Kitabı oku: «Unser Seminarhaus in der Toskana»
Unser Seminarhaus in der Toskana
1. Auflage, erschienen 3-2021
Umschlaggestaltung: Romeon Verlag
Text: Name
Layout: Romeon Verlag
ISBN: 978-3-96229-820-3
Copyright © Romeon Verlag, Jüchen
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Sigrid StübelGünter Stübel
Unser Seminarhaus
in der Toskana
Inhalt
1. Der Traum vom Seminarhaus
1.1 Die Geburt des Traumes
1.2 Schloss in St. Dié
1.3 Beim Notar
2. Die Hintergründe des Traumes
2.1 Siggis Unternehmungen
2.2 Günters Unternehmungen
3. Die Ursprünge in Klappholttal
3.1 Das Leben in Klappholttal
3.2 Kritik an Klappholttal, Gruppendynamik
3.3 Die Suche nach Schlössern.
3.4 Suche in der Toskana
4. Anfang Campo al Sole
4.1 Restaurierung
4.2 Das erste Seminar mit Kindern
4.3 Sergio
4.4 Der Seminarbeginn
4.5 Sommer in der Toskana
4.6 Lasst die Gäste sprechen
4.7 Der Betrieb
4.8 Besondere Erlebnisse
Mein Freund mit Handycap
Parapsychologische Fähigkeiten
Die parapsychologische Brasilienreise
5.0 Erweiterungen
5.1 Piccola Casa
5.2 Poderini
5.3 Buca dei Corvi
5.4 Sorriso
5.5 Segelabenteuer
6.0 Weitere Events
6.1 Actis in der Toskana
6.2 Geburtstage
6.3 Tinas Hochzeit
6.4 35 Jahre Abi
7. Abschließen mit dem Seminarhaus
7.1 Das letzte Verwalterpaar
7.2 Verkaufsabsicht
7.3 Vermietung
7.4 Zusammenfassender Rückblick
1. Der Traum vom Seminarhaus
1.1 Die Geburt des Traumes
Wir waren kurz davor, unseren Traum zu verwirklichen. Wir, das waren meine Frau Sigrid und ich und unser Freund Michael, sowie dessen Freunde. Der Traum war, ein Seminarhaus ins Leben zu rufen, in dem Themen, die über das Alltagsleben hinausgehen, für interessierte Gruppen bearbeitet werden sollten. Unser gemeinsames Vorbild war die Akademie am Meer auf der Insel Sylt.
Dem dramatischen Moment im Mai 1980, an den ich mich sehr genau erinnere, gingen bestimmt 50 oder mehr Treffen voraus, bei denen wir unsere Pläne konkretisierten. Die Ideen fanden in einem 30-seitigen Grundsatzprogramm ihren Niederschlag. Dort waren Themen, Inhalte, mögliche Referenten, Orte und Ziele so genau festgehalten, dass wir sofort hätten starten können, sobald wir den geeigneten Ort gefunden hätten.
1.2 Schloss in St. Dié
Wir einigten uns auf ein Anwesen mit vielen Zimmern, einer ansehnlichen Umgebung und mit überschaubaren Kosten. Da boten sich die zahlreichen Schlösser, die damals auf dem Markt waren, an. Tatsächlich fanden wir auch unser Schloss in den Vogesen in St. Dié.
Ein eindrucksvolles Gebäude mit 60 Zimmern und einem traumhaften Park. Nachdem vorher Erkundigungen Einzelner zur Zufriedenheit stattgefunden hatten, trafen wir uns, wild entschlossen zum Kauf, auf dem Schloss. Wir hatten einen Notartermin am Nachmittag vereinbart und verbrachten den Vormittag mit der Bewunderung des Schlosses und seiner Umgebung.
Wir hatten uns auf die Reise nach Frankreich richtig gefreut und meinen Schwiegervater, der Frankreich sehr liebte, mitgenommen. Da er schlecht zu Fuß war, lieferten wir ihn in der Dorfkneipe mit dem Versprechen ab, ihn spätestens um 17.00 Uhr wieder abzuholen.
Es war Frühlingszeit und die ersten Tulpen und Narzissen verbreiteten bei unserer Ankunft im Park einen leuchtenden Glanz. Beeindruckend waren die großen Gesellschaftsräume des zukünftigen Seminarhauses, in denen wir schon unsere Gäste im Kreis sitzen sahen. Der offene Kamin verhieß eine gemütliche Atmosphäre. Wir konnten auch die Luftheizung, die mittels Luftröhren für angenehme Temperaturen in den Räumen sorgen sollte, unter die Lupe nehmen. Da bekamen wir schon großen Respekt vor unserer Aufgabe. Denn der Hausmeister war gerade dabei, ganze Baumstämme in den riesigen Ofen zu stecken, um die Räume dem noch etwas kühlen Frühlingstag anzupassen. Einerseits eigneten sich die Zimmer geradezu ideal für die Übernachtungsbedürfnisse unserer Seminarteilnehmer, andererseits ahnten wir schon, welche Anstrengungen sich hinter der Instandhaltung des Gebäudes verbargen. Guten Mutes verließen wir uns aber auf unsere Pläne.
Wir hatten ja im Kopf, dass viele freiwillige Helfer kommen würden, wie wir es z.B. vom Esalen-Institut in Big-Sur, Kalifornien, was ebenfalls unser Vorbild war, kannten. Die Gerüche aus der Küche ließ uns das Wasser über die französischen Köstlichkeiten, die wir unseren Gästen servieren wollten, im Mund zusammenlaufen. Der Blick über den Rasen vor dem Eingang lud zu einer Meditation im Freien ein und das lebhafte Vogelgezwitscher vollendete den Eindruck der unversehrten Natur.
Wir versicherten uns bei der kleinen Zusammenkunft noch einmal unseres Glückes, das Richtige gefunden zu haben. Die eine Million DM Kaufpreis für das Schloss und den Park können wir stemmen, da jeder ja nur 100.000 DM einzubringen hatte. Das stellte eine Größenordnung dar, die für dieses Prachtstück angemessen war. Schließlich gab es auch einen Business-Plan, aus dem sich die Rendite für eventuelle Zinsbelastungen und den nötigen Unterhalt ergaben.
1.3 Beim Notar
Nach einem kleinen Vesper mit mitgebrachten Kleinigkeiten machten wir uns auf den Weg zum Notar. Der Termin war auf 15.00 Uhr vereinbart. Das Büro befand sich inmitten des mittelalterlichen Ortes St. Dié in Lothringen in einem historischen Gebäude. Es roch beim Eintreten etwas nach Geschichte, aber es verstärkte nur das Gefühl der Feierlichkeit des Augenblicks. Der Notar war ein freundlicher, alter Herr, der die klassische Welt des historischen Augenblicks repräsentierte, in dem die ehrwürdigen Steine in unsere Hände übergehen sollten. Unser Gegenüber war leider nicht der adlige Graf, dem das Anwesen bisher gehörte, sondern ein unscheinbarer Rechtsanwalt, der sich laut Vollmacht als derjenige auswies, der zum Verkauf berechtigt war. Der Notar sprach als Lothringer ein perfektes Deutsch, was die Verhandlungen sehr erleichterte.
Kurz bevor er mit der Verlesung des Kaufvertrages begann, meldete sich Peter zu Wort. Sein Hüsteln durchbrach die angespannte Stille und führte mitten in unserer freudigen Erwartung zu einer ungeduldigen Anspannung. „Ich habe mir noch eine kleine Ergänzung zum Kaufvertrag überlegt“, begann er seinen Einwurf. „Ich habe von meiner Großmutter einen tollen Marmortisch aus dem 18. Jahrhundert geerbt. Der würde super in das östliche Eckzimmer mit dem Erker passen. Ihr habt doch sicher nichts dagegen, wenn ich den dort passend zur übrigen alten Einrichtung einbringen würde. Natürlich müssten wir das Zimmer dann abschließen und vor den Gästen schützen.“ Der kurze Einwand verschlug mir die Sprache und auch von den Anderen kam zunächst kein Kommentar, sondern es herrschte nachdenkliches Schweigen.
Auf einen Schlag redeten jedoch alle im Beisein des Notars und des Verkäufers durcheinander. „Das geht ja gar nicht!“ warf Michael mit empörtem Ton ein. „Wie aus meinem Grundsatzprogramm hervorgeht, dem ihr alle zugestimmt habt, wollen wir ein offenes Haus haben, in dem sich jeder frei bewegen kann. Das entspricht auch dem Geist, den wir mit unseren Veranstaltungen vermitteln wollen.“ Ähnlich äußerten sich auch zwei oder drei aus unserer Runde. Diese hatten aber nicht mit den engen Bindungen der Übrigen zu Peter gerechnet. Sehr heftig wurden Peters Ansprüche verteidigt. „Wenn es nicht möglich ist, ganz wenige private Lieblingsgegenstände in den Räumen unterzubringen, dann mache ich auch bei dem Projekt nicht mit. Wir sind ja nicht in einer kommunistischen Kommune, bei der Individualität nicht mehr gefragt ist“ - das war der Tenor der Gegner des Grundsatzprogrammes, das Michael verteidigte. Nach kurzem Nachdenken gaben meine Frau und ich Michael recht und wir verteidigten die offene Gesellschaft. Es war erstaunlich wie heftig die Argumente wegen dieses Marmortisches ausgetauscht wurden. Persönliche Angriffe vor allem auf Michael und uns, weil wir angeblich die ganze Gruppe dominieren würden, folgten.
Mir wurde langsam klar, dass hinter dem Marmortisch mit dem geschlossenen Eckzimmer mehr als nur die private Vorliebe stand. Hier machte sich ein lang aufgestautes Missbehagen bei denen Luft, die bisher eher Mitläufer gewesen waren und auf deren Ansichten, wegen der Dominanz von Michael bei den psychologischen und philosophischen Fragen, zu wenig eingegangen worden war. Auch ich bekam wegen meines Organisationstalentes und wegen meiner betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, die ich nach meinem Gefühl selbstlos in die Gruppe eingebracht hatte, mein Fett ab. Inzwischen war es über fünf Uhr nachmittags und ich wurde zunehmend nervös, weil wir meinem Schwiegervater ja 17.00 Uhr als Abholungszeit versprochen hatten.
Dies war kein kleiner Streit um den Marmortisch mehr, sondern das ganze Projekt stand gruppendynamisch vor dem Aus. Ziemlich frustriert brachen wir die Verkaufsverhandlungen ab, entschuldigten uns bei Notar und Verkäufer und machten uns getrennt auf die jeweiligen Heimwege.
Da es inzwischen 18.00 Uhr war, suchten wir mit schlechtem Gewissen die französische Kneipe auf, in der wir meinen Schwiegervater zurückgelassen hatten. Wir erwarteten einen vorwurfsvollen Vater, der einsam in einer Ecke ungeduldig auf die Heimfahrt wartete.
Doch als wir die Kneipe betraten, kam uns ein lautes, bunt gemischtes französisch Palaver, inmitten einer rauchgeschwängerten Tischrunde, entgegen. Die vielen Viertele vom Rotwein konnten wir förmlich riechen. Mitten drin saß mit glücklichem Gesicht mein Schwiegervater. Er erzählte in fließendem Französisch und unter lautem Beifall den Anwesenden von seinen Erlebnissen im Jahr 1944 auf der Flucht von der Atlantikküste nach Deutschland. Offensichtlich erhielt er dabei so viel Hilfe der französischen Bevölkerung, dass er dabei die Franzosen lieben gelernt hatte. Dies ließ er auch seine Zuhörer spüren. Erleichtert hörten wir selbst noch eine Weile zu und mahnten dann vorsichtig zur Heimreise.
Auf dem Weg ließen wir den Nachmittag noch einmal vor unseren Augen passieren. Wir konnten uns rasch auf unsere gegenseitigen Erkenntnisse einigen. Diese bestanden nämlich aus der einfachen Überlegung, dass das Projekt an und für sich toll ist, dass das aber mit einer Gruppe von zehn Leuten nicht zu packen sei. Das Gruppen-Projekt St. Dié war gestorben.
Noch auf der Heimfahrt wich das Frustgefühl einer neuen schwungvollen Haltung, die sich fast bis zur Euphorie steigerte. Wir beschlossen nämlich: „Das machen wir jetzt zu Zweit, nur ein wenig kleiner!“
2. Die Hintergründe des Traumes
2.1 Siggis Unternehmungen
Die Lust etwas selbständig zu unternehmen war uns offensichtlich beiden in die Wiege gelegt.
Bereits als wir uns kennen lernten, wollte Siggi immer einen Wollladen eröffnen, da sie selbst gern strickte. Nach ihrer Ausbildung als Sport- und Gymnastiklehrerin bei der Sportschule Kiedaisch in Stuttgart betätigte sie sich als Stadtsportlehrerin in Tübingen. Der Liebe wegen zog sie zu mir nach München, wo ich in dieser Zeit studierte. Die Enttäuschung war groß, als die bayrischen Behörden ihr mitteilten, dass ihre Stuttgarter Ausbildung in Bayern nicht anerkannt würde. Um eine Stelle zu bekommen, müsste sie noch eine zweijährige Ausbildung bei der Bode-Schule in München nachweisen. Das war doch etwas viel verlangt.
Anstatt zu verzweifeln und auf die Bayern zu schimpfen, schlug ihr unternehmerisches Herz und sie nahm die Angelegenheit in ihre eigenen Hände. Während unserem gemeinsamen Volleyballspiel beim Eisenbahner-Sportverein in Nymphenburg, sprach sie mit dem Vereinsvorstand und schwärmte ihm vor, ein paar Gymnastik-Stunden für Hausfrauen am Morgen, an dem die Halle nicht belegt wäre, zu organisieren. Der Vereinschef, ein gemütlicher und sehr sympathischer Bayer, ließ sich überzeugen und es konnte losgehen. Angesteckt von Siggis Begeisterung half ich einen großen Stapel Werbezettel zu kopieren.
Das war in der damaligen Zeit um 1968 gar nicht so einfach. Aber ich hatte Erfahrung durch mein Demo-Engagement in der Studentenorganisation ASTA gegen die Notstandsgesetze. Das war für die 68-er Generation, der ich nun mal angehörte, damals eine sehr ernste Angelegenheit. Somit hatte ich Gelegenheit und Erfahrung mit der Vervielfältigung von plakativem Material. Ausgestattet mit einem ansehnlichen Paket von Werbeblättern, schwärmten wir in unsere Nachbarschaft in Nymphenburg aus und füllten die Briefkästen mit unserer Botschaft. Wir hatten Dienstag um 11 Uhr die erste Stunde angesetzt. Natürlich waren wir beide gespannt, ob überhaupt jemand käme. Auch dank der Mundpropaganda im Verein erschienen tatsächlich 6 Frauen und die Gymnastik-Stunde konnte beginnen. Rasch sprach sich das Angebot in der Umgebung herum und dank weiterer Briefkasten-Aktionen füllten sich mit der Zeit mehrere Termine während der Woche.
Mit diesem Wissen startete Siggi auch in Stuttgart, wo wir nach meinem Studium hingezogen sind, zunächst an der technischen Universität Gymnastik-Unterricht für unsere Bekannten. Wegen meines ersten Jobs hat es uns nach Stuttgart zur IBM verschlagen. Dort fanden wir in der Alexanderstraße eine typische Innenstadtwohnung mit drei Zimmern. Die Wohnung lag am Hang mit Blick auf Stuttgart. Diesen genossen wir bei unserem Frühstück in der Küche jeden Morgen. Dort verstärkte unsere erste Tochter Tina unsere Familie. Wir merkten aber wie schwer es ist, in Stuttgarts Zentrum ein Kind groß zu ziehen. Um spazieren zu gehen mussten wir erst das Auto benutzen. Das unterbrach aber nur kurz Siggis Unternehmer-Drang. Sobald wir wegen der Erwartung des zweiten Kindes aus der Innenstadt nach Stuttgart Vaihingen gezogen waren, kreisten ihre Gedanken wieder um die Gymnastik. Nach der Geburt von Dagmar, ca. zwei Jahre später, reifte der Entschluss, einen Gymnastik-Treffpunkt in Stuttgart-Vaihingen zu gründen. Damit war auch schon der Name „Gymnastik-Treff“ gefunden, der sich bis heute weiter vererbt hat.
Ein Gymnastik-Raum zur Miete war in der Robert-Kochstraße rasch gefunden. Mit den bekannten Zetteln im Briefkasten, mit Zeitungswerbung, aber vor allem mit Mund- zu-Mund-Werbung, füllten sich bald mehrere Stunden pro Woche. Zum Werbeerfolg trug auch wesentlich der kleine Sportsmann bei, den der mit uns befreundete Maler Ui Hoffmann entworfen hatte, nachdem er einen ganzen Tag die Teilnehmer bei der Gymnastik beobachtet hatte.
Mit zwei kleinen Töchtern war es natürlich nicht so einfach, eine Work-Balance herzustellen. Mit Kindermädchen und der Hilfe des Ehemanns gelang es Siggi schließlich, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Da viel Unterricht in den Abendstunden stattfand, führte die Hilfe von mir bei der Kinderbetreuung öfters zu Konflikten, da auch die Freunde mit Sport lockten bzw. auch externen Druck aufbauten. Im Rückblick verstehe ich, dass dies die emanzipatorische Weiterentwicklung so mit sich bringt. Dass beide Kinder bereits mit jeweils 3 Jahren in den von uns gesponserten nicht-autoritären Pfaffenwald-Kindergarten an der Technischen Universität gehen konnten, erleichterte die Koordination von Familie und Beruf enorm.
Mit der Vergrößerung der Teilnehmerzahl war ein Umzug in die Räume des ehemaligen Wohnhauses der Familie Robert-Leicht in Vaihingen notwendig. Hier führte jedoch eine große Terrasse mit dem anschließenden beeindruckenden Garten zu einer unerwarteten Erweiterung des sportlichen Angebotes. Gerade der Garten lud zu zahlreichen Feiern ein und bot allen Freunden und Bekannten einen willkommenen Einblick in die Lernerfolge der Teilnehmer.
So entwickelte sich der Gymnastik-Treff zu einem gewinnbringenden Unternehmen mit 800 Teilnehmern pro Woche, das später unserer Tochter Christina weitergegeben werden konnte.
2.2 Günters Unternehmungen
Während dieser Zeit entwickelte ich mich beruflich Schritt für Schritt und trug parallel mit Wohlwollen und kräftiger Unterstützung zur Entwicklung des Gymnastik-Treffs bei.
Die Berufsentscheidung für IBM führte zu unserem Umzug nach Stuttgart, was ja mein Geburtsort und meine Heimat war. Bei dieser Firma lernte ich die Grundlagen der Informationstechnik kennen. Stetig begleitete mich jedoch die Sehnsucht nach wissenschaftlicher Erforschung dieses neuen Fachgebietes. So nutzte ich die Chance als mein Münchner Studienfreund Eckard Falkenberg mir eine Stelle an der Universität Stuttgart zum beruflichen Wechsel aufzeigte. Eine Vorstellung beim Abteilungsleiter für Informatik Dr. Hans-Jochen Schneider führte zu einer Assistentenstelle an diesem Institut. Meine Erfahrung bei IBM nützte beim Aufbau des Informatik-Studiums in Stuttgart sehr. Wir waren die Pioniere auf diesem neuen Gebiet.
Mit meiner Doktorarbeit 1972 über „die Simulation der Entwicklung von Unternehmen“ setzte ich in dieser Sparte ein deutliches Zeichen zur angewandten Praxis der Informatik, die ja bisher stark mathematisch und theoretisch ausgerichtet war. Bei einem Sommersemester am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Boston, USA, lernte ich die amerikanische Praxis der Verbindung zwischen Wirtschaft und Universität kennen. Dabei führten Projekte in der Praxis der Industrie unmittelbar zur Erweiterung des Lehrbetriebs und umgekehrt fanden wissenschaftliche Erkenntnisse Eingang in das Wirtschaftsleben. Auch die Professoren teilten ihre Arbeit zwischen Wissenschaft und Praxis und gewannen so einen weit größeren Erfahrungsschatz, als wir es von unseren Professoren in Deutschland gewohnt waren.
Diese Erfahrung hatte mich sehr beeindruckt, da es auch mein unternehmerisches Herz höher schlagen ließ. Schließlich hatte ich von meinem Vater, der als ein Kaufmann eine Teppich-Firma leitete, unternehmerisches Blut geerbt.
Zusammen mit dem Abteilungsleiter Dr. HJ. Schneider, der inzwischen einen Ruf als Professor an der technischen Universität in Berlin erhalten hatte, lehnten wir uns an das amerikanische Modell der Verbindung von Wissenschaft und Praxis an. Wir gründeten zusammen die Firma ACTIS-Angewandte Computertechnik für Informations-Systeme GmbH. Zunächst arbeiteten wir von der Universität aus und sammelten so unsere ersten Erfahrungen. Nach typisch deutschen Hindernissen, bei denen nach anonymen Anzeigen unsere Nebentätigkeiten polizeilich überprüft wurden, zog ich mit den Wurzeln unserer Firma ins benachbarte VDI-Haus ein. Hier begann die eigentliche Selbständigkeit.
Die polizeilichen Ermittlungen kosteten zwar Nerven und hohe Rechtsanwaltsgebühren, aber sie verliefen im Sand, da alle unsere Aktivitäten einschließlich der Rechnerkosten genehmigt worden waren. Diese bezahlten wir natürlich privat. Was wir theoretisch immer gehört hatten, dass es Gründer in Deutschland schwer hätten, erlebten wir damals am eigenen Leib.
Einige unserer neuen Mitarbeiter haben wir aus den von uns betreuten Diplomanden gewinnen können. Mit diesem Startkapital aus reiner Manpower entwickelte sich die Firma ACTIS in den nächsten 15 Jahren zu einem erfolgreichen Softwareunternehmen mit 200 Mitarbeitern und ca. 30 Millionen DM Umsatz. Mit Filialen in Frankfurt und Berlin waren wir bald europaweit tätig.
Die Aufgaben in der Familie mit Kinderbetreuung, die zwar Spaß machten, aber öfter mit den persönlichen sportlichen Aktivitäten und dem unternehmerischen Einsatz in Konkurrenz standen, führten immer wieder zu familiären Reibereien. Sie entspannten sich erst nach Einschaltung eines Familientherapeuten.
Zur Entspannung trugen auch die erholsamen und anregenden Urlaubstage auf der Insel Sylt bei. Dort entstand die Idee, etwas gemeinsam zu unternehmen. Bisher ging es immer ums Geldverdienen und um den Gewinn jedes Einzelnen. So wuchs die Sehnsucht, etwas zu schaffen, das uns verbindet und das unseren sozialen Absichten gerecht wird.
Nachdem wir zehn Jahre lang jeden Sommer mit den Kindern unseren Urlaub in der Akademie am Meer in Klappholttal verbracht hatten, ergab sich die Gelegenheit, zusammen mit den dort gewonnenen Freunden, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen.