Kitabı oku: «Der Freigeist», sayfa 6

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Achter Auftritt

Henriette. Lisette. Theophan.

Henriette. Nun? Theophan, habe ich Sie nicht zu einem artigen

Anblicke verholfen?

Theophan. Sie sind leichtfertig, schöne Henriette. Aber was meinen Sie für einen Anblick? Kaum daß ich die Hauptsache mit Mühe und Not begriffen habe.

Henriette. O schade!—Sie kamen also zu langsam? und Adrast lag nicht mehr vor meiner Schwester auf den Knien?

Theophan. So hat er vor ihr auf den Knien gelegen?

Lisette. Leider für Sie alle beide!

Henriette. Und meine Schwester stand da,—ich kann es Ihnen nicht beschreiben,—stand da, fast, als wenn sie ihn in dieser unbequemen Stellung gerne gesehen hätte. Sie dauern mich, Theophan!—

Theophan. Soll ich Sie auch bedauren, mitleidiges Kind?

Henriette. Mich bedauren? Sie sollen mir Glück wünschen.

Lisette. Aber nein; so etwas schreit um Rache!

Theophan. Und wie meint Lisette denn, daß man sich rächen könne?

Lisette. Sie wollen sich also doch rächen?

Theophan. Vielleicht.

Lisette. Und Sie sich auch, Mamsell?

Henriette. Vielleicht.

Lisette. Gut! das sind zwei Vielleicht, womit sich etwas anfangen läßt.

Theophan. Aber es ist noch sehr ungewiß, ob Juliane den Adrast wiederliebt; und wenn dieses nicht ist, so würde ich zu zeitig auf Rache denken.

Lisette. Oh! die christliche Seele! Nun überlegt sie erst, daß man sich nicht rächen soll.

Theophan. Nicht so spöttisch, Lisette! Es würde hier von einer sehr unschuldigen Rache die Rede sein.

Henriette. Das meine ich auch; von einer sehr unschuldigen.

Lisette. Wer leugnet das? von einer so unschuldigen, daß man sich mit gutem Gewissen darüber beratschlagen kann. Hören Sie nur! Ihre Rache, Herr Theophan, wäre eine männliche Rache, nicht wahr? und Ihre

Rache, Mamsell Henriette, wäre eine weibliche Rache: eine männliche

Rache—nun, und eine weibliche Rache—Ja! wie bringe ich wohl das

Ding recht gescheut herum?

Henriette. Du bist eine Närrin mitsamt deinen Geschlechtern.

Lisette. Helfen Sie mir doch ein wenig, Herr Theophan.—Was meinen Sie dazu? Wenn zwei Personen einerlei Weg gehen müssen, nicht wahr? so ist es gut, daß diese zwei Personen einander Gesellschaft leisten?

Theophan. Jawohl; aber vorausgesetzt, daß diese zwei Personen einander leiden können.

Henriette. Das war der Punkt!

Lisette (beiseite). Will denn keines anbeißen? Ich muß einen andern Zipfel fassen.—Es ist schon wahr, was Herr Theophan vorhin sagte, daß es nämlich noch sehr ungewiß sei, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe.

Ich setze sogar hinzu. Es ist noch sehr ungewiß, ob Herr Adrast Mamsell Julianen wirklich liebt.

Henriette. O schweig, du unglückliche Zweiflerin. Es soll nun aber gewiß sein!

Lisette. Die Mannspersonen bekommen dann und wann gewisse Anfälle von einer gewissen wetterwendischen Krankheit, die aus einer gewissen Überladung des Herzens entspringt.

Henriette. Aus einer Überladung des Herzens? Schön gegeben!

Lisette. Ich will Ihnen gleich sagen, was das heißt. So wie Leute, die sich den Magen überladen haben, nicht eigentlich mehr wissen, was ihnen schmeckt, und was ihnen nicht schmeckt: so geht es auch den Leuten, die sich das Herz überladen haben. Sie wissen selbst nicht mehr, auf welche Seite das überladene Herz hinhängt, und da trifft es sich denn wohl, daß kleine Irrungen in der Person daraus entstehen.– Habe ich nicht recht, Herr Theophan?

Theophan. Ich will es überlegen.

Lisette. Sie sind freilich eine weit bessere Art von Mannspersonen, und ich halte Sie für allzu vorsichtig, als daß Sie Ihr Herz so überladen sollten.—Aber wissen Sie wohl, was ich für einen Einfall habe, wie wir gleichwohl hinter die Wahrheit mit dem Herrn Adrast und der Mamsell Juliane kommen wollen?

Theophan. Nun?

Henriette. Du würdest mich neugierig machen, wenn ich nicht schon hinter der Wahrheit wäre.—

Lisette. Wie? wenn wir einen gewissen blinden Lärm machten?

Henriette. Was ist das wieder?

Lisette. Ein blinder Lärm ist ein Lärm wohinter nichts ist; der aber doch die Gabe hat, den Feind—zu einer gewissen Aufmerksamkeit zu bringen.—Zum Exempel: Um zu erfahren, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe, müßte sich Herr Theophan in jemand anders verliebt stellen; und um zu erfahren, ob Adrast Mamsell Julianen liebe, müßten Sie sich in jemand anders verliebt stellen. Und da es nun nicht lassen würde, wenn sich Herr Theophan in mich verliebt stellte, noch viel weniger, wenn Sie sich in seinen Martin verliebt stellen wollten: so wäre, kurz und gut, mein Rat, Sie stellten sich beide ineinander verliebt.—Ich rede nur von Stellen; merken Sie wohl, was ich sage! nur von Stellen; denn sonst könnte der blinde Lärm auf einmal Augen kriegen.—Nun sagen Sie mir beide, ist der Anschlag nicht gut?

Theophan (beiseite). Wo ich nicht gehe, so wird sie noch machen, daß ich mich werde erklären müssen.—Der Anschlag ist so schlimm nicht; aber—

Lisette. Sie sollen sich ja nur stellen.—

Theophan. Das Stellen eben ist es, was mir dabei nicht gefällt.

Lisette. Und Sie, Mamsell?

Henriette. Ich bin auch keine Liebhaberin vom Stellen.

Lisette. Besorgen Sie beide etwa, daß Sie es zu natürlich machen möchten?—Was stehen Sie so auf dem Sprunge, Herr Theophan? Was stehen Sie so in Gedanken, Mamsell?

Henriette. Oh! geh; es wäre in meinem Leben das erstemal.

Theophan. Ich muß mich auf einige Augenblicke beurlauben, schönste

Henriette.—

Lisette. Es ist nicht nötig. Sie sollen mir wahrhaftig nicht nachsagen, daß ich Sie weggeplaudert habe. Kommen Sie, Mamsell!—

Henriette. Es ist auch wahr, dein Plaudern ist manchmal recht ärgerlich. Komm!—Theophan, soll ich sagen, daß Sie nicht lange weg sein werden?

Theophan. Wenn ich bitten darf.—

(Henriette und Lisette geben auf der einen Seite ab. Indem Theophan auf der andern abgeben will, begegnet ihm der Wechsler.)

Neunter Auftritt

Theophan. Der Wechsler.

Der Wechsler. Sie werden verzeihen, mein Herr. Ich möchte nur ein

Wort mit dem Herrn Adrast sprechen.

Theophan. Eben jetzt ist er ausgegangen. Wollen Sie mir es auftragen?—

Der Wechsler. Wenn ich so frei sein darf.—Er hat eine Summe Geldes bei mir aufnehmen wollen, die ich ihm auch anfangs versprach. Ich habe aber nunmehr Bedenklichkeiten gefunden, und ich komme, es ihm wieder abzusagen: das ist es alles.

Theophan. Bedenklichkeiten, mein Herr? Was für Bedenklichkeiten? doch wohl keine von seiten des Adrast?

Der Wechsler. Warum nicht?

Theophan. Ist er kein Mann von Kredit?

Der Wechsler. Kredit, mein Herr, Sie werden wissen, was das ist. Man kann heute Kredit haben, ohne gewiß zu sein, daß man ihn morgen haben wird. Ich habe seine jetzigen Umstände erfahren.—

Theophan (beiseite). Ich muß mein möglichstes tun, daß diese nicht auskommen.—Sie müssen die falschen erfahren haben.—Kennen Sie mich, mein Herr?—

Der Wechsler. Von Person nicht; vielleicht, wenn ich Ihren Namen hören sollte.—

Theophan. Theophan.

Der Wechsler. Ein Name, von dem ich allezeit das Beste gehört habe.

Theophan. Wenn Sie dem Herrn Adrast die verlangte Summe nicht auf seine Unterschrift geben wollen, wollen Sie es wohl auf die meinige tun?

Der Wechsler. Mit Vergnügen.

Theophan. Haben Sie also die Güte, mich auf meine Stube zu begleiten. Ich will Ihnen die nötigen Versicherungen ausstellen; wobei es bloß darauf ankommen wird, diese Bürgschaft vor dem Adrast selbst geheim zu halten.

Der Wechsler. Vor ihm selbst?

Theophan. Allerdings; um ihm den Verdruß über Ihr Mißtrauen zu ersparen.—

Der Wechsler. Sie müssen ein großmütiger Freund sein.

Theophan. Lassen Sie uns nicht länger verziehen.

(Gehen ab.)

(Ende des vierten Aufzuges.)

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Der Wechsler, von der einen Seite, und von der andern Adrast.

Adrast (vor sich). Ich habe meinen Mann nicht finden können.—

Der Wechsler (vor sich). So lasse ich es mir gefallen.—

Adrast. Aber sieh da!—Ei! mein Herr, finde ich Sie hier? So sind wir ohne Zweifel einander fehlgegangen?

Der Wechsler. Es ist mir lieb, mein Herr Adrast, daß ich Sie noch treffe.

Adrast. Ich habe Sie in Ihrer Wohnung gesucht. Die Sache leidet keinen Aufschub. Ich kann mich doch noch auf Sie verlassen?

Der Wechsler. Nunmehr, ja.

Adrast. Nunmehr? Was wollen Sie damit?

Der Wechsler. Nichts. Ja, Sie können sich auf mich verlassen.

Adrast. Ich will nicht hoffen, daß Sie einiges Mißtrauen gegen mich haben?

Der Wechsler. Im geringsten nicht.

Adrast. Oder, daß man Ihnen einiges beizubringen gesucht hat?

Der Wechsler. Noch viel weniger.

Adrast. Wir haben bereits miteinander zu tun gehabt, und Sie sollen mich auch künftig als einen ehrlichen Mann finden.

Der Wechsler. Ich bin ohne Sorgen.

Adrast. Es liegt meiner Ehre daran, diejenigen zuschanden zu machen, die boshaft genug sind, meinen Kredit zu schmälern.

Der Wechsler. Ich finde, daß man das Gegenteil tut.

Adrast. Oh! sagen Sie das nicht. Ich weiß wohl, daß ich meine

Feinde habe—

Der Wechsler. Sie haben aber auch Ihre Freunde.—

Adrast. Aufs höchste dem Namen nach. Ich würde auszulachen sein, wenn ich auf sie rechnen wollte.—Und glauben Sie, mein Herr, daß es mir nicht einmal lieb ist, daß Sie, in meiner Abwesenheit, hier in diesem Hause gewesen sind?

Der Wechsler. Und es muß Ihnen doch lieb sein.

Adrast. Es ist zwar das Haus, zu welchem ich mir nichts als Gutes versehen sollte; aber eine gewisse Person darin, mein Herr, eine gewisse Person—Ich weiß, ich würde es empfunden haben, wenn Sie mit derselben gesprochen hätten.

Der Wechsler. Ich habe eigentlich mit niemanden gesprochen; diejenige Person aber, bei welcher ich mich nach Ihnen erkundigte, hat die größte Ergebenheit gegen Sie bezeugt.

Adrast. Ich kann es Ihnen wohl sagen, wer die Person ist, vor deren übeln Nachrede ich mich einigermaßen fürchte. Es wird sogar gut sein, wenn Sie es wissen, damit Sie, wenn Ihnen nachteilige Dinge von mir zu Ohren kommen sollten, den Urheber kennen.

Der Wechsler. Ich werde nicht nötig haben, darauf zu hören.

Adrast. Aber doch—Mit einem Worte, es ist Theophan.

Der Wechsler (erstaunt). Theophan?

Adrast. Ja, Theophan. Er ist mein Feind—

Der Wechsler. Theophan Ihr Feind?

Adrast. Sie erstaunen?

Der Wechsler. Nicht ohne die größte Ursache.—

Adrast. Ohne Zweifel weil Sie glauben, daß ein Mann von seinem Stande nicht anders, als großmütig und edel sein könne?—

Der Wechsler. Mein Herr—

Adrast. Er ist der gefährlichste Heuchler, den ich unter seinesgleichen noch jemals gefunden habe.

Der Wechsler. Mein Herr—

Adrast. Er weiß, daß ich ihn kenne, und gibt sich daher alle Mühe, mich zu untergraben.—

Der Wechsler. Ich bitte Sie—

Adrast. Wenn Sie etwa eine gute Meinung von ihm haben, so irren Sie sich sehr. Vielleicht zwar, daß Sie ihn nur von der Seite seines Vermögens kennen; und wider dieses habe ich nichts: er ist reich; aber eben sein Reichtum schafft ihm Gelegenheit, auf die allerfeinste Art schaden zu können.

Der Wechsler. Was sagen Sie?

Adrast. Er wendet unbeschreibliche Ränke an, mich aus diesem Hause zu bringen; Ränke, denen er ein so unschuldiges Ansehen geben kann, daß ich selbst darüber erstaune.

Der Wechsler. Das ist zu arg! Länger kann ich durchaus nicht schweigen. Mein Herr, Sie hintergehen sich auf die erstaunlichste Art. —

Adrast. Ich mich?

Der Wechsler. Theophan kann das unmöglich sein, wofür Sie ihn ausgeben. Hören Sie alles! Ich kam hierher, mein Ihnen gegebenes Wort wieder zurückezunehmen. Ich hatte von sicherer Hand, nicht vom Theophan, Umstände von Ihnen erfahren, die mich dazu nötigten. Ich fand ihn hier, und ich glaubte, es ihm ohne Schwierigkeit sagen zu dürfen—

Adrast. Dem Theophan? Wie wird sich der Niederträchtige gekitzelt haben!

Der Wechsler. Gekitzelt? Er hat auf das nachdrücklichste für Sie gesprochen. Und kurz, wenn ich Ihnen mein erstes Versprechen halte, so geschieht es bloß in Betrachtung seiner.

Adrast. In Betrachtung seiner?—Wo bin ich?

Der Wechsler. Er hat mir schriftliche Versicherungen gegeben, die ich als eine Bürgschaft für Sie ansehen kann. Zwar hat er mir es zugleich verboten, jemanden das geringste davon zu sagen: allein ich konnte es unmöglich anhören, daß ein rechtschaffener Mann so unschuldig verlästert würde. Sie können die verlangte Summe bei mir abholen lassen, wann es Ihnen beliebt. Nur werden Sie mir den Gefallen tun und sich nichts gegen ihn merken lassen. Er bezeugte bei dem ganzen Handel so viel Aufrichtigkeit und Freundschaft für Sie, daß er ein Unmensch sein müßte, wenn er die Verstellung bis dahin treiben könnte.– -Leben Sie wohl! (Geht ab.)

Zweiter Auftritt

Adrast.—Was für ein neuer Streich!—Ich kann nicht wieder zur mir selbst kommen!—Es ist nicht auszuhalten!—Verachtungen, Beleidigungen, —Beleidigungen in dem Gegenstande, der ihm der liebste sein muß:– alles ist umsonst; nichts will er fühlen. Was kann ihn so verhärten? Die Bosheit allein, die Begierde allein, seine Rache reif werden zu lassen.—Wen sollte dieser Mann nicht hinter das Licht führen? Ich weiß nicht, was ich denken soll. Er dringt seine Wohltaten mit einer Art auf—Aber verwünscht sind seine Wohltaten, und seine Art! Und wenn auch keine Schlange unter diesen Blumen läge, so würde ich ihn doch nicht anders als hassen können. Hassen werde ich ihn, und wenn er mir das Leben rettete. Er hat mir das geraubt, was kostbarer ist, als das Leben: das Herz meiner Juliane; ein Raub, den er nicht ersetzen kann, und wenn er sich mir zu eigen schenkte. Doch er will ihn nicht ersetzen; ich dichte ihm noch eine zu gute Meinung an.—

Dritter Auftritt

Theophan. Adrast.

Theophan. In welcher heftigen Bewegung treffe ich Sie abermals Adrast?

Adrast. Sie ist Ihr Werk.

Theophan. So muß sie eines von denen Werken sein, die wir alsdann wider unsern Willen hervorbringen, wann wir uns am meisten nach ihrem Gegenteile bestreben. Ich wünsche nichts, als Sie ruhig zu sehen, damit Sie mit kaltem Blute von einer Sache mit mir reden könnten, die uns beide nicht näher angehen kann.

Adrast. Nicht wahr, Theophan? es ist der höchste Grad der List, wenn man alle seine Streiche so zu spielen weiß, daß die, denen man sie spielt, selbst nicht wissen, ob und was für Vorwürfe sie uns machen sollen?

Theophan. Ohne Zweifel.

Adrast. Wünschen Sie sich Glück: Sie haben diesen Grad erreicht.

Theophan. Was soll das wieder?

Adrast. Ich versprach Ihnen vorhin, die bewußten Wechsel zu bezahlen— (spöttisch) Sie werden es nicht übelnehmen, es kann nunmehr nicht sein. Ich will Ihnen, anstatt der zerrissenen, andere Wechsel schreiben.

Theophan (in eben dem Tone). Es ist wahr, ich habe sie in keiner andern Absicht zerrissen, als neue von Ihnen zu bekommen.—

Adrast. Es mag Ihre Absicht gewesen sein, oder nicht: Sie sollen sie haben.—Wollten Sie aber nicht etwa gern erfahren, warum ich sie nunmehr nicht bezahlen kann?

Theophan. Nun?

Adrast. Weil ich die Bürgschaften nicht liebe.

Theophan. Die Bürgschaften?

Adrast. Ja; und weil ich Ihrer Rechten nichts geben mag, was ich aus

Ihrer Linken nehmen müßte.

Theophan (beiseite). Der Wechsler hat mir nicht reinen Mund gehalten!

Adrast. Sie verstehen mich doch?

Theophan. Ich kann es nicht mit Gewißheit sagen.

Adrast. Ich gebe mir alle Mühe, Ihnen auf keine Weise verbunden zu sein: muß es mich also nicht verdrießen, daß Sie mich in den Verdacht bringen, als ob ich es gleichwohl zu sein Ursache hätte?

Theophan. Ich erstaune über Ihre Geschicklichkeit, alles auf der schlimmsten Seite zu betrachten.

Adrast. Und wie Sie gehört haben, so bin ich über die Ihrige erstaunt, diese schlimme Seite so vortrefflich zu verbergen. Noch weiß ich selbst nicht eigentlich, was ich davon denken soll.

Theophan. Weil Sie das Natürlichste davon nicht denken wollen.

Adrast. Dieses Natürlichste, meinen Sie vielleicht, wäre das, wenn ich dächte, daß Sie diesen Schritt aus Großmut, aus Vorsorge für meinen guten Namen getan hätten? Allein, mit Erlaubnis, hier wäre es gleich das Unnatürlichste.

Theophan. Sie haben doch wohl recht. Denn wie wäre es immer möglich, daß ein Mann von meinem Stande nur halb so menschliche Gesinnungen haben könnte?

Adrast. Lassen Sie uns Ihren Stand einmal beiseite setzen.

Theophan. Sollten Sie das wohl können?—

Adrast. Gesetzt also, Sie wären keiner von den Leuten, die, den Charakter der Frömmigkeit zu behaupten, ihre Leidenschaften so geheim, als möglich, halten müssen; die anfangs aus Wohlstand heucheln lernen, und endlich die Heuchelei als eine zweite Natur beibehalten; die nach ihren Grundsätzen verbunden sind, sich ehrlicher Leute, welche sie die Kinder der Welt nennen, zu entziehen, oder wenigstens aus keiner andern Absicht Umgang mit ihnen zu pflegen, als aus der niederträchtigen Absicht, sie auf ihre Seite zu lenken; gesetzt, Sie wären keiner von diesen: sind Sie nicht wenigstens ein Mensch, der Beleidigungen empfindet? Und auf einmal alles in allem zu sagen:– Sind Sie nicht ein Liebhaber, welcher Eifersucht fühlen muß?

Theophan. Es ist mir angenehm, daß Sie endlich auf diesen Punkt herauskommen.

Adrast. Vermuten Sie aber nur nicht, daß ich mit der geringsten

Mäßigung davon sprechen werde.

Theophan. So will ich es versuchen, desto mehrere dabei zu brauchen.

Adrast. Sie lieben Julianen, und ich—ich—was suche ich lange noch Worte?—Ich hasse Sie wegen dieser Liebe, ob ich gleich kein Recht auf den geliebten Gegenstand habe; und Sie, der Sie ein Recht darauf haben, sollten mich, der ich Sie um dieses Recht beneide, nicht auch hassen?

Theophan. Gewiß, ich sollte nicht.—Aber lassen Sie uns doch das

Recht untersuchen, das Sie und ich auf Julianen haben.

Adrast. Wenn dieses Recht auf die Stärke unserer Liebe ankäme, so würde ich es Ihnen vielleicht noch streitig machen. Es ist Ihr Glück, daß es auf die Einwilligung eines Vaters, und auf den Gehorsam einer Tochter ankömmt.—

Theophan. Hierauf will ich es durchaus nicht ankommen lassen. Die Liebe allein soll Richter sein. Aber merken Sie wohl, nicht bloß unsere, sondern vornehmlich die Liebe derjenigen, in deren Besitz Sie mich glauben. Wenn Sie mich überführen können, daß Sie von Julianen wiedergeliebet werden—

Adrast. So wollen Sie mir vielleicht Ihre Ansprüche abtreten?

Theophan. So muß ich.

Adrast. Wie höhnisch Sie mit mir umgehen!—Sie sind Ihrer Sachen gewiß, und überzeugt, daß Sie bei dieser Rodomontade nichts aufs Spiel setzen.

Theophan. Also können Sie mir es nicht sagen, ob Sie Juliane liebet?

Adrast. Wenn ich es könnte, würde ich wohl unterlassen, Sie mit diesem Vorzuge zu peinigen?

Theophan. Stille! Sie machen sich unmenschlicher, als Sie sind.—Nun wohl! so will ich,—ich will es Ihnen sagen, daß Sie Juliane liebt.

Adrast. Was sagen Sie?—Doch fast hätte ich über das Entzückende dieser Versicherung vergessen, aus wessen Munde ich sie höre. Recht so! Theophan, recht so! Man muß über seine Feinde spotten. Aber wollen Sie, diese Spötterei vollkommen zu machen, mich nicht auch versichern, daß Sie Julianen nicht lieben?

Theophan (verdrießlich). Es ist unmöglich, mit Ihnen ein vernünftiges

Wort zu sprechen. (Er will weggehen.)

Adrast (beiseite). Er wird zornig?—Warten Sie doch, Theophan.

Wissen Sie, daß die erste aufgebrachte Miene, die ich endlich von

Ihnen sehe, mich begierig macht, dieses vernünftige Wort zu hören?

Theophan (zornig). Und wissen Sie, daß ich endlich Ihres schimpflichen Betragens überdrüssig bin?

Adrast (beiseite). Er macht Ernst.—

Theophan (noch zornig). Ich will mich bestreben, daß Sie den Theophan so finden sollen, als Sie ihn sich vorstellen.

Adrast. Verziehen Sie. Ich glaube in Ihrem Trotze mehr Aufrichtigkeit zu sehen, als ich jemals in Ihrer Freundlichkeit gesehen habe.

Theophan. Wunderbarer Mensch! Muß man sich Ihnen gleichstellen, muß man ebenso stolz, ebenso argwöhnisch, ebenso grob sein, als Sie, um Ihr elendes Vertrauen zu gewinnen?

Adrast. Ich werde Ihnen diese Sprache, ihrer Neuigkeit wegen, vergeben müssen.

Theophan. Sie soll Ihnen alt genug werden!

Adrast. Aber in der Tat—Sie machen mich vollends verwirrt. Müssen

Sie mir Dinge, worauf alle mein Wohl ankömmt, mit einem fröhlichen

Gesichte sagen? Ich bitte Sie, sagen Sie es jetzt noch einmal, was ich vorhin für eine Spötterei aufnehmen mußte.

Theophan. Wenn ich es sage, glauben Sie nur nicht, daß es um Ihretwillen geschieht.

Adrast. Desto mehr werde ich mich darauf verlassen.

Theophan. Aber ohne mich zu unterbrechen: das bitte ich.—

Adrast. Reden Sie nur.

Theophan. Ich will Ihnen den Schlüssel zu dem, was Sie hören sollen, gleich voraus geben. Meine Neigung hat mich nicht weniger betrogen, als Sie die Ihrige. Ich kenne und bewundere alle die Vollkommenheiten, die Julianen zu einer Zierde ihres Geschlechts machen; aber—ich liebe sie nicht.

Adrast. Sie—

Theophan. Es ist gleichviel, ob Sie es glauben oder nicht glauben.– Ich habe mir Mühe genug gegeben, meine Hochachtung in Liebe zu verwandeln. Aber eben bei dieser Bemühung habe ich Gelegenheit gehabt, es oft sehr deutlich zu merken, daß sich Juliane einen ähnlichen Zwang antut. Sie wollte mich lieben, und liebte mich nicht. Das Herz nimmt keine Gründe an, und will in diesem, wie in andern Stücken, seine Unabhängigkeit von dem Verstande behaupten. Man kann es tyrannisieren, aber nicht zwingen. Und was hilft es, sich selbst zum Märtyrer seiner Überlegungen zu machen, wenn man gewiß weiß, daß man keine Beruhigung dabei finden kann? Ich erbarmte mich also Julianens— oder vielmehr, ich erbarmte mich meiner selbst: ich unterdrückte meine wachsende Neigung gegen eine andre Person nicht länger und sahe es mit Vergnügen, daß auch Juliane zu ohnmächtig oder zu nachsehend war, der ihrigen zu widerstehen. Diese ging auf einen Mann, der ihrer ebenso unwürdig ist, als unwürdig er ist, einen Freund zu haben. Adrast würde sein Glück in ihren Augen längst gewahr geworden sein, wenn Adrast gelassen genug wäre, richtige Blicke zu tun. Er betrachtet alles durch das gefärbte Glas seiner vorgefaßten Meinungen, und alles obenhin; und würde wohl oft lieber seine Sinne verleugnen, als seinen Wahn aufgeben. Weil Juliane ihn liebenswürdig fand, konnte ich mir unmöglich einbilden, daß er so gar verderbt sei. Ich sann auf Mittel, es beiden mit der besten Art beizubringen, daß sie mich nicht als eine gefährliche Hinderung ansehen sollten. Ich kam nur jetzt in dieser Absicht hieher; allein ließ mich Adrast, ohne die schimpflichsten Abschreckungen, darauf kommen? Ich würde ihn, ohne ein weiteres Wort, verlassen haben, wenn ich mich nicht noch derjenigen Person wegen gezwungen hätte, der ich, von Grund meiner Seelen, alles gönne, was sie sich selbst wünscht.—Mehr habe ich ihm nicht zu sagen. (Er will fortgehen.)

Adrast. Wohin, Theophan?—Urteilen Sie aus meinem Stilleschweigen, wie groß mein Erstaunen sein müsse!—Es ist eine menschliche Schwachheit, sich dasjenige leicht überreden zu lassen, was man heftig wünscht. Soll ich ihr nachhängen? soll ich sie unterdrücken?

Theophan. Ich will bei Ihrer Überlegung nicht gegenwärtig sein.—

Adrast. Wehe dem, der mich auf eine so grausame Art aufzuziehen denkt!

Theophan. So räche mich denn Ihre marternde Ungewißheit an Ihnen!

Adrast (beiseite). Jetzt will ich ihn fangen.—Wollen Sie mir noch ein Wort erlauben, Theophan?—Wie können Sie über einen Menschen zürnen, der mehr aus Erstaunen über sein Glück, als aus Mißtrauen gegen Sie, zweifelt?—

Theophan. Adrast, ich werde mich schämen, nur einen Augenblick gezürnt zu haben, sobald Sie vernünftig reden wollen.

Adrast. Wenn es wahr ist, daß Sie Julianen nicht lieben, wird es nicht nötig sein, daß Sie sich dem Lisidor entdecken?

Theophan. Allerdings.

Adrast. Und Sie sind es wirklich gesonnen?

Theophan. Und zwar je eher, je lieber.

Adrast. Sie wollen dem Lisidor sagen, daß Sie Julianen nicht lieben?

Theophan. Was sonst?

Adrast. Daß Sie eine andere Person lieben?

Theophan. Vor allen Dingen; um ihm durchaus keine Ursache zu geben,

Julianen die rückgängige Verbindung zur Last zu legen.

Adrast. Wollten Sie wohl alles dieses gleich jetzo tun?

Theophan. Gleich jetzo?—

Adrast (beiseite). Nun habe ich ihn!—Ja, gleich jetzo.

Theophan. Wollten Sie aber auch wohl eben diesen Schritt tun? Wollten auch Sie dem Lisidor wohl sagen, daß Sie Henrietten nicht liebten?

Adrast. Ich brenne vor Verlangen.

Theophan. Und daß Sie Julianen liebten?

Adrast. Zweifeln Sie?

Theophan. Nun wohl! so kommen Sie.

Adrast (beiseite). Er will?—

Theophan. Nur geschwind!

Adrast. Überlegen Sie es recht.

Theophan. Und was soll ich denn noch überlegen?

Adrast. Noch ist es Zeit.—

Theophan. Sie halten sich selbst auf. Nur fort!—(Indem er vorangehen will.) Sie bleiben zurück? Sie stehen in Gedanken? Sie sehen mich mit einem Auge an, das Erstaunen verrät? Was soll das?—

Adrast (nach einer kleinen Pause). Theophan!—

Theophan. Nun?—Bin ich nicht bereit?

Adrast (gerührt). Theophan!—Sie sind doch wohl ein ehrlicher Mann.

Theophan. Wie kommen Sie jetzt darauf?

Adrast. Wie ich jetzt darauf komme? Kann ich einen stärkern Beweis verlangen, daß Ihnen mein Glück nicht gleichgültig ist?

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21 mayıs 2019
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