Kitabı oku: «Achtsamkeitscoaching», sayfa 2

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Wenn ich diese Übung in Gruppen vorschlage, höre ich vielfältige Proteste, warum das nicht geht. Einer muss Kinder versorgen oder früh zur Arbeit oder ist morgens schlecht drauf oder, oder, oder. Meine Antwort darauf ist: Es geht. Man kann es realisieren. Zur Not geht man abends früher ins Bett.

Mit dem Eigenen zu beginnen, vor allem anderen am Tag, hat viele Vorteile. Man bekommt das Gefühl, schon etwas für sich getan zu haben und jagt dem nicht den ganzen Tag hinterher. Dieser Tagesbeginn mit innerer Aufmerksamkeit ist keine neue Erfindung. In allen Weisheitslehren, ob im Christentum oder im Buddhismus, wird für praktizierende Mönche der Tag mit einer solchen Zentrierung begonnen, bevor die jeweiligen Rollen (Mutter, Berufstätiger, Schüler) den Menschen einnehmen. »So make the first appointment of the day with yourself“

Eine zweite ganz einfache Übung geht in eine ähnliche Richtung.

Übung: Innehalten

Für ein paar Sekunden setzen wir uns aufrecht hin oder, wenn wir unterwegs sind, bleiben stehen oder gehen bewusster, atmen bewusster und konzentrieren uns auf die Freude in unserem Leben. Wir können uns beispielsweise die Menschen vorstellen, die wir lieben.

(nach Matthais Ennenbach)

3. Die Vorteile der Perspektive der Aufmerksamkeitsebenen

Welche Vorteile bietet die Betrachtungsweise der verschiedenen Aufmerksamkeitsebenen? In erster Linie wird der eigene Horizont erweitert. Die Erkenntnis, dass mögliche Aufmerksamkeitsebenen über das übliche Betrachten hinausgehen, ist für viele Menschen neu. Vor allem das Hinnehmen der transgenerationalen und der nondualen Aufmerksamkeitsebene ist ungewohnt und fremd. Für die meisten ist beim Ich Schluss. Andere oder das Ganze sollen Einfluss auf mich haben? Jeder ist doch seines Glückes Schmied. Da ist auch etwas dran, denn jeder liefert seinen Beitrag. Dennoch ahnen viele Menschen, dass es noch mehr gibt.

Zweitens werden Unterschiede und Konflikte verstehbar. Themen des Alltags, des Berufs und der Politik werden von einzelnen Menschen mit sehr unterschiedlichen Aufmerksamkeitsebenen wahrgenommen und mit unterschiedlichem Bewusstsein diskutiert. Die eine Seite argumentiert logisch und rational, etwa mit Zahlen, die andere Seite hat einen emotionalen Bezug, vielleicht aus einem persönlich biografischen Erleben heraus. Treffen solche Menschen aufeinander, können sie in der Kommunikation Probleme bekommen. Man spricht nicht dieselbe Sprache, hat nicht dieselbe Wellenlänge, versteht sich nicht.

Drittens wird eine Perspektivenergänzung ermöglicht. Wer sich die sechs Aufmerksamkeitsformen vor Augen führt, kann manche Fragestellungen differenzierter und klarer auftrennen. So dringt auch die häufige Vermischung von Körper und Gefühl ins Bewusstsein. Körperempfindungen und Gefühle sind etwas deutlich Unterschiedliches, wie der portugiesische Hirnforscher António Rosa Damásio herausgefunden hat (Damásio 2000). Vielen fällt es aber schwer, zwischen Gedanken und Gefühlen zu unterscheiden. Dies ist aufgrund der häufigen Musterbildung aus Körperempfindungen, Gefühlen und Verhalten sowie der oft früh konditionierten Prägung einzelner Verknüpfungen verständlich. Man ›fühlt‹ sich benachteiligt, merkt nicht, dass dies schon eine Bewertung ist, die auf die Gefühlsebene, vielleicht auch auf die körperliche Ebene durchgeschlagen hat. Achtsamkeit bedeutet, dies auseinander zu halten.

»Der größte Trick ist: Sei du selbst«. Dieser Satz stammt von Ruth Cohn, der großen Psychologin und Begründerin der Themenzentrierten Interaktion (TZI), als sie schon alt und weise war. »Sei du selbst!« Das klingt für viele zunächst einfach, wird dann bei näherem Hinsehen aber schwierig. Es führt nämlich zu der Frage: »Wer bin ich denn selbst?«

Die folgende Übung ist eine Annäherung an die oben dargestellten Aufmerksamkeitsperspektiven. Wir stellen uns zu einer bestimmten Lernaufgabe jeweils einen inneren Aspekt der Persönlichkeit vor, wir geben ihm einen Namen und betrachten den Teil, den er zu unserem Leben beiträgt. Die inneren Aspekte können sowohl aktuell in uns vorhanden sein oder aus dem Vermächtnis früherer Generationen stammen oder aus dem eigenen imaginierten Erbe hervorkommen. Hinzu kommt die »weise Person«, die einen Teil der nondualen Ebene verkörpert.

Übung: Wie man die eigene Aufmerksamkeit erfasst

Füge entsprechende Antworten ein.

Formuliere eine Lernaufgabe, die im Moment für dich ansteht:

Stelle dir weiter vor: Wer lernt mit mir?

Welche inneren Ressourcen (deine Stärken, deine Fähigkeiten) hast du beim Lernen? Und stelle dir diese innere Ressourcen als Personen vor.

A. Innere Ressource 1:

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

B. Innere Ressource 2:

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

C. Innere Ressource 3:

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

D. Eine eher problematische Größe, deren Ressourcencharakter noch zweifelhaft ist.

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

E. Eine Person aus deiner Familie, mindestens zwei Generationen zurück, die für dich Lernen verkörpert.

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

F. Eine Person zwei Generationen nach dir, die von deinem »Erbe« profitiert.

Vielleicht gibt es diese Person noch nicht, dann stelle dir jemanden vor. Vielleicht hast du doch ein Bild von ihr.

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst lieferst du diesem Teil in dir?

G. Eine weise Frau, ein weiser Mann, von dem du dir vorstellst, dass sie/er dich im Leben begleitet.

Vielleicht hast du noch kein Bild von dieser Gestalt, dann stelle dir jetzt jemanden vor.

Personifiziert (mit einer wesentlichen Eigenschaft):

Name (falls eine Idee dazu da ist):

Welchen positiven Dienst liefert dir dieser Teil in dir?

Setz dich ruhig hin und lass diese inneren Teile von dir in ein Gespräch eintreten.

Einige Leitfragen zur Auswertung dieser Übung:

 Wie laut oder stark kommen einzelne Aspekte zum Ausdruck?

 Welcher Aspekt korrespondiert mit welchem anderen, reagiert auf diesen?

 Welche Aspekte ›arbeiten gut zusammen‹?

 Welches Klima entsteht insgesamt?

 Welche Änderungen könnten sinnvoll sein?

 Welche Aspekte sollen deutlicher hervortreten, welche sollen sich mehr zurückziehen?

Der Südafrikaner Woltemade Hartmann betrachtet die verschiedenen inneren Anteile einer Person kulturübergreifend, sowohl in der westlichen als auch beispielsweise in der afrikanischen Kultur. Er formuliert sieben Fragen, die die Qualität des Zusammenspiels der inneren Persönlichkeitsanteile charakterisieren (Fritzsche und Hartman 2010, 118; Hartman 2011).

1 Kennen die einzelnen inneren Teile einander?

2 Können sie miteinander kommunizieren?

3 Können sie zueinander Empathie zeigen?

4 Können sie Verständnis füreinander äußern?

5 Können sie Erfahrungen zusammen erleben?

6 Gibt es Co-Bewusstheit, gemeinsame integrierte Bewusstheit?

7 Können Erfahrungen – wie in einem guten Team – »in einer Energie« gemacht werden?

Diese Fragen sind vor allem wichtig, wenn erst noch geklärt werden muss, ob und in welcher Form die Anteile als positive Ressourcen taugen. Die innere Achtsamkeit ist die Voraussetzung für äußere Achtsamkeit anderen Menschen gegenüber.

4. Achtsamkeit entwickeln

Die sechs Aufmerksamkeitsebenen (Körper, Gefühle, Denken, Ich-Konstrukt, transgenerational, nondual) sind für die Entwicklung des Bewusstseins ganzheitlicher Achtsamkeit relevant. Wer in seinem Leben an den Punkt kommt, dass er sich selbst weiter entwickeln möchte, der sollte sich all diesen Dimensionen stellen. Menschen können und sollen sich auf allen Ebenen entwickeln. Im Alter bekommen die transgenerationale und die nonduale Perspektive häufig mehr Gewicht. Das ist gut so. Der Zugang zum Bisherigen bleibt erhalten. Was wegfällt, ist eine einseitige Identifikation mit bestimmten Ebenen und das Abwerten anderer Ebenen. Die wesentliche Erkenntnis ist das Erwachen aus der automatischen Fixierung an Körper, Gefühle, Denken und Ego. Insofern findet im Entwicklungsprozess eine Schwerpunktverlagerung statt. Integrative Achtsamkeit benötigt alle Ebenen. Und auf allen sechs Ebenen ist Fortschritt, aber auch Rückschritt möglich.


Abb. 2: Rückentwicklung und Positiventwicklung auf den Aufmerksamkeitsebenen

Es ist auch eine gleichzeitige Entwicklung auf mehreren Ebenen möglich und sogar sehr sinnvoll.

Achtsamkeit ist mehr als Wahrnehmung. Wenn im MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction), einer sehr empfehlenswerten Methode von John Kabat-Zinn, die Menschen eine Rosine bewusst wahrnehmen und genießen lernen, ist das erst einmal Wahrnehmung. Ob es achtsam ist, hängt davon ab, ob die Rosine für den einzelnen gerade wirklich »dran« ist. Achtsamkeit bedeutet, sich darin zu üben, zu erkennen, was im Moment wirklich dran ist. Um das zu bearbeiten, was beim Einzelnen gerade Thema ist, was Achtsamkeit verdient, dafür braucht man alle Ebenen.

Das kann man sich in der Veränderungsarbeit zu Nutze machen. Man stößt auf verschiedenen Ebenen Entwicklungen an und beobachtet das Ergebnis. So wie bei einer Problemlösung häufig nicht die Fokussierung auf das Problem und dessen Ursache hilfreich ist, sondern eine neue Perspektive. Schon Albert Einstein sagte: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« Es gibt auch jede Menge möglicher Kombinationen. Körperliche Probleme bedingen eine Verhaltensänderung und brauchen einen Anreiz auf der emotionalen Ebene. Rückwärtsentwicklungen sind meist Übersteigerungen einer Ebene, die mit der Ausblendung anderer verbunden sind.

5. Bewusstes, Unbewusstes und die Aufmerksamkeit

Grundsätzlich gilt, dass Menschen das Bewusste im Vergleich zum Unbewussten maßlos überschätzen. Der Mensch hält das, was er wahrnimmt, für Realität. Dabei ist das bei näherem Hinsehen nur ein kleiner Ausschnitt und ausschließlich durch die Fähigkeit seines äußeren und inneren Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsapparates bedingt. Menschen kennen sich nicht. Ihnen ist ihr Selbst allenfalls in Ausschnitten bewusst. Der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk hat dies mal mit dem Fahrverhalten eines Lastzuges, bestehend aus Lastwagen und Anhänger, verglichen. Man lernt das Verhalten des Anhängers, des Selbst, erst kennen, wenn man mit ihm in die Kurven geht, also das Leben tatsächlich lebt (Stasiuk 1998). Auch die Eltern erkennen nicht ohne Weiteres das Besondere des kleinen Menschen, der ihnen anvertraut wurde. In den meisten Fällen werden die Kleinen mit anderen verglichen und an den Standardaufgaben gemessen: Er läuft früh; er spricht spät; er ist gut im Rechnen und er spielt ganz gerne alleine. Es entsteht der normengerechte Mensch. Der Genius des Einzelnen bleibt oft verborgen.

Es gibt verschiedene Ebenen des Unbewussten, die eine Rolle spielen: das normale Alltagsunbewusste, das, was wir automatisch tun und gar nicht bemerken wie etwa bestimmte Körperbewegungen (Mohr 2008), das implizite Wissen unserer vorsprachlichen Zeit, die großen Lernschritte, die wir persönlich absolviert haben (Allen 2003; Erickson, Rossi und Rossi 2009), das Vergessene und Verdrängte des personalen Unbewussten in den Traumata oder ungelösten Konflikten zwischen eigenem Bedürfnis und Normen (Freud 1999) bis hin zum kollektiven Unbewussten, der langen Reihe von Erfahrungen unserer Sippe, kulturellen Gruppe und der Menschen insgesamt (Jung 1995).

Menschen können offensichtlich nur einen Teil der Aufmerksamkeitsebenen gleichzeitig verarbeiten. Für alles reicht ihre Kapazität nicht. Sie müssen immer fokussieren. Bei Erwachsenen kann man davon ausgehen, dass nur wenige Wahrnehmungen der fünf Sinne im ursprünglichen Sinne rein sind. Sie tendieren dazu, sie immer sofort mit vermeintlich wichtigen inneren Verknüpfungen – sprich früheren Erfahrungen – zu verbinden. Der Schotte Ian Stewart zeigte, dass es bei Erwachsenen eigentlich keine ungetrübten Reaktionen im Sinne des sogenannten natürlichen Kind-Ichs mehr gibt (Stewart 2002). Erwachsene Menschen haben in der Regel zu fast allen Situationen schon Erlebnisse gehabt und Erfahrungen gesammelt. Diese werden dann innerlich ›zu Rate gezogen‹. Deshalb macht es Sinn, die innere Aufmerksamkeit, letztlich das implizit wirksame Gedächtnis, als weitere Wahrnehmungsfläche zu den üblichen Sinnen Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Tasten hinzuzufügen. Dies hatte im Übrigen schon der Buddha vor 2600 Jahren erkannt, wie Paul Köppler (2008) es in seiner Sammlung der Originaltexte von Buddha darstellt. Das Ziel der Achtsamkeitsarbeit ist, die Aufmerksamkeitsebenen wieder möglichst rein, das heißt ohne emotionale Wertung und intellektuelle Einordnung, zu registrieren: Was ist überhaupt da? Was ist davon ein gefühlsmäßiges Bedürfnis und was ist nur ein gelernter Denkprozess?

Auch die moderne Hirnforschung fand heraus, dass bei einer äußeren Sinneswahrnehmung der größte Anteil durch schon vorhandene innere Informationen bestimmt wird. Bei der Verarbeitung einer äußeren Sinneswahrnehmung sind vier von fünf Nervenzellen nach innen auf bisherige schon gespeicherte Informationen bezogen. Dies zeigt sich auch in den unbewussten Gedanken, Bildern und durch Symbolsprache, zum Beispiel im Traum. Alle sechs Aufmerksamkeitsebenen haben bewusste, aber vor allem sehr stark unbewusste Anteile. Dies beginnt schon beim Körper. Viele unserer körperlichen Vorgänge bemerken wir gar nicht. Was in den Zellen des menschlichen Körpers passiert, ist für uns nicht detailliert wahrnehmbar und schon gar nicht unmittelbar beeinflussbar. Viele Körperprozesse passieren von selbst. Wir bemerken sie erst, wenn sie in irgendeiner Form haken und nicht mehr automatisch vonstatten gehen. Generell geht es bei der Arbeit mit den Aufmerksamkeitsebenen darum, das Unbewusste, das sich entwickelt hat, von Überlagerungen zu befreien, quasi zu enthüllen und ins Bewusstsein zu bringen. Das können angenehme Aspekte und Talente sein, die lange schlummern oder sich durch Lebenserfahrung langfristig angesammelt und verdichtet haben. Es zeigen sich aber auch durchaus unangenehme Aspekte des Lebens wie die eigenen Grenzen, vermeintliche Versäumnisse, ungenutzte Chancen. Sogar traumatische Erlebnisse offenbaren sich wieder und es gilt, einen neuen Bezug zu ihnen zu finden. Der Naturwissenschaftler Heinz Hilbrecht hat dies in seiner Analyse von Meditation und Gehirn als »innere Umkehr« bezeichnet (Hilbrecht 2010). Sie kann ein Schritt der Achtsamkeitsentwicklung sein. Auf dem Weg erfährt man in der Meditation verschiedene sogenannte Versenkungsstufen. Aber es tauchen auch die schmerzlichen Anteile des Lebens auf. Parallel dazu müssen die Erfahrungen der sozialen Umwelten und Lebensbühnen (Arbeit, Partnerschaft, Erziehung) verarbeitet werden. Für beides, die innere Einkehr wie die Außenwelt, gilt: Wenn man sich dem Leben und seinen Aufgaben darin stellt, seine Person darin einbringt und dies mit gescheiten und weisen anderen Menschen zusammen auswertet, trägt man zur Achtsamkeit bei und lernt unweigerlich.


Abb. 3: Der Mensch in verschiedenen Situationen

6. Die westliche und die östliche Weisheit

Der indische Adelige Siddhartha Gautama hatte sich, nachdem er Askese, Yoga und viele andere Techniken letztlich ohne den erhofften Erfolg ausprobiert hatte, so lange zur Meditation unter einen Baum gesetzt, bis er die Erkenntnis erlangte. So wurde er der Buddha. Aber diese Erfahrung und Erkenntnis ist nicht nur den großen Weisheitslehrern oder Meistern wie Ramana Maharshi oder Jiddu Krishnamurti oder den westlichen Berichterstattern wie Karl Graf Dürckheim, Willigis Jäger oder Hugo Makibi Enomiya-Lassalle – alle drei hatten aus Aufenthalten in Fernost ihre Erfahrungen mitgebracht – vorbehalten. Jeder kann die Erkenntnis gewinnen. Im 19. Jahrhundert wurde Buddhismus im Westen noch belächelt. Ernst Lothar Hoffmann, der später als buddhistischer Lehrer den Namen Lama Govinda annahm, beschreibt dies in seinem Buch »Der Weg der weißen Wolke« sehr eindrücklich. Heute erkennt man den großen Erfahrungsschatz des Buddhismus, der einer 2600-jährigen Überprüfung durch große Denker und ›Lebenspraktiker‹ standgehalten hat. Zunehmend wird die Ähnlichkeit der Erkenntnisse in westlichen wie östlichen Denkmodellen offenkundig, wie drei Therapeuten im »Achtsamkeitsbuch« beschreiben (Weiss, Harrer, Dietz 2010). Und gerade die Studien neuerer westlicher Wissenschaften wie Psychologie und vor allem Neurophysiologie machen deren Wahrheit auch für den Skeptiker nachvollziehbar. Durch aktive Begegnung hat auch eine Integration in der anderen Richtung stattgefunden. In Asien haben die großen Länder China und insbesondere Indien Elemente der viel stärker zielorientierten und aktiven westlichen Herangehensweise genutzt, um Fortschritte für ihre wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau von Wohlstand für ihre Menschen zu erzielen. Die Welten begegnen sich mit großer Kraft. Das Modell der Aufmerksamkeitsebenen ist insofern inspiriert durch meine eigenen Erfahrungen in der westlichen, wissenschaftlich geprägten Praxis, aber auch durch das Training in der fernöstlichen Betrachtungsweise und in 30 Jahren Meditation und Übung.

7. Die Beziehung der Bewusstseinsebenen

Die Ebenen des Bewusstseins sind miteinander verbunden, können aber auch eindeutige Fokussierungen zeigen. Wenn man körperliche Schmerzen hat, wird diese Ebene sofort dominant und es fällt uns schwer, andere Gedanken zu fassen. Auch eine aus der Familie stammende Vorschrift oder Erwartungshaltung (transgenerationale Ebene) kann so stark sein, dass andere emotionale Gestimmtheiten des Menschen zurücktreten müssen. Jede Ebene hat ihren Wert im menschlichen Leben. Es liegt weitgehend außerhalb und jenseits der Verantwortung des Einzelnen, mit welchen Ebenen er in seinem Leben in Kontakt kommt und welche Form dieser Kontakt hat. Hier spielen seine Lebensumstände eine große Rolle. Und dies gilt sowohl biografisch bezüglich seiner Herkunft, Schicht und Bildungsmöglichkeiten, aber auch bezüglich des aktuellen Kontextes, der einen Sog für die Aufmerksamkeit ausübt. Wenn ich mich mit hundert Prozent meiner Energie auf ein berufliches Projekt konzentriere, werde ich von dieser Logik voll und ganz bestimmt. Wohl gemerkt, es ist nicht falsch, im Beruf positiv wirksam zu sein. Aber durch einseitige Fixierung auf den Beruf findet man nicht zu integrierter Achtsamkeit und ganzheitlicher Erkenntnis. Dies gilt genauso für andere einseitige Orientierungen. Gerade Weisheitslehren verordnen gerne Askese. Der Zölibat der katholischen Priester beispielsweise fußt auf der Idee, dass dann die Konzentration auf den spirituellen Auftrag leichter fällt. Ganz im Gegensatz dazu wird von einem jüdischen Rabbi erwartet, dass er Erfahrung in Familie und Kindererziehung hat, da er nur dann für diesbezügliche Fragen ganzheitliche Achtsamkeit entwickeln kann.

Gelingt uns wirkliche, ganzheitliche Erkenntnis, so wird sie Einfluss auf die gesamten Ebenen haben und etwa den Umgang mit dem eigenen Körper positiv beeinflussen. Man wird sich vielleicht gesünder ernähren, sich angemessen bewegen und auf seinen Körper hören. Aber auch die transgenerationale Ebene muss mitspielen. Denn solange beispielsweise ein neues Verhalten einen Verstoß gegen die Regeln der »Ahnen« darstellt, besteht ein Hindernis. Wenn etwa in früheren Generationen gehungert wurde, wird es einem Menschen – obwohl es für ihn gesünder wäre – vielleicht ungeheuer schwer fallen, Essen einmal stehen zu lassen. Ein anderes Verhalten wird zunächst kaum eine Chance im Verhaltensspektrum eines Menschen haben. Eine große innere Kraft wirkt dem entgegen. Erst wenn die Aufmerksamkeit auf die transgenerationale Ebene gelenkt wird und auf dieser Ebene eine Verständigung erreicht wird, kann es auch auf den aktuell konkreten Ebenen wie Körper/Verhalten und Denken vorangehen.

Grundsätzlich gilt: Persönlichkeitsentwicklung funktioniert nur durch die Kombination unterschiedlicher Ebenen und auch durch einen deutlichen Perspektiv-Wechsel auf eine höhere Ebene.

8. Vom Umgang mit anderen

Der auf Beziehungen spezialisierte Religionsphilosoph Martin Buber hat einmal darauf hingewiesen, dass es wenig echte Begegnung zwischen Menschen gibt. Menschen verbringen zwar oft sehr viel Zeit miteinander. Sie interessieren sich aber nicht wirklich für den anderen. Sie wollen sich oft nur mit dem anderen vergleichen (Buber 1983). Das fühlt sich vielleicht manchmal gut an, wenn man sieht, dass es einem nicht schlechter geht als dem anderen. Aber dieses Vergleichen akzeptiert weder die Einzigartigkeit der Menschen noch lässt sie eine Begegnung auf der gemeinsamen Tiefenebene zu.

Der berühmte Dirigent des Bostoner Symphonieorchesters Benjamin Zander hat all seinen Schülern die Note Eins gegeben. Das wäre ein gutes Vorbild für den Umgang mit anderen. Denn wenn man alle Menschen vorbehaltlos annimmt und ihnen die Note Eins gibt, kann man die Schönheit des anderen in seinem Tun erkennen. Man kann zusehen, wie sie wachsen und bekommt in der Regel Dank zurück. Aber Zander hat seinen Studenten dazu eine kleine Aufgabe gestellt: Was müsstest du im Semester tun, damit die Eins gerechtfertigt ist? Die Studenten haben dann ihren eigenen Weg zur Eins erarbeitet und – man höre und staune – auch eingehalten.

Anteilnahme und Interesse an der Lebensgestaltung anderer wäre eine lohnende Einstellung, insbesondere für Führungskräfte. Diese Eigenschaften zeigen aber nur ganz wenige, weil sie sich eigentlich nicht für Menschen und deren Lebendigkeit interessieren, sondern nur für Abstraktes wie Zahlen und Fakten.

Aber Vorsicht: Es geht nicht um Identifikation. Mitgefühl bedeutet nicht, sich im Gefühl des anderen zu verlieren. Bleib bei dir, während du mit dem anderen bist, so heißt die Devise. Die eigene Achtsamkeit sollte weiterhin im Fokus stehen. Das heißt, es gilt immer wieder, zu den eigenen Bedürfnissen und eigenen Gefühlen zurückzukommen. Die geben den Standort an. Was fühle ich gerade? Welches Bedürfnis zeigt sich darin? Dann kehrt man zu sich selbst zurück, nimmt sich selbst achtsam wahr. Man verschwimmt nicht mit dem anderen, sondern kann ihm gegenüber einfühlsamer, gelassener und besonnener reagieren.

Gerade im Arbeitsleben werden integrierte Achtsamkeit und innere Ruhe immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Ich habe in dem Buch »Systemische Organisationsanalyse« (Mohr 2006) ausführlich beschrieben, was in Organisationen alles denkbar ist. Sie können für die beteiligten Menschen sorgen, ihre Kreativität fördern und ihnen befriedigende Arbeitsplätze bieten. Sie können aber auch Menschen ausbeuten, wenn sie als reine Produktionsfaktoren betrachtet werden. In Organisationen passiert eine Menge, was man als Zeitvertreib und Beschäftigungstherapie bezeichnen könnte. Organisationen sind wie Gesellschaftsspiele. Es gibt Regeln und Figuren, die bestimmte Züge vollziehen dürfen. Andere hingegen dürfen nicht dieselben Spielzüge nehmen. Die Regeln können sich abrupt und mehrmals ändern – auch diese Vorstellung ist durchaus noch real. Es erinnert an das große Lebensspiel Leela, wie es im Hinduismus für das gesamte Zusammenspiel der Menschen beschrieben ist. Menschen mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten werden in einen Kontext gestellt und man schaut, was dabei herauskommt. Das versucht man in Organisationen natürlich durch strukturelle, formale und rechtliche Regelungen zu kanalisieren. Dennoch bleibt der Spielcharakter erhalten. Das Ziel in Organisationen ist oft viel eher die Profilierung Einzelner als der Gewinn oder der Fortschritt des Ganzen. Organisationen sind auch nicht vor Verrücktheit geschützt (Ahlers-Niemann et al. 2008). »All organizations are crazy.« (»Alle Organisationen sind verrückt.«), so formulierte es mir gegenüber einmal ein Mensch aus dem Orient. Meine deutsche, ordnungsliebende, transgenerationale Aufmerksamkeit wollte schon protestieren: So kann man das doch nicht sehen! Aber wenn eine Firma beispielsweise eine sehr kriegerische Mentalität hat, dann wird ein echter Kampf geführt und jeder, der intern nicht stromlinienförmig mitzieht, wird bedroht. Die Regeln des jeweiligen Spiels können eine gleichzeitig vom Menschlichen verschobene und sehr bindende Form haben. Die Frage ist: Wie verhält man sich in einer solchen Organisation, wenn man das Spiel durchschaut, aber dennoch gezwungen ist, weiter mitzumachen? Natürlich nimmt man weiter am Spiel teil. Schließlich müssen sich die meisten Menschen durch Arbeit in Organisationen materiell versorgen und absichern. Aber man sollte sich weder innerlich noch äußerlich (z. B. durch finanzielle Verschuldung im Privatbereich) abhängig von einem bestimmten Arbeitsplatz machen. Und man sollte deutlich zwischen Arbeitsplatz und ›Einkommensplatz‹ unterscheiden. Menschen brauchen einen Einkommensplatz. So war es immer. Dafür haben Menschen lange Zeit sogar Sklaverei in Kauf genommen. Ob sie dort auch ihre persönliche Produktivität zeigen können, hängt von der Anerkennung ab, die sie durch diese Tätigkeit erfahren. Vielleicht kann der eigene Genius besser auf anderen Lebensbühnen gezeigt werden. Dies haben Menschen immer gemacht, sobald sie die Chance zu ›kleinen Fluchten‹ hatten.

Hinzu kommt, dass sich viele aus dem Gemeinschaftsbedürfnis und dem Sicherheitsbedürfnis, das Menschen mitbringen, mit »ihrem« Unternehmen oder »ihrer« Institution identifizieren. Firmen fordern das immer wieder. Aber es ist ein Fehler. Aus der Perspektive der integrierten Achtsamkeit heraus ist einseitige Identifikation, gar mit einem künstlichen Konstrukt wie einer Organisation, falsch. Engagement ja, aber keine Identifikation, sondern konstruktiv-kritische Distanz ist angesagt. Gerade die Identifizierten sehen oft nicht die ›Kollateralschäden‹, die Organisationen verursachen. Ihr eigenes Burn-out ist zum Beispiel so ein ›Nebeneffekt‹. Wenn man spürt, dass es auf Dauer nicht gut tut, in einer Firma zu bleiben, dann sollte man eine Organisation verlassen. Der Verstand wird nicht nur durch Arbeit stimuliert, sondern beschäftigt sich auch ständig damit, dass man sich die täglichen Verrücktheiten vom Hals halten muss. Hier den Helden zu markieren, macht wenig Sinn. Die Cleveren formulieren Lippenbekenntnisse. Die Überlegten bleiben innerlich in angemessener Distanz und sorgen dafür, dass ihr Frieden nicht genommen wird. Die neuere Reifeforschung für das Erwachsenenalter zeigt, dass man sich über das Niveau bestimmter Organisationen menschlich hinausentwickeln kann, sodass man dort nicht mehr arbeiten kann (Loevinger 1985; Binder 2010). Jane Loevinger verdanken wir eine wissenschaftliche Analyse der Entwicklung von erwachsenen Menschen. Interessant ist, dass diese kaum eine Differenz zu alten Weisheitsentwicklungswegen ergibt. Aber: Man kann persönlich zu weit sein, um in bestimmten Organisationen zu arbeiten. Es geht nicht mehr alles. Grob ausgedrückt: Bestimmte Organisation sind für einen selbst dann quasi zu blöd.

Übung: Wie man die eigene Aufmerksamkeit erfasst

Nun übe noch einmal den Zugang zu deinen Aufmerksamkeitsebenen, indem du dir verschiedene Themen wachrufst. Nimm dir folgende Leitsätze zu Hilfe oder wandele sie so um, dass sie für dich stimmen.

Zunächst kehre zur nondualen Aufmerksamkeit zurück:

Ich bin Teil des ganzen Lebens. Und das Leben durch das Fenster des Menschen zu sehen, ist ein kostbares Geschenk. Ich weiß nicht genau, was auf mich zukommt. Aber der Tag gibt mir Möglichkeiten, mich dabei zu erleben und einzubringen. Es wird für mich gesorgt. Ich bin nicht allein. Ich bin verbunden mit allen Lebewesen. Wir wirken alle zusammen. Im Grunde will alles Leben das Leben fördern. Ich begegne auch anderen Menschen so, dass ich das Schöne, das Leben in ihnen sehe. Das ist der Kern von »Ich bin o.k. Du bist o.k.«

Aufmerksamkeit auf der mehrgenerationalen Ebene:

Ich bin mit meiner Mutter und bin mit meinem Vater. Sie sind bei mir. Alle stehen hinter mir, auch die Ahnen der Familie. Viele stehen hinter mir und viele werden kommen. Es ist eine große vertikale Verbindung.

Aufmerksamkeit auf der Ich-Ebene, meinem Persönlichkeitskostüm:

Ich nehme mich mit den Fähigkeiten und Begrenzungen, die ich habe, an. Ich nehme meine Ich-Stärke, die mich auch schützt. Ich freue mich über meine Fähigkeiten, hadere nicht mit meinen Grenzen und entdecke mich selbst. Ich liebe mich.

Aufmerksamkeit auf der Denk-Ebene:

Ich nehme meine Fähigkeit an, zu denken und logische Zusammenhänge zu erschließen. Ich werde in meinen Fähigkeiten, mich aufmeine Lebensbühnen und Rollen welten zu beziehen, weiter dazulernen.

Aufmerksamkeit auf der Gefühls-Ebene:

Ich nehme meine Sensibilität an und bekämpfe sie nicht. Sie ist Teil meiner Art. Ich registriere Gefühle, hafte aber nicht an ihnen.

Aufmerksamkeit auf der Körper-Ebene:

Ich nehme meinen Körper so, wie er im Moment ist. Ich pflege meinen Organismus als das körperliche Fahrzeug, mit dem ich mich durchs Leben bewege.

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