Kitabı oku: «Ein Tag wird kommen», sayfa 3

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* * *

Suor Clara sah aus dem höchsten Fenster hinab, vom höchsten Punkt der Mauern aus, die errichtet worden waren, um ihre Stille noch weiter von der Welt abzuscheiden.

In dem schmalen Hof, den sie von dort oben sehen konnte, gab es nur vertrocknete dunkle Wurzeln, wirre Grasbüschel und widerspenstigen Efeu.

Und wenn man bedachte, dass in demselben schmalen Hof einst drei große Zitronenbäume gestanden hatten, weshalb er den Namen Zitronenhain trug, den die Schwestern hegten und pflegten, wie man in den Häusern des Adels das Tafelsilber pflegt.

An den Erntetagen stieg der frische Duft von unten auf und erinnerte alle daran, dass die Zeit der Marmeladen, der Liköre und der in Alkohol eingelegten Früchte gekommen war.

Behutsam wurden die Zitronen einzeln gepflückt, in Körbe gelegt, die in die Küche und die Vorratskammern geschafft wurden, sodann bearbeitet, geschält, aufs Feuer gesetzt und karamellisiert.

Das war es, was sie alle aufrecht, treu und nahe bei Gott hielt: die Zeit, die jede Schwester mit Sorgfalt und Liebe auf ihre Spitzen verwandte, auf ihren Blütenkranz, auf das Schneiden der Schale einer gelben Zitrone.

Sie wollen uns aus der Welt schaffen, dachte Suor Clara, wir sind Zitronenbäume, sie wollen, dass wir vertrocknen.

So war es mit allem ergangen, was dem Kloster genommen wurde; jeder Baum, jede Zelle, jeder Raum wurde ihnen entzogen, zurückgelassen, um auf ewig verschlossen dem Vergessen anheimzufallen.

Aber sie, die schon lang da war und Zugang zu den alten Inventaren und Rechnungsbüchern hatte, zu den akkuraten Verzeichnissen der Mitgiften, zum Inhalt jeder Lade in den Schränken, als sie noch nicht dazu dienten, Spinnräder aufzubewahren, sie hatte gesehen, wie das Geld der adeligen Familien in die Kassen des Klosters Santa Maddalena floss, sie hatte es verwaltet und das für das Kloster Notwendige beschafft.

Sie wusste, was und wie viel die Nonnen für diese Welt getan hatten, die sie jetzt nicht mehr wollte, die sie wie alte Schuhe in die schmutzigen Winkel verlassener Häuser warf, dem Staub und dem Dämmerlicht anheimgegeben.

Sie hatten die Pächter der Ländereien des Klosters wie Mitglieder einer großen Familie behandelt, der heiligen Familie Gottes, wie Brüder und Schwestern. Niemand hatte mehr Achtung vor den Bauern als die Nonnen, jede Arbeit wurde ihnen entgolten, der Sprechsaal stand ihnen offen, um ihre Ängste und ihre Verzweiflung loszuwerden, ihre missratenen Töchter wurden aufgenommen, um sie zu erziehen, vor dem Altar Christi niederknien zu lassen.

Suor Clara dachte an die Tage des Schweineschlachtens, wenn die Bauern von Serra das Fleisch der getöteten Schweine brachten, ihre Schwarten, ihr Blut. Die Nonnen bereiteten große Kessel voller Kichererbsen, und während die Männer schlachteten, reichten die Schwestern ihnen durch eine Luke Frühstück, Mittag- und Abendessen. Dem Pächter und der Pächterin, die die Schweine gebracht hatten, gaben sie ihren Teil, Knochen, Lendenstücke, Salami und ciauscolo. Jeder bekam das Seine, weil diese Schweine zwar auf dem Grund und Boden der Kirche geboren, aber dazu da waren, den Hunger der Söhne und Töchter Gottes zu stillen.

Schon seit einiger Zeit blickte man in Italien nicht mehr mit Wohlwollen auf die religiösen Orden und war dagegen, dass die Klöster irgendwelchen Besitz haben sollten.

Die Schwestern lebten jetzt in engen Zimmern, wurden von Ort zu Ort versetzt, einige von ihnen wurden von einem Tag auf den anderen in den Süden geschickt, weil sie nicht dazu da waren, Orte und Gegenstände, Gesichter und Umarmungen zu lieben, sondern nur das Bild Gottes, und Gott würden sie überall zwischen Neapel und Triest, zwischen Jesi und Verona finden.

Man wollte sie ausrupfen wie Unkraut, nur ein paar Zimmer hatte Suor Clara retten können, die Küche, ein kleines Refektorium, den Raum für die Novizinnen, das Nähzimmer, aber auch über das Wenige, was wieder ihres geworden war, hatten sie keine Verfügungsgewalt, sie hatten im Namen anderer dafür bezahlt, sie waren Waisen.

Die Pächter hatten neue Herrn, die nicht regelmäßig auf die Felder gingen und die Arbeiten verfolgten, die kein Geld ausgaben, um die Erde blühend und die Bäume grün zu erhalten. Die neuen Herren kamen nur, um die Abgaben einzutreiben, und wenn Schweine zu schlachten waren, ließen sie das die Pächter machen und nahmen das Fleisch dann mit in die Stadt, für die Tafeln der Reichen.

Suor Clara war nicht dumm, scharfsinniger und spitzer hätte sie nicht sein können, angefangen bei den Wangenknochen bis hin zu den Fingerspitzen, Nägeln, Knien, Knöcheln, sie besaß die Fähigkeit, zu zwicken, garstig zu sein, und sie wusste, dass Geld Geld anzog und dass, wenn es einige Kirchen und Klöster mit dem Geld von damals verstanden hatten, dieses karge Land besser zu machen, andere sich hingegen bis zur Trunkenheit am Kelch Christi gelabt hatten, bis hinein in Sünde und Nachlässigkeit.

Aber es war doch auch Geld gewesen, womit Pater Celestino sie freigekauft hatte, sie und all die geraubten Mädchen, bis zu achthundert befreite Sklavinnen.

Daran dachte Suor Clara und stellte sich den Duft der Zitronen vor, der einst vom Hof aus durch die Korridore geflutet war, die Laken und die Stirnen der Nonnen geküsst hatte.

In der Tat bestand ihr Leben aus Gedanken und Blicken, Mienen und Zeichen, Verneigungen, gefalteten Händen und Gewissheiten, und sie war sicher, dass sie ihre Schwestern niemals dem Zugriff dieses Italiens überlassen würde. Dieses Italien, das sie noch als Kind vom Dasein als Klausurnonne abgehalten hatte, jahrelang hatte sie darum gebeten, und sie hatten Nein gesagt. König Vittorio Emanuele hatte ihre Güter beschlagnahmt, ihr Leben inventarisiert, das Noviziat verboten, den Eintritt neuer Nonnen untersagt. Wie alle anderen Orden sollte auch ihrer erlöschen.

Erst der Tod des Grafen Cavour hatte ihnen allen das Überleben ermöglicht, und Suor Clara war überzeugt, dass es Gott aus der Höhe seiner furchtbaren Liebe gewesen war, der dem Leben des Verfolgers Seiner Söhne und Töchter in ebendiesem Moment ein Ende bereitet hatte.

Moretta, rief Suor Anna sie atemlos, blass erschien sie auf der Schwelle des Kontorraums, Suor Clara wandte sich um und ließ von ihren Gedanken ab.

Ihr müsst herüberkommen, sagte Suor Anna, und ihr Gesicht war heller als manche Morgendämmerung über den Feldern von Serra, mit zitternden Händen hielt sie sich am steinernen Türrahmen fest, ihre Stimme war hoch wie ein Gesang, Suor Clara verzog den Mund, jeden Ton, der nicht Musik war, empfand sie als Belästigung wie Männerhände zwischen den Schenkeln.

Etwas ruhiger, Suor Anna, gleich läutet die Glocke zum Nachmittagsgebet, erwiderte La Moretta.

Suor Evelina … Suor Evelina … Mit Tränen der Angst hielt Schwester Anna inne, legte die Hand auf das hölzerne Kruzifix, das sie um den Hals trug. Man hat sie gefunden, erhängt … mit der Kordel des Gewands, fügte sie hinzu.

La Moretta bekreuzigte sich und ging an der Schwester vorbei hinunter zu den Zellen der Nonnen.

Suor Evelina hatte einen Versetzungsbefehl erhalten, ihre Räume reichten nicht für alle, und eine neue, vom Bischof von Ancona sehr geschätzte Nonne sollte kommen und ihren Platz im Kloster einnehmen.

Als sie die Tür öffnete, sah sie die Füße von Suor Evelina unter dem Rock hervorschauen, die Füße einer Leiche.

Sie erinnerte sich, wie sie zum ersten Mal nach Italien gekommen war, klein, schwarz, wütend, und Pater Celestino zu ihr gesagt hatte: Jetzt bist du in Sicherheit, und wie sie das einen Moment lang geglaubt und gedacht hatte, sie würde hier ihre zeriba wiederfinden, ihre Kuh mit den langen Hörnern, die Hühnereier und das Flämmchen der Mutter, das immer im Fenster ihrer Erinnerung brannte.

* * *

Was war ihre Bestimmung? Worauf sollte sie hoffen? Das hatte Zari sich gefragt, jeden Tag zu jeder Stunde, die sich aus der Summe aller Minuten ergab.

Sie hielten sie für hart wie das Ebenholz, aus dem sie gemacht schien, in den Maserungen eine dunkle Gewissheit. Denn durch ihre Augen, die weiß in ihrem Gesicht leuchteten, konnte sie einen zum Niederknien zwingen, durch ihre Hände und ihren Gesang stieg die Stimme Christi auf Erden herab.

Doch das war nicht immer so gewesen, es hatte eine Zeit gegeben, da selbst sie ein Kind gewesen war, ein schwieriges, launisches, lästiges, aufdringliches Mädchen.

Mit dreizehn hatte Zari in ihr Tagebuch geschrieben, dass sie bei der geringsten Grobheit in Rage geraten könne, dass sie imstande sei, jemanden am Schopf zu packen und von den Mauern zu werfen, ihn hinunterfallen zu sehen wie einen ausgespuckten unverdaulichen Brocken.

Als sie zum ersten Mal in ein Kloster gekommen war, hatte Zari den ganzen Tag damit zugebracht, die Außenmauern des Gartens abzusuchen, um ein Loch zu entdecken, durch das sie fliehen konnte.

Eine ältere Schwester war zu ihr getreten, und Zari hatte befürchtet, dass man sie schlagen, an Haaren und Nägeln ziehen würde, doch das war nicht geschehen. Die Schwester hatte sie gestreichelt, hatte zu ihr gesagt, das sei bei jeder von ihnen so gewesen, das sei der Schmerz, den man empfindet, wenn man die Welt draußen zurücklässt und sich in sich selbst und im Kloster einschließt, um Gott zu dienen. Sie würde nie eine Sklavin sein, sondern heilig, rein, gebenedeit, über ihren Schlaf würde der Heilige Geist wachen. Das Kloster war Mutterbrust und jungfräuliche Milch.

Als Mädchen fettete sich Zari Gesicht und Arme mit Olivenöl ein, denn ihre Haut brauchte die Myrrhe, mit der ihre Mutter sie einst eingerieben hatte, und in den italienischen Wintern wurde ihre Haut trocken und spröde.

Sie hatte Sinn für Hohn und Spott und mochte zu strenge Priester nicht, und über solche, die mit forschenden Blicken durch die Stirn hindurch bis in den Rücken zu dringen suchten, machte sie sich lustig, zusammen mit den anderen Zöglingen äffte sie einen Prediger nach, der ihnen allen mit verschwitzten Händen die Geistlichen Exerzitien auferlegte. Und die anderen, weiße Mädchen mit glatten Haaren und immer weicher Haut, lachten.

Als sie sich mit zehn Jahren in den Kopf gesetzt hatte, die Glocken des Klosters zu läuten, weil sie zur Musik eine Neigung verspürte wie andere zur gedeckten Tafel, hatten die Schwestern ihr das verboten und sie zwei Stunden lang in ein Zimmer gesperrt, wo sie in sich gehen und gründlich über den Willen Christi nachdenken sollte.

Als Antwort darauf hatte Zari in der Nacht der Madonna di Loreto die im Kloster vorhandenen Glocken eingesammelt, an einen Stuhl gebunden und sie dann um drei in der Nacht mit einem abgrundtief bösen Gesichtsausdruck geläutet und dadurch die Schwestern geweckt. Man konnte sie nicht in den Keller sperren wie den Wein vom letzten Jahr, damit sie Schimmel ansetzte wie die Marmeladen, sie hatte den feurigen Geist der Musikerin.

Fruchtlos waren alle Versuche geblieben, sie im Zaum und fern der Instrumente zu halten. Als Zari beschloss, dass sie Orgelspielen lernen wollte, konnten die Nonnen nicht anders, als sie den Versuch machen zu lassen, und sie hatte gelernt zu spielen wie die großen Musiker, diese Weißen mit dem buschigen Haar, die in den schönen Häusern Europas zu hören waren. Zari war ein Mädchen aus den Nuba-Bergen, und nach wenigen Jahren spielte sie Orgel wie die besten Organisten Italiens.

Sie war stur, um jeden Preis hatte sie Zimbeln an der Orgel anbringen wollen und eine große Trommel neben den Pedalen, nachts hatte sie alle Partituren in ihre eigene Tonart umgeschrieben.

Jeden Sonntag füllte sich die Klosterkirche, um ihr Talent zu bewundern, die Bauern und ihre Frauen kamen von den Feldern herauf, denn nur sie war imstande, all ihre Ängste zu vertreiben.

Da waren Zari erste Zweifel gekommen, die Schwestern hatten ihr gesagt, sie müsse am Konservatorium studieren und Organistin werden oder als Missionarin in den Sudan gehen, zu ihren Leuten, die Mutter wiedersehen, den Vater, den Bruder, den Schatten der niedrigen Bäume und die Schalen der Kürbisse.

Auch Italien schien sie nicht mehr zu wollen, die Schwestern verschwanden, die Klöster wurden geschlossen.

Niemand dachte, dass eine wie sie für die Klausur gemacht sein könnte, dazu brauchte man Beständigkeit, dazu brauchte man Disziplin, hinter ihren silbernen Gesichtern und ihren goldenen Worten hielten auch sie sie für eine kleine Wilde, ein sanftes Geschöpf Gottes, das vor dem traurigen Los als Analphabetin und Hirsebäuerin errettet worden war.

Aber alle mussten sie sich eines Besseren belehren lassen, die Jahre waren vergangen, die Geschichte hatte versucht, die Nonnen zu verschlucken wie eine bittere Pille, doch sie hatte standgehalten.

Gott hatte sie gerettet, und sie würde Ihn nie verlassen, würde Ihm so nahe sein, dass sie Seinen Geruch wahrnehmen konnte. Zari war Klarissin geworden, Organistin, Kellermeisterin, Sakristanin, Krankenschwester und dann Novizinnenmeisterin, Buchhalterin und schließlich Äbtissin.

Für keine der Nonnen von Serra de’ Conti war sie mehr das schwarze Mädchen, dem man das Beten beibringen musste, dem man erklären musste, was Gnade und was Segen war, sondern das eiserne Antlitz von Suor Clara, die alle beschützt, alle bestraft, alle ernährt und allen Fasten auferlegt.

* * *

Suor Clara erzählte den Novizinnen Geschichten, Geschichten von ihren Nöten und ihren Siegen, um sie die Notwendigkeit des Leidenswegs zu lehren, die Kraft, das Kreuz zu tragen, weil jede Stufe rechten Leidens ein Schritt zu Seiner Verherrlichung war.

Die Jungen dachten, es sei einfach, in der Entsagung zu leben. Von frommen und ehrwürdigen Familien mit Milch und guten Hoffnungen genährt, hatten sie die glühenden Gesichter derjenigen, die die Nacht vor einem lodernden Feuer zubringen, oder sie waren fahl und bleichgesichtig, überzählige Leben, von anderen dazu gebracht, um Aufnahme im Kloster zu bitten, sie bewegten sich ruckartig, eingezwängt, gerade noch so nach Luft ringend in stürmisch bewegter See, die sie mit sich fortriss.

Auch das waren die Klöster gewesen, Suor Cara wusste es wohl: die dunklen Winkel in den Familien, wo man den Staub hinkehrt, der die Luft im Haus erstickend macht.

Sie wusste sie auf den ersten Blick zu unterscheiden und hatte die Aufgabe, die einen wie die anderen zu erziehen: diejenigen, die an Christus dachten wie an einen wollüstigen Liebhaber und sich mit schriller Stimme zu jedem Verzicht bereit erklärten, musste sie an die Härte des Klosterlebens erinnern, an die Verzweiflung der Einsamkeit, die Selbstaufgabe; denjenigen, die mit Tränen in den Augen nur widerwillig niederknieten und die Außenmauern des Klosters absuchten, um eine Lücke, einen Spalt für die Flucht zu finden, musste sie die Hand auf die Schulter legen und das sagen, was auch ihr gesagt worden war.

Egal ob die Mutter sie verraten, ob der Vater sie verjagt oder ob die Geschwister sie gehasst hatten, das Kloster würde sie geborgen halten wie Kristalle in einer Höhle, und vor allem würde sie, Clara, sie beschützen, auch vor sich selbst.

Als sie Nella zum ersten Mal traf, hatte Suor Clara sie gefragt, warum sie hier sei.

Um zu werden wie Ihr, hatte Nella geantwortet.

Und bist du sicher, dass du das willst? Suor Clara hatte dieses Gesicht von reiner, weicher Schönheit zu ergründen versucht, dieses Gesicht aus warmem Fleisch, Wangenknochen wie Milch, Lippen wie Wassermelonen, Haaren wie Rauch.

Nella hatte den Blick gesenkt: Das ist es, was ich will, hatte sie geantwortet, dann hatte sie die Gazellenaugen zu ihr aufgeschlagen, Augen, wie man sie in den Nuba-Bergen hätte finden können.

Nellas Stimme war unschön, ihr Dialekt kaum verständlich, es war schwer vorstellbar, dass eine so raue Stimme zu diesem Renaissancegesicht gehören sollte.

Das Kloster ist ein Ort der Sammlung und des Zwiegesprächs mit dem Herrn, man muss bereit sein, alles, was uns von Ihm entfernen könnte, aufzugeben und draußen zu lassen. Ich habe die Möglichkeit aufgegeben, den Leuten zu helfen, bei denen ich geboren wurde und die mich geliebt und großgezogen haben, um das Wort Christi zu erkennen, um heute hier zu sein. Bist du bereit, das zu tun?

Ich bin bereit.

Du weißt, dass du geloben musst, Keuschheit, Armut und Stillschweigen zu wahren, dass das Kloster lange darauf gewartet hat, Novizinnen aufnehmen zu können, und dass das eine Sache von großer Bedeutung für unsere Gemeinschaft ist, für dein Dorf, eine Sache, die große Opfer und Verantwortung mit sich bringt. Du weißt, dass das Kloster keine Herberge und keine Pension ist. Wenn man hineingeht, kommt man nicht wieder heraus. Bist du bereit, das zu tun?

Ich bin bereit.

Als ich ins Kloster eintrat, war ich die Jüngste von allen, und viele Jahre lang bin ich das geblieben; bevor ich hier nach Serra kam, war ich ein Kind, und sie waren alt, wir waren nur zu sechst in einem Kloster bei Jesi, und ich musste alles für sie tun, was sie nicht mehr für sich selbst tun konnten, ich habe von frühmorgens bis spätabends gearbeitet, ich habe sie gepflegt, saubergemacht, vielen von ihnen habe ich die Augen geschlossen, bist du bereit, das zu tun?

Ich bin bereit.

Da war eine sehr alte Schwester, sie hieß Caterina, Suor Caterina aus Triest, seit Tagen waren die Zuckungen ihrer Krankheit übergegangen in schreckliche Krämpfe, dämonische Laute kamen aus ihrer Brust, jedes Mal, wenn ich sie mit unserem Essen füttern wollte, spie sie alles auf mein Gewand, ihre Augen wurden gelb, sie sprach mit einer Stimme, die nicht die ihre war, sie nahm meine Hände und wollte mich in ihre Finsternis hinüberziehen. Nie bin ich davongelaufen, jedes Mal habe ich mein Kleid wieder saubergemacht, jeden Tag habe ich ihr Essen gebracht, das ich für sie zubereitet hatte, und habe sie gesegnet. Bist du bereit, das zu tun?

Ich bin bereit.

Welchen Menschen liebst du am meisten, Nella? Suor Claras Augen leuchteten vor Kraft.

Das Mädchen war stumm geblieben.

Es muss jemanden geben, der für dich mehr zählt als alle anderen.

Mein So … Bruder, hatte Nella mit einer Lüge geantwortet und dabei die schwarzen Augen wie Knöpfe auf einem hellen zerknitterten Kleid unverwandt geradeaus gerichtet.

Bist du bereit, ihn zu verlassen und ihn zu vergessen, uns alle zu deinen Schwestern zu machen, das Kloster zu deinem Bruder?

Nella hatte einen Moment lang geschwiegen.

Ich bin bereit, hatte sie schließlich gesagt. Aber ich will im Chor singen, hatte das Mädchen hinzugesetzt.

Was für eine Ausbildung hast du?, hatte Suor Clara sie gefragt und auf das Verzeichnis mit Namen und Nachnamen der Anwärterinnen, ihre Familien und Herkunftsorte geschaut. Da stand: Nella Ceresa, Tochter des Luigi Ceresa, Bäcker in Serra de’ Conti.

Keine, mein Großvater hat mir zu Hause Lesen und Schreiben beigebracht.

Sicher weißt du, dass unsere Chorsängerinnen perfekt Italienisch und Latein können, Partituren lesen und imstande sein müssen, zu singen, hatte Suor Clara erklärt.

Das kann ich lernen, hatte Nella gesagt.

Das glaube ich nicht, liebes Kind, du bist schon zu alt, um Sprachen und die Musik zu erlernen, Lesen und Schreiben reichen nicht aus, um Chorsängerin zu werden, aber ich bin sicher, du wirst eine sehr gute Laienschwester. Jede von uns muss den geeigneten Weg finden, Unserem Herrn zu dienen, und nichts ist erbaulicher, als es mit der eigenen Arbeit zu tun. Du kannst zum Beispiel bei Suor Anna in der Küche sein und ihr am Ofen helfen, und wenn das Jahr des Noviziats vorüber ist, können dir deine Fähigkeiten als Bäckerin gewiss nützlich sein, Brot ist die größte Gabe Gottes.

Ich bin keine Bäckerin, hatte Nella zwischen weißen Zähnen hervorgepresst.

Wer wird sich um deinen Bruder kümmern, wenn du hier bist?, hatte Suor Clara kalt erwidert und ihr Verzeichnis zugeklappt, ohne ein Ja oder Nein für sie.

Gott wird sich um ihn kümmern.

Zehn Jahre waren seit jenem Tag vergangen, und jetzt stand Suor Nella reglos an der Tür, in ihrer quälenden Schönheit betrachtete sie die Füße von Suor Evelina und dachte an die Kordeln, Schnüre und Bänder, die auch sie in ihrer Zelle unter der Matratze verwahrt hatte, oft holte sie eins davon heraus, betrachtete es, stellte sich vor, es werde die Waffe ihres Verbrechens.

In jedem ihrer Albträume waren ihre Schenkel voller Blut, das Kind war im Wald gefressen worden, und ihre Mutter sagte zu ihr: Eines Tages wirst auch du blind.

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