Kitabı oku: «Der Buddha - das bist DU», sayfa 2
Der Doktrin der Seelenwanderung zufolge, die schon seit den frühesten Zeiten des Brahmanismus gelehrt wurde, ist das menschliche Dasein in keiner Weise auf die Gegenwart beschränkt. Unter dem Bodhi- Baum meditierend gewann Shakyamuni alle seine vormaligen Existenzen Stück für Stück wieder und erkannte, dass seine gegenwärtige Existenz das Glied einer ungebrochenen Kette von Geburt, Tod und Wiedergeburt war, die vor unzählbaren Äonen in der Vergangenheit begann.
Das erkannte er nicht in einer Art von Eingebung, und auch nicht in Form eines Konzeptes oder einer Idee.
Es war klare und wahrhaftige Wiedergewinnung – nicht unähnlich, wenn auch auf völlig anderer Ebene, den Ereignissen, die tief im Innersten unseres Bewusstseins vergraben sind und an die wir uns plötzlich erinnern, wenn wir extrem angespannt oder konzentriert sind.3
»Unbeständigkeit«, so verstand er, sei die wahre Sichtweise auf die Wirklichkeit. Was aber bedeutet das?
Alles Vorhandene, alle Phänomene durchlaufen einen ständigen Wandel. Das Leben, die Natur und die Gesellschaft hören niemals auf, sich zu verändern, keinen Augenblick lang. Es mag so scheinen, dass der Schreibtisch, an dem Du sitzt, oder das Buch, das Du in den Händen hältst, oder das Gebäude, in dem Du lebst, recht solide konstruiert sind. Aber eines Tages werden sie zerfallen. Der Buddhismus erklärt einleuchtend: Leiden entsteht in unserem Herzen, weil wir das Prinzip der Unbeständigkeit vergessen und glauben, dass alles, was wir unser Eigen nennen, für immer Bestand hat.
Angenommen, Du hast eine gut aussehende Freundin oder einen gut aussehenden Freund. Denkst Du dabei lange darüber nach, wie sie bzw. er wohl in dreißig, vierzig Jahren aussehen wird? Natürlich nicht. Es liegt in der Natur des Menschen zu glauben, Gesundheit und Jugend würden ewig andauern.
Genauso wenig gibt es reiche Leute, die sich vorstellen können, eines Tages ohne Geld dazustehen. Es ist nicht falsch, so zu denken. Doch wir leiden, weil wir solchen Vorstellungen anhängen. Du magst Deinen Schatz für immer jung und schön haben wollen und alles daran setzen, dass die Liebe ewig währt. Doch wenn es an der Zeit ist, vom geliebten Menschen Abschied zu nehmen, wirst Du tiefsten Schmerz empfinden.
Weil Menschen Reichtum anhäufen wollen, gehen einige sogar so weit, andere zu bekämpfen. Und wenn sie ihren Reichtum verlieren, müssen sie von der bitteren Frucht des Leidens kosten. Sogar das Klammern ans nackte Leben bringt Leid mit sich, weil wir Angst vor dem Tod haben. Der Buddhismus lehrt uns, diese Zyklen der Unbeständigkeit zu erkennen und den Mut aufzubringen, diese zu akzeptieren.
Neben dieser Einsicht in die Unbeständigkeit gibt es noch etwas, das sich laut Überlieferung in Shakyamunis erleuchtetem Geist entfaltet hat: das Miteinander-Verbundensein von allen Dingen. Das Universum und alles in ihm ist im ständigen Fluss – entstehend und endend, erscheinend und verschwindend, in einem niemals endenden Zyklus der Veränderung begriffen, der dem Gesetz der Kausalität unterliegt. Alles Vorhandene folgt diesem Gesetz von Ursache und Wirkung und folglich kann nichts unabhängig von anderem Vorhandenen existieren.
Dieses buddhistische Konzept der Kausalität wird auch »abhängiges Entstehen« genannt. Shakyamuni erwachte zu diesem ewigen Gesetz des Lebens, das das gesamte Universum durchdringt, zu diesem mystischen Aspekt des Lebens, in dem alles im Universum miteinander verbunden ist und Einfluss aufeinander hat in einem nicht endenden Zyklus von Geburt und Tod.
Das Wesentliche von Shakyamunis Erleuchtung wird in den Vier Edlen Wahrheiten erklärt, die lauten: 1) Alles Dasein ist Leiden; 2) Leiden wird verursacht durch selbstsüchtiges Begehren; 3) das Auslöschen von selbstsüchtigem Begehren führt zum Ende des Leidens und zum Erreichen des Nirwana; und 4) es gibt einen Weg, der zu dieser Auslöschung führt, nämlich die Disziplin des achtfachen Pfades. In diesen frühesten Aussagen können wir bereits erkennen, dass der Prozess, der zum absoluten Glück führt und uns von den Leiden des Lebens befreit, als Weg oder Reise angelegt ist.
Unwissenheit vertreiben und zu einer richtigen Sichtweise gelangen – das ist das Kernstück der buddhistischen Ausübung. Es ist auch die Triebkraft hinter einer dreitausend Jahre andauernden Suche – beginnend mit Shakyamuni – nach einem Fahrzeug, nach einer klar erkennbaren Methode, die den buddhistischen Ausübenden diesen Weg zum Ende von Leid und zum Erreichen des absoluten Glücks beschreiten lässt. All die vielen buddhistischen Schulen und Ausübungen sind in dem Bemühen entstanden, ein solches Fahrzeug zu erschaffen.
Nach seinem Erwachen blieb Shakyamuni eine Zeit lang unter dem Bodhi-Baum sitzen, in einem Zustand voller Freude. Als er danach wieder in die Welt trat, plagte ihn jedoch bald der Gedanke, wie schwierig es sein würde, sein Erwachen zum Gesetz des Lebens den Mitmenschen zu vermitteln. Er war zu einem Verständnis vorgedrungen, das weit über dem lag, was selbst die fortgeschrittensten spirituellen Sucher seiner Zeit erlangt hatten.
Daher bereitete er seine Zuhörer zunächst einmal darauf vor, indem er sie in leicht verständlichen Gleichnissen und Sinnbildern unterwies. So erweckte Shakyamuni Schritt für Schritt diejenigen, die er lehrte. Gleichzeitig aber behielt er sein letztendliches Ziel im Sinn: allen Menschen zu zeigen, dass sie die Buddhaschaft besitzen.
So lautet beispielsweise eine markante Stelle aus dem Lotos-Sutra:
Ständig richte ich meinen Sinn darauf,
wie ich die Lebewesen
dazu bringen kann,
in die unübertroffene Weisheit einzutreten,
damit sie schnell den Körper eines Buddha
verwirklichen können.4
Keine leichte Aufgabe. Shakyamuni verbrachte die nächsten vierzig Jahre damit, seine leidenden Mitmenschen so zu lehren, wie es für deren Verständnisfähigkeit am passendsten war. So gesehen wird klar: Die Vorstellung, der Buddhismus sei eine spezielle Domäne heiliger Männer, die auf Berggipfeln meditieren, ist schlicht falsch.
Shakyamuni hatte seine Lehren niemals nur für eine isolierte Personengruppe hinter Klostermauern angelegt.
Alles an den historischen Belegen deutet darauf hin, dass er einen breiten Zugang zu seinen Lehren schaffen wollte, sodass sie von gewöhnlichen Männern – und Frauen – angewendet werden konnten. Seine einzelnen Lehrreden wurden zusammengetragen; daraus entstanden schließlich die sogenannten vierundachtzigtausend Lehren, die, wie die Lehren von Jesus, über Jahrhunderte hinweg interpretiert und reinterpretiert wurden. Das eigentliche Problem für Buddhisten bestand viele Jahrtausende lang nicht so sehr in dem, was der Buddha gesagt hatte, sondern in der Frage, wie man seine Lehren in die Praxis umsetzte. Wie man eigentlich die Erleuchtung des Buddha erlebt. Wie man teilhat an dessen transzendenter Weisheit. Wie man selbst ein Buddha wird.
Die Straße zur Erleuchtung
Heute gibt es zahlreiche Schulen des Buddhismus, vielleicht sogar Tausende. Der britische Gelehrte Christmas Humphreys schrieb einmal: »[Den Buddhismus] zu beschreiben ist so schwierig, wie London zu beschreiben. Ist es Mayfair, Bloomsbury oder die Old Kent Road? Oder ist es der kleinste gemeinsame Nenner all dieser Teile? Oder alles zusammen und noch etwas mehr?«
Als die buddhistische Philosophie ihre sanften Verbreitungswege nahm, hinaus aus Indien, nordwärts durch China und Tibet, südwärts nach Thailand und Südostasien, da saugte sie die dortigen religiösen Sitten und Glaubensvorstellungen auf und wurde ihrerseits wieder von ihnen beeinflusst.
Der Buddhismus, der sich Richtung Tibet, China und schließlich nach Korea und Japan verbreitete, wurde Mahayana genannt, was »großes Fahrzeug« bedeutet. Und jener Buddhismus auf der Südroute Richtung Südostasien und Sri Lanka wurde Hinayana genannt, das »geringere Fahrzeug«, ein abwertender Begriff, den die Mahayana-Anhänger im Munde führten.
Die Hinayana-Schulen gründeten sich auf die frühen Lehren von Shakyamuni und sie vertraten daher typischerweise einen strengen, äußerst fein geregelten Verhaltenskodex, der auf das Erlangen der eigenen persönlichen Erlösung angelegt war. Die einzige heutige Hinayana-Schule ist Theravada, die »Lehre der Älteren«.
Die Mahayana-Schulen betonten, der Buddhismus müsse ein Weg des Mitgefühls sein, der ganz gewöhnliche Menschen die Erleuchtung erlangen ließe – die Suche nach einer leicht anwendbaren Methode, die als Fahrzeug eine größere Anzahl von Menschen zur Buddhaschaft befördern könne (daher großes Fahrzeug).
Die überbordende Anzahl der verschiedenen Sutras und Theorien stiftete allerhand Verwirrung, besonders im China der ersten beiden Jahrhunderte unserer Zeitrechnung. Damals waren die chinesischen Gelehrten mit einer willkürlichen Abfolge unterschiedlicher Sutras konfrontiert, die den Weg in ihr Land fanden – Schriften von den Schulen des Hinayana wie auch denen des Mahayana. Verwirrt ob der Vielfalt dieser Lehren, starteten die chinesischen Buddhisten den Versuch, die verschiedenen Sutras zu bewerten und zu klassifizieren.
Bis zum fünften Jahrhundert war die Systematisierung des buddhistischen Kanons weit fortgeschritten. Insbesondere ein buddhistischer Mönch namens Zhiyi, später bekannt als der Große Lehrer Tiantai, entwickelte den klassifizierenden Standard der »fünf Perioden und acht Lehren«.
Auf der Grundlage seiner eigenen Erleuchtung, die der von Shakyamuni durchaus gleichgekommen sein mochte, lieferte Tiantais System eine Einteilung der Sutras – sowohl in ihrer Chronologie als auch in ihrer inhaltlichen Tiefe.
Er bestimmte, dass das Lotos-Sutra die letztendliche Wahrheit enthalte, jene vorletzte Lehre von Shakyamuni, die er gegen Ende seines Lebens dargelegt hatte. Tiantai bezeichnete diese Wahrheit als das Prinzip der »dreitausend Bereiche in einem einzigen Lebensmoment«. Mit seinem phänomenologischen Ansatz beschreibt es all die kaleidoskopartigen Emotionen und mentalen Zustände, die Menschen in einem bestimmten Moment durchleben können.
Die Theorie der dreitausend Bereiche in einem einzigen Lebensmoment besagt, dass all die unzähligen Phänomene des Universums in einem einzigen Lebensmoment eines gewöhnlichen Sterblichen enthalten sind. Folglich ist der gesamte Makrokosmos im Mikrokosmos enthalten.
Die unendlich weite Dimension des Lebens, zu der Shakyamuni unter dem Bodhi-Baum erwachte, war für das normale menschliche Bewusstsein jenseits des Erfassbaren.
Tiantai beschrieb diese letztendliche Wahrheit als dreitausend Bereiche in einem einzigen Lebensmoment und erkannte, dass das Lotos-Sutra als einziges Sutra klarstellte: Alle Menschen – Männer wie Frauen, Gute wie Schlechte, Junge wie Alte – tragen in sich das Potenzial, die Buddhaschaft in ihrem jetzigen Leben zu verwirklichen.
Eine entscheidende Frage blieb jedoch bestehen: Wie konnten gewöhnliche Menschen diese Erkenntnis auf ihr eigenes Leben anwenden? Zu diesem Zweck schuf Tiantai eine rigorose Ausübung. Sie bestand aus der Betrachtung des eigenen Geistes durch Meditation, tauchte tiefer und tiefer in die Innenwelt, bis die letztendliche Wahrheit der dreitausend Lebensbereiche in einem einzigen Lebensmoment erfasst werden konnte. Leider war diese Art von Ausübung nur für Mönche machbar, die grenzenlose Zeiträume in Kontemplation über die Botschaft verbringen konnten, die im Lotos-Sutra enthalten war. Kaum zu schaffen für Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten oder sich mit anderen Themen auseinander setzen mussten.
Das volle Erblühen des Buddhismus musste noch warten, bis er entlang der Handelswege Japan erreichte. Der Buddhismus wäre heute nicht so weit verbreitet und geschätzt ohne den unglaublichen Mut und Tiefblick eines japanischen Mönchs aus den dreizehnten Jahrhundert namens Nichiren.
Er rückte das Lotos-Sutra in einen so klaren Fokus, dass es für die Menschen und ihren Alltag direkt etwas bewirkte.
Buddhismus für moderne Zeiten
Nichiren, geboren 1222 in Japan, schuf eine konkrete und anwendbare Form für die buddhistische Philosophie, die Shakyamuni einst lehrte und Tiantai neu beleuchtete. Er fand das Herzstück des Lotos-Sutra, das die Erleuchtung des Buddha herbeiführte, und drückte es in einer Form aus, die alle Menschen anwenden konnten. Er bezeichnete es als die Anrufung von Nam-Myoho-Renge-Kyo, wie der Titel des Lotos-Sutra lautet.
Seine Leistung war vergleichbar mit dem Umsetzen einer komplexen wissenschaftlichen Theorie in etwas einfach Anwendbares. Genauso wie Benjamin Franklins Entdeckung der Elektrizität erst nutzbringend anwendbar wurde, als viele Jahre später Thomas Edison die Glühbirne erfand, war auch Shakyamunis Erleuchtung für die allermeisten Menschen unzugänglich, bis Nichiren die grundsätzliche Ausübung lehrte, durch die alle Menschen das Gesetz des Lebens in sich selbst hervorbringen konnten. Seine Umsetzung dieses Prinzips hatte die Kraft, alle Menschen, die damit in Berührung kamen, direkt zu bewegen. Damit brach in der Geschichte des Buddhismus eine neue Epoche an.
Er offenbarte damit die letztendliche Lehre des Mahayana – des großen Fahrzeugs – mit dem alle Menschen den Weg zur Buddhaschaft zurücklegen konnten. Nichiren sagte dazu:
»Wenn sich eine Schmeißfliege an den Schweif eines Vollblutpferdes hängt, kann sie zehntausend Meilen weit reisen, und der grüne Efeu kann tausend Fuß hoch wachsen, wenn er sich um eine große Kiefer windet.«5
Zum ersten Mal konnten gewöhnliche Menschen diese Reise, die vorher nur Heiligen und Weisen vorbehalten war, unternehmen.
Nichirens Buddhismus erwies sich für Millionen von Menschen als zutiefst wertvoll. Es war Nichiren, der das Wesentliche des Lotos-Sutra so ausdrückte, dass alle Menschen – unabhängig von ihrem aktuellen Wissensstand – die Schwelle zur Erleuchtung überschreiten konnten. Dies war eine revolutionäre Entwicklung in der Religionsgeschichte.
Der Buddhismus begann als Lehre eines einzelnen Menschen, der zum Gesetz des Lebens in seinem eigenen Inneren erwachte. Mittlerweile enthält er auch die Interpretationen dieser Lehre von den nachfolgenden Gelehrten und Propheten. Wie bereits erwähnt bedeutete das Wort Buddha ursprünglich »Erleuchteter«. Gemeint war damit jemand, der zur ewigen Wahrheit, zum Gesetz des Lebens – zum Dharma – erwacht war. Diese Wahrheit ist ewig und grenzenlos. Sie ist immer und überall gegenwärtig. So gesehen ist das Gesetz des Lebens nicht das Exklusiveigentum von Buddha Shakyamuni oder buddhistischen Mönchen.
Die Wahrheit steht jedem und jeder gleichermaßen offen.
In dem Buddhismus, der auf diesen Seiten beschrieben wird, gibt es keine Priester oder Gurus, keine letzte Autorität, die entscheidet, was korrekt oder inkorrekt ist, richtig oder falsch. In diesem Buddhismus wurde die Mauer zwischen Priesterschaft und Laientum niedergerissen, was zu einer vollständigen Demokratisierung der spirituellen Ausübung führte. Weil er seinem Wesen nach undogmatisch ist, passt er auch für die Skeptiker unter uns. Dieses höchste und allumfassende Gesetz, das der Buddha wahrnahm, könnte auch ein anderer Name für das Konzept sein, das einige von Gott haben. Andererseits kann ein Mensch, der nicht an einen menschenähnlichen Gott glauben kann, darin die Energie sehen, die im Universum wirkt. Der breite Zugang des Buddhismus integriert beide Ansichten und konzentriert sich dabei auf den einzelnen Menschen.
Hier gibt es nichts Äußeres, auf das man die Schuld schieben, und niemanden, den man um Erlösung anflehen könnte. Im Buddhismus gibt es weder einen Gott noch ein sonstiges übernatürliches Wesen, das unser Schicksal bestimmt.
In der westlichen Religion kannst Du durch Deinen Glauben Gott näherkommen, aber Du kannst niemals Gott werden. Im Buddhismus kann man niemals getrennt sein von der Weisheit Gottes, weil die letztendliche Weisheit bereits im Herzen eines jeden Menschen existiert. Durch die buddhistische Ausübung wollen wir diese universale Lebenskraft hervorrufen, die ursprünglich und ewig in uns vorhanden ist, also das, was wir Buddhaschaft nennen. Und wir wollen sie manifest und wirksam machen, indem wir ein Buddha werden.
Buddhisten werden sich der Existenz dieses ewigen Gesetzes bewusst, das sowohl das Universum als auch das eigene Selbst durchdringt; sie erfassen dieses Gesetz in ihrem tiefsten Innern. Das Ziel dabei ist, jeden Tag in Übereinstimmung mit diesem Gesetz zu leben. Indem sie dies tun, entdecken sie eine Lebensweise, die alles, was geschieht, wieder auf Hoffnung, Wert und Harmonie ausrichtet. Die Entdeckung dieses objektiven Gesetzes an sich, so wie es sich im einzelnen Menschen manifestiert, bringt alle spirituellen Werte hervor und nicht eine äußere Kraft, ein äußeres Wesen.
So erklärt es Nichiren in seinem berühmten Brief »Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben«:
Ihre Ausübung der buddhistischen Lehren wird Sie nicht im Geringsten von den Leiden aus Geburt und Tod befreien, solange Sie nicht die wahre Natur Ihres Lebens erkennen. Wenn Sie die Erleuchtung außerhalb Ihrer selbst suchen, dann werden selbst zehntausend Ihrer Ausübungen und zehntausend gute Taten vergeblich sein. Es verhält sich damit wie bei einem armen Mann, der Tag und Nacht damit verbringt, den Reichtum seines Nachbarn zu zählen, doch dabei selbst auch nicht ein halbes Geldstück hinzugewinnt.6
Der Gedanke, dass die Kraft für das eigene Glück gänzlich in den eigenen Händen liegt, kann verstörend sein. Er bringt ein radikales Verantwortungsgefühl mit sich. Daisaku Ikeda schrieb dazu: »Die Gesellschaft ist komplex und harsch, und Du musst zuweilen schwer kämpfen, um in ihr zu überleben.
Niemand kann dich glücklich machen. Alles hängt davon ab, ob Du für Dich selbst Glück verwirklichen kannst oder nicht … Ein Mensch wird einem leidvollen Leben ausgesetzt sein, wenn er in Bezug auf seine äußere Umgebung schwach und verwundbar ist.«
Doch weit davon entfernt, ein düsteres, nihilistisches Lebensbild zu zeichnen, bieten die buddhistische Philosophie und Ausübung jede Menge Hoffnung und praktische Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens. Die Philosophie, die wir in diesem Buch beschreiben, ist so praxisnah, dass wir sie meistens gar nicht als »Religion« bezeichnen, auch wenn es eine ist. Wir reden meistens von »Praxis« oder »Ausübung«, weil diejenigen, die sie anwenden, sie äußerst nützlich finden. Daher berührt dieses Buch zwar viele Fragen zur Theorie und Philosophie des modernen Buddhismus, doch der Schwerpunkt wird darauf liegen, wie Du, als einzelner Mensch, den Buddhismus als machtvolles Werkzeug nutzen kannst, um Deine Probleme zu lösen.
»Keine weltliche Angelegenheit steht jemals im Widerspruch zur wahren Wirklichkeit«, zitierte Nichiren aus dem Lotos-Sutra. Und weiter: »Alle Phänomene im Universum sind Manifestationen des buddhistischen Gesetzes.« Mit anderen Worten: Unser Alltag ist die Bühne, auf ihr wird der Kampf um Erleuchtung gewonnen oder verloren. Nichiren lehrte, dass Normalsterbliche die Buddhaschaft genau hier auf dieser Welt verwirklichen können, und zwar ohne ihre Begierden auszulöschen oder ihre Identität zu verändern. In einem Zeitalter, in dem Skeptizismus und weitverbreitetes Misstrauen gegenüber traditionellen Glaubenssystemen und Institutionen vorherrschen, gewinnt eine solche dynamische, in Eigenregie betriebene religiöse Ausübung umso mehr an Wert.
Der Buddhismus ist seinem Wesen nach unautoritär, demokratisch, wissenschaftlich und auf Einsichten basierend, die durch individuelle Anstrengungen zur Selbstvervollkommnung gewonnen wurden. Doch der Buddhismus hat auch unmittelbare und weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft, unser Umfeld. Er ist eine Lebensweise, die zwischen dem einzelnen Menschen und der Umgebung, in der er lebt, keine Trennung macht. Mit seinem Verständnis vom Miteinander-Verwobensein aller Lebensformen in einem komplexen Netz, das über den Menschenverstand hinausreicht, liefert der Buddhismus einen spirituellen und intellektuellen Rahmen für ein neues Umweltbewusstsein.
Die westliche Weltsicht, so wie sie vom Christen- und Judentum ausgeht, tendiert zum Anthropozentrismus, stellt also die Menschheit an die Spitze der natürlichen Ordnung.
Der Buddhismus hingegen sieht die Menschheit als Teil der Natur, er stützt und formt somit die Ideen der Bio-Ethik. Da jedes Individuum mit allem auf der Erde verbunden ist, liegt das Schicksal unseres Planeten in den Händen des Individuums, in dem, was es tut. Der moderne Buddhismus ist zudem nicht moralistisch.
In einer Welt, die gekennzeichnet ist durch eine solch große Vielfalt von Völkern, Kulturen und Lebensweisen, schreibt der Buddhismus keine einzig richtige Lebensart vor. Es gibt keine »Gebote«. Der Buddhismus nimmt Dich so, wie Du bist, mit all Deinen Macken und Fehltritten, den momentanen wie den vergangenen. Das ist natürlich kein Freibrief fürs Lügen, Stehlen und Morden. Der Buddhismus gewinnt seine moralische Stärke nicht aus einer Liste von Verhaltensregeln, sondern aus einer unwiderstehlichen inneren Transformation.
Ausübende des Buddhismus stellen fest, dass sie freundlicher, mitfühlender und mit hoher Rücksicht auf deren Kostbarkeit mit dem Leben anderer Menschen umgehen. Dieser Prozess vollzieht sich fast automatisch.
Der Buddhismus und der Kosmos
Nichts von dem, was der historische Buddha lehrte, widerspricht ernstlich den Entdeckungen von Galileo, Einstein, Darwin oder Freud, entstanden seine Ideen dennoch Jahrtausende vorher, ohne die Hilfe von Teleskopen, Hochtechnologie, sogar ohne das geschriebene Wort.
Das buddhistische Modell des Universums ähnelt stark der heute akzeptierten Kosmologie. Der Buddha sprach zwar nie im Sinne eines großen Urknalls, nichtsdestotrotz beschrieb er einen Kosmos, der theoretisch mit dem übereinstimmt, was viele Wissenschaftler heute annehmen.
Auf recht grundlegende Weise akzeptiert die buddhistische Theorie die riesigen Dimensionen und Konzepte von Raum und Zeit, wie sie die moderne Physik entwickelt, und ist selbst deckungsgleich mit den verwirrenderen Bereichen der Quantentheorie.
Wissenschaftliche Artikel über die neuesten Durchbrüche in der Teilchenphysik weisen zum Beispiel bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit der Lehre der Unbeständigkeit auf, die der Buddha darlegte. Im Lotos-Sutra, dem zentralen Text des Mahayana-Buddhismus, zeigt sich eine Sicht aufs Universum von prometheischen Ausmaßen. Dort ist von »Großweltsystemen« die Rede, ein weitgefasstes Konzept, das sowohl die Existenz von unzähligen Galaxien bejaht wie auch die Möglichkeit von fühlendem Leben auf anderen Planeten. Gleichzeitig liefert er eine detaillierte Analyse des Lebens, die die Tiefen der menschlichen Psyche auslotet. So setzt der Mahayana-Buddhismus grundsätzlich voraus, dass es im Universum zahlreiche belebte Welten gibt.
Gleichzeitig versteht er sich als Triebkraft für jeden einzelnen Menschen, seine eigene spirituelle Reformation herbeizuführen, womit er einen dauerhaften Frieden und ein langfristiges Gedeihen von Zivilisationen sichert.
In seiner zweieinhalbtausendjährigen Geschichte zeichnete sich die Verbreitung des Buddhismus durch Toleranz, Freundlichkeit und Liebe zur Natur aus. »Der Buddhismus«, so der französische Orientalist Sylvain Lévi, »kann die Ehre für sich beanspruchen, einen Teil dieser Welt erobert zu haben, ohne jemals Gewalt, ohne jemals Waffen eingesetzt zu haben.« Tatsächlich ist das Ziel von Buddhisten – und auch dieses Buches – der Weltfrieden. Im Buddhismus sprechen wir von »Weltfrieden durch persönliche Erleuchtung «. Eine friedliche und sichere Gesellschaft ergibt sich aus einem Prozess des persönlichen Dialogs – von Mensch zu Mensch zu Mensch –, bis der Krieg und alle unterschwelligen Ursachen dafür von dieser Welt verschwinden. Aus all diesen Gründen wird der Buddhismus in der aufkeimenden wissenschaftlichen Kultur des 21. Jahrhunderts eine dynamische Rolle spielen.
Mit dieser funkelnden Idee im Hintergrund wenden wir uns nun der individuellen Ausübung zu, einschließlich des verborgenen Gesetzes, das Nichiren in den Tiefen des Lotos-Sutra zutage förderte. Schließlich gilt: Bevor wir das Schicksal der Welt verändern, müssen wir uns erst einmal selbst verändern.
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