Kitabı oku: «Lehrbuch der Psychotraumatologie»
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Prof. Dr. Gottfried Fischer (1944–2013) war Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität zu Köln sowie Gründungsmitglied und Forschungsleiter des Deutschen Instituts für Psychotraumatologie.
Prof. Dr. med. Peter Riedesser (1945–2008) war Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf/Hamburg.
Dr. Adrian Georg Fischer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft an der Freien Universität Berlin.
Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
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UTB-Band-Nr.: 8165
ISBN 978-3-8252-8769-6 (Print)
ISBN 978-3-8385-8769-1 (PDF-E-Book)
ISBN 978-3-8463-8769-6 (EPUB)
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Inhalt
Vorbemerkung zur 5. Auflage
Aufbau des Lehrbuchs und Hinweise für die Lektüre
Abkürzungen
Teil I: Allgemeine Psychotraumatologie
1 Einführung
1.1 Psychotraumatologie als Forschungs- und Praxisfeld
1.1.1 Psychisches Trauma in einem polyätiologischen Modell
1.2 Seelische und körperliche Verletzungen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
1.3 Zur Geschichte der Psychotraumatologie
1.3.1 Naturgeschichte der Psychotraumatologie
1.3.2 Wissenschaftsgeschichte der Psychotraumatologie
1.4 Diagnostik als „Momentaufnahme“: Syndrome der allgemeinen und speziellen Psychotraumatologie
2 Situation, Reaktion, Prozess – ein Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung
2.1 Zur Phänomenologie der traumatischen Situation
2.2 Der Riss zwischen Individuum und Umwelt: Peritraumatische Erfahrung im Modell des „Situationskreises“
2.2.1 Pathogenese des psychischen Traumas
2.2.2 Zur Psychobiologie der peritraumatischen Erfahrung
2.3 Fassen des Unfasslichen – die traumatische Reaktion
2.4 Anpassung an das Trauma: Strukturveränderungen im traumatischen Prozess
2.4.1 Struktur und Dynamik des traumatischen Prozesses
2.4.2 Idiographische Untersuchung traumatischer Prozessverläufe
2.4.3 Kontrolloperationen und Strukturveränderung im traumatischen Prozess
2.4.4 Psychobiologie des traumatischen Prozesses
2.4.5 Die ICD im Kontext
2.4.5.1 Die nosologische Pyramide
2.4.5.2 Die traumatische Ätiologie in Störungsbildern der ICD
2.5 Zusammenfassung von Kapitel 2: Das Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung in seinen wichtigsten Implikationen
3 Differenzielle Psychotraumatologie: Erforschung von Traumafolgen nach dem Verlaufsmodell
3.1 Objektiver Zugang zum Trauma
3.1.1 Typologie traumatischer Situationen
Schweregrad
Häufung traumatischer Ereignisse oder Umstände
Mittelbare vs. unmittelbare Betroffenheit
Gesichtspunkt der Verursachung
Verhältnis zwischen Täter und Opfer
Klinisch relevante Situationsdynamiken
3.1.2 Situationstypologie im Tierversuch
3.2 Subjektiver Zugang zum Trauma
3.2.1 Subjektive Disposition: Die Erwartung des Unerwartbaren
Aktuelle Disposition
Überdauernde Dispositionen
Protektive Faktoren
Risikofaktoren
Differenzielle physiologische Dispositionen
3.2.2 Abwehr-, Coping- und Persönlichkeitsstile
3.2.3 Motivation und Triebdispositionen
3.3 Differenzieller Verlauf der traumatischen Reaktion und des traumatischen Prozesses
3.3.1 Direkte Folgen des Traumas
3.3.2 Differenzielle Betrachtung der mittelbaren Folgen
3.4 Forschungsstrategien der Psychotraumatologie
3.4.1 Methodenintegration am Beispiel der Deprivationsforschung
3.4.2 Forschungsdesigns der Psychotraumatologie
3.4.3 Untersuchungsinstrumente
4 Traumatherapie
4.1 Sozialpsychologische Abwehrprozesse bei Erforschung und Therapie psychischer Traumatisierung
4.2 Krisenintervention
4.3 Gesichtspunkte der postexpositorischen Traumatherapie
4.3.1 Regeln für die Traumatherapie
4.3.2 Psychodynamisch orientierte Ansätze der Traumatherapie
4.3.3 Verfahren der Verhaltenstherapie
4.4 Prinzipien der Psychotherapie traumatischer Prozesse
4.5 Psychotraumatologisch fundierte Psychotherapie (PFP)
4.5.1 Trauma-Akuttherapie nach der MPTT
4.6 Psychotraumatherapie des Körpers
4.7 Psychopharmakotherapie
4.7.1 Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
4.7.2 Trizyklische Antidepressiva
4.7.3 Antipsychotika
4.7.4 Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
4.7.5 Benzodiazepine und Z-Drugs
4.7.6 Spezielle Substanzen und Ausblick
4.7.7 Therapieentscheidungen
5 Prävention
Teil II: Spezielle Psychotraumatologie
6 Holocaust
7 Folter, Krieg und Vertreibung
7.1 Die Folter und ihre Verbreitung
7.2 Die traumatische Situation
7.3 Psychische Folterfolgen
7.4 Symptome als diagnostische Hindernisse
7.5 Nachfolgende traumatische Erfahrungen
7.6 Besondere psychosoziale Faktoren als therapeutische Hindernisse
7.7 Psychotherapeutische Behandlung
7.8 Gegenübertragung oder was geschieht mit den Therapeuten?
7.9 Pharmakologische Behandlung
7.10 Sprachliche Hindernisse in der Behandlung von Folterüberlebenden
7.11 Risiken und Nebenwirkungen für die Therapeuten
7.12 Fazit
8 Kriegstrauma
8.1 Einleitung
8.2 Aktuelle Situation bei Soldaten
8.3 Psychodynamisches Modell der Entwicklung traumaassoziierter psychischer Erkrankungen im militärischen Kontext
8.4 Traumatherapie im militärischen Kontext
8.5 Gruppenprogramm zur werteorientierten Psychotherapie
8.6 Perspektiven der Psychotraumatologie in der Bundeswehr
9 Kindheitstrauma
9.1 Risikofaktoren und protektive Faktoren in der Kindheitsentwicklung
9.2 Situation – Reaktion – Prozess: Das Kindheitstrauma im Verlaufsmodell
9.3 Traumatherapie bei Kindern
9.4 Sexueller Kindesmissbrauch
9.4.1 Soziodynamik und psychotraumatologische Abwehrprozesse beim Thema des sexuellen Kindesmissbrauchs
9.4.2 Gedächtnisforschung und die sog. „False-Memory“-Bewegung
9.4.3 Traumatische Situationsfaktoren und symptomatische Folgen
9.4.4 Täterprofile und Familiendynamik
9.4.5 Glaubhaftigkeitskriterien kindlicher Zeugenaussagen
9.4.6 Traumatischer Prozess und Langzeitfolgen
9.4.7 Psychotherapie
9.4.8 Transgenerationale Weitergabe im traumatischen Prozess
9.4.9 Prävention
9.5 Auswirkung von Kriegsereignissen auf Kinder
10 Vergewaltigung
11 Gewaltkriminalität
Objektive Situationsfaktoren
Dissoziatives Erleben in der traumatischen Situation
Symptomverbreitung und -ausprägung
Psychotraumatisches Belastungssyndrom bei Gewaltopfern: Häufigkeit, Verlauf, Formen
Risikofaktoren für die Entwicklung langfristiger Symptome und Beschwerden
Praxis im Kölner Opferhilfe Modell
Auszüge aus dem Text der Informationsbroschüre für Gewaltopfer aus dem Kölner Opferhilfe Modell
12 Arbeitslosigkeit als psychisches Trauma
13 Lebensbedrohliche Erkrankung als Faktor psychischer Traumatisierung
14 Mobbing
15 Ausblick: Die Zukunft der Psychotraumatologie und die Frage der Ausbildung
Glossar
Literatur
Sachregister
Vorbemerkung zur 5. Auflage
Am 2. Oktober 2013 ist unser Mann und lieber Vater Gottfried Fischer verstorben. Gottfried war Wegbereiter und Vordenker einer neuen wissenschaftlichen Disziplin, der Psychotraumatologie, deren humanistisches Ziel immer war, traumatisierten Menschen zu helfen und zwar – und das ist seine besondere Leistung – durch ein psychodynamisches Verständnis der prozesshaften Abläufe nach seelischen Verletzungen. Durch seinen unermüdlichen Einsatz und seine bedingungslose Hingabe an dieses Ziel ist es ihm gelungen in verschiedensten Einrichtungen z. B. in Köln, Much und Krefeld neue und effektive Hilfsmöglichkeiten für viele Patienten zu schaffen. Auf dieser Basis hat er ein psychodynamisches Traumatherapiemodell (MPPT) entwickelt. Mit diesen Einrichtungen zur schnellen, effektiven Akuthilfe für Traumatisierte gelang es ihm, den Eintritt oder die Chronifizierung von Traumafolgestörungen zu verhindern. Diese Einrichtungen haben bis heute Modellcharakter, der sich unter anderem in dem aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) niederschlägt. Er war ein inspirierender Lehrer mit der seltenen Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge anschaulich und greifbar zu erklären, hiervon zeugt in besonderer Weise das vorliegende Buch.
Unser guter Freund Peter Riedesser, der zweite Autor dieses Lehrbuchs, war bereits am 19. September 2008 verstorben, sodass das Lehrbuch der Psychotraumatologie seine Väter verloren hat. Um die in diesem Buch enthaltenen Ideen weiterhin zu bewahren und kommenden Generationen von Studenten und Lesern aktuell und zugänglich zu halten, haben wir das Lehrbuch in der 5. Auflage überarbeitet. Die Grundgedanken des Buches sollten immer erhalten bleiben und nur bei Aktualisierungen Veränderungen vorgenommen werden. Ich möchte mich für die Mitarbeit herzlich bei den Autoren der jeweiligen Kapitel und dem Ernst Reinhard Verlag für die Unterstützung bedanken.
Berlin, Juli 2020Monika Becker-Fischer und Adrian Georg Fischer
Aufbau des Lehrbuchs und Hinweise für die Lektüre
Das Lehrbuch ist in zwei Hauptteile untergliedert: Allgemeine und Differenzielle → Psychotraumatologie (AP bzw. DP) sowie Spezielle Psychotraumatologie (SP).
Die AP behandelt allgemeine Gesetzmäßigkeiten traumatischen Erlebens und dadurch bedingten Verhaltens, die DP befasst sich mit interindividuellen und intersituativen Unterschieden und Dispositionen von Traumaerleben und Traumaverarbeitung. SP ist an typischen Situationen ausgerichtet wie Traumatisierung am Arbeitsplatz, Gewaltkriminalität, sexueller Kindesmissbrauch usf. Der Gegenstand der Psychotraumatologie wird in den verschiedenen Haupt- und Unterabschnitten aus diesen einander ergänzenden Perspektiven beleuchtet.
Die AP ist in unserem Lehrbuch an einem → Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung ausgerichtet (Abschnitt 2). Die Entstehung von Beschwerden und Symptomen wird aus einem prozesshaften Geschehen, einem Entwicklungsverlauf heraus verstanden. Zudem werden in diesem Modell subjektive und objektive Aspekte der traumatischen Situation systematisch aufeinander bezogen.
Wir hoffen, durch dieses zugleich prozesshaft-dialektische und umwelttheoretische (→ ökologische) Vorgehen eine Alternative zu bieten zu den traditionell statischen und individuumzentrierten Modellen psychischer Krankheitsentstehung, die ein Symptombild überwiegend oder gar ausschließlich aus internen Eigenschaften des Symptomträgers herleiten.
Letzteres Vorgehen hat in der Medizingeschichte eine lange, unglückliche Tradition. So verfuhr schon Hippokrates, als er die depressive Verstimmung und das Krankheitsbild der Depression auf ein Übermaß an schwarzer Galle (melaina chole = Melancholie) im Organismus zurückführte. Alternativ ließe sich natürlich fragen, ob und wieweit sich ein depressives Zustandsbild – weniger voraussetzungsvoll – aus einem Zusammenspiel zwischen Individuum und deprimierenden (aktuellen oder lebensgeschichtlichen) Erfahrungen erklären lässt.
Mit einem dialektisch-ökologischen Ansatz lässt sich durch die Kombination geeigneter Forschungsmethoden (Abschnitt 3.4) prinzipiell ein kausales Verständnis psychotraumatischer Störungsbilder erreichen, so weit es gelingt, an Gruppen und/oder Individuen eine systematische Kovariation zwischen traumatogenen Umweltfaktoren und subjektiven Verarbeitungsprozessen bzw. Verletzungsphänomenen aufzuzeigen.
In der Systematik des Lehrbuchs scheint der Entwicklungsaspekt zu fehlen, ein besonderer Abschnitt zur Psychotraumatologie der Entwicklung etwa. Der Gesichtspunkt der Entwicklung wird jedoch, unserem dialektisch-prozessorientierten Ansatz entsprechend, innerhalb der AP, DP und SP bereits systematisch berücksichtigt. Es handelt sich dabei nicht um eine weitere Zugangsweise oder Forschungsperspektive, sondern um ein allgemeines Merkmal des Gegenstands, wenn wir nämlich das menschliche Leben insgesamt als Entwicklungsprozess verstehen.
Als grammatische Allgemeinbezeichnungen verwenden wir mehr oder weniger beliebig entweder die männliche oder die weibliche Form (z. B. Patientinnen oder Patienten). Wenn das Genus für den Sinn der Passage von Bedeutung ist, wird dies durch kursive Schrift hervorgehoben, z. B. Patientinnen, wenn Frauen gemeint sind und nicht die Gruppe der Patienten oder Patientinnen im Allgemeinen.
Das Glossar am Ende des Buches gibt terminologische Definitionen und klärt außerdem Fachausdrücke, die nicht in allen „Mutterdisziplinen“ der Psychotraumatologie geläufig sind. Im Text wird durch einen Pfeil (→) auf das Glossar verwiesen.
Das Glossar kann natürlich gewisse Grundkenntnisse in Nachbardisziplinen nicht ersetzen. Wir hoffen aber, dass es das Verständnis des Textes erleichtern kann und dass es zugleich dazu beiträgt, dass die interdisziplinäre Disziplin Psychotraumatologie zu einem einheitlichen Gebiet zusammenwächst.
Abkürzungen
ACTH | Adrenocorticotropes Hormon |
AP | Allgemeine Psychotraumatologie |
BICC | Bonn International Center of Conversion |
bPTBS | basales psychotraumatisches Belastungssyndrom |
CAPS | Clinician-administered PTSD-Scale |
CAT | Cognitive-Analytic-Therapy |
CISD | Critical Incident Stress Debriefing |
CS | Konditionierter Stimulus |
DBS | Double-Bind-Situation |
DES | Dissociative Experience Scale |
DESNOS | Diagnosis of extreme Stress not otherwise specified |
DIPS | Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen |
DP | Differenzielle Psychotraumatologie |
DSM | Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der American Psychiatric Association |
DVM | Dialektisches Veränderungsmodell |
EEG | Elektroencephalogramm |
EMDR | Eye Movement Desensitization and Reprocessing |
GABA | Gammaaminobuttersäure |
HHN | Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse |
HTQ | Harvard Trauma Questionnaire |
ICD | International Classification of Diseases |
IES | Impact of Event Scale |
IN-Strategie | Individuell-nomothetische Forschungsstrategie |
IPT | Institut für Psychotraumatologie Köln |
KÖDOPS | Kölner Dokumentationssystem für Psychotherapie und Traumabehandlung |
KOM | Kölner Opferhilfe Modell |
kPTBS | komplexes psychotraumatisches Belastungssyndrom |
KTD | Kölner Therapie Dokumentation |
KTI | Kölner Traumainventar |
LIPT | Leymann Inventory of psychological Terrorization |
M-CID | Münchener composite international diagnostic interview |
MMPI | Minnesota Multiphasic Personality Inventory |
MPTT | Mehrdimensionale psychoanalytische Traumatherapie |
OPD | Operationalisierte psychodynamische Diagnostik |
PDEQ | Peritraumatic Dissociative Experiences Questionnaire |
PET | Positronen-Emissions-Tomographie |
PFP | Psychotraumatologisch fundierte Psychotherapie |
PMT | Professionales Missbrauchstrauma |
PTBS | Psychotraumatisches Belastungssyndrom |
PTSD | Posttraumatic Stress Disorder |
PTsfD | Posttraumatic Self Disorder |
PTSS | Posttraumatic Symptom Scale |
RCT | Rehabilitation Center for Torture Victims |
SCID | Structured Clinical Interview for DSM III |
SCL-90-R | Symptom Checklist, 90 Items, revised |
SIT | Stress Inoculation Training |
SKPP | Fragebogen zu sexuellen Kontakten in Psychotherapie und |
Psychiatrie | |
SP | Spezielle Psychotraumatologie |
SUD-Skala | Subjective Units of Discomfort |
TKS | Traumakompensatorisches Schema |
TS | Traumaschema |
UCR | Unkonditionierte Reaktion |
UCS | Unkonditionierter Stimulus |
VI-Strategie | Variablenisolierende (Forschungs-)Strategie |
VS | Victimisierungssyndrom |
ZNS | Zentralnervensystem |
ZTST | Zentrales traumatisches Situationsthema |
Teil I:
Allgemeine Psychotraumatologie
1 Einführung
1.1 Psychotraumatologie als Forschungs- und Praxisfeld
Ideen liegen manchmal in der Luft – und Namen dafür auch. Seit einigen Jahren hatten wir, eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen aus Psychologie, Medizin, Rechtswissenschaft und vor allem aus Psychoanalyse und Psychotherapie, uns Gedanken gemacht über die Notwendigkeit, psychische Traumata näher zu erforschen. Da dieses Thema unseren sonst recht unterschiedlichen Praxisfeldern gemeinsam war, entstand die Idee, ein Forschungsinstitut zu gründen, das sich mit der Auswirkung von psychischer Traumatisierung auf Entstehung und Verlauf von Krankheiten, psychischen und psychosomatischen Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten beschäftigen sollte. Die Frage war, wie sollte dieses Institut heißen. Unsere ersten Ideen knüpften an schon etablierte Fachdisziplinen an mit Vorschlägen wie Institut für „medizinisch-psychologische Forschung“ oder bewegten sich in noch weiteren Wortkombinationen wie Medizinisch-Psychologisch-Psychosomatisches Forschungsinstitut usf. Wir verblieben also mit unserer Namenssuche zunächst innerhalb der schon etablierten Disziplinen. Eher zufällig fanden wir dann einen Namen für das, womit wir uns in den praktischen Projekten, die wir damals schon betrieben, auch tatsächlich beschäftigen: eine interdisziplinär ausgerichtete Lehre von psychischen Verletzungen und ihren vielfältigen negativen Folgen für die davon Betroffenen. So entstand schließlich die Bezeichnung Psychotraumatologie, ohne dass wir bewusst eine Wortneuprägung angestrebt hätten. Uns war dabei auch nicht klar, dass dieser Ausdruck bisher noch gar nicht eingeführt war. Er gab ganz selbstverständlich das wieder, womit wir uns befassten: Fragen der Auswirkung von Kindheitstraumen in psychotherapeutischen und psychoanalytischen Behandlungen, Therapie von Exilanten und Opfern von Krieg und politischer Verfolgung, Folgen sexueller Übergriffe in Psychotherapie und Psychiatrie, Diagnosemitteilung bei lebensbedrohlichen Krankheiten, seelische Belastungen bei Katastrophenhelfern und Schadensersatzansprüche nach Verkehrs- oder Arbeitsunfällen. Der Ausdruck Psychotraumatologie bot sich an als gemeinsamer Nenner all dieser Themenbereiche. Am 19.5.1991 gründeten wir nach etwa eineinhalbjähriger Vorbereitung in Freiburg das „Institut für Psychotraumatologie“, um einen Rahmen zur Koordinierung der verschiedenen Forschungsinteressen zu haben. Die Vorsilbe „Psycho“-Traumatologie hatten wir gewählt zur Abgrenzung von der chirurgischen Traumatologie, ein Fach, das an fast allen Universitätskliniken der Bundesrepublik als klinische Einheit und Unterrichtsfach vertreten ist.
Es ist nun interessant zu sehen, dass sich in den USA eine ganz ähnliche Diskussion ergeben hatte und ähnliche Überlegungen zu einer vergleichbaren Benennung führten. Dort befasst sich schon sehr viel länger als in Deutschland ein Kreis von Wissenschaftlern systematisch mit der Erforschung von schweren und schwersten Stressphänomenen. Wegweisend war die Publikation „Stress-Response-Syndromes“ von Mardi Horowitz, einem Psychiater und Psychoanalytiker aus San Francisco (1986). Eine Akzentverschiebung auf „traumatischen“ Stress, die bei Horowitz schon angelegt ist, führte schließlich zur Bezeichnung der so genannten nach-traumatischen Belastungsstörung, dem „posttraumatic stress disorder“, wie sie in das „Diagnostische und Statistische Manual“ (DSM) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (1994 in seiner vierten Fassung erschienen) eingegangen ist. Hier werden die Begriffe Stress und Trauma eng miteinander verbunden, was vom intuitiven Sprachgefühl her nicht ganz unproblematisch ist. Wir werden später auf Fragen der Terminologie zurückkommen. Hier sei nur soviel angemerkt: Im täglichen Sprachgebrauch unterscheiden wir deutlich zwischen Trauma und Stress. Trauma wird eher als seelische Verletzung verstanden, während Stress eine recht alltägliche Erscheinung ist. Jeder leidet bisweilen darunter und kommt doch irgendwie damit zurecht. Trauma nimmt eher die Konnotation von Leiden und Kranksein an.
Möglicherweise aus dieser sprachlichen Intuition heraus verwandten die Kinderpsychiater Donovan und McIntyre in einer Veröffentlichung mit dem Titel: „Healing the hurt child: A Developmental-contextual approach“ im Jahre 1990 weltweit zum erstenmal den Ausdruck „Traumatology“, wie eine Computerrecherche ergab. Donovan war sehr erstaunt, als er später als Vater dieser Wortprägung entdeckt wurde. Er und sein Kollege McIntyre hatten gar nicht die Absicht gehabt, einen neuen Terminus einzuführen. Sie befassten sich mit den verheerenden Langzeitfolgen psychischer Traumatisierung bei Kindern und bezeichneten ihre Arbeit ganz selbstverständlich als Beitrag zur „Traumatology“ (Donovan 1991, 433). „Healing the hurt child“: das verletzte Kind zu heilen und als Voraussetzung für die Heilung die seelischen Verletzungen und Wunden zu beschreiben, darum war es den beiden Kinderpsychiatern gegangen. Die Wortfindung war hier ebenso „natürlich“ und intuitiv verlaufen wie bei unserer Freiburger Institutsgründung. Für eine wissenschaftliche Disziplin muss das nicht unbedingt ein Nachteil sein. Deutlicher als bei „ausgedachten“, mühsam entwickelten Kunstwörtern können wir in solchen Fällen von einem terminologischen Bedarf ausgehen, der aus der Praxis entsteht und auch in praktischen Anforderungen begründet ist.
Für Donovan hat der Ausdruck „Traumatology“ programmatischen Charakter. Er grenzt ihn zunächst von der chirurgischen Traumatologie ab und kommt dann auf das erweiterte besondere Forschungsfeld zu sprechen, das der Ausdruck bezeichnen soll:
„Der Ausdruck ,Traumatologie‘ ist nicht neu in der Medizin. Traditionellerweise bezeichnet er einen Zweig der Chirurgie, der sich beschäftigt mit Wunden und Behinderungen, die von einer Verletzung stammen. Unsere Verwendung jedoch spiegelt das Entstehen eines genuinen Forschungsfeldes wider, das aus Bemühungen entstanden ist, die früher als disparat wahrgenommen wurden. Bei allem Respekt, den wir den vielfältigen mikrokosmischen Universen des menschlichen Körpers schulden und der Komplexität seiner Reaktion auf physische Verletzungen, so bezeichnet unsere Verwendung des Begriffs Traumatologie doch ein viel breiteres, ein wirklich umfassendes Feld, ein schon existierendes Forschungsfeld, das darauf wartet, erkannt, organisiert und entwickelt zu werden – ganz ähnlich wie ein Land darauf wartet, entdeckt zu werden“ (Donovan 1991, 433, Übersetzung G. F.).
Für Donovan stellt also Traumatologie ein übergeordnetes Gebiet dar, das die chirurgische Traumatologie als ein besonderes Fach einschließt. Er kommt zu folgender Definition:
„Traumatologie ist das Studium der natürlichen und vom Menschen hervorgerufenen Traumata (vom ,natürlichen‘ Trauma, von Unfällen und Erdbeben bis hin zu den Schrecken unbeabsichtigter oder auch beabsichtigter menschlicher Grausamkeit), von deren sozialen und psychobiologischen Folgen und den prädiktiven/präventiven/interventionistischen Regeln, die sich aus diesem Studium ergeben“ (434).
Donovan betont, dass die Traumatologie seiner Meinung nach ein neues, in sich zusammenhängendes Forschungsfeld darstelle und als solches betrieben werden sollte. Er führt einige Ansätze an, die als Vorläufer dieser künftig zu entwickelnden Disziplin betrachtet werden können, die aber bezeichnenderweise im etablierten Wissenschaftsbetrieb mehr oder weniger untergegangen seien, so etwa die Erforschung traumatischer Sozialisationserfahrungen, die in der modernen „biologischen Psychiatrie“ heute kaum noch Beachtung finde. Ein ähnliches Schicksal hätten viele Bereiche traumatologischer Forschung erfahren. In verschiedenen Disziplinen führen sie eine Rand- oder Schattenexistenz. Sie haben sich bisher nicht zu einer konsistenten Theorie und Bestimmung eines Forschungsfeldes zusammengefunden. Desto notwendiger erscheint Donovan ein transdisziplinärer Forschungsansatz „Traumatologie“, der in sehr unterschiedliche Felder hineinreicht. Traumatologie sei notwendigerweise so komplex, dass sie sehr unterschiedliche Bereiche von Forschung und klinischer Erfahrung einbeziehen müsse, wie etwa: „Cognitive studies; developmental, clinical and research psychology; medicine, anthropology; epidemiology; and even education research“ (loc. zit.).
Eine so umfassende Konzeption des neuen Forschungsgebietes blieb nicht unwidersprochen. Schnitt (1993) argumentiert zunächst, dass der Begriff „Traumatologie“ schon von der Chirurgie belegt sei. Er äußert im Übrigen die Befürchtung, eine neue Bezeichnung und die Abgrenzung eines neuen Forschungsgebietes könne die von Donovan beklagte Aufsplitterung des traumatologischen Wissens sogar noch weiter fördern und zu Separatismus führen. In seiner Erwiderung hält Donovan (1993) an Programmatik und Namen der neuen Disziplin fest und betont vor allem die Chance, bisher verstreute Wissensbestände zu integrieren. Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage, ob angesichts der Komplexität des Wissens und der Dringlichkeit seiner praktischen Umsetzung nicht möglicherweise auch eine eigene Berufsgruppe ausgebildet werden sollte. Donovan beurteilt eine solche Möglichkeit grundsätzlich positiv, während Schnitt Dilettantismus befürchtet und den Berufsabschluss in einer traditionellen Disziplin als Voraussetzung für praktische traumatologische Tätigkeit betrachtet.
Zumindest für den deutschen Sprachraum scheint es uns sinnvoll zu sein, den Ausdruck Psycho-Traumatologie zu verwenden, unter anderem in Abgrenzung von der Chirurgischen Traumatologie. In ihrem Lehrbuch beschreiben Kuner und Schlosser (1988) die Geschichte der chirurgischen Traumatologie folgendermaßen:
„Die Erkennung und Behandlung von Unfall- und Verletzungsfolgen gehört zu den ältesten Zweigen ärztlicher Tätigkeit. Verletzungen des Menschen durch Unfälle als Folge menschlicher Auseinandersetzungen sind so alt wie die Menschheit selbst, und in der Notwendigkeit, dem verletzten Mitmenschen zu helfen, liegt die Wurzel jeder Traumatologie“.
Psycho-Traumatologie, die Untersuchung und Behandlung seelischer Verletzungen und ihrer Folgen hat sicher ein ähnliches therapeutisches Ziel wie die chirurgische Traumatologie. Es ist aber aufschlussreich, dass sich eine solche Disziplin erst heute, also sehr viel später als die Wissenschaft von den körperlichen Wunden zu bilden beginnt. Haben die Menschen ihre seelischen Wunden bisher vernachlässigt, vielleicht schon deshalb, weil sie im Unterschied zu den körperlichen unsichtbar sind? Wir kommen im Folgenden Abschnitt auf diese Frage zurück. Jedenfalls stellt eine explizit psychologische und psychosomatische Traumatologie in der Geschichte der Medizin ein Novum dar. Dies sollte in der Bezeichnung auch zum Ausdruck kommen und terminologisch nicht mit der traditionellen medizinischen Traumatologie konfundiert werden. Eine Gefahr dieser Begriffswahl besteht vielleicht darin, das Gebiet zu stark zu verengen, so dass der fächerübergreifende Bezug, den Donovan mit seiner Programmatik fördern möchte, gefährdet wird. Diese Gefahr erscheint uns allerdings geringer als die komplementäre einer erneuten Vernachlässigung der menschlichen Erlebnissphäre, wie sie leider in der Medizin und sogar in der Psychologie lange Zeit zu beklagen war. Als terminologisches Anhängsel einer erweiterten medizinischen „Traumatologie“ sähe die neue Disziplin einem ungewissen oder, angesichts der bisherigen Erfahrungen, wohl sogar gewissen Schicksal entgegen. Der Ausdruck Psycho-Traumatologie soll die Aufmerksamkeit auf die menschliche Erlebnissphäre richten. Dabei dürfen die somato-psychischen und psycho-somatischen Wechselbeziehungen natürlich nicht vernachlässigt werden. Ebenso wenig die sozialen Bezüge der menschlichen Erfahrungswelt. Die Verletzungen jedoch, von denen das neue Gebiet handeln soll, liegen nicht primär im körperlichen und auch nicht vage in einem irgendwie konzipierten „sozialen Bereich“. Betroffen ist auch keine behavioristische „black-box“ oder sonst ein „Konstrukt“, sondern das verletzbare, sich-empfindende und sich-verhaltende menschliche Individuum, wenn es in seinen elementaren Lebensbedürfnissen bedroht und verletzt, in seiner menschlichen Würde und Freiheit missachtet wird. Psychologie als die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten kann hier zentrale Beiträge leisten, wenn sie sich nicht schon im Vorhinein ihres eigentlichen Gegenstandes entledigt, wie dies der → Behaviorismus tat. Von einer „Verhaltens-Traumatologie“ zu reden, wäre zumindest im deutschen Sprachverständnis einigermaßen widersinnig. Das Festhalten dagegen am Bezugspunkt einer je besonderen, individuellen Erlebnissphäre schafft erst die begriffliche Voraussetzung für eine Lehre von den psychischen Verletzungen, ihrem „natürlichen“, unbehandelten Verlauf und den Möglichkeiten ihrer therapeutischen Beeinflussung. Wie in den folgenden Abschnitten noch deutlich wird, verstehen wir den Ausdruck „Psycho-“ in Psychotraumatologie im Rahmen eines „Mehr-Ebenen-Konzepts“ von der psychosozialen und physischen Wirklichkeit. Die psychische Ebene wird darin als eine Differenzierungsform der körperlich-physischen gesehen. Sie stellt zugleich eine Individuierung, eine Besonderung der gesellschaftlich allgemeinen Kommunikations- und Beziehungsformen dar. Von daher muss die Psychotraumatologie unter sozialen und physiologisch-somatischen Gesichtspunkten zugleich betrieben werden. Ihr zentraler Bezugspunkt ist jedoch die menschliche Erlebnissphäre, die nicht weniger verletzbar, in ihren Funktions- und Regulationsbedingungen nicht weniger stör- und „kränkbar“ ist als die körperliche Ebene des psychophysischen menschlichen Weltverhältnisses.