Kitabı oku: «Unser Seminarhaus in der Toskana», sayfa 2

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3. Die Ursprünge in Klappholttal
3.1 Das Leben in Klappholttal

Syltwetter, das ist ein blauer Himmel mit weißen Wolken und ein frischer Wind. Das Wellenrauschen beim Spaziergang am Rande der Nordsee, wenn die Möven kreischen, gehörte unmittelbar dazu. Das sind die Eindrücke von unserem Urlaub in Klappholttal, den wir 10 Jahre lang wiederholten, bis die Kinder, Tina Jahrgang 1969 und Dagmar Jahrgang 1971, mit 12 Jahren sozusagen groß waren. Die folgende Geschichte spielt in den Jahren nach 1982.

Klappholttal, ein besonderer Ort in Sylt. Die Akademie am Meer liegt zwischen den Nordseebädern Kampen und List am Rand des Nordsylter Naturschutzgebietes, unmittelbar hinter dem Weststrand der Insel und inmitten der einmaligen Dünenlandschaft. Die Volkshochschule Klappholttal ist eine Stätte der Jugend- und Erwachsenen-Bildung. Sie ist eine der ältesten Volkshochschulen in Schleswig-Holstein, bereits 1919 gegründet. Der Gründer war Knut Ahlborn, der im Zuge der Wandervogelbewegung eine Reise von Berlin aus nach Sylt unternahm. Er entdeckte das Militärlager zwischen den Dünen und widmete es nach dem Erwerb mit Freunden zu einem Ferienlager um. Seit seiner Gründung ist Klappholttal ein Ort der Begegnung und des Gesprächs, ein Platz der Ruhe und der Gemeinschaft. Bildung zwischen Vortragssaal und Strand sind hier Programm.

Die Akademie am Meer bietet für Hörer jeden Alters ein abwechslungsreiches literarisches, wissenschaftliches und musisches Programm. Kleine Häuschen mit einfachen aber behaglich eingerichteten Ein- und Mehrbettzimmern bieten eine gemütliche Unterkunft. Klappholttal, mit dem Geruch der Rosen noch in der Nase und mit der Glocke, die zum Frühstück ruft in den Ohren, ist der Ort, der uns, meine Frau Siggi und mich, zum Seminarhaus in der Toskana inspiriert hat. Der Rhythmus des Tages hat sich 10 Jahre in unser Urlaubsgefühl eingebrannt. Es beginnt mit Morgensingen mit dem Krabbe Krubbelkri-Lied und der Huldigung für die Morgensonne, gefolgt von Gymnastik am Meer mit Ritualen aus der Gründerzeit: „Vom Opa bis zum Enkel hoch die Oberschenkel“! Die Glocke ruft Punkt neun Uhr zum Frühstück. Sie wird begleitet von den Kindern, für die der regelmäßige Tagesrhythmus ein willkommener Kontrast zum unregelmäßigen und hektischen Alltag ist. 10 Minuten vorher stehen sie alle schon da und passen auf, dass das Läuten keine Minute später stattfindet oder sogar vergessen wird.


Nach dem Frühstück autogenes Training mit Frau Dr. Eberlein. Das waren für mich die ersten Eindrücke davon, dass die Welt auch anders sein kann, als ich es auf der Uni und im Berufsleben kennengelernt habe. Entspannung pur und die Erkenntnis, dass das Universum noch mehr Geheimnisse parat hält, als die Schule uns lehrte.

Dann Strand und Baden, wie wir es erwartet hatten. Wieder eine Regelmäßigkeit am Tag, wie das gemeinsame Mittagessen. Das stärkt das Immunsystem zusammen mit der Sylter Luft. Der Organismus fühlte sich selten so prickelnd an. Nach einem kurzen Mittagsschlaf im Häuschen geht es schon zum Philosophie-Vortrag von Walter Jens über die deutsche Sprache. Es ist erstaunlich, wie sich plötzlich die Lebensperspektive weitet. Danach reicht es gerade noch einmal zum kurzen Bad in den Wellen, zum Smalltalk in den Sandburgen und zum Volleyballeinsatz im Sand, bevor das Abendessen den Tagesrhythmus fortsetzt. Berühmte Musiker vom Hamburger Philharmonie-Orchester gestalten den Abend mit Konzerten. Da diese jeweils von den Musikern erklärt wurden, war es für mich der Einstieg zur klassischen Musikliebhaberei.

Ein Absacker im Glashaus, bei dem die Welt „neu organisiert“ wird, beendet den Abend wieder ein bisschen später, als es sein sollte. Derweilen haben die Kinder am Nachmittag ebenfalls gesungen, gebastelt und mit ihresgleichen getobt, so dass die Nachtruhe für alle gesichert war. Nur leise hört man das Schleichen von Freiern, wenn sie bei nächtlichen Besuchen die Hütte wechselten.

3.2 Kritik an Klappholttal, Gruppendynamik

Bei so viel anregenden Erlebnissen blieb es nicht aus, die störenden Elemente, die sich mit der Zeit in die Organisation eingeschlichen hatten, verbessern zu wollen. In der Strandburg bei strahlendem Sonnenschein, vom Lachen spielender Kinder umgeben, traf sich ein kleiner Kreis junger Klappholttaler, um sich über die überbordende Tradition der „Alten“ im Führungskreis von Klappholttal auszulassen. Da waren immer noch anstößige Elemente aus der Wandervogelzeit und der Gründungszeit. Symbolisch dafür standen die Namen der Häuschen z.B. Jugendborn oder Alberich. Die Regeln, dass keine Kinder unter 6 Jahren erwünscht sind, stammt ebenfalls aus alten Zeiten. Da der Vorstand und der Führungsverein ebenfalls aus sehr alten Mitgliedern bestand, gab es keinen Anlass, dies zu verändern. Das musste verbessert werden.

Federführend war unser Philosoph Michael Andritzky. Ein Architekt und Designer aus der Bauhausgruppe. Er verfasste eine ganze Broschüre, wie so ein animierender Ort eigentlich auszusehen hat und wie die Inhalte aussehen sollten, und wer sie vermitteln sollte. Dann überschütteten wir uns gegenseitig mit Lösungsvorschlägen, welche die jeweiligen Hindernisse zu einem offenen und modernen Treffpunkt überwinden sollten. Die Fassung von Michael überarbeiteten wir gemeinsam, auch wenn es mehrere Jahre mit Zwischen-Treffen in Michaels Ferienhaus in der Pfalz dauerte. Das Ergebnis ließ sich sehen und bot fortan für unsere Aktivitäten die Grundlage. Hier ein kurzer Auszug:

„Grundkonzept und Idee einer Europäischen Kulturakademie“

Mit folgender Zweckbindung:

Die Europäische Kulturakademie verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Die Erzielung privaten und wirtschaftlichen Gewinns ist ausgeschlossen. Gedacht ist an eine gemeinnützige Stiftung.

Konzeption/Idee

1.Schaffung einer Stätte kultureller Begegnung zwischen verschiedenen Berufs- und Altersgruppen mit dem Ziel, in einer Atmosphäre geistiger Neugier und praktischer Kreativität voneinander und miteinander zu lernen. Dies soll in einem angenehmen äußeren Rahmen geschehen.

2.Einrichtung eines Zentrums für die Diskussion der entscheidenden Grundfragen unserer Zivilisation im Geiste der Humanität und des Friedens über die verschiedenen inneren und äußeren Grenzen hinweg.

3.Schaffung eines Forums, in dem tendenziell die Abschottung zwischen den beruflichen Fachdisziplinen und den gesellschaftlichen Gruppen durchbrochen wird. Angesprochen sind Menschen, die der zunehmenden Vereinzelung im Denken, Fühlen und sozialen Handeln eine Alternative entgegensetzen wollen. Der Begriff Kultur ist dabei als Klammer zu verstehen.

4.Aktion und Reaktion, vita aktiva und vita contemplativa sollen sich hier im Sinne kreativer Muße begegnen.

5.Das Ergebnis könnte eine „open university“ für Menschen, die sich noch nicht auf- oder zufrieden geben und Neugier bewahrt haben. Nicht zu vergessen: die Kinder und Jugendlichen. Die Begegnung und der Austausch zwischen den Generationen ist ein Kernstück des Akademiegedankens. Jüngere und Ältere können hier wieder miteinander reden.

6.Das meiste, was gut ist und guttut, braucht nicht neu erfunden zu werden. Jeder braucht (bekommt es im Alltag aber nicht immer) : sozialen Kontakt, körperliche Bewegung, Ansprache der Sinne, Bestätigung durch gelungenes Tun, Kreativität, Spiel und Spaß, Kopfnahrung, ästhetische Erlebnisse, Musik, Tanz, Malen und Gärtnern -auch mit Kindern- auf der einen Seite. Wildern in fremden Gärten, vertiefendes Lernen und offene Diskussion auf der anderen Seite. Dazu psychologische Einzelund Gruppenerfahrung.

7.Einige wollen vielleicht im Alter ganz dort leben: Gemeinsam statt einsam, nicht ausgemustert oder abgeschoben. Die soziale Frischluftzufuhr der lebendigen Akademie hält -übers Mitmachen oder nur Dabeisein- die geistige und körperliche Zirkulation wach.

Das Grundsatzprogramm regte die Lust auf etwas Neues an. Es folgten noch mehrere Treffen während des Jahres in Süddeutschland. Die Erkenntnisse nahmen Gestalt an und die Gedanken überschlugen sich:

Selbst in die Führungsriege des Klappholttal-Vereins eindringen – geht nicht, weil die Alten vor lauter gesunder Luft nicht rechtzeitig abtreten. Dieselbe Idee auf einer anderen Nordseeinsel gründen – die Grundstücke sind viel zu spärlich und zu teuer! Also was braucht man wirklich? Viele Zimmer und preiswerte Unterkünfte in gesunder und anregender Umgebung.

Da bieten sich doch die Schlösser an. Die sind heute günstig zu übernehmen und bieten viel Platz. Nach mehreren Treffen unterm Jahr in Michaels Heimat bildete sich ein Freundeskreis von 10 Klappholttalern heraus, die begeistert nach geeigneten Schlössern suchten und gleichzeitig die Philosophie vertieften. Der Ort sollte inspirierend sein, das Engagement sozial, kulturell, offen, solidarisch und eine Wertegemeinschaft moderner Ideen – einfach genial den „genius loci“ repräsentieren.

3.3 Die Suche nach Schlössern.

Nach den Treffen und der Verabschiedung des Grundsatzprogramms begann ab 1977 die intensive Suche nach Schlössern in Deutschland. Da ich gerade meine Firma in Stuttgart gegründet hatte, war ich zeitlich sehr angespannt. Aber Siggi begleitete Michael oft auf Besichtigungen. Schließlich kristallisierte sich das Schloss Philippsruhe Hanau im Taunus als geeignetes Objekt heraus, das wir genauer in Betracht zogen. Obwohl das Gebäude selbst sehr ansprechend war und auch geeignet für unsere Unternehmung erschien, lehnte ich es ab, weil mir von Anfang klar war, dass auch die touristische Umgebung stimmen musste. Wer will schon zu einem Seminar in den Taunus reisen? So reizvoll es dort ist, für Ferien reicht es doch nicht ganz. Schließlich ist es die regenreichste Region Deutschlands. Also wurde es wieder verworfen.

Gerade war ich noch als 68-er gegen die Notstandsgesetze vor der TU-München auf der Straße und beim Allgemeinen Studentenaustausch (ASTA) beim Plakate vervielfältigen. Dann schlug die Verantwortung voll zu. Neuer Job, bei IBM, neue Stadt, neue Wohnung, Umzug nach Stuttgart, Geburt des ersten Kindes, die Familie versorgen, aber sich nicht vom Alltag unterkriegen lassen, aufmerksam gegenüber der Frau als Hausfrau, Mutter, Geliebte und „Möchte-gernin-den-Beruf-zurück-Frau“, und das geliebte Tennis nicht aufgeben.

Beim zweiten Kind zwei Jahre später war es nicht leichter. Umzug nach dem Vorort Stuttgart-Vaihingen wegen der besseren Kinderumgebung, denn vorher lebten wir mitten in der Stadt. Vor dem neuen Reihenhaus in der Othellostraße standen Panzerwagen zum Schutz von Herrn Rebmann, dem General-Bundes-Anwalt vor den RAF Anschlägen, die in gewissen Regelmäßigkeiten meist nur Politiker trafen. Wir hatten keine Angst, aber so unter den Maschinengewehren der Schutzsoldaten spazieren zu gehen, war doch nicht sehr sympathisch. Bei dieser Gelegenheit nahm ich einen neuen Job als Assistent an der Uni Stuttgart zum Promovieren in Informatik an und der gleiche Konflikt zwischen Familie und Eigeninteressen flammte wieder auf. 1975 schloss ich die Promotion mit „cum laude“ ab.

Ein bisschen Tennis konnte ich mir doch noch abzwicken. Ein Großteil unserer Zeit widmeten wir dem Aufbau des nicht autoritären Kindergartens Pfaffenwald an der Universität Stuttgart. Da gingen unsere Töchter, jede bereits mit 3 Jahren, gerne hin. Die Eltern waren bei wöchentlichen abendlichen Sitzungen mit heißen Diskussionen, die fast zu Streitereien ausarteten, beschäftigt. Dabei ging es darum, ob wir nun antiautoritär oder nur nicht-autoritär wären. Wir lernten dabei viel über Kinder, da unsere Betreuer dabei waren. Mehr noch beschäftigte uns die gesellschaftliche Einstellung der übrigen Eltern zur Kinderbetreuung ebenso wie zu allem, was unser gemeinsames Leben betraf.

Die politischen Einstellungen folgten den offiziellen Einlassungen der neuen Partei der Grünen und der SPD. Es war die Zeit der Toskanafraktion mit meinen Altersgenossen der 68-er, den Politikern Schilly, Schröder, La Fontaine, Fischer oder Trittin, die ab 1989 einen Hype unter den Deutschen für die Toskana auslösten.

Neben den Schlössern bezogen wir auch Mühlen für unsere Akademie ein. Die reizvolle Lage an einem kleinen Flüsschen schien uns sehr geeignet. Ich erinnere mich noch an eine passende Mühlenanlage im Schwarzwald. Als wir das Anwesen bewundert hatten, fragten wir den dortigen Verwalter, warum die schöne Anlage verkauft würde. Der Grund war, dass der Müller im Alter von 40 Jahren vor kurzem gestorben war und gleich danach seine gleichaltrige Frau. Da dieser Vorfall nicht der erste bei einer Mühle war, so schlossen wir daraus, dass das Leben so nah am Flusswasser vielleicht doch nicht so gesund wäre. Wir nahmen danach Abstand von der Suche nach Mühlen.

Noch einige Schlossbesuche brachten wir hinter uns. Dann tauchte es auf. In St. Dié, einer kleinen Stadt am Rande der Vogesen, nicht weit von der Grenze nach Deutschland. Also gut erreichbar. Sein Name Chateau l’Hermitage war nicht sehr berühmt, aber es stand zum Verkauf. Es ragte wie ein Leuchtturm aus den vielen Schlössern heraus, die wir inzwischen besucht hatten. Wir waren begeistert.

Es war Frühling, die ersten Blumen schmückten bereits den Park, das eindrucksvolle Gebäude mit fast nicht überschaubarer Anzahl von Zimmern, die herrschaftlichen und repräsentativen Säle, die Erker mit dem Blick auf die Gärten, der Speisesaal mit der eindrucksvollen Küche passten wie im Traum zu unseren Plänen. Auch die touristische Attraktivität für einen Ferienaufenthalt erschien uns mit den Vogesen in unmittelbarer Nähe gegeben.

Wir feierten uns selbst noch bei einem kleinen Picknick im Garten, bevor es zu dem verhängnisvollen Termin beim Notar ging, bei dem der Traum mit der Gruppe endgültig geplatzt war. Die Stimmung danach können wir durchaus als Krise für unser Projekt Seminarhaus einordnen.

Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Teilen: der eine Teil symbolisiert Gefahr oder Risiko, der andere Chance. D.h. eine Krise ist eine neue Chance. Wenn wir die Chancen von Krisen erkennen und nutzen, dann können wir uns weiterentwickeln und wachsen. Das spürten wir auf der Heimfahrt von Frankreich. So konnten wir ein neues Kapitel unseres Traumes aufschlagen indem wir unsere gewachsenen Pläne auf meine Frau und mich, sowie auf unsere finanziellen Möglichkeiten und unsere Kapazitäten anpassten.

3.4 Suche in der Toskana

Mit neuem Schwung arbeiteten wir an unserem eigenen Projekt. Anstatt einer Akademie schraubten wir unsere Ansprüche auf ein überschaubares Seminarhaus herunter. Es sollte zwischen 20-30 Betten haben. Das übrige Niveau mit dem Inhalt und der Umgebung sollte aber beibehalten werden. Hier diente wieder mit einigen Abstrichen unser früher erarbeitetes Konzept als Grundlage. Vor allem an dem sozialen Aspekt ohne Gewinnorientierung wollten wir festhalten, denn wir hatten ja beide unsere gewinnbringenden Firmen und wollten nun etwas gemeinsam anderes auf die Beine stellen.

Wichtig war die Umgebung, die neben den Seminaren auch zum Verbleib einladen würde, oder sogar den ausschlaggebenden Grund liefern sollte, wie es die Nordsee mit Sylt für die Akademie am Meer war.

Da bot sich spontan für die Deutschen Südfrankreich und die Toskana an. Schließlich waren ja die Toskana-Fraktion und weitere Toskana-Abenteuer gerade in. Wir besorgten uns Prospekte von den beiden Landschaften bei einschlägigen Agenturen und studierten diese genau nach unseren Ansprüchen. Schnell war klar, dass Südfrankreich ausscheiden musste. Erstens waren die Preise für unser Ansinnen bereits damals viel zu hoch. Wir wollten mit unserem Budget von 200.000 DM auskommen. Zum Zweiten fanden wir kein geeignetes Haus in Meeresnähe. Dort war bereits alles verbaut und unverkäuflich. Wir hätten weit ins Hinterland gehen müssen.

Etwas traurig, weil ich französisch sprechen konnte aber nicht italienisch, wandten wir uns daher der Toskana zu. Ganz anders als in Südfrankreich stimmten hier die Preise und ein Haus nach dem anderen fanden wir in ansprechender Lage. Wir entschieden uns für die Schweizer Agentur Aebersold mit dem italienischen Partner Digenti in Massa Marittima. Sobald ich frei machen konnte, zogen wir los und fanden uns bald in einem ansprechenden Gästehaus in Massa Marittima mit ca. zehn Schweizern wieder, die ebenfalls ihr Traumhaus in der Toskana suchten. Herr Digenti war sehr freundlich und zuvorkommend und schwärmte uns von seinen Angeboten vor. Er lud uns ein, mit ihm zusammen am nächsten Tag die Häuser zu besichtigen. Wir hatten uns mit deutscher Gründlichkeit fünf Hauser ausgesucht, die alle in der Umgebung an einem Tag zu erreichen waren. Sie entsprachen alle unseren Ansprüchen.

Wir machten uns also am nächsten Tag mit unserem Agenten auf den Weg. Nach einer Stunde erreichten wir das erste Objekt. Es lag direkt an der Straße in einer hässlichen Gegend und schaute nicht gerade einladend aus. Das Zweite, nicht weit entfernt, fand ebenfalls nicht unseren Geschmack. Wir hofften sehr auf das Dritte, das im Prospekt in den besten Farben beschrieben worden war. Auf drei Stockwerken sollte es 11 Zimmer geben und sich in bester Lage befinden. Wie groß war die Enttäuschung und auch der Frust, als sich herausstellte, dass das angebotene Haus nur zwei Stockwerke hatte. Wir stellten Herrn Digenti zur Rede und mussten bald erkennen, dass alle von uns angestrichenen „Traumhäuser“ entweder bereits verkauft worden waren oder sonst ernsthafte Mängel enthielten. Wir lernten nämlich, dass die ganzjährige Versorgung mit Wasser ein entscheidendes Kriterium zusätzlich war. Dies ist in dieser Gegend nicht selbstverständlich. Wir konnten einige Häuser ohne Strom und Wasser in schönster Lage besichtigen, aber bei aller Naturverbundenheit eigneten sich diese nicht für unser Anliegen. Bald gaben wir unsere Besichtigungstour mit Herrn Digenti auf. Die Erkenntnis setzte sich bei uns durch, dass wir trotz der beredten Entschuldigung und den zahlreichen Ausreden hier einem „Betrüger“ aufgesessen sind. Allerdings lernten wir später, dass das Wort Betrüger typisch deutscher Härte entspringt. Ein Italiener würde sagen, dass der Prospekt etwas geschönt war, aber der Agent sich doch redlich bemüht hätte, uns zufrieden zu stellen.

Wie auch immer, um einer Erfahrung reicher, traten wir den Heimweg an und wählten einen anderen Weg, unser Seminarhaus zu suchen.

Ab sofort setzten wir auf eine Anzeige in der Süddeutschen Zeitung und auf das Studium fremder Anzeigen über den Hausverkauf in der Toskana. Das Internet war ja damals noch nicht so verbreitet.

Auf diese Weise erhielten wir eine erstaunliche Vielzahl an positiven Angeboten. Wegen meines beschränkten Zeitbudgets machte sich Siggi allein, entweder mit dem Auto oder mit dem Flugzeug, auf den Weg und prüfte das Objekt nach unseren Kriterien. So wuchs ihre bzw. unsere gemeinsame Erfahrung und Siggi hatte mit der Zeit sicher 70 Anwesen angeschaut, ohne dass das Geeignete dabei war. Wenn es passend erschien, flog ich entweder nach oder wir besuchten bei der nächsten Reise das gewünschte Ziel.

Ein luxuriöses Haus, das alle unsere Ansprüche erfüllte, lag an einem See bei Poggio a Calano westlich von Florenz. Die Einrichtung war vom Feinsten und schien erst vor Kurzem auf Vordermann gebracht worden zu sein. Der Besitzer, ein älterer Herr, sonnte sich während unserer Besichtigung im Liegestuhl. Auf unsere Frage, warum er ein so schönes Ferienhaus verkaufen würde, schilderte er uns seine ganze Familiengeschichte. Früher war der Ort ein beliebtes Familientreffen, bei dem drei Enkelkinder Leben in die Bude brachten. Seine Frau ist vor zwei Jahren verstorben und seine Kinder haben das Interesse an Italien verloren, seit die Enkel etwas größer geworden sind. Eine Geschichte, die wir allerdings öfter bei unseren Besuchen hören konnten.

Inzwischen war jedoch der Preis durch die Renovierung fast auf das Doppelte des Anzeigenpreises gestiegen, so dass wir am Ende Abstand von diesem Objekt nehmen mussten. Wer nun denkt, dass Siggi die Flinte ins Korn werfen würde, kennt sie schlecht. Weiter ging die Suche ins Innere der Toskana in einen kleinen Ort hinter Arezzo. Dort erwartete uns ein ganzes Hüttendorf in malerischer Lage. Wir wurden freundlich aufgenommen und durften an den naturorientierten Spielen der Dorfbewohner teilnehmen. Das war eine neue Erfahrung, weil die ganze Einstellung ökologisch und esoterisch ausgerichtet war. Ob sie wirklich verkaufen wollten, war ihnen selbst nicht klar. Als wir bemerkten, wie sie mit Batterien Strom erzeugten und in Kanistern Wasser schleppten, dachten wir selbst nicht mehr ans Kaufen.

Vor einem neuen Anlauf hörten wir in Stuttgart von einem kulturellen Ort in der Toskana, in dem die Wirkstatt von Karlsruhe alternative Kurse in umwerfender Umgebung durchführen würde. Besonders berühmt seien die Wochen mit Psychodrama, Tanzen und Malen. Gespannt erkundigten wir uns nach der Adresse und diese führte uns nach Colle val d’Elsa. Von Florenz aus steuerten wir die malerisch gelegene Ortschaft an, die zwischen Giminiano und Siena lag. Wir mussten, der kleinen, verschlungenen Straßen wegen, öfter Gebrauch von der Karte machen, bis wir auf ein Ortsschild „Bivio“ stießen. Vergeblich suchten wir allerdings in unserer Karte nach dem Ort Bivio. Ganz auf unsere Intuition vertrauend, wählten wir an der nächsten Kreuzung die romantischste Straße und trafen bald darauf am Eingang zu der Feriensiedlung „val d’elsa“ ein. Erst später erfuhren wir auf Nachfrage, dass „Bivio“ kein Ort ist, sondern ein Hinweis auf die kommende Kreuzung war. Bis heute hat das Wort „bivio“ Abzweigung - in unserem italienischen Wortschatz eine besondere Bedeutung.

Nach dem Eingang führte ein nicht geteerter Weg zwischen Zypressen in einer malerischen Umgebung zu dem Seminarhaus. Schon die Zufahrt vermittelte Ferienstimmung. Kaum waren wir angekommen, als uns ein reizendes junges Mädchen, die hier als Helferin arbeitete, herzlich empfing. Da es Mittagszeit war lud sie uns zum Essen ein, beantwortete alle unsere Fragen und schilderte beredt die Organisation. Besonders beeindruckt waren wir von den vielen Helfern, die offensichtlich den ganzen Betrieb von Küche bis Garten in festen Händen hielten. Wie sich herausstellte waren das alles freiwillige junge Leute, die gegen Kost und Logis an den Kursen teilnehmen konnten und ihre Ferien in der Toskana verbrachten. Wir staunten über den Komfort des Hauses mit elektrischem Strom, zahlreichen Duschen, ausreichend Toiletten, die wir dankbar benutzen durften und geräumigen Einzel- und Mehrbettzimmern. Gemäß dem toskanischen Wetter spielte sich das Leben meist im Freien ab. Beim Blick auf die eindrucksvolle Landschaft zu Füßen des Anwesens, das am Hang lag, steigerte sich die Begeisterung für den Ort. Wir lernten auch kurz den Chef aus Karlsruhe kennen. Er war aber mit Einkäufen beschäftigt und verschwand bald mit seinem Kastenwagen.

Nun hatten wir live unser Vorbild gesehen. Wir behielten das Bild bei unserer weiteren Suche im Auge. Nur war jetzt die Latte für das Projekt sehr hoch gehängt. Das fing bei der reizenden Zufahrt an, ging über das herrschaftliche Landhaus, die toskanische Küche, die funktionierende Infrastruktur und nicht zuletzt über das attraktive Seminarangebot. Wie sollten wir das alles schaffen? Aber ein konkretes Vorbild hatten wir jetzt im Kopf und nach einer längeren Fahrt, über kurvenreiche Straßen und durch malerischen Landschaften, nahm die Unternehmungslust wieder von uns Besitz und wir steuerten das nächste aussichtsreiche Objekt an.

Nach der Übernachtung in einem kleinen Gasthof am Wegesrand, landeten wir in einem weiteren Objekt hinter Massa Marittima, das sich nach der Anzeige vielversprechend anhörte. Wir trafen dort auf einen mittelalterlichen Herrn aus Deutschland, der gerade mit seinem Sohn an einem Batterien-Satz arbeitete. Er erläuterte wie die Stromversorgung praktisch mit den Akkus und den Solarzellen einwandfrei funktionierte und schilderte mit gewählten Worten die Vorteile des Hauses. Besonders stolz war er auf sein Bad mit portugiesischem Marmor. Als wir uns der Hitze wegen duschen wollten, wurden wir 1oo Meter weiter in den Gemüsegarten verwiesen. Dort standen mehrere Kanister mit Wasser und eine Vorrichtung, die einem Galgen ähnelte und die einer Dusche sehr nahe kam. In Ermangelung von etwas Besserem, kühlten wir uns etwas ab. Dabei fiel uns aber die Entscheidung gegen diesen Ort sehr leicht. Warum die Besitzer verkaufen wollten, bekamen wir nicht heraus.

Für ein Seminarhaus müssen wir auf jeden Fall klassische Elektrizität vorfinden, da sich großstädtische Seminarteilnehmer nicht so schnell an den Umgang mit schwachem Gleichstrom gewöhnen können. Fließend Wasser ist die zweite unverzichtbare Bedingung. Der Aufwand mit Kanistern voll Wasser die Woche zu verbringen, ist nicht zumutbar. Wir stellten uns schon vor, wie zwanzig, von der Fahrt und der Hitze strapazierte, weiterbildungshungrige Großstädter in der Schlange stehend vor der hölzernen Duschvorrichtung warten, wenn das Wasser ausgeht!


Wir hatten ja noch einen weiteren Termin mit einem Agenten aus Siena. So fuhren wir guter Dinge auf der kurvenreichen Strecke in den Süden von Siena. Da wir noch Zeit hatten, genossen wir auf dem Weg zu unserem Ziel die Thermen von Patriolo. Im Freien konnte man sich unter einem kleinen Wasserfall mit fast heißem Wasser entspannen und sich richtig gesund fühlen.

Das war schon eine gute Voraussetzung für das Objekt, das in unmittelbarer Nähe sein musste. Wir fanden es auch bald. Mit einer Zufahrt durch Kastanienbäume statt Zypressen und einer Lage am Hang ziemlich in den Bergen erinnerte es uns stark an unser Vorbild in Colle val d’Elsa. Das Anwesen bestand aus drei zusammengeschachtelten Gebäuden. Da lag es nun unser Seminarhaus „casa del volpe“ also Fuchsbau auf deutsch. Es verfügte über Strom und fließend Wasser, was inzwischen zu einem Killerkriterium geworden war, wenn ein Element fehlte. Der Agent stellte uns dem Verwalter vor und zeigte sich sehr zufrieden, als uns die Anzahl der Zimmer, die Infrastruktur, der Kamin im gemütlichen Wohnzimmer im toskanischen einfachen Stil und die Umgebung zusagten.


Es passte eigentlich alles und nach einer Preisverhandlung, die sehr zu unseren Gunsten ausfiel, machten wir kurzentschlossen Nägel mit Köpfen. Wir kauften „unser Seminarhaus“ per Handschlag und übergaben dem Agenten einen Scheck über zehntausend DM als Anzahlung. Später unterzeichneten wir auch einen compromesso, also einen Vorvertrag, der allerdings in Italien als verbindlich gilt. Bei Rücktritt ist eine erhebliche Summe als Schadenersatz fällig. Wir hatten uns angewöhnt, vor einer Entscheidung einmal in dem Haus zu übernachten und so den „genius loci“ zu erspüren.

Wir waren uns in diesem Fall aber so sicher, dass wir das Schlafen nach der Kaufentscheidung legen konnten. Ein gemütlicher Abend am Kamin mit bester Fasanenbrust, zu der uns der Hausverwalter einlud, bestärkte uns zu unserer Wahl. Nach reichlich Hauswein schliefen wir fest und zufrieden in den passenden Betten. Welch ein Erschrecken, als wir um fünf Uhr früh mit dem Knallen von mindestens zwanzig Schüssen aus dem Schlaf gerissen wurden.

Nach den Beschwerden beim Verwalter registrierten wir, dass wir mitten in einem Jagdgebiet liegen und je nach Saison der Lärm zur Tagesordnung gehört. In Panik verließen wir das Haus. Mit einem mulmigen Gefühl frühstückten wir mit unserem Lieblingsgetränk Cappuccino und mit Cornetti, also Hörnchen, in einer Bar im nächsten Dorf. Wir ließen uns von einem gebrochen Deutsch sprechenden Einheimischen – ich habe mal bei Mercedes in Stuttgart gearbeitet – erklären, dass zur Zeit Jagdsaison wäre und hier viele jagdfreudige Einwohner auf Wildschweinjagd gehen würden, was bis zum Frühjahr erlaubt sei.

Wir setzten uns danach mit der Agentur in Siena in Verbindung und schilderten unsere Erfahrung in drastischen Worten. Zu unserer Erleichterung zeigte der Agent Verständnis und versprach, den Vor-Kaufvertrag zu vergessen und den Scheck zu vernichten. Da alles korrekt abgewickelt wurde, konnten wir beruhigt, um eine Erfahrung reicher, nach Hause fahren. Es war trotzdem eine Überraschung - wir hatten nicht mehr daran geglaubt - als nach ca. vier Wochen ein Schreiben mit dem ungültigen Compromesso kam und sich tatsächlich 10.000. DM wieder auf unserem Konto befanden. In Italien geht alles doch mit rechten Dingen zu und wir können vertrauensvoll weiter unserer Suche nachgehen.

Während wir unseren ersten Traum mit dem Schloss verwirklichen wollten, geisterte vor allem bei mir parallel dazu ein zweiter Traum durch meine Gedanken. Wir waren nämlich über Weihnachten wie immer mit den Kindern beim Skiurlaub in Österreich. Diesmal hatten wir in Fügen in einem vornehmen Hotel Unterkunft gefunden. Schon der Heilige Abend, den wir teilweise auf unserem Zimmer verbrachten, und der andere Teil, mit den wenigen Gästen in der Lounge, hinterließen einen etwas faden Geschmack.

Noch schlimmer habe ich Silvester in Erinnerung. Wir saßen mit einem Chefarzt Paar aus Innsbruck am Tisch und die Unterhaltung verlief etwas schleppend. Um Mitternacht brachte der Hotelservice eine brennende Torte herein und wünschte ein Frohes Neues Jahr 1982: Das war’s!. Etwas ernüchtert schnappten wir, bei einem Spaziergang hinter dem Haus, Luft. Dabei kamen wir an Hütten mit gemütlichem Kerzenlicht vorbei. Beim Hineinschauen konnten wir so etwas wie eine Feuerzangenbowle erkennen und hörten fröhliche Gesänge mit Gitarrenbegleitung. Da ich selbst gerne Gitarre spiele und beim Skifahren eigentlich zünftige Lieder singen wollte, fasste ich auf der Stelle den Entschluss, genau eine solche Hütte zu erwerben und dort in Zukunft Silvester zu feiern. Siggi war nicht abgeneigt, obwohl das Seminarhaus erste Priorität hatte. So ergab es sich, dass wir regelmäßig in der Süddeutschen Zeitung Ausschau nach einem Seminarhaus hielten und daneben die Anzeigen nach einer Hütte in den Bergen durchforschten.

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