das Licht in deiner Brust?“

Luzie zog schweigend den Pullover hoch und ließ ihr Licht leuchten. Max war wie geblendet. Mitten in ihrer Brust leuchtete ein goldener Punkt und strahlte wie eine kleine Sonne aus ihrem Körper. Er legte seine Hand darauf und fühlte eine wohltuende Wärme. Luzie saß ganz still und ließ es geschehen.

Max legte seinen Kopf auf ihre Brust, kuschelte sich an sie und murmelte aus tiefer Seele: „Meine Blinki, meine strahlende Blinki!“

Plötzlich begriff er, was das bedeutete, und befürchtete einen Wutausbruch. Doch Luzie lächelte ihn an. Es war unbegreiflich! Er nannte sie Blinki und Luzie lächelte.

Verwirrt rückte er ein Stück von ihr ab. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich find Blinki schön!“

Sie knuffte ihn in die Rippen. „Wenn du meinst. Erdling ist auch nicht schlecht.“

Max schloss erleichtert die Augen und genoss Luzies Wärme, die in seinen Körper eindrang. Die Hitze floss durch seine Adern, durchflutete seinen Leib und hinterließ ein wunderbares Glücksgefühl. Max hatte noch nie so ein schönes Gefühl kennengelernt und genoss jede Sekunde an Luzies Seite. Selbst Tino fühlte die Wärme und kuschelte sich näher an sie heran. So saßen sie eng zusammen und vertrauten darauf, dass die Hexe verschwand. Trotz der Gefahr, die noch immer unten lauerte, versank Max in einem wunderschönen Traum.

Er rekelte sich benommen, als Luzie ihn plötzlich anstupste, ihren Pullover runterzog und ankündigte: „Die Hexe ist weg, wir können nach Hause.“

Die Zeit war wie im Flug vergangen und er hatte ganz vergessen, dass sie nur darauf warteten, dass die Hexe verschwand. Er raffte sich auf und fragte verdutzt: „Und wie kommen wir hier runter?“

Luzie zuckte die Schultern. „Ich frag die Weide, sie hat uns hochgeholfen und wird uns gewiss auch wieder runterhelfen.“

Max zog die Augenbrauen hoch. „Wenn du meinst.“

Luzie sprach mit der Weide wie mit einer alten Freundin und bat, sie hinabzulassen. Die Weide schüttelte sich, neigte ihre Krone und schob das Nest auf den Boden.

Luzie bedankte sich, sprang hinaus und rief Max zu: „Bist du bereit, Erdling? Komm, wir rennen heim!“

*

Das goldene Hemd

Drei Tage hatte Maria Luzies Haare kräftig gekämmt, alle Haarsträhnen aus der Bürste gezogen und diese in einer Schachtel gesammelt. Heute, am vierten Tag, fehlten ihr noch einige. Deshalb nahm sie sich an diesem Morgen besonders viel Zeit. Sie bürstete Luzies Haar heftiger als je zuvor und murmelte dazu geheimnisvolle Sprüche. Selbst als Luzie herumquengelte, ließ sie sich nicht davon abhalten und kämmte weiter. Als sie wieder einige Haarsträhnen ausriss, verlor Luzie die Geduld. Drei Tage hatte sie stillgehalten, doch als es nun am vierten Morgen wieder passierte, nahm sie die Bürste, zog sie dreimal durch die Haare, warf sie auf den Tisch und sauste mit Tino zu Max.

Maria betrachtete zufrieden die vielen Haare in der Bürste und ordnete sie der Länge nach auf dem Tisch. Heute wollte sie das Zauberhemd nähen. Es musste weich wie Samt, leicht wie Federn und dünn wie Seide werden. In Luzies Haar steckte die Zauberkraft und diese Zauberkraft sollte das Licht in Luzies Brust unsichtbar machen.

Maria wählte den besten Seidenkokon, den sie in ihrer Sammlung fand, und setzte sich ans Spinnrad. Sie streifte den Faden über ihre Finger, fügte einzelne Haare hinzu und wickelte alles auf eine Spule. Danach webte sie alles zusammen. Sie webte und nähte, nähte und webte. Und während sie flocht und spann, murmelte sie eine Zauberformel nach der anderen:

„Rädchen, dreh dich geschwind,

will heut weben für mein Kind.

Aus goldnem Haar gewonnen,

wird das Garn gesponnen.

Drei wie Vater, Mutter, Kind,

drei miteinander verwoben sind.

Drei heißt die magische Zahl,

drei ist die richtige Wahl.

Wie die Seide rein und fein

soll das Hemd geflochten sein.

Aus Zauberhaar gewonnen,

wird das Hemd gesponnen.“

Maria hatte den ganzen Tag gesponnen, gewebt, genäht und machte nun die letzten Stiche. Sie war so in ihre Arbeit versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie spät es schon geworden war. Ein lauter Schlag und freudiges Hundegebell rissen sie aus ihren Gedanken. Dann hörte sie eine Tür zuknallen und hastige Schritte über den Flur rennen. Luzie lief, gefolgt von Max und Tino, in die Küche, öffnete den Kühlschrank und stellte alles Essbare auf den Tisch.

Maria blickte zur Uhr und bekam ein schlechtes Gewissen. Es war schon Abend und sie hatte noch kein Abendbrot gemacht. Steifbeinig stand sie auf, versteckte das Hemd hinter ihrem Rücken und ging in die Küche. Die Kinder saßen wie Kannibalen am Küchentisch und stopften sich große Scheiben Wurst und Brot in den Mund. Selbst Tino fraß gierig eine riesige Wurst.

Maria traute ihren Augen nicht und fragte verwundert: „Wo kommt ihr denn her? Wieso seid ihr so hungrig?“

Luzie steckte sich gerade ein Stück Speck in den Mund. Sie würgte es mit dicken Backen hinunter und nuschelte: „Aus dem Wald. Wir haben Tino Kunststücke beigebracht und den ganzen Tag noch nichts gesessen.“

„Ihr wart den ganzen Tag im Wald? Wieso kommt ihr denn so spät nach Hause? Max, wissen deine Eltern, wo du bist?“

Max biss ein Stück von seiner Wurst ab: „Jaaa ... bei Luzie.“

„Aber das erklärt immer noch nicht, wieso ihr so spät heimkommt. Wart ihr bei Papa? Der war auch im Wald.“

Die Kinder sahen sich kopfschüttelnd an und verneinten.

„Wo wart ihr dann?“

Luzie druckste herum und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Doch sie begriff, dass sie ihrer Mutter alles erzählen musste.

„Wir haben im Wald eine verfallene Hütte entdeckt. Darin haust eine alte Frau mit ihrem Jungen. Kennst du die zwei?“

„Ich weiß nicht, wo war das denn?“

„Auf dem Weg zur hohen Gracht.“

„Was?! Ihr wart an der hohen Gracht? Aber Luzie! Das ist doch Sperrgebiet!“

„Ich weiß, wir haben nicht gemerkt, dass wir schon so weit gelaufen waren, und standen plötzlich im schwarzen Wald vor der Hütte.“

Maria runzelte nachdenklich die Stirn. „Das kann nur die alte Einsiedlerin gewesen sein. In der Gegend hat mal ein Zwergenvolk gehaust. Die Männer suchten in den Bergen nach Gold und Diamanten. Nachdem sie bei einer Explosion in der hohen Gracht umgekommen sind, zogen die Frauen und Kinder in ein anderes Land. Die Alte blieb als Einzige zurück. Papa ist ihr schon mal im Wald begegnet. Doch meistens versteckt sie sich. Hat sie euch denn gesehen?“

„Und ob!“, knirschte Max. „Die war richtig gruselig und wollte uns Tino wegnehmen.“

„Was? Was wollte sie denn mit dem Hund?“

„Keine Ahnung, Mama. Aber du solltest mal den Jungen sehen, der sieht vielleicht gruselig aus. Und weißt du, wie die Alte ihn nennt? Sie nennt ihn Satan. Wie den Teufel!“

„Nein, so was! Das macht doch keiner. Wie kann man denn einem Kind so einen Namen geben? Vielleicht ist sie doch nicht so harmlos, wie Papa sagt. Ich hab schon mal mit ihm über diese Frau gesprochen. Aber einen Jungen hat er noch nie bei ihr gesehen. Vielleicht sollte Papa die Frau mal beobachten.“

Luzie bemerkte, dass die Mutter etwas hinter ihrem Rücken versteckte, und griff nach ihrem Arm. „Was hast du da?“

Maria drehte sich hin und her. Als Luzie fast vor Neugier platzte, hielt sie ihr das Hemdchen vor die Nase. „Ach, das hab ich ganz vergessen. Das ist für dich. Damit kannst du dein Licht abdecken. Probier mal, ob es funktioniert.“

Luzie riss ihr das Hemd aus der Hand, streifte es über und zog alle Vorhänge zu. Im Dunkeln watschelte sie zu Max und fragte: „Kannst du mich sehen?“

Max schüttelte überrascht den Kopf.

Als Luzie keine Antwort bekam, fragte sie noch mal: „Siehst du mich?“

„Nein! Wie sollte ich? Es ist dunkel.“

Luzie musste die Antwort erst verdauen, doch dann sprang sie jubelnd in die Höhe. „Juhu! Es funktioniert, es funktioniert.“

Luzie hatte mit allen möglichen Sachen versucht, das Licht abzudecken, nie hatte es geklappt. Jetzt war es das erste Mal, dass im Dunkeln kein Lichtschein zu sehen war. Sie zog das Hemd hoch und es wurde wieder hell. Voller Freude schob sie das Oberteil rauf und runter, und so wie das Zimmer hell und dunkel wurde, fragte sie: „Siehst du mich? Und jetzt? Siehst du mich jetzt?“

Max nickte und Max schüttelte den Kopf. Im Zimmer wurde es hell und dunkel. Es war, als würde jemand einen Lichtschalter betätigen und das Licht an- und ausknipsen. Luzie machte es so viel Spaß, dass sie gar nicht mehr damit aufhören wollte. Sie war glücklich, endlich konnte sie bestimmen, wann sie leuchtete und wann nicht.

Als es draußen dämmerte, funkelte ein schelmisches Blitzen in ihren Augen. Sie zwinkerte Max zu und lief hinaus. „Komm, ich bring dich nach Hause.“

Max wunderte sich, warum Luzie ihn begleiten wollte. Die Abkürzung über die Wiese war ein Katzensprung. Er kannte hier jeden Maulwurfhügel und fand auch im Dunkeln zielsicher nach Hause. Es gab also keinen Grund, weshalb sie ihn begleiten wollte.

„Wieso willst du mit? Ich kann allein nach Hause gehen.“

„Das lässt du hübsch bleiben. Ich will doch wissen, ob es draußen auch klappt.“

„Warum soll das denn nicht klappen?“

„Was weiß ich?! Vielleicht ist die Luft zu feucht, das Gras zu nass oder eine Hexe unterwegs.“

Luzie schaute zum Sternenhimmel, drehte sich um die eigene Achse und tanzte wie ein Wirbelwind um Max herum. Dabei hob und senkte sie ihr Hemdchen und vergewisserte sich immerzu: „Siehst du mich, siehst du mich?“

Tino tänzelte vor Max’ Füßen, sodass er Mühe hatte, einen vernünftigen Schritt zu tun.

Luzie versteckte sich vor und hinter Max, zog das Hemd rauf und runter und fragte: „Siehst du mich?“

Als Max verneinte, zog sie ihr Hemd über den Kopf. „Und jetzt?“

Max verdrehte die Augen. „Jetzt seh ich dich.“

Luzie hopste im Zickzack über die Wiese und zog im Zweivierteltakt ihr Hemdchen rauf und runter. Ihr Licht flammte auf und erlosch. Im Mondlicht sah sie aus wie ein Leuchtturm, der alle paar Sekunden ein Lichtsignal sendete.

Max beobachtete sie mit Unbehagen. „Luzie, hör auf! Du flackerst wie eine kaputte Laterne, kein Wunder, dass dich alle Blinki nennen.“

Luzie blieb so abrupt stehen, dass Max glaubte, sie sei auf ihn wütend. Er holte tief Luft und wollte sich rechtfertigen. Doch sie zwinkerte ihm zu und lachte. „Na klar, Erdling. Ich bin Blinki und kann blinken, wo und wann ich will. Ist das nicht herrlich?“

Max verstand die Welt nicht mehr. Es war das erste Mal, dass Luzie sich über den Namen Blinki freute. Als er begriff, was das bedeutete, legte er den Arm um ihre Schultern. „Ja, das ist wunderbar, damit können wir bestimmt herrliche Streiche machen.“

Mittlerweile senkte sich die Nacht hernieder, sie standen am Wiesenrand und Max überlegte: „Wir könnten morgen mit Tino ein Picknick machen. Was hältst du davon?“

Luzie hob ihr Hemdchen und ließ das Licht kurz aufblitzen.

Max zog fragend die Augenbraue hoch. „Und was heißt das jetzt?“

Die Antwort gab Tino. Er bellte einmal kurz und das bedeutete: „Ja.“

*

Satan

Der Wald lag in tiefem Schweigen. Weiße Nebelschleier stiegen vom feuchten Boden auf und hüllten die Bäume in ein gespenstisches Licht. In diesem schummrigen Morgenschein streifte Satan ziellos durch den Wald. Er war wie immer allein: Seine Mutter sonderte ihn von der Außenwelt ab, ließ ihn nicht zur Schule und behauptete, dass er alles, was er brauchte, von ihr lernen würde. Doch das war eine Lüge! Sie vernachlässigte den Jungen und war froh, wenn er den Tag draußen verbrachte.

Satan hatte schnell gelernt, seiner Mutter aus dem Weg zu gehen, und schlich bei Tagesanbruch in den Wald. So wurde er zum Einzelgänger und sein Name verstärkte das Ganze noch. Warum seine Mutter ihn Satan wie den Teufel genannt hatte, wusste er nicht. Doch verwunderlich war es nicht, die Alte selbst war der Teufel in Person.

Obwohl Satan für seine Mutter alles tat, schimpfte sie den ganzen Tag. Sie schlug ihn wegen jeder Kleinigkeit. Nichts konnte er ihr recht machen, dauernd hatte sie etwas auszusetzen. Trotzdem liebte der Junge seine Mutter und war stets bemüht, ihr eine Freude zu machen. In der Hoffnung, ein liebes Wort von ihr zu bekommen, schleppte er täglich Geschenke an. Er schoss Hasen, Rehe, Vögel und hoffte auf ein Dankeschön. Manchmal ging er den ganzen Tag durch den Wald und suchte nach besonders schönen Pilzen. Selbst wenn sie giftig waren, nahm er sie mit. Seine Mutter konnte alles gebrauchen und machte daraus geheimnisvolle Tränke, von denen er nie probieren durfte.

Satans Fuß war ein Stumpen mit verkrüppelten Zehen. Da er es von klein auf nicht anders kannte, hatte er gelernt, damit zu laufen. Ein Paar Schuhe hatte er noch nie besessen. Seine Mutter redete ihm ein, dass er ohne Schuhe besser laufen könne, und hatte ihm zum Schutz vor Dornen und Steinen Hasenfelle um die Füße gebunden. Damit streifte er nun durch die Büsche und stocherte mit einem Stock, den er stets bei sich trug, in jedes Erdloch. Sobald der Stock in einem tiefen Loch versank, griff er mit der Hand hinein und ließ die lockere Erde durch seine Hände rieseln. Er hatte schon einige Löcher durchsucht, als nun seine Finger etwas berührten. Ein Blitzen trat in seine Augen. Er warf den Stock beiseite, legte sich flach auf den Boden und betastete das Erdreich. Plötzlich stieß er auf etwas Weiches. Er presste es zwischen Daumen und Zeigefinger, und als er die Hand herauszog, ringelte sich ein dicker Regenwurm um sein Handgelenk. Satan schnalzte mit der Zunge, legte den Wurm in sein Halstuch und suchte weiter die Erde ab. Aus Erfahrung wusste er, dass hier noch mehr zu holen war. Die Erde duftete nach Wald und feuchtem Moos, dies war ein untrügliches Zeichen für ein gutes Brutgebiet und wurde meistens mit weiteren Würmern belohnt.

Satan drückte nochmals seinen Arm tief in die Röhre, befingerte die Erde und beförderte einen Wurm nach dem anderen ans Tageslicht. Plötzlich fühlten seine Finger etwas Warmes. Ein zufriedenes Lächeln erhellte sein Gesicht. Er hatte es schon oft erlebt und trotzdem verblüffte es ihn immer wieder, wie zielsicher er die richtigen Löcher ausfindig machte. Beherzt griff er zu. Kurz drauf zerrte er fünf nackte Mäuse aus dem Erdreich und stopfte sie in seine Jackentasche. Er nahm das Halstuch mit den Würmern, steckte es in die Hosentasche.

Satan prüfte schnuppernd die Luft. Noch immer lag ein frischer Morgenhauch auf dem Wald und feine Tautropfen hingen wie kleine Perlen an den Blättern. Er atmete tief die frische Luft ein und ging weiter. Sein Blick wanderte zu den Baumkronen und es dauerte nicht lange, da entdeckte er ein Vogelnest. Rasch kletterte er auf den Baum. Das Klettern war mühsam, aber es hatte sich gelohnt: In dem Nest lagen fünf bunt gefleckte Eier. Er stopfte sie in seinen Rucksack und verschwand.

Zufrieden mit seiner Ausbeute folgte er einem schmalen Pfad, der zu einem kleinen Weiher führte. Je näher er dem Gewässer kam, umso feuchter und sumpfiger wurde der Boden. Den Weg trockenen Fußes zu finden, erforderte viel Geschick. Das Sumpfgebiet war tückisch und nur ein erfahrener Waldläufer wie er kannte den sicheren Pfad. Satan bahnte sich durch hohe Gräser und Schilf einen Weg zum Teich. Mittlerweile plagten ihn die Fliegen und kleine Stechmücken krabbelten in seine Haare. Er beeilte sich, aus dem Gewirr der Plagegeister rauszukommen, lief zielstrebig den rutschigen Pfad entlang und erreichte kurze Zeit später das Ufer.

In dem Gewässer wimmelte es von quakenden Fröschen. Die Tiere waren in Paarungsstimmung und leicht zu fangen. Sie hingen zu mehreren aufeinander, sodass er sie mit der bloßen Hand herausfischen konnte. Er steckte einige in den Rucksack, schaute noch eine Weile dem Liebestreiben zu und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war.

Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte und auf den sicheren Waldweg sprang, flogen plötzlich zwei Tauben aus einer Baumkrone heraus. Satan zog blitzschnell einen Kieselstein aus seiner Brusttasche, spannte die Steinschleuder, die um seinen Hals baumelte, und schoss. Der Stein traf sein Ziel, und während die Taube zu Boden fiel, schoss er die zweite vom Himmel. Zufrieden mit seiner Beute verstaute er die Vögel im Rucksack und trat den Heimweg an.

Er war noch nicht weit gekommen, da wehte der Wind leises Gelächter zu ihm herüber. Überrascht blieb er stehen, schirmte mit der Hand die Augen ab und spähte ins Tal. Unten am Bach saßen Max und Luzie und machten mit dem Hund Picknick. Sie lachten, aßen Brote und warfen dem Hund Leckerbissen zu. Die beiden sahen so glücklich aus, dass er kaum hinsehen konnte. Die Harmonie, das Lachen und die Gemeinsamkeit zerrissen ihm beinahe das Herz. Er neigte den Kopf und schielte wehmütig hinüber. Sein Gesicht verlor alle Härte und seine Mimik zeigte eine tiefe Traurigkeit. Plötzlich schossen Tränen in seine Augen. Er wollte nicht weinen, doch er konnte sich gegen das Gefühl, das sich in seiner Brust breitmachte und ihn so traurig stimmte, nicht wehren. Wie gerne hätte er sich zu den beiden gesetzt und mit ihnen gegessen. Doch er traute sich nicht, denn er wusste, überall wo er auftauchte, wurde er vertrieben und keiner wollte ihn haben. Es war ein Fluch, je öfter er vertrieben wurde, desto härter wurde sein Herz und seine Seele verkümmerte von Tag zu Tag mehr. Satans Gesichtsausdruck wurde finster, er wischte mit dem Ärmel die Tränen weg und schlich den Berghang hinunter. An dem gewundenen Bach, der die Wiese vom Wald trennte, kroch er in die dichten Holunderbüsche. Hier hatte er einen guten Überblick und niemand konnte ihn sehen.

Max und Luzie rekelten sich behaglich. Obwohl die Sonne ihren höchsten Stand noch nicht erreicht hatte, war es schon brütend heiß und Tino hechelte mit heraushängender Zunge nach Kühlung. Plötzlich sprang der Hund auf und rannte zum Bach. Luzie folgte ihm und schritt samt Kleidern knietief ins Wasser.

Sie klatschte ihre Hände auf das kalte Wasser und rief: „Max, komm, wir nehmen ein Bad.“

Max dachte nicht daran. Er machte es sich auf der Decke bequem und aalte sich schläfrig in der Sonne. Als er wohlig stöhnte, schlich Luzie mit den Händen voll Wasser heran und spritzte es ihm auf den erhitzten Bauch. Erschrocken sprang er auf.

„Bist du verrückt? Lass das! Oder soll ich einen Hitzschlag kriegen?“

Luzie rannte zum Bach. „Wieso? Komm mit, du Feigling! Oder bist du wasserscheu?“

Max spurtete hinterher. „Von wegen wasserscheu. Du bist wasserscheu! Warte, jetzt gibt’s ’ne Dusche!“

Luzie stelzte durch den Bach. „Fang mich doch, fang mich doch!“

Max schlich sich von hinten an sie heran und spritzte ihr, als sie nicht guckte, eine Fontäne Wasser auf den Rücken. Sie erschauderte, rutschte aus und landete kopfüber im Wasser.

Der Gebirgsbach war kalt und Luzie wollte schnellstens raus. Auf den glitschigen Steinen fand sie aber so schnell keinen Halt, rutschte erneut aus und platschte ins Wasser. Tino fand das Spiel herrlich. Er sprang auf ihren Bauch und leckte ihr das Gesicht. Luzie fuchtelte wild mit den Armen und versuchte aufzustehen, doch Tino schubste sie immer wieder um.

Max stand am Ufer und rief schadenfroh: „Brauchst du Hilfe?“

„Was fragst du? Hilf mir lieber. Du siehst doch, dass ich nicht hochkomme!“

Max ließ Luzie noch eine Weile zappeln, dann watete er zu ihr. Er packte ihre Hand und zog sie zum Ufer. Als sie glaubte, endlich Halt gefunden zu haben, ließ Max plötzlich ihre Hand los und sie platschte wieder ins Wasser. Luzie erwischte Max’ Beine, riss seine Füße vom Boden hoch und tauchte seinen Kopf unter Wasser. Nun waren beide pitschnass und eine wilde Wasserschlacht war im Gange.

Tino nahm Reißaus, schüttelte das Wasser aus seinem Fell und tänzelte bellend am Ufer hin und her. Er lief am Bach rauf und runter und versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch niemand beachtete ihn. Als er merkte, dass sich keiner für ihn interessierte, durchstreifte er die Gegend und beschnupperte die Sträucher. An jedem Busch blieb er stehen und beschnüffelte die Ranken und Blätter. Allmählich näherte er sich den Holundersträuchern, unter denen Satan sich versteckte. Es dauerte nicht lange, da witterte Tino seinen sauren Gestank. Schnuppernd hob er die Nase und lief im Zickzack nach rechts und links. Er kroch unter einen Strauch, schnüffelte hier und dort und knurrte leise. Plötzlich änderte er die Richtung, verschwand unter einem dichten Holunderstrauch und bellte Alarm.

Satan lag keinen Meter von ihm entfernt und starrte Tino direkt in die Augen. Ärgerlich kroch er tiefer ins Gebüsch, brach einen Zweig vom Strauch und fuchtelte Tino damit vorm Maul herum. „Hau ab oder ich brech dir alle Knochen.“

Tino kroch zähnefletschend näher und Satan befürchtete, entdeckt zu werden. Er zog eine Maus aus seiner Hosentasche und wedelte damit vor Tinos Nase herum. Er wartete, bis Tino das Tier neugierig beschnupperte, packte sein Halsband und zerrte ihn in die Büsche. „Komm her, du blöder Kläffer, ich nehm dich mit, du bist ein schönes Geschenk für meine Mutter!“

Tino bellte und bellte, doch niemand hörte ihn. Satan drückte ihm die Schnauze zu und Tino verstummte. Der Hund wälzte sich herum, kratzte mit den Pfoten und versuchte sich zu befreien. Doch es war unmöglich: Satan kniete schnaubend über ihm und hielt ihn mit eiserner Hand fest. Drei, vier Minuten vergingen, dann ließ der Druck nach. Satan passte einen Augenblick nicht auf und seine Hände erschlafften. Das war Tinos Rettung. Er riss sich los, flitzte aus dem Gebüsch und bellte lautstark Alarm.

Endlich hörten Max und Luzie seine Hilferufe. Sie sprinteten aus dem Wasser und erspähten Satan, der Tino verfolgte. Der Hund rannte, so schnell er konnte, zu Luzie und sprang in ihre ausgebreiteten Arme.

Max versperrte Satan den Weg, packte ihn am Hemd und brüllte: „Was willst du hier? Mach, dass du wegkommst!“

Luzie kam mit Tino hinzu und Satan begriff, dass er verloren hatte. Gegen drei kam er nicht an. Aufgeben wollte er aber auch nicht. Er lächelte, zuckte gleichgültig die Schultern und tat, als wolle er weggehen. Doch als er zwei Meter entfernt war, drehte er sich blitzschnell um und rannte zur Decke. Dort trampelte er die Becher und Teller kaputt, schnappte sich den Picknickkorb und flitzte davon.

Max heftete sich an seine Fersen, bekam seinen Rucksack zu fassen und hielt ihn fest. Satan riss sich los und sauste in die andere Richtung. Doch da stand Luzie und hinter ihm blockierte Max den Weg. Tino sprang zähnefletschend an ihm hoch. Er saß in der Falle. Wenn er hier entkommen wollte, musste er sich etwas einfallen lassen. Die Zeit drängte. Luzie hob schon ihre Fäuste und er wollte keine Prügel riskieren. Satan dachte an seine Mutter, überlegte, was sie tun würde, und machte das Gleiche.

Mit einem scheinheiligen Grinsen verbeugte er sich vor Luzie. „Entschuldigung. Das hab ich nicht mit Absicht gemacht, ich bin über die Sachen gestolpert.“

Luzie glaubte ihm kein Wort und ihre Augen funkelten böse. „Was willst du mit dem Korb? Gib ihn her, das ist meiner!“

Satan stand ihr gegenüber und verspürte leichtes Unbehagen. Er warf ihr den Korb vor die Füße und zog unbemerkt die Mäuse aus seiner Hosentasche. Als Luzie sich bückte, setzte er ihr rasch die Tiere in den Nacken.

Luzie fühlte etwas Warmes auf ihrer Haut. „Was ist das? Max, guck mal, was hat der in meinen Pulli gesteckt?“

Max zog ihren Pulli hoch, sah aber nichts. Luzie hüpfte herum und versuchte, das warme Etwas zu entfernen. Max wusste keine andere Lösung und schlug ihr heftig auf den Rücken. Doch das war ein Fehler: Die Mäuse steckten unter ihrem Hemd und durch die harten Schläge zerquetschte er sie. Luzie fühlte, wie eine dickflüssige Masse ihren Rücken runterrutschte. Sie riss das Hemd hoch, bekam es aber nicht aus der nassen Hose und zerriss es fast. Plötzlich gab es nach und die zermatschten Mäuse rutschten heraus. Der Brei verteilte sich auf dem Boden und Luzie starrte angewidert auf die blutige Pampe.

Satan hatte sich inzwischen fortgeschlichen und beobachtete aus sicherer Entfernung seinen gelungenen Streich. Luzie sah, wie er sich hinter einen Busch duckte und schadenfroh grinste. Sie fühlte, wie die Wut in ihr hochstieg und ihre Kräfte wuchsen. Ihr Zorn schwoll an. Sie konnte nichts dagegen unternehmen und rannte zu dem Gebüsch. Mit festem Griff zerrte sie Satan heraus, packte seinen Hals und schüttelte ihn kräftig durch. Die Magie übernahm die Macht über sie. Ihre Kraft wurde größer und Satan war ihr hilflos ausgeliefert. Luzie drückte seinen Hals zu. Er bekam keine Luft mehr, sein Gesicht schwoll an und färbte sich rot.

Max bangte um das Leben des Jungen und schrie: „Luzie, lass los, du bringst ihn ja um!“

Luzie erwachte wie aus einem bösen Traum. Sie löste den Griff, schubste Satan weg und schimpfte: „Glaub nicht, dass du so davonkommst. Das verzeih ich dir nie!“

Satan torkelte benommen einen Schritt zurück und lief verängstigt weg.

Max legte seinen Arm um ihre Schultern. „Lass ihn laufen, Luzie, der Bursche ist es nicht wert, dass du seinetwegen Ärger bekommst.“

Luzie war den Tränen nahe. „Kannst du mir sagen, was der Kerl will? Und was die Schweinerei mit den Mäusen sollte?“

„Ich denke, er wollte uns damit ablenken und sich in Sicherheit bringen.“

„Ich versteh das nicht, Max. Warum lässt der uns nicht in Ruhe? Wir haben ihm doch nichts getan.“

„Ich begreife es auch nicht, vielleicht steckt die Hexe dahinter.“

„Mag sein, Max. Auf jeden Fall müssen wir die beiden beobachten. Die haben irgendetwas mit Tino vor. Der Bursche wollte ihn schon wieder fangen. Es wäre gut, wenn wir ihn verfolgen und mal gucken, was der so treibt.“

Für Luzie war es beschlossene Sache. Sie zog ihren Pulli aus, säuberte ihre Sachen im Bach und legte alles in die heiße Sonne zum Trocknen. Dann zupfte sie die Decke gerade und streckte sich in der Unterhose im heißen Sonnenlicht aus. Max legte seinen Pulli und seine Hose daneben, schlang ein Handtuch um seine Hüfte und ließ sich auch von der Sonne wärmen. Ihre leichten Sommersachen waren im Nu trocken. Es dauerte keine halbe Stunde, da kleideten sie sich an und packten ihre Sachen zusammen.

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