Kitabı oku: «Gewürze aus dem Alten Rom», sayfa 2

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RETTICH FÜR DIE ARMEN. GESELLSCHAFTLICHE UNTERSCHIEDE

Glauben wir der späteren Überlieferung, so hätte es in der älteren römischen Republik eine Zeit gegeben, die keine gesellschaftlichen Unterschiede in der Ernährungsweise kannte.18 Auch ein Staatsmann und Feldherr wie Curius Dentatus (gest. 270 v. Chr.) setzte – so behauptet der kaiserzeitliche Satiriker Juvenal – „das bisschen Kohl, das er in seinem kleinen Garten selbst geerntet hatte, auf einen schmalen Herd“ (Juvenal 11, 78 f.). Das klingt zwar sehr nach einer frommen Legende; aber widerlegen lässt es sich nicht. Fest steht nur, dass sich in der späteren Republik und in der Kaiserzeit zwischen der Ernährung der Armen und der Haute Cuisine der Reichen eine tiefe Kluft auftat. Delikatessen wie etwa der Pfau, über den der Dichter Horaz das dann zur Redensart gewordene Wort vom „raren Vogel“ gesagt hat, waren kleinen Leuten nicht erschwinglich. Während eine Familie aus Pompeji, von der sich inschriftlich eine Art von Auszug aus ihrem Haushaltsbuch erhielt, täglich etwa zwei Sesterze kaiserzeitlicher Währung ausgeben konnte (wovon sie zum Beispiel ein Viertel für einen „kleinen Fisch“ aufzuwenden hatte), gab es extravagante Reiche, denen eine Fischdelikatesse 6000, 7000 oder 8000 Sesterze wert war – genug also, um die ganze Lebenshaltung der erwähnten Pompejaner für einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren zu finanzieren. Freilich ging es den Spitzen der Gesellschaft beim Einkauf für die Küche nicht allein um Qualität, sondern zum Teil schon um das gleiche Anliegen, das der amerikanische Ökonom Thorstein Veblen später „demonstrativen Konsum“ nennen sollte; d. h., ihre Nachfrage galt gerade den teuersten Gütern, weil sie so ihre wirtschaftliche Potenz demonstrieren wollten.19


Abb. 9 Noch einmal der Grabstein aus Abb. 8. Diesmal sitzen Kinder beim Essen. Einer der beiden Sklaven rechts will einen Hund daran hindern, mitzuhalten.


Abb. 10 Tonlampe mit der Darstellung einer „Hauptmahlzeit“ (cena) eines Armen. Da die antike Hauptmahlzeit abends stattfand, war das ein passendes Bildmotiv für eine Lampe. Kunsthistorisches Museum Wien.

Von den Rezepten des sogenannten Apiciuskochbuchs gehören einige dieser demonstrativen, aber auch die meisten übrigen gewiss einer gehobenen Küche an. Sie ist uns dadurch wesentlich besser bekannt als die Ernährungsweise der ärmeren Menschen der Kaiserzeit. Kochbücher hat die Unterschicht der damaligen Gesellschaft eher nicht benötigt; was sie brauchte, waren eher einfache Nahrungsmittel (wie grobes Brot, Brei und Gemüse).

Zwar bewirkten Einladungen, die üblicherweise Reiche für eine ärmere Klientel aussprachen, und das Angebot von Imbissbuden eine gewisse Versorgung Ärmerer mit warmen Mahlzeiten und Fleischprodukten. Aber nicht jeder kam häufig in den Genuss solcher Gerichte. Eine Tonlampeninschrift (Abb. 10) drückt das mit den Worten „Die Hauptmahlzeit eines Armen: (das ist) Brot, Wein und Rettich“ aus.20 Alle drei Nahrungsmittel – Brotfladen, Weinflasche und Rettich – sind auf der Lampe auch abgebildet. Freilich stecken sie da in einem Bastkörbchen und zusammen mit einer Serviette so appetitlich beieinander, dass sich das Bedauern für den römischen Armen gar nicht so recht einstellen will.

KÜCHENKRIEG UND KÜCHENFRIEDEN. KULINARISCHE GEMEINSAMKEIT UND REGIONALE TRADITION

In seinem Buch The Dream of Rome hat sich der britische Autor und Politiker Boris Johnson auf das Gebiet der Küchengeschichte gewagt und einen Vergleich zwischen Zuständen im Römischen Reich und in der Europäischen Union gezogen. Während römische Untertanen – schreibt er – ihre Mahlzeit überall im Reich mit der Fischsauce garum (Abb. 11 und 15) gewürzt hätten, herrsche in der Europäischen Union in kulinarischen Fragen völlige Uneinigkeit. Über garum (auf das wir später noch ausführlich zurückkommen) zeigt sich Johnson zwar nur wenig informiert; aber es ist doch richtig, wenn er feststellt: Behälter der Fischsauce, die ein Requisit der damaligen mediterranen Küche war, würden auf dem Boden des Römischen Reiches überall gefunden; und diese reichsweite Akzeptanz des Produktes zeige, dass die mediterrane Lebensweise für die Bewohner aller Provinzen Roms attraktiv gewesen sei.21

Tatsächlich hat sich aber nicht nur der Konsum von garum, sondern die mediterrane Küche als ganze über das gesamte römische Reichsgebiet verbreitet. Zur Romanisierung, d. h. zur Anpassung an die römische Lebensweise in neu annektierten Gebieten, gehörte so auch ein allgemeiner Wandel der Ernährungsgewohnheiten. Archäologisch ist dieser Vorgang, für den der Verfasser den Begriff der „kulinarischen Romanisierung“ vorgeschlagen hat, durch eine große Fülle von Beobachtungen zu belegen. Außer der reichsweiten Verbreitung von garum sind weitere Beispiele der florierende Handel mit Olivenöl, das in gewaltigen Mengen auch in Reichsgebiete importiert wurde, in denen der Ölbaum nicht wuchs; oder der Konsum von Meerestieren – wie etwa von Austern (Abb. 12) oder von Purpurschnecken – selbst im tiefsten mitteleuropäischen Binnenland. Ein leistungsfähiger Fernhandel sorgte überall für ein breitgefächertes Angebot mediterraner Lebensmittel; und die entsprechende Nachfrage ging von einer Gesellschaft aus, in der Konsumdenken schon eine beachtliche Rolle spielte.22


Abb. 11 Garumamphore aus Carnuntum (heute Petronell-Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg, Niederösterreich). Nach der Inschrift hatte der garum-Vorrat einem Hauptmann der Carnuntiner Garnison gehört. Archäologisches Museum Carnuntinum, Bad Deutsch-Altenburg.


Abb. 12 Bei der Bearbeitung der Austernfunde aus einer Grube im Legionslager von Vindonissa (heute Windisch, Kanton Aargau) ließen sich noch die Gehäusehälften von 35 Austern zusammensetzen (Thüry 2010). Da Muschelkonserven offenbar nur eine Gehäusehälfte enthielten, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass man die Tiere lebend importiert hatte.

Die Funde lassen uns also erkennen, dass die mediterrane römische Küche auch nichtmediterrane Gebiete wie Mitteleuropa nördlich der Alpen erobert hat. Diese kulinarische Offensive erinnert an das letzte massive Vordringen mediterranen Kochens in den Norden: an seinen Geländegewinn seit der Mitte des vergangenen Jhs., seit der Eröffnung der ersten Pizzerien und griechischen Restaurants.23

Ebenfalls ähnlich wie heute, hat aber dieser Vormarsch des mediterranen Kochens nicht etwa bedeutet, dass die regionalen, einheimischen Küchentraditionen der einzelnen Gebiete nicht mehr fortbestanden hätten. Diese regionalen Küchen verloren in ihren Herkunftsgebieten zwar ihre alleinbeherrschende Rolle; sie wurden aber weiterhin gepflegt. Zu ihren Angeboten gehörten – im kaiserzeitlichen Italien wenig üblich bis unbeliebt – mit tierischen Fetten zubereitete Gerichte, Mehlspeisen aus Gerste oder Hirse und verschiedene Varianten von Bier. Bei den Nahrungstieren kamen regionale Spezialitäten wie etwa die Aalquappe, der Wildkarpfen oder die im Süden verschmähten Froschschenkel dazu.24

So mündete der „Küchenkrieg“ zwischen mediterranen und einheimischen Traditionen in den „Friedenszustand“ einer Koexistenz. Die Küche der römischen Provinz war das, was man neuerdings mit dem Modewort der „Fusionsküche“ bezeichnet: ein Nebeneinander und gewiss eine Vermischung mediterraner und regionaler Traditionen. Dabei sind Gerichte und kulinarische Produkte aus den Provinzen nicht nur regionale Spezialitäten geblieben, sondern fanden gelegentlich auch ihren Weg nach Italien.25

Ein solcher Austausch zwischen Traditionen verschiedener Herkunft ist ein Motor des kulinarischen Wandels. Die Veränderungen in der Küchenkultur Italiens, die wir weiter oben verfolgt haben, sind ja ein eindrucksvolles Beispiel dafür.

DIE „RÖMISCHE KÜCHE“ IM SINN DIESES BUCHES

Die vorausgehenden Abschnitte zeigen: wie wir die römische Küche zu charakterisieren haben, hängt sehr davon ab, welche Küche wir denn meinen. Präzisieren wir also, dass es in diesem Buch um hauptsächlich diejenige Spielart römischer Ernährung geht, die sich in den Rezepten des sogenannten Apiciuskochbuchs und der Vinidarius-Exzerpte niederschlägt. Diese Rezepte spiegeln aber weder die Ernährungsweise des ältesten Rom noch die der armen Menschen noch die der Provinzbewohner wider; sie stehen in erster Linie für die gehobenere Kochkultur Italiens in der römischen Kaiserzeit. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch in den Provinzen nach ihnen gekocht haben kann. Wer sich auf die Küche dieser Rezepte einlassen möchte, der muss sich vor allem an drei Besonderheiten römischen Kochens gewöhnen:

• Zum einen an das Fehlen mancher uns heute geläufiger Gerichte, Beilagen und Zutaten. Die Antike hatte zum Beispiel – wie schon einmal erwähnt – noch keine Grapefruit und ebenso keine Ananas (gegenteilige Behauptungen über die Ananas gehen auf eine falsche Deutung eines pompejanischen Wandbilds zurück). Sie kannte auch noch keine Kartoffeln, keinen Spinat und nicht unsere Grünen Bohnen; sie musste ohne Tomaten, Paprika und Auberginen auskommen; sie verwendete kaum Reis (außer gelegentlich als Bindemittel); und sie hatte zwar vielerlei Sorten von Mehlspeisen zu bieten, aber noch keine Vanille, keine Schokolade, keine Schlagsahne und kein Speiseeis. Und schließlich, dass wir es nicht zu erwähnen vergessen: Wer meint, eine in Italien entwickelte Küchenkultur müsse doch wohl immer schon Nudelgerichte und Pizza geliebt haben, der irrt. Soweit Derartiges vorhanden war, scheint es zumindest keine wichtige Rolle gespielt zu haben.26

• Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die noch so vieles entbehrenden Römer auch viele Produkte kannten, die in der heutigen Küche fehlen. Zu solchen speziell römischen Lebensmitteln, die es heute gar nicht mehr – oder so gut wie gar nicht mehr – gibt, gehören beispielsweise die Gemüsepflanzen Ackerwinde, Doldentraubiger Milchstern, Gespenst-Gelbdolde oder Pfeilkresse (wobei sich aber ein ganzer Katalog mit einer zweistelligen Zahl solcher heute „vergessenen Gemüse“ aufstellen ließe); bei den Früchten die Brustbeere oder die Maulbeere; oder bei den Nahrungstieren die Purpurschnecke, der Siebenschläfer und der Papagei.27 Während man auf die Erprobung von Papagei- und Siebenschläfer-Rezepten aus Tierschutzgründen verzichten wird, lassen sich andere der ungewöhnlich gewordenen Lebensmittel aber durchaus beschaffen. Die Zahl der Gerichte, die sich wegen der Veränderungen in der Speisekammer gar nicht mehr nachkochen lassen, fällt nicht wirklich ins Gewicht.

• Die wichtigste Besonderheit der römischen Küche ist aber ihre spezielle Würzweise. Dieser dritte und bedeutendste Punkt steht ja im Zentrum unseres Buches. Die folgenden Kapitel werden darauf eingehen.

UND WIE WÜRZT MAN „RÖMISCH“? DAS „GEHEIMNIS“ DER ANTIKEN KÖCHE
G. E. THÜRY


Abb. 13 Olivenbäume in den Ruinen des römischen Thugga (heute Dougga, Tunesien).

Die Wahl und Verwendung der Würzstoffe – oder lateinisch gesagt: der condimenta – prägt eine Küche entscheidend.28 So kann auch niemand wirklichen Zugang zum Thema des römischen Kochens und Backens finden, der sich nicht mit den damaligen Gewürzen und mit der damaligen Würzweise befasst hat. Die Gewürze und der richtige Umgang damit – das lässt sich ohne Übertreibung sagen – sind das ganze „Geheimnis“ der antiken römischen Küche.

Was aber macht das Wesen dieser römischen Würzstoffe und ihres Gebrauches aus?

ZAHLREICH, KRÄFTIG, GEGENSÄTZLICH: EINE CHARAKTERISTIK RÖMISCHER WÜRZSTOFFE

Die Liste der römischen Würzstoffe ist lang. Die Exzerptsammlung des Vinidarius beginnt mit einer Aufzählung und kommt dabei auf über 60 Stoffe, die „alle im Haus sein sollten, damit an Gewürzen nichts fehlt.“ In den Rezepten des sogenannten Apiciuskochbuchs und der Vinidariusexzerpte begegnen uns insgesamt aber über 80 Würzstoffe. Die bei weitem größte Gruppe stellen dabei die zum Würzen verwendeten Küchenpflanzen, von denen die beiden nächsten Kapitel eine Auswahl näher vorstellen werden.

Die Würzstoffe der beiden Kochbücher, die den Namen des Apicius führen, sind hier in Tab. 1 zusammengestellt und in der Reihenfolge der Häufigkeit ihrer Erwähnungen angeordnet. So ergibt sich – mit Pfeffer als dem am häufigsten genannten Gewürz beginnend – gewissermaßen eine Würzstoff-„Hitliste“ der gehobenen damaligen Küche. Freilich fehlt darin noch manches. Ein Beispiel dafür ist der geriebene Käse, der zwar im sogenannten Apiciuskochbuch und in den Exzerpten des Vinidarius nicht vorkommt, aber nach anderen Quellen ähnlich beliebt war wie heute der geriebene italienische Parmesan. Der griechische Dichter und Küchenautor Archestratos schrieb dazu im 4. vorchristlichen Jh., die Bewohner Italiens wüssten den Fisch „nicht vernünftig zuzubereiten, sondern verderben ihn, indem sie alles übel mit Käse bestreuen“.29

In der Anwendung und Mischung all dieser Würzstoffe bestand also das Raffinement der römischen Küche. Während dem modernen Koch viele der Stoffe nicht oder kaum bekannt sind und er oft gelernt hat, man müsse möglichst zurückhaltend würzen, gewannen die teilweise kräftigen Aromen den damaligen Nahrungsmitteln und Gerichten für uns ungewohnte Geschmackseffekte ab. Sie setzten Akzente, die ein strenger moderner Gelehrter einmal als „Missbrauch“ zensierte; er meinte, „nur eine geharnischte Zunge“ habe „das Feuer der Gewürze ertragen“ können. Praktische Erfahrung mit dem römischen Kochen entlarvt das aber als ein Vorurteil; umso mehr, als die erhaltenen römischen Rezepte die Dosierung der vorgeschriebenen Würzstoffe meist dem Geschmack des Kochs überlassen. Sie mahnen ihn oft nur, „maßvoll“ zu dosieren. Das moderne Entsetzen über den ausgiebigen Gebrauch der Gewürze und über ihre kräftigen Aromen ist eben (wie schon das griechische Kopfschütteln über den „Parmesan“ des antiken Italien) ein Ausdruck der menschlichen Tendenz, geschmacklich Ungewohntes als schlecht zu diffamieren, ohne sich erst auf eine Prüfung einzulassen. Die Psychologen bezeichnen diese Tendenz als „Neophobie“.30

Anlässe zur Neophobie können auch zwei weitere Eigenarten der römischen Gewürzverwendung bieten. Die eine ist die Vorliebe der damaligen Küche für Zubereitungsarten, die Geschmackskontraste miteinander verbinden. Wie wir das aus exotischen Kochkulturen unserer eigenen Zeit kennen, kann sie im gleichen Gericht Süßes mit Bitterem, Süßes mit Saurem oder Süßes mit Gepfeffertem kombinieren. Ein Beispiel dafür (freilich auch uns nicht ganz fremd) wäre gepfeffertes Obst (sog. Apiciuskochbuch, Rez. 162, 178 und 296 André ).

Die zweite Eigenart der römischen Würzweise liegt dagegen darin, dass die Würzstoffe hier nicht, dezent, den Eigengeschmack der Nahrungsmittel unterstreichen. Vielmehr legt es der römische Koch – entgegen den Lehren moderner Küchenpäpste – bewusst und gezielt darauf an, das natürliche Aroma des Kochguts zu überdecken und zu verändern. Wie überhaupt der Römer die Natur nicht einfach als gut und schön empfunden hat, wie sie ist, sondern sie erst verbessern und verschönern wollte, so schien ihm auch – beispielsweise – ein Fleischgericht erst dann gut, wenn ihm seine Würztechnik ihre Akzente aufgesetzt hatte.31 Der römische Satiriker Petron stellt diese Denkweise vielleicht nicht übertrieben dar, wenn er formuliert: „Fleisch sagt an sich nie zu. Vielmehr wird es mit einem gewissen Raffinement geschmacklich verändert und erst so dem abgeneigten Magen angenehm gemacht“ (Petron 141, 6). Entsprechend lautet der letzte Wille, den das Schweinchen Corocotta in der spätantiken Scherzschrift Das Testament des Spanferkels äußert: „Ich bitte Euch darum, dass Ihr mit meinem Körper gut umgeht: dass Ihr ihn einbalsamiert mit guten Gewürzen, mit Pinienkernen, Pfeffer und Honig, damit mein Name nie in Vergessenheit gerät“ (Testamentum porcelli, p. 269 Bücheler).

Was hier als makabre Parodie auf den Nachruhm-Gedanken auftritt, macht zugleich drastisch deutlich, wie wichtig die Würzstoffe waren: als Gestaltungsmittel der Küchenkunst und als ein Requisit des Genießens und der Lebensfreude. Dieser zweite Punkt dürfte auch für die große Zahl antiker Personennamen verantwortlich sein, die von Gewürzbezeichnungen abgeleitet sind – wie zum Beispiel Anisatus („der Anisartige“), Cinnamis („die Zimtartige“) oder Myrtis („die Myrtengleiche“).

Dass aber die kulinarische Romanisierung die spezielle Eigenart des römischen Umgangs mit den Würzstoffen bis in die nördlichen Provinzen getragen hat, zeigt die Verbreitung bestimmter Olivenkonserven (Abb. 14). Die Pinselaufschriften auf den Keramikbehältern, in denen sie auch dorthin verschickt wurden, nennen sie oliva ex dulci oder oliva ex defruto; d. h. etwa so viel wie „gesüßte Olive“. Die Formulierung bedeutet, dass die Früchte vor dem Versand eine Zeit lang süß bzw. in einem süßen Mostkonzentrat eingelegt wurden. Auch die römischen Landwirtschaftsschriftsteller haben uns diese geschmacksverändernd-süße Konservierungsart der bitteren Früchte beschrieben.32


Abb. 14 Hälse von Amphoren, die nach der aufgemalten Inhaltsbezeichnung gesüßte schwarze Oliven enthielten. Funde aus Ovilavis-Wels (Oberösterreich). Stadtmuseum Wels.

Tab. 1 Die Würzstoffe des sogenannten Apiciuskochbuchs und der Exzerpte des Vinidarius; nach der Häufigkeit ihres Vorkommens in den Texten geordnet. Statistische Angaben nach Urbán 1995


Lauf. Nr. Antik-lateinische Namen der Würzstoffe (mit vulgärsprachlichen Nebenformen); deutsche Bedeutung Zahl der Erwähnungen in den Texten
1 piper = Pfeffer (einschl. der Wortbelege für piperatum = Pfeffersauce; piperium = Pfefferwein?; piperatus = gepfeffert) 482
2 garum; liquamen; muria: Salzprodukte (einschl. garum/liquamen mit Essig-, Öl-, Wasser- und Weinzusatz und von garum/liquamen abgeleiteter Adjektive) 468
3 merum; passum; vinum = Wein (einschl. weinhaltiger Mischprodukte; enococtus/inococtus/inocuctus/oenococtus = mit W. gekocht. – Zugleich Getränk) 345
4 oleum = Öl (zugleich Speisefett) 338
5 mel = Honig (einschl. der Mischprodukte mit Wasser und Wein) 239
6 acetum = Essig 187
7 legisticum/ligisticum/ligusticum = Liebstöckel? 184
8 ciminum/cuminum = Kreuzkümmel (einschl. ciminatum/cuminatum = Kreuzkümmelsauce) 124
9 coliandrum/coriandrum = Koriander (einschl. coriandratum = Koriandersauce; coriandratus = mit K. gewürzt) 107
10 ruda/ruta = Raute 101
11 lasar/laser; silfi/silfium/silpium = Asafötida und ähnl. Gewürz (einschl. der Sauce laseratum und des Adjektivs lasaratus/laseratus) 96
12 cepa/cepul(l)a/ciba/cipa = Zwiebel 92
13 sal = Salz (einschl. Pökelsalz; salsum = Salzkonserve; salsus = gesalzen) 90
14 menta = Minze 76
15 corona bubula; origanum = Oregano (Gemeiner Dost) 75
16 apius = Sellerie (zugleich Gemüse) 72
17 passum = Rosinenwein 71
18 nuclei (pinei) = Pinienkerne 68
19 porrus = Porree (zugleich Gemüse) 68
20 careotae/cariotae = (?) da(c)tili = Datteln (bzw. Dattelsirup oder Dattelwein?) 64
21 defretum/defrictum/defritum: ein Mostsüßstoff 57
22 anetum = Dill (einschl. anetatus = mit D. gewürzt) 42
23 carenum/carinum/caroenum = ein Mostsüßstoff 42
senape/senapi/sinape/sinapi = Senf (zugleich Gemüse) 39
25 serpillum; thymum/tim(m)um/tym(m)um = Thymian 35
26 careum = Echter Kümmel 33
27 enogarum/inogarum/oenogarum = garum (s. o. Nr. 2) mit Wein (einschl. des Adjektivs oenogaratus) 33
28 petroselinum/petrosilenum = Petersilie 33
29 sature(g)ia = Bohnenkraut 33
30 laurus = Lorbeer (einschl. laureatus = mit L. gewürzt) 26
31 ubae/uvae passae = Rosinen 22
32 calvae; nuces; Ponticae = Nüsse 19
33 feniculum = Fenchel 19
34 Damascena(e)/pruna (Damascena) = Pflaumen (zugleich Obst) 17
35 gingiber/zingiber = Ingwer 16
36 polleium/puleium = Poleiminze 16
37 rosa = Rose (einschl. rosatum = Rosenwein) 15
38 mulsa/mulsum; oenomeli = Honigwein 14
39 malba/malva = Malve (zugl. Gemüse) 12
40 amicdulae/amigdalae = Mandeln 10
41 mirta/murta/myrta = Myrte; bacae mirteae = Myrtenbeeren (einschl. myrteus = mit M. gewürzt) 10
42 ispica/spica; nardostacium = Echte Narde 8
43 olibae/olivae = Oliven 7
44 carica; ficus = Feige(nsirup) 6
45 ciperis/ciperus/cyperum = Erdmandel (?Gelbwurz?) 6
46 crocomagma/crocum/crocus = Safran 6
47 piret(h)rum; pyretrum = Bertram 6
48 costum = Kostwurz 5
49 eruca = Rauke 5
50 (h)idrogarum = garum (s. o. Nr. 2) mit Wasser (einschl. idrogaratus = mit h. gewürzt) 5
51 allec: ein Fischprodukt (einschl. allecatus = mit a. gewürzt) 4
52 cardamomum = Kardamom 4
53 cnecos = Saflor 4
54 malabatrum = Zimt 4
55 oxigarum/oxygarum = garum (s. o. Nr. 2) mit Essig 4
aleum/alium = Knoblauch 3
57 anesum = Anis 3
58 granatum = Granatapfel (zugleich Obst) 3
59 lentiscus; mastix = Mastix 3
60 muria: eine Fertigwürze 3
61 nepeta = Katzenminze / Minze 3
62 rus Syriacum = Sumach 3
63 asari = Haselwurz 2
64 cepa pallacana = Schnittlauch 2
65 cupressus/cupresum = Zypresse 2
66 ellenium; innula = Alant 2
67 iuniperus/zyniperus = Wacholder 2
68 polipodium = Tüpfelfarn 2
69 sil = Zirmet 2
70 sil Gallicum/sil montanum = Sesel 2
71 sisama/sisamum = Sesam 2
72 capparis = Kaper 1
73 cariofilum = Gewürznelke 1
74 cerifolium = Kerbel 1
75 eleogarum = garum (s. o. Nr. 2) mit Öl 1
76 ocimus = Basilikum 1
77 papaber = Mohn 1
78 salvia = Salbei 1
79 samsucus = Echter Majoran 1
80 sapa: ein Mostsüßstoff 1
81 ysopum = Ysop 1

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22 aralık 2023
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9783961760411
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