Kitabı oku: «Scharfe Klingen (-Stadt)», sayfa 4
Versetzung wider Willen
Im Cafe Müller ging Ruth zielstrebig auf den Tisch zu, an dem Udo saß und den Ankömmlingen gespannt entgegen sah.
Verwundert folgte ihr Bert Meier, der wohl den Braten sofort roch, denn er fragte: „Ist er das?“
„Ja, das ist mein Freund.“ Bestätigte Ruth knapp, und als sie vor dem Tisch standen, stellte Ruth die Herren vor: „Darf ich bekannt machen? Mein Freund, Udo Gogolscheff, und das ist mein Chef Bert Meier.“
„So, dann lerne ich den Mann endlich kennen, der meine Werbeleiterin zu anderen Wegen verleitet? Das kommt doch sicher von Ihnen?“ fragte Meier gerade heraus, während er Udos Hand schüttelte.
„Und Sie sind der Chef, dem es nicht egal ist, wer die Aufträge reinbringt, sondern mit dem meine Partnerin erst lange Diskussionen ausfechten muss, bevor sie ihr Geld bekommt?“ erwiderte Udo gelassen.
Die Kellnerin kam wie gerufen, als sie nach den Wünschen der neuen Gäste fragte, dadurch entstand eine Gesprächspause, die die Situation entschärfte. Als die Kellnerin sich wieder entfernt hatte, sagte Meier: „Eigentlich lege ich nur Wert darauf, dass meine Firma würdig vertreten wird, Herr Garbsobski….
„Gogolscheff, Herr Meier. Aber wenn das zu schwer für Sie ist, dürfen sie gerne Udo zu mir sagen.“
Bert schmunzelte während er entschuldigend sagte: „Na ja, Entschuldigung, aber Meier ist nun mal einfacher, als ein russischer Name.“
„Der Name ist kein russischer Name, sondern schlesisch. Meine Großmutter stammt aus Schlesien.“ korrigierte Udo.
„Polnisch also, nichts für ungut, Herr Udo!“ entschuldigte sich Meier, und es klang eher wie eine Abwertung. „Aber mit der Ruth habe ich nun mal ein anderes Vertragsverhältnis als mit den Vertretern. Sie ist Angestellte, keine freie Mitarbeiterin, deshalb wird es schwierig sein, Rechnungen mit Steuer auf ihren Namen auszustellen. Das könnte irgendwann zu steuerlichen Problemen führen, und zwar für beide Seiten.“
„Hm, dem kann doch abgeholfen werden, Herr Meier. Ich kann Ihnen die Rechnungen ausstellen. Ich bin frei und unabhängig, geschäftlich gesehen. Wäre damit die Diskussion aus der Welt?“ Udos breites Grinsen ließ keinen Zweifel offen, dass er sich als Sieger dieses Wettstreites fühlte.
Meier überlegte sekundenlang, dann fragte er: „Das heißt also, Sie haben den Auftrag geschrieben?“
Als Ruth und Udo nickten fuhr er fort: „Ich habe nichts dagegen, Herr Gogolscheff, denn zusätzlich einen neuen Vertreter kann ich gut gebrauchen, noch dazu, weil sich ein sehr guter Mann selbständig gemacht hat. Das heißt aber auch, die Ruth muss genügend Adressen bringen, denn die sind ja in den letzten Tagen sehr spärlich geworden. Und natürlich muss die Verteilung über das Büro gehen und nicht nach Sympathie durch die Ruth. Das versteht sich doch wohl? Dann können wir das Thema ja abhaken und zu dir kommen, Ruth?“
Es wunderte weder Ruth noch ihren Freund, dass Meier Udos Namen plötzlich doch behalten hatte, aber sie gingen nicht darauf ein, sondern warteten beide gespannt auf Meiers Anliegen.
Unbeirrt redete Meier weiter: „Da du ja auch Aufträge schreiben willst, anstatt für ein, wie sagtest du, Mickymaus-Gehalt, zu arbeiten, können wir doch deinen Vertrag gleich auflösen? Denn beides geht ja bekanntlich nicht. Dann bist du freie Handelsvertreterin, und kannst mit deinem Freund zusammen oder auch getrennt, Aufträge schreiben. Nur was machen wir dann mit unseren Werbedamen? Soll die dann eine andere Werbeleiterin übernehmen?“
Empört fuhr Ruth hoch: „Nichts da! Das könnte dir so passen! Weder das Eine noch das Andere. Es ist meine Idee und sind meine Werbedamen! Und wenn du den Vertrag ändern willst, gibt es weder Adressen noch Werbedamen für die Firma Meier. Es sei denn, alles läuft über mich. Ich lass mich doch nicht ausbooten. Auch nicht von dir, lieber Bert. Komm Udo, ich möchte gehen.“ Schimpfte sie und sprang energisch auf. „Und du kannst dir bis Montag überlegen, welchen meiner Vorschläge du annehmen möchtest, oder ob du ganz auf meine Mitarbeit und automatisch auf meine Werbekolonne verzichten willst. Tschüss!“
Udo war ihr nachgekommen und maulte sie draußen an: „Sag mal, bin ich dein Hund? Was rennst du denn weg, ohne auf mich zu warten? Mach das nicht noch einmal mit mir, verstanden?“
„Entschuldige“, murmelte Ruth geknickt. „Aber das hat mich so geärgert, dass ich nicht länger mit dem an einem Tisch sitzen wollte.“
„Hast du wenigstens das Geld?“ war ihm nur das wichtig.
„Klar!“ grinste sie. „Sonst hätte ich den Auftrag nicht abgegeben. Er hat zwar versucht mich zu vertrösten, aber hat nicht geklappt!“
„Sag mal, ist der Norbert Fuchs nicht mehr bei dem Meier? Ich habe vorhin ein Gespräch am Nebentisch mitgehört, ich glaube das waren Monteure von Meier. Irgendwas von Fuchs und Firmengründung. Genaues konnte ich nicht verstehen!“
Verwundert schüttelte Ruth den Kopf: „Nee, weiß ich nix von. Glaub ich aber nicht. Wo soll der denn die Kohle für Selbständigkeit hernehmen? Aber was machen wir denn jetzt?“
„Wochenende! Entweder feiern, oder nach Lörrach fahren.“
„Verreisen? Nein, Udo, ich muss hierbleiben. Der Robert und die Kinder wollen morgen kommen. Ich muss ja mal langsam die Details unserer Trennung besprechen. Ich habe mit ihm vereinbart, dass er zur Beate kommt.“
„Warum?“ wollte Udo wissen. „Es ist doch viel einfacher, wenn wir zu ihm gehen. Dann kannst du noch ein paar Sachen mitnehmen.“
Ruth nickte: „Stimmt, die Sache hat nur den Haken, dass er dich nicht in seiner Wohnung haben will. Also muss er zu uns kommen. Ach, lass uns über was Schöneres reden!“
Auch in dieser Nacht musste Ruth Udos trinkfeste Ausdauer überstehen, sodass sie erst am frühen Morgen ins Bett kamen. Trotz übermäßigem Alkohol war Udo sexuell genauso aktiv und einfühlsam wie sonst auch.
Erst am späten Samstagnachmittag meldete sich Robert telefonisch.
Aber entgegen seiner vorherigen Äußerung verlangte er Ruth solle zu ihm kommen.
„Dann kommt Udo aber mit.“ Machte sie zur Bedingung.
„Meinetwegen!“ knurrte Robert.
Überraschenderweise weigerte sich Udo mitzukommen. „Nein, nicht heute hüh und morgen hot, wie es dem gnädigen Herrn gefällt. Fahr du mal alleine hin, ich fahre ins Sportcafe. Lass mir nur Geld hier.“ Entschied er.
Auch wenn Ruth über Udos Sinneswandel nicht gerade erfreut war, dachte sie, >es ist vielleicht besser so<, als sie eine Stunde später auf dem Weg zu ihrer ehemaligen Wohnung war.
Robert war ungewohnt ruhig und sachlich, aber die Kinder gingen ihrer Mutter ganz offensichtlich aus dem Weg, sie demonstrierten deutlich ihr Missfallen indem sie sich in das Fernsehprogramm vertieften.
„Lass uns im Büro reden!“ schlug Robert vor.
Auf Ruths Zögern versicherte er: „Keine Sorge, ich will dich weder zum Bleiben überreden noch angreifen. Wir müssen schließlich eine Lösung finden, mit der auch die Kinder leben können. Hier schaffe ich es nicht, die Beiden alleine zu versorgen. Im Haus meiner Eltern war das anders. Also wie stellst du dir die Trennung vor?“
Als Ruth die kleine grüne Ledergarnitur im Büro sah, wusste sie gleich was sie wollte: „Du hast Recht Robert. Die Ramona kann bei dir bleiben, die wird dir auch im Haushalt helfen können, aber der Rene ist noch zu flapsig um nachmittags alleine zu sein, denn auf die Ramona hört er sowieso nicht. Sobald ich eine Wohnung habe, und da werde ich jetzt mit Druck dran arbeiten, hole ich den Kleinen zu mir. Wenn wir uns nicht bekämpfen, sondern in Frieden alles regeln, können die Kinder ja zwischen dir und mir pendeln wie sie Lust haben. An mir soll es nicht liegen. Hier die kleine Ledergarnitur möchte ich gerne mitnehmen, du hast ja im Wohnzimmer die große Veloursgarnitur und brauchst ja keine zwei. Dann natürlich für Rene sein Bett, seinen kleinen Kleiderschrank, und Bettzeug mit Wäsche. Wir haben ja reichlich Handtücher und Bettwäsche, da kannst du die Hälfte entbehren. Tja, und ich will die Scheidung einreichen, einverständlich wäre für uns beide billiger, dann brauchst du keinen Anwalt, den bezahle ich dann.“
Robert war mit allem einverstanden und Ruth konnte in Ruhe noch einen Teil ihrer Kleidung einpacken.
In der Zeit hatte Robert mit den Kindern gesprochen, sodass sie sich nicht mehr ganz so abweisend verhielten. Ruth widmete sich noch eine Weile ihren beiden Kindern, hörte sich deren Erlebnisse an, dann verabschiedete sie sich, mit dem Versprechen, immer für sie da zu sein.
Erleichtert stieg sie zwei Stunden später in ihr Auto.
Nachdem Ruth ihre Kleidung in den Schrank geräumt hatte, machte sie sich auf den Weg nach Barmen, jedoch kaufte sie unterwegs noch eine Zeitung. In der Wochenendausgabe würde sie sicher viele Wohnungs-
Angebote finden, sodass sie hoffe, etwas Passendes zu finden.
Gauner und Tagediebe
Udo kam ihr gleich entgegen gestürmt, als sie das Sportcafe betrat.
„Na endlich. Wo warst du denn so lange? Ich brauche Geld. Also so geht das nicht. Ich bin im Brand und kann nicht weiter zocken, weil ich keine Kohle mehr in der Tasche habe. Das läuft demnächst anders. Gib!“ knurrte er missgestimmt.
Seine Ausdrucksweise war ihr zwar fremd, aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er sich verausgabt hatte.
„Aber wieso? Du hattest doch bestimmt dreihundert Mark in der Tasche. Hast du das alles verspielt?“ war das für sie kaum vorstellbar. „Das geht doch nicht, Udo. Wir brauchen das Geld für eine Wohnung. Ein paar Sachen kann ich von Robert haben, aber nur fürs Wohnzimmer. Wir brauchen dann noch Küchen- und Schlafzimmermöbel, dazu reicht das, was wir haben, nicht einmal.“ Belehrte sie ihn vorwurfsvoll.
Ärgerlich schnauzte er sie hart an: „Quatsch jetzt nicht, wegen der Wasserflöhe. Gib was du bei dir hast. Ich hab Schulden zu bezahlen. Wir werden noch genug Geld für Möbel verdienen, noch haben wir ja gar keine Wohnung. Und notfalls kaufen wir gebrauchte Möbel. Meine Schränke werde ich auch von der Manuela abholen, damit kommen wir schon klar. Also gib Geld, alles was du bei dir hast! Nun mach, die Partie läuft noch!“ befahl er.
Geschockt starrte Ruth ihren Freund an, dann stotterte sie: „Ich habe tatsächlich das Meiste zu Hause gelassen. Ich habe nur Zweihundert mitgenommen und davon habe ich auch schon etwas ausgegeben.“
Verärgert verzog er das Gesicht und knurrte: „Scheiße! Also gut, muss ich meine Schulden morgen bezahlen, das ist nicht so tragisch. Also gib mir was du hast.“ Als laute Geräusche von Stühlen rücken zu hören war, ärgerte sich Udo: „So ein Mist, die Partie ist zu Ende. Jetzt kann ich heute meine Kohle nicht mehr zurück gewinnen. Tja, das hast du nun erreicht. Dann können wir ja gehen. Warte, ich sag eben Bescheid, dass ich morgen bezahle.“
Alle Männer, die aus der Spielecke aufgestanden waren, verteilten sich in dem großen Saal in mehrere Richtungen.
Ruth sah, dass Udo mit einem glatzköpfigen älteren Mann sprach, zu ihr rüber zeigte, worauf der Glatzköpfige nickte.
Dann kam Udo auf Ruth zu, nahm sie grob beim Arm und dirigierte sie zum Ausgang. „Jetzt gehen wir ins Landhaus, ein leckeres Steak essen, damit die wenige Kohle wenigstens unserem Magen zugute kommt. Ich habe Hunger.“ Dagegen hatte sie nichts einzuwenden.
„Sag mal, mir ist aufgefallen, dass immer die gleichen Leute im Sportcafe sind, und zwar zu jeder Tageszeit. Und alle zocken immer. Wann arbeiten die Leute denn, und woher haben die denn so viel Geld?“ fragte Ruth unterwegs.
Udo lachte laut auf, belehrte sie: „Dummchen, arbeiten? Die versauen sich doch nicht den Tag mit Arbeit. Nein, das sind alles kleine Gauner und Tagediebe. Die verdienen mit zocken oder anderen steuerfreien Tätigkeiten was sie brauchen.“
Verwundert wollte Ruth wissen: „Und wenn sie verlieren? Die können doch nicht immer gewinnen, oder? Du hast ja bisher auch nur verloren, jedenfalls habe ich noch nicht gesehen, dass du gewonnen hast. Woher nehmen die das Geld zum Leben? Und wieso nennst du die Leute Tagediebe?“
„Ich weiß es nicht genau, aber einige Mitternachtskaufleute sind dabei, Luden und Taschendiebe, und manche kriegen auch ihr Geld vom Arbeitsamt, oder Sozialamt. Aber ich nenne sie alle Tagediebe, weil sie alle nicht arbeiten sondern dem lieben Gott den Tag stehlen.“ Erklärte er schmunzelnd.
Ruth verkniff sich die Bemerkung, dass er sich dann also auch zu den Tagedieben zählen müsse, weil sie diese Bezeichnung für ihren Lebensgefährten nicht akzeptieren wollte. Obwohl man es den Männern keineswegs ansah, hatte Ruth sich schon gedacht, dass die Gäste des Sportcafes keine Otto-Normalverbraucher waren. Ihre Ausstrahlung war Ungewöhnlich. Zwar hatte sie sich die Männer nicht genau angesehen, aber ihr war aufgefallen, dass sie alle mit einer gelassenen Ruhe, je nach Spiel, gegen- oder miteinander spielten, und dabei eine Zufriedenheit ausstrahlten, die bemerkenswert war. Keine Eile oder Hektik war erkennbar, nicht einmal Ärger bei Verlust. Sie verhielten sich seltsam übereinstimmend, als sei es gesichert, dass der Ausgleich vorbestimmt war. Es machte den Männern Spaß, ja das war es wohl, es war nur Spaß. Konnte das der Grund sein? Dass diese Clique das Leben nicht ernst nahm? Dass sie aus Spaß gegen jede Regel verstießen, oder aus Respektlosigkeit?
Während des Essens berichtete Ruth von Roberts Entgegenkommen, und anschließend wollte sie die Zeitung aufschlagen, aber Udo stoppte sie: „Nein, pack die Zeitung wieder in deine Tasche. Das machen wir zu Hause, aber Morgen. Heute machen wir uns einen gemütlichen Abend mit viel Liebe.“
Strahlend nickte Ruth. An diesem Tag kam sie nicht mehr dazu in die Zeitung zu schauen, Udo wusste sie abzulenken.
Es wurde eine lange, heiße Nacht, die Ruth wieder in ihrer Ansicht bestärkte, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Der Montag fing eigentlich wie ein ganz normaler Arbeitstag an. Für den Nachmittag hatte Ruth sich zwei Telefonnummern, von Wohnungen, aufgeschrieben, die sie nachmittags anrufen wollte. Es schien ein vielversprechender Tag zu werden.
Während Udo im Bett geblieben war, beeilte sie sich ihre Werbetour so kurz wie möglich zu halten, dazu suchte sie sich ein Gebiet im nahegelegenen Gruiten bei Mettmann aus. Die Einfamiliehaus-Siedlung, in der ein Haus dem anderen ähnlich war, eignete sich bestens für unsere Werbung, weil die Häuser alle eine Fassaden-Renovierung dringend nötig hatten. Sie waren sicher eine Billig-Baureihe, denn der ehemals weiße Putz blätterte bei den Meisten stark ab.
Als Ruth die Frauen zu Hause abgesetzt hatte schwankte sie kurz, aber dann entschloss sie sich erst ins Büro zu fahren, bevor sie Udo abholte. Denn es war noch zu früh, um Kunden zu besuchen.
Der Chef schien auf Ruth gewartet zu haben, denn er stand im Empfangsbereich des Vorraumes und fiel gleich, mit einem Redeschwall, über sie her: „Gut das du kommst, Ruth. Ich habe einen Sonderauftrag für dich. Du musst morgen nach Nürnberg fliegen, und mein Auto bei Detewe abholen. Das bringst du mir dann nach Berlin. Und bei der Gelegenheit bleibst du mal zwei Wochen in Berlin und zeigst den dortigen Werbedamen mal wie erfolgreiche Werbung geht!“
Ruth fiel aus allen Wolken, lehnte spontan empört ab: „Was? Nein! Das mache ich nicht. Such dir dafür Jemand anders. Was soll ich denn in Berlin?“
Sauer zischte Meier: „Werbung machen, sagte ich ja eben. Die Frauen kommen mit unserer Werbung nicht klar. Die bringen fast keine Adressen rein, obwohl die täglich stundenlang unterwegs sind. Sagen sie jedenfalls. Du musst da mal Schwung reinbringen. Ja, und auf dem Weg kannst du mir doch mal eben mein Auto abholen, oder etwa nicht? Detewe hat da ein Autotelefon eingebaut, und ich brauche den Wagen in Berlin.“
„Dann mach das doch selbst!“ lehnte Ruth konsequent erneut ab.
„Ich habe hier noch zu tun, und auf dem Weg kannst du ja wohl eben das Auto abholen. Jeder andere würde sich freuen mal einen Stingray Corvette fahren zu dürfen. Nach Berlin musst du ja sowieso.“ Beharrte er auf seinem Auftrag.
„Nein, muss ich gar nicht!“ widersprach Ruth energisch.
„Doch, das musst du schon, wenn ich dir den Auftrag gebe. Denn, meine liebe Ruth, wir haben einen Arbeitsvertrag, den du ja unbedingt behalten willst, und in unserem Arbeitsvertrag steht, dass das Arbeitsgebiet von der Firmenleitung von Zeit zu Zeit neu festgelegt werden kann. Und ich verlege es jetzt nach Berlin. Für zwei Wochen. Das hast du doch sicher in dem Vertrag gelesen, nicht wahr? Also Widerspruch zwecklos. Ablehnung kommt einer Arbeitsverweigerung gleich und kann eine fristlose Kündigung zur Folge haben. Willst du das wirklich riskieren?“ trumpfte er zynisch grinsend auf.
Ruth schüttelte den Kopf und versuchte einen anderen Weg: „Ich denke nicht, lieber Bert, dass du damit durchkommen würdest. Denn ich bin verheiratet und habe Kinder, und mit einer Verlegung in ein so weit entferntes Arbeitsgebiet, schaffst du einen sozialen Missstand. Also vergiss mal dein Berlin.“
Meier lachte laut und zynisch als er seinen letzten Trumpf raus ließ: „Nein, liebe Ruth, den sozialen Missstand hast du gerade selbst geschaffen. Du hast dich von deiner Familie getrennt. Also, geh nach Hause, wo immer das jetzt auch sein mag, pack ein paar Sachen und sei morgen Vormittag um elf Uhr hier. Die Maschine geht um drei.“
Als er sah, dass Ruth noch zögerte, und er wohl befürchtete, dass sie es lieber auf einen Crash ankommen ließ, bot er ihr entgegenkommend an: „Damit du nicht weiter stur bleibst, hab ich mir gerade überlegt, dass ich dir zeige, wie viel Verständnis ich für deine Lage habe. Damit du dich nicht von deinem Udo trennen musst, spendiere ich ihm ein Ticket nach Berlin und lasse ihn morgen nachkommen. Ich habe ein schönes Apartment auf dem Kudamm, darin könnt ihr beide wohnen. Also? Noch Einwände?“
Sprachlos schüttelte Ruth den Kopf.
Draußen vor dem Büro traf Ruth auf Norbert Fuchs, der hielt sie mit der Frage auf: „Na, sehen wir uns übermorgen in Berlin?“
Erstaunt erkundigte sie sich: „Wieso? Kommst du auch dahin? Dann kannst du doch die blöde Karre in Nürnberg abholen. Da habe ich gar keine Lust zu. Ich bin doch nicht Meiers Dienstmädchen!“
Norbert lehnte grinsend ab: „Nee, mach du das mal besser, ich habe auch keine gute Erfahrung mit den Vopos.“
„Mit was? Wieso Vopos? Meinst du die Polizisten im Osten? Was hast du denn mit denen zu tun?“ verstand Ruth seine Antwort nicht.
Norbert lachte laut, erklärte: „Ach das hat er dir wohl nicht gesagt? Du musst doch durch die Zone fahren, und Meier denkt, dass du keine Probleme mit den DDR-Behörden kriegst. Ihn haben die doch letztens schon einmal über Nacht eingesperrt, weil er in seinem Mercedes das Autotelefon benutzt hat. Deshalb traut der sich doch nicht mit dem Stingray durch die Zone zu fahren. Also, lass ja das Telefon ausgeschaltet, sonst packen die dich auch in den Knast. Die Vopos sind da rigoros.“
Unter ständiger Beobachtung
Udo war begeistert, freute sich: „Super, ich wollte schon lange mal nach Berlin. Schade, dass ich nicht gleich mit dir nach Nürnberg kommen kann, mit so einem heißen Schlitten wäre ich auch gerne mal gefahren. Wie ich dich beneide, mit einer Corvette über die Autobahn zischen, toll! Ich verstehe dich nicht, dass du da noch meckerst. Berlin ist doch ne tolle Abwechslung. Ich freue mich!“
„Aber dadurch erübrigt sich vorerst unsere Wohnungssuche, sodass ich mir die Anrufe sparen kann. Das ärgert mich, schließlich ist unser Aufenthalt hier nur eine Notlösung, die ich so schnell wie möglich beenden wollte. Außerdem kann ich nicht zischen, wie du dich ausdrückst. Ich muss durch die Ostzone fahren, da gibt es bestimmt Geschwindigkeitsbegrenzung. Und mit den Brüdern von der Volkspolizei ist nämlich nicht zu spaßen.“ Maulte Ruth wenig begeistert.
„Ach Quatsch, das wird doch alles übertrieben.“ War Udo überzeugt. „Und die Wohnung kann doch noch ein paar Wochen warten, wenn wir doch sowieso nicht hier sind, stört uns die Notlösung doch nicht.“
Warum sollte Ruth ihm widersprechen? Er hatte mal wieder in Allem Recht. Dass der Norbert übertrieb war auch möglich, vermutlich weil er auch keine Lust hatte, für Meier den Botenjungen zu spielen, darum hatte er ihr vielleicht eine Räuberpistole erzählt?
Zudem musste Ruth ihrem Udo beipflichten, ein Kurztrip nach Berlin, war doch mal eine Abwechslung, die noch dazu von der Firma bezahlt wurde. Da sie ihren Freund mitnehmen konnte, konnte sie das als einen Ersatz für den verpassten Wochenend-Ausflug sehen. Also, auf nach Berlin.
Als Ruth am nächsten Tag ins Büro kam erlebte sie eine unangenehme Überraschung.
Die Werbedame, Frau Dietze junior, stand ihr strahlend gegenüber.
„Was machen Sie denn hier?“ platzte es Ruth in ihrer Überraschung heraus. Und ihr ablehnender Gesichtsausdruck musste wohl Bände sprechen, denn dieses kleine Luder sagte mit Häme in der Stimme: „Ich komme mit nach Berlin. Ich fliege nachher mit dem Chef.“
„Was? Wozu soll das denn gut sein?“ brachte Ruth mit ihrer Frage ihre negative Meinung zum Ausdruck.
Mit spöttischem Grinsen erwiderte die Dietze dreist: „Damit mal eine Werbedame von hier, den Berlinerinnen verdeutlicht wie Werbung erfolgreich gemacht wird.“
„Und das sollen ausgerechnet Sie denen zeigen? Dazu müssten Sie mal erst Erfolg vorweisen. Bisher habe ich davon nichts gesehen. Oder meinen Sie einen anderen Erfolg? Nicht Kunden-Adressen?“ brachte Ruth brutal die Tatsache auf den Punkt.
„Also Ruth, jetzt lass mal gut sein. Noch entscheide ich hier wer was macht und wo!“ korrigierte der Chef Ruth im Reinkommen.
„Ja, Chef! Was und wo und auch bei wem, kannst du gerne entscheiden. Allerdings muss ich nicht mit Leuten arbeiten, die mir keinen Erfolg bringen. Steht übrigens auch in meinem Arbeits-Vertrag. Dass ich selbst entscheiden kann, wen ich auf meiner Werbefahrt mitnehme. Schau mal rein in den Vertrag, den du ja in Auftrag gegeben hast.“ Hielt Ruth ihm gelassen entgegen.
Sie war so wütend, vor allen Dingen über sich selbst, dass sie dieses kleine nutzlose Luder nicht schon lange wieder entlassen hatte, dass sie sich vornahm, selbiges bald nachzuholen. Tatsächlich hatte Ruth sie schon viel zu lange mitgeschleppt, immer in der Hoffnung, dass sie ja mal irgendwann Erfolge vorweisen würde. Mal wieder wurde ihr ihre Gutmütigkeit zum Stolperstein, darüber ärgerte sie sich am meisten. Denn ihr war schon klar, wofür Meier das junge Hühnchen mit nach Berlin nehmen wollte, dafür kannte sie ihn ja. Er stieg auf Alles was nicht schnell genug auf die Bäume kam. Bei ihr hatte er es mehrmals erfolglos versucht, aber bevor sie mit Bert Meier ins Bett gegangen wäre, wäre sie eher lesbisch geworden. Ruth fand ihn einfach Ekelhaft, diesen dürren Bazi, mit dem unreinen grobporigen, pickeligen Gesicht, der glaubte, aufgrund seines Reichtums, alle Frauen ins Bett zu kriegen.
Was diese kleine Schlampe sich davon versprach konnte Ruth sich denken, aber die Dietze musste mal erst an ihr vorbei kommen, denn schon ganz Andere hatten es nicht geschafft, sie Ruth, auszustechen. Ruth war innerlich so auf Protest gebürstet, dass sie der Dietze am liebsten in ihr dämlich grinsendes Pausbäckchen-Gesicht gespuckt hätte.
„Ruth, hast du nicht gehört? Komm mal in mein Büro!“ maulte Meier lautstark von seiner Tür aus, und riss sie auch ihren düsteren Gedanken.
Zumindest ins Chefbüro folgte ihnen niemand. Als ob er glaubte, ihr eine Erklärung schuldig zu sein, sagte er, wie zu seiner Entschuldigung: „Na ja, du musst sie ja in Berlin nicht mit auf Tour nehmen, ich habe schon eine andere Verwendung für die Bigi, aber das hast du dir sicher schon gedacht.“ Nach eine kurzen Luftpause fuhr er fort: „Also hör zu, du musst, an der Zonengrenze, für das Autotelefon eine Jahreserlaubnis beantragen. Das kostet siebzig Mark, aber du darfst auf gar keinen Fall das Telefon benutzen, während du durch die Ostzone fährst. Auch nicht mal kurz abheben, nur so zum Spaß. Du wirst während der ganzen Strecke immer unter Beobachtung sein, auch wenn du die Vopos nicht siehst. Und glaube mir, die verstehen keinen Spaß. Mich haben die schon in den Knast geworfen, nur weil ich im Auto telefoniert habe. Das ist für die Landes-Spionage. Lach nicht, das meinen die durchaus ernst. Also, du fährst von Hof über die Transitstrecke der DDR nach Westberlin. Direkt in Hof, an der Grenze, sagst du, dass du ein Autotelefon mitführst und dafür die Jahresgenehmigung beantragen möchtest. Dann gehst du mit in das Zollhaus und bezahlst. Die stellen dir das Formular aus, keine Angst, solange du denen Geld bringst, Westmark, sind die freundlich. Also hier sind die Autopapiere und dreihundert Mark Reisegeld, die Adresse von meinem Apartment auf dem Kudamm, und sobald du in der westlichen Zone bist, kannst du auch telefonieren. Aber ich rufe dich sowieso an, sobald du bei DETEWE raus gefahren bist. Schon um die Funktion des Telefons zu testen. Hast du alles verstanden? Dann fährt der Toni dich gleich zum Flughafen.“
Ruths Fahrt wurde in Nürnberg unerwartet unterbrochen, weil die Firma DETWE mit dem Telefoneinbau noch nicht fertig war.
Da ihr die Aushändigung des Fahrzeugs auf den nächsten Vormittag versprochen wurde, blieb Ruth nichts anderes übrig, als in Nürnberg zu übernachten.
„Ist ja kein Problem“, sagte Meier am Telefon. „Geh halt in ein Hotel für die eine Nacht. Mit dem Geld solltest du auskommen. Wenn nicht, strecke den Rest vor, das gebe ich dir dann morgen zurück. Ich habe übrigens deinem Udo dreihundert Mark gegeben und für morgen Mittag einen Flug nach Berlin gebucht. Auch das sollte klappen. Also melde dich morgen, wenn du den Wagen hast.“
Die Fahrt durch die Zone war sehr bedrückend. Der ganze Eindruck sehr deprimierend. Nicht nur der Hubschrauber, der während der gesamten Strecke über ihr kreiste, auch die kahle Landschaft und die harte Betonpiste der DDR-Autobahn vermittelten auf dieser Fahrt, ein trostloses Bild. Dabei wurde Ruth bewusst, welch ein niederschmetterndes Flair dieses Land ausstrahlte. Zum ersten Mal dachte sie über die Menschen nach, die in diesem Land gefangen waren, ja gefangen war die einzige Bezeichnung, gefangen hinter dem „eisernen Vorhang“! Wie glücklich konnten die „Westdeutschen“ sein, dass sie nicht das Pech hatten, im Osten dieses Landes zu leben. Dass sie das Glück gehabt hatten, dass ihre Familien im Westen Deutschlands das Ende des zweiten Weltkrieges erlebt hatten, und nicht im Osten.
Die schwerbewaffneten Grenzer der DDR wirkten bedrohlich und steif, keinerlei Freundlichkeit lag in ihren Gesichtszügen, obwohl sie Ruth höflich aufforderten, mit in das Zollhaus zu kommen, nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte. Aber die Maschinenpistolen griffbereit, locker über der Schulter hängend, drückten so viel Bedrohung aus, dass es ihr ein flaues Magenbrummeln bescherte. Auch der Beamte, der das Formular ausstellte und ihr aushändigte, nachdem er das Geld kassiert hatte, verzog keine Miene, geschweige denn die Andeutung eines Lächelns lockerte seine Mimik. Dennoch unterstützten die Beamten mit den Worten „Bitte“ und „Danke“ ihre Ansagen, aber es hörte sich in dieser harten Form wie leblos an, obwohl es im Ostdeutschen Dialekt sonderbar klang. Innerlich fror Ruth in dem Gebäude und war froh es wieder verlassen zu können. Der kalte Dienstraum des Zollhauses erschien ihr ein Vorgeschmack auf die Zellen in deren Gefängnissen zu sein. Im Nachhinein empfand Ruth Mitleid mit Bert Meier, dass er in einem Ost-Gefängnis eine Nacht hatte verbringen müssen, nur weil er telefoniert hatte. Sicher würde Ruth das Telefon auf gar keinen Fall auch nur anfassen, geschweige denn telefonieren. Obwohl sie es als eine dreiste Abzocke ansah, dass die DDR- Behörde nur für das Durchfahren mit einem Telefon-Gerät was man nicht benutzen durfte, Geld verlangte. Aber mit dem Knast wollte Ruth keinesfalls Bekanntschaft machen, deshalb kommentierte sie es nicht.
Natürlich fuhr sie in gesittetem Tempo die Transitstrecke nach Berlin, und da sie sich Zeit lassen konnte, kehrte sie in jeder der drei Raststätten ein, um einen Kaffee zu trinken. Der Kaffee schmeckte genauso fad wie die trostlose Kälte dieses Landes es schon erahnen ließ.
Nach langer Fahrt erreichte Ruth endlich die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Bis zu den letzten Kontrollen blieb das unangenehme Gefühl im Magen.
Sie atmete erleichtert auf, als sie den Osten hinter sich gelassen hatte.
Telefonisch orderte Meier Ruth zu einem Cafe in der Berliner Innenstadt, ganz in der Nähe des Kudamms. Direkt vor dem Gebäude fand sie einen freien Platz in einer Parkbucht. Als Ruth den Raum betrat strahlte ihr die kleine pausbäckige Dietze entgegen. Allein ihre Art alle Menschen über einen Kamm zu scheren, mit der Ansicht, ihr lächelnder Augenaufschlag zöge bei Jedem, fand Ruth doof, deshalb verzog Ruth keine Miene, und ignorierte die Aufdringliche.
„Entschuldigung, aber als erstes muss ich mal zur Toilette, danach können wir die Übergabe machen.“ Entschuldigte Ruth sich und verschwand ohne eine Antwort abzuwarten.
Als Ruth am Waschbecken stand kam die Werbedame herein, stellte sich neben sie und fragte: „Sie sind doch nicht böse auf mich, Frau Woods? Meine Beziehung mit dem Chef stört Sie doch nicht? Ich nehme Ihnen ja schließlich nichts weg, oder?“
Genervt erklärte Ruth ihr: „Wie kommen Sie auf solchen Blödsinn? Mit wem Sie bumsen ist mir doch egal, auch mit wem der Meier in die Kiste steigt. Ich will ihn bestimmt nicht haben. Und Sie müssen das mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wenn Sie ihren Mann betrügen. Solange es unserer Arbeit nicht schadet werde ich mich da mit Sicherheit nicht einmischen. Ich gönne Jedem den Spaß den er sich erlauben kann.“
„Ach ich finde den Bert so nett, auch wenn er optisch kein schöner Mann ist, aber er ist lieb und sehr großzügig, das genieße ich im Moment. Stellen Sie sich vor, er wollte mir sogar Kleider kaufen. Schade dass ich die nicht annehmen kann, sonst hätte der mich heute Morgen komplett neu eingekleidet. Ein lieber Mann ist er.“ Schwärmte sie mit verklärtem Lächeln.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.