Kitabı oku: «Blick nach Osten: Eine regionale Betrachtung», sayfa 2
STATUE DES RÖMISCHEN KAISERS ANTONINUS PIUS (86-161), SAALBURG, FRANKFURT, DEUTSCHLAND
EIN HOLPRIGER ÜBERGANG
Die postsozialistische Transformation der mittel- und osteuropäischen Länder kann als eine der bemerkenswertesten Entwicklungen der jüngeren Geschichte betrachtet werden. Unerwartet ging aus einem autokratischen System und einer zentralen Planwirtschaft eine Gruppe von Ländern hervor, die binnen einer Generation pluralistische Demokratien und offene Marktwirtschaften errichteten. Auch die Wirtschaft entwickelte sich rasant.[1]
Natürlich verlief dieser Übergang nicht reibungslos. In allen Phasen und insbesondere in der 2008–2009 beginnenden Finanzkrise traten Hindernisse, Unruhen und Spannungen auf. Doch schon Anfang der 2000er-Jahre konnten die meisten mittel- und osteuropäischen Länder die von der Europäischen Union vorgegebenen Grundstandards erfüllen. Nach und nach schlossen sie wirtschaftlich und institutionell zu Westeuropa auf.
Die Frage der Konvergenz[2] ist besonders bedeutsam, weil die Länder Mittel- und Osteuropas jahrhundertelang einen geringeren Entwicklungsstand aufwiesen als die Länder im Westen. Ursächlich hierfür waren langfristige historische Prozesse (von F. Braudel als longue durée[3] bezeichnet), deren Ursprünge im Römischen Reich zu finden sind (viele der heutigen mittel- und osteuropäischen Länder lagen außerhalb des Limes). Verschärft wurde dies durch die Teilung Europas in einen stärker entwickelten westlichen Teil, der ab dem 16. Jahrhundert von der Landwirtschaft zur Industrie und vom Feudalismus zum Kapitalismus überging, und einen östlichen Teil. Dort herrschten bis zum 19. Jahrhundert feudale Strukturen vor, und die Wirtschaft war eine Agrarwirtschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkte die Ost-West-Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang die Rückständigkeit Mittel- und Osteuropas.[4]
HARVEST, VLADIMIR DONATOVIC ORLOVSKIJ (1842 - 1914)
Diese strukturelle Lücke konnte in den letzten 30 Jahren zwar nicht geschlossen, aber doch erheblich verringert werden. Um die Terminologie Wallersteins[5] zu verwenden, sind Mittel- und Osteuropa von der zweiten in die erste Peripherie Europas aufgebrochen und haben die meisten ihrer Regionen näher an die Zentren von Kapital, Technologie und Demokratie herangeführt.
Abb. 1. Entwicklung des BIP, 1989=100, zu konstanten Preisen
*Schätzung.
Verschiedene Quellen, erstellt in Zusammenarbeit mit M. Smętkowski.
Die mittel- und osteuropäischen Länder sind sehr unterschiedlich, und die nationalen Prozesse nahmen in den jeweiligen Gebietseinheiten verschiedene Formen an. Auch weisen einige Herausforderungen, mit denen die Länder konfrontiert waren, eine klare regionale Dimension auf.
Mittel- und Osteuropa haben von der Kohäsionspolitik und Gemeinsamen Agrarpolitik der EU profitiert, die zu den Schwerpunkten der Europäischen Union zählen. Das gegenwärtige politische Klima in einigen der Länder könnte nun aber wie kaum ein anderes Problem die weitere europäische Integration und den Zusammenhalt mit dem Westen gefährden.
1989 BILDETEN ZWEI MILLIONEN MENSCHEN EINE MENSCHENKETTE DURCH DIE DREI BALTISCHEN STAATEN
DIE MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN REGIONEN NACH DEM SOZIALISMUS
Die mittel- und osteuropäischen Länder begannen die schwierige Phase der Transformation (mehrheitlich 1990, die baltischen Republiken etwas später nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion) mit stark polarisierten regionalen Strukturen und ausgeprägten räumlichen Ungleichheiten, mit überindustrialisierten Städten, unterentwickelten Infrastrukturen, einer verschmutzten Umwelt und begrenztem Privateigentum an landwirtschaftlichen Flächen. Alle Länder kämpften mit einer schweren Rezession, die bis zu 20 Prozent ihres BIP aufzehrte (siehe Abb. 1). Die sozioökonomische Realität dieser Länder war zu Beginn der postsozialistischen Transformation geprägt vom Zusammenbruch mehrerer Industriebetriebe – insbesondere weil sie in einer neuen, offenen Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig waren –, von einer radikalen Änderung der Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft und einer bis dato ungekannten Arbeitslosigkeit mit wachsenden „Nischen der Armut“.
In der ersten Phase der postsozialistischen Transformation war eine starke regionale Differenzierung mit folgenden regionalen Reaktionen zu erkennen:
PRAG IST EIN BEISPIEL FÜR EINEN REGIONALEN VORREITER
Tabelle 1. Regionale Reaktionen auf die postsozialistische Transformation
Regionale Reaktionen auf die Transformation | |||
Positiv | Negativ | ||
Stellung der Regionen in der sozialistischen Wirtschaft | Stark | VORREITERPositive KontinuitätHaupt- und GroßstädteDiversifizierte Wirtschaft, qualifizierte Arbeitskräfte, gute Infrastruktur und wohlhabende Institutionen | VERLIERERNegative DiskontinuitätIndustrieregionenSpezialisierte Industrie, Brachflächen, einseitige Qualifikationen |
Schwach | GEWINNERPositive DiskontinuitätTouristisch erschlossene und reindustrialisierte RegionenExterne Nachfrage nach ihrem Potenzial | NACHZÜGLERNegative KontinuitätLändliche Regionen, RandgebieteSchlecht erreichbar, veraltete Strukturen, geringe Qualifikationen, Abwanderung |
Quelle: Gorzelak G., „Regional development in Central and Eastern Europe“, in: Blokker P. und Dalago B. (Hrsg.): Regional Diversity and Local Development in New Member States, New York, Palgrave Macmillan, 2009.
Vorreiter waren die Metropolregionen. In der sozialistischen Wirtschaft bildeten stark industrialisierte Großstädte die stärksten Glieder in den Gebietssystemen Mittel- und Osteuropas. Nach dem Zerfall der Sowjetunion setzte in diesen Regionen ein Strukturwandel ein, der vor allem Deindustrialisierung bedeutete. Metropolregionen boten aufgrund ihrer diversifizierten sozioökonomischen Strukturen und guten Anbindung beste Standortbedingungen für besonders dynamische Sektoren wie international vernetzte wissensintensive Dienstleistungen (Finanzwesen, Management, Tourismus, Wissenschaft etc.) und hochwertigen Handel, also die sogenannten Großstadtfunktionen.[6] Auch die Vorstädte wuchsen rasant, da die Mittel- und Oberschicht schnell und häufig unkontrolliert ins Umland zog (Suburbanisierung). Alle Hauptstädte der mittel- und ost-europäischen Länder und alle Großstädte Polens (über 500 000 Einwohner) gelten als regionale Vorreiter.
ALTES KOHLEKRAFTWERK IN CHORZOW, OBERSCHLESIEN. DER GROSSTEIL DER HISTORISCHEN REGION OBERSCHLESIEN LIEGT IN POLEN, EIN KLEINER TEIL IN DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK
Verlierer waren die alten Industrieregionen, die in der sozialistischen Wirtschaft eine bedeutende Rolle gespielt und mit relativ gut bezahlten Arbeitsplätzen Zuwanderer aus dem ländlichen Raum angezogen hatten. Typische Merkmale dieser Regionen waren jedoch eine nicht diversifizierte Wirtschaft, relativ schlechte Lebensbedingungen infolge der langsamen Urbanisierung (oder Unterurbanisierung, wie I. Szelenyi es nennt[7]), relativ gering qualifizierte und spezialisierte Arbeitskräfte und abnehmende Umweltqualität. Daher nahm die Restrukturierung in diesen Regionen einen langen und schmerzhaften Verlauf. Tatsächlich kehrten einige Industriestädte und -regionen erst vor Kurzem auf den Wachstumspfad zurück und entwickelten moderne Industriesektoren und einige Großstadtfunktionen. Die Kohle- und Stahlregion Oberschlesien, die Werftenstandorte an der Ostsee, die ehemaligen Hochburgen der Textilindustrie wie Łódź und sein Umland in Polen oder die Region Maribor in Slowenien gelten als Beispiele für Industrieregionen, die einen schwierigen Strukturwandel durchlaufen haben, in einigen Fällen mit hohen sozialen Kosten.
Gewinner waren touristisch erschlossene und reindustrialisierte Regionen. Hierbei handelt es sich um Regionen mit Potenzialen, die im industriell ausgerichteten sozialistischen Entwicklungsmodell übersehen worden waren. In der offenen, von Wettbewerb geprägten Wirtschaft konnten diese Regionen jedoch auf neue Bedarfe reagieren, z. B. im Tourismus. Relativ gut entwickelten sich auch Regionen, in denen eine Reindustrialisierung erfolgte (oft infolge ausländischer Investitionen, die neue Technologien und Produkte einführten und neue Märkte eröffneten). Sonderwirtschaftszonen in zuvor problematischen Gebieten belebten die Wirtschaft spürbar. Die Region Rzeszów im Südosten Polens liefert ein gutes Beispiel für eine Region, in der die Industrie durch Auslandsinvestitionen, insbesondere im Hochtechnologiesektor, revitalisiert wurde. Der Straßenkorridor Budapest-Gyor, der bis nach Wien reicht, entwickelte sich nach Öffnung der Grenzen zum Unternehmenscluster. Auch die Regionen im Nordwesten Rumäniens erzielten dank ihrer Lage (kürzere Entfernung zu Kerneuropa) und ihres touristischen Potenzials ein rasches Wachstum.
FRANZISKANERKLOSTER IN DUBROVNIK, UNESCOWELTKULTURERBE, KROATIEN
Nachzügler waren in den meisten Fällen die Regionen im Osten. Diese strukturelle Unterentwicklung ist auf das Braudelsche Konzept der longue durée zurückzuführen, da die mittel- und osteuropäischen Länder durch spätmittelalterliche Modernisierungsprozesse entlang der Linie Danzig – Weichsel – Pest – Pécs – Ragusa (heute Dubrovnik) geteilt wurden. Technische (zumeist landwirtschaftliche) und institutionelle Neuerungen (aus Städten unter Magdeburger und Lübecker Recht, Klöstern und Universitäten), die sich von Westeuropa in den Osten ausbreiteten, verloren an dieser Linie an Schwung, sodass die meisten östlichen Regionen hinter dem Westen zurückblieben. Auch einige Grenzregionen am östlichen Rand der EU-15 stagnierten in ihrer Entwicklung. Dazu zählen die tschechische Region Sudeten nahe der deutschen Grenze, die an Rumänien grenzenden Regionen im Norden Bulgariens und die südbulgarischen Regionen an der Grenze zu Griechenland. In den baltischen Staaten blieben vor allem die Grenzregionen zu Belarus und Russland zurück (mit Ausnahme der Hauptstadtregion Vilnius). Diese Gebiete sind weniger entwickelt und es fehlt an großen Ballungszentren und einer großflächigen modernen Verkehrsinfrastruktur. Die Mehrheit dieser Regionen ist für ausländische Investoren nicht attraktiv, und inländisches Kapital ist knapp. Da viele Menschen in größere Städte oder ins Ausland abwandern, schrumpft die Bevölkerung.