Kitabı oku: «Die Sagen des klassischen Altertums», sayfa 12
Pelops
So schwer der Vater an den Göttern sich versündigt hatte, so fromm ehrte sie sein Sohn Pelops. Er war nach der Verbannung seines Vaters in die Unterwelt in einem Kriege mit dem benachbarten Könige Trojas aus seinem phrygischen Reiche vertrieben worden und wanderte nach Griechenland aus. Eben erst bekleidete sich das Kinn des Jünglings mit dunklem Flaum, aber schon hatte er sich im Herzen eine Gattin ausersehen. Es war dies die schöne Tochter des Königes Önomaos von Elis, mit Namen Hippodameia. Sie war ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorhergesagt, er werde sterben, wenn seine Tochter einen Gatten erhielte. Deswegen wandte der erschrockene König alles an, um jeden Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung in alle Lande hinausgehen, daß derjenige seine Tochter zur Gemahlin erhalten sollte, der ihn selbst im Wagenrennen überwinden würde. Wen aber er, der König, besiegte, der solle sein Leben lassen. Der Wettlauf geschah von Pisa aus nach dem Altare des Poseidon auf der Meerenge bei Korinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen bestimmte der Vater also: er selbst wollte erst gemächlich dem Zeus einen Widder opfern, während der Freier mit dem vierspännigen Wagen vorausführe; erst wenn er das Opfer beendigt hätte, sollte Önomaos den Lauf beginnen und auf seinem von dem Wagenlenker Myrtilos geleiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden Wagen einzuholen, so sollte er das Recht haben, den Freier mit seinem Spieße zu durchbohren. Als die vielen Freier, welche Hippodameia wegen ihrer Schönheit zählte, dieses vernahmen, waren sie alle getrosten Mutes. Sie hielten den König Önomaos für einen altersschwachen Greis, der, im Bewußtsein, mit Jünglingen doch nicht in die Wette rennen zu können, ihnen absichtlich einen so großen Vorsprung bewilligte, um seine wahrscheinliche Niederlage aus dieser Großmut erklären zu können. Daher kam einer um den andern nach Elis gezogen, stellte sich dem Könige vor und begehrte seine Tochter zum Weibe. Dieser empfing sie jedesmal freundlich, überließ ihnen ein schönes Viergespann zur Fahrt und ging hin, dem Zeus seinen Widder zu opfern, wobei er sich gar nicht beeilte. Dann erst bestieg er einen leichten Wagen, vor welchen seine beiden Rosse Phylla und Harpinna gespannt waren, die geschwinder liefen als der Nordwind. Mit ihnen holte sein Wagenlenker die Freier jedesmal noch lange vor Ende der Bahn ein, und unversehens durchbohrte sie der Speer des grausamen Königs. Auf diese Art hatte er schon mehr als zwölf Freier erlegt, denn immer holte er sie mit seinen schnellen Pferden ein.
Nun war Pelops auf seiner Fahrt nach der Geliebten an der Halbinsel, die später seinen Namen führen sollte, gelandet. Bald hörte er, was sich zu Elis mit den Freiern zutrage. Da trat er nächtlicherweise ans Meeresufer und rief seinen Schutzgott, den mächtigen Dreizackschwinger Poseidon, an, der ihm zu Füßen aus der Meeresflut emporrauschte. »Mächtiger Gott«, rief Pelops ihn an, »wenn dir selbst die Geschenke der Liebesgöttin willkommen sind, so lenke den ehernen Speer des Önomaos von mir ab, entsende mich auf dem schnellsten Wagen gen Elis und führe mich zum Siege. Denn schon hat er dreizehn liebende Männer ins Verderben gestürzt, und noch schiebt er die Hochzeit der Tochter auf. Eine große Gefahr duldet keinen unkriegerischen Mann. Ich bin entschlossen, sie zu bestehen. Wer doch einmal sterben muß, was soll er ein namenloses Alter in Finsternis dasitzend erwarten, alles Edlen unteilhaftig? Darum will ich den Kampf bestehen: du gib mir erwünschten Erfolg!«
So betete Pelops, und sein Flehen war nicht vergebens. Denn abermals rauschte es in den Wassern, und ein schimmernder goldner Wagen mit vier pfeilschnellen Flügelrossen stieg aus den Wellen empor. Auf ihn schwang sich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend, mit dem Wind in die Wette nach Elis. Als Önomaos ihn kommen sah, erschrak er; denn auf den ersten Blick erkannte er das göttliche Gespann des Meergottes. Doch verweigerte er dem Fremdlinge den Wettkampf nach den gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er sich auf die Wunderkraft seiner eigenen Rosse, die es dem Winde zuvortaten. Nachdem die Pferde des Pelops von der Reise durch die Halbinsel gerastet, betrat er mit ihnen die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrichtet hatte, mit seinen luftigen Rossen plötzlich ihm auf den Nacken kam und schon den Speer schwang, dem kühnen Freier den tödlichen Stoß zu versetzen. Da fügte es Poseidon, der den Pelops beschirmte, daß mitten im Laufe die Räder des königlichen Wagens aus den Fugen gingen und dieser zusammenbrach. Önomaos stürzte zu Boden und gab vom Falle den Geist auf. In demselben Augenblicke hielt Pelops mit seinem Viergespann am Ziele. Als er hinter sich blickte, sah er den Palast des Königs in Flammen stehen; ein Blitzstrahl hatte ihn angezündet und zerstörte ihn von Grund aus, daß nichts als eine Säule davon stehenblieb. Pelops aber eilte mit seinem Flügelgespann dem brennenden Hause zu und holte sich die Braut aus den Flammen.
Niobe
Niobe, die Königin von Theben, war auf vieles stolz. Amphion, ihr Gemahl, hatte von den Musen die herrliche Leier erhalten, nach deren Spiel sich die Steine der thebischen Königsburg von selbst zusammengesetzt hatten; ihr Vater war Tantalos, der Gast der Götter; sie war die Gebieterin eines gewaltigen Reiches und selbst voll Hoheit des Geistes und von majestätischer Schönheit; nichts aber von allem diesem schmeichelte ihr so sehr als die stattliche Zahl ihrer vierzehn blühenden Kinder, die zur einen Hälfte Söhne und zur andern Töchter waren. Auch hieß Niobe unter allen Müttern die glücklichste, und sie wäre es gewesen, wenn sie nur sich selbst nicht dafür gehalten hätte; so aber wurde das Bewußtsein ihres Glückes ihr Verderben.
Einst rief die Seherin Manto, die Tochter des Wahrsagers Tiresias, von göttlicher Regung angetrieben, mitten in den Straßen die Frauen Thebens zur Verehrung Latonas und ihrer Zwillingskinder, Apollos und der Artemis, auf, hieß sie die Haare mit Lorbeeren bekränzen und frommes Gebet unter Weihrauchopfer darbringen. Als nun die Thebanerinnen zusammenströmten, kam auf einmal Niobe im Schwarm eines königlichen Gefolges, mit einem golddurchwirkten Gewande angetan, prunkend einhergerauscht. Sie strahlte von Schönheit, soweit es der Zorn zuließ, ihr schmuckes Haupt bewegte sich zugleich mit dem über beide Schultern herabwallenden Haar. So stand sie in der Mitte der unter freiem Himmel mit dem Opfer beschäftigten Frauen, ließ die Augen voll Hoheit auf dem Kreise der Versammelten ruhen und rief. »Seid ihr nicht wahnsinnig, Götter zu ehren, von denen man euch fabelt, während vom Himmel begünstigtere Wesen mitten unter euch weilen? Wenn ihr der Latona Altäre errichtet, warum bleibt mein göttlicher Name ohne Weihrauch? Ist doch mein Vater Tantalos der einzige Sterbliche, der am Tische der Himmlischen gesessen hat, meine Mutter Dione, die Schwester der Plejaden, die als leuchtendes Gestirn am Himmel glänzen; mein einer Ahn Atlas, der Gewaltige, der das Gewölbe des Himmels auf dem Nacken trägt; mein Vatersvater Zeus, der Vater der Götter; selbst Phrygiens Völker gehorchen mir, mir und meinem Gatten ist die Stadt des Kadmos, sind die Mauern untertan, die sich dem Saitenspiel Amphions gefügt haben; jeder Teil meines Palastes zeigt mir unermeßliche Schätze; dazu kommt ein Antlitz, wie es einer Göttin wert ist, dazu eine Kinderschar, wie keine Mutter sie aufweisen kann: sieben blühende Töchter, sieben starke Söhne, bald ebenso viele Eidame und Schwiegertöchter. Fraget nun, ob ich auch Grund habe, stolz zu sein! Waget es noch ferner, mir Latona, die unbekannte Titanentochter, vorzuziehen, welcher einst die breite Erde keinen Raum gegönnt hat, wo sie dem Zeus gebären konnte, bis die schwimmende Insel Delos der Umherschweifenden aus Mitleid ihren unbefestigten Sitz darbot. Dort wurde sie Mutter zweier Kinder, die Armselige. Das ist der siebente Teil meiner Mutterfreude! Wer leugnet, daß ich glücklich bin, wer zweifelt, daß ich glücklich bleibe? Die Schicksalsgöttin hätte viel zu tun, wenn sie gründlich meinem Besitze schaden wollte! Nähme sie mir dies oder jenes, selbst von der Schar meiner Gebornen, wann wird je ihr Haufe zu der armen Zwillingszahl Latonens heruntersinken? Darum fort mit den Opfern, heraus aus den Haaren mit dem Lorbeer! Zerstreuet euch in eure Häuser und laßt euch nicht wieder über so törichtem Beginnen treffen!«
Erschrocken nahmen die Frauen die Kränze vom Haupte, ließen die Opfer unvollendet und schlichen nach Hause, mit stillen Gebeten die gekränkte Gottheit verehrend.
Auf dem Gipfel des delischen Berges Kynthos stand mit ihren Zwillingen Latona und schaute mit ihrem Götterauge, was in dem fernen Theben vorging. »Seht, Kinder, ich, eure Mutter, die auf eure Geburt so stolz ist, die keiner Göttin außer Hera weicht, werde von einer frechen Sterblichen geschmäht; ich werde von den alten heiligen Altären hinweggestoßen, wenn ihr mir nicht beisteht, meine Kinder! Ja, auch ihr werdet von Niobe beschimpft, werdet ihrem Kinderhaufen von ihr nachgesetzt!« Latona wollte zu ihrer Erzählung noch Bitten hinzufügen, aber Phöbos unterbrach sie und sprach: »Laß die Klage, Mutter, sie hält die Strafe nur auf!« Ihm stimmte seine Schwester bei; beide hüllten sich in eine Wolkendecke, und mit einem raschen Schwung durch die Lüfte hatten sie die Stadt und Burg des Kadmos erreicht. Hier breitete sich vor den Mauern ein geräumiges Blachfeld aus, das nicht für die Saat bestimmt, sondern den Wettläufen und Übungen zu Roß und Wagen gewidmet war. Da belustigten sich eben die sieben Söhne Amphions: die einen bestiegen mutige Rosse, die andern erfreuten sich des Ringspieles. Der älteste, Ismenos, trieb eben sein Tier im Viertelstrabe sicher im Kreise um, das schäumende Maul ihm bändigend, als er plötzlich: »Wehe mir!« ausrief, den Zaum aus den erschlaffenden Händen fahren ließ und, einen Pfeil mitten ins Herz geheftet, langsam rechts am Buge des Rosses heruntersank. Sein Bruder Sipylos, der ihm zunächst sich tummelte, hatte das Gerassel des Köchers in den Lüften gehört und floh mit verhängtem Zügel, wie ein Steuermann vor dem Wetter jedes Lüftchen in den Segeln auffängt, um in den Hafen einzulaufen. Dennoch holte ihn ein durch die Luft schwirrender Pfeil ein, zitternd haftete ihm der Schaft hoch im Genick, und das nackte Eisen ragte zum Halse heraus. Über die Mähne des galoppierenden Pferdes herab glitt der tödlich Getroffene zu Boden und besprengte die Erde mit seinem rauchenden Blut. Zwei andere, der eine hieß wie sein Großvater, Tantalos, der andere Phaidimos, lagen miteinander ringend, in fester Umschlingung Brust an Brust verschränkt. Da tönte der Bogen aufs neue, und wie sie vereinigt waren, durchbohrte sie beide ein Pfeil. Beide seufzten zugleich auf, krümmten die schmerzdurchzuckten Glieder auf dem Boden, verdrehten die erlöschenden Augen und hauchten mit einem Atem die Seelen im Staub aus. Ein fünfter Sohn, Alphenor, sah diese fallen; die Brust sich schlagend, flog er herbei und wollte die erkälteten Glieder der Brüder durch seine Umarmungen wieder beleben, aber unter diesem frommen Geschäfte sank er auch dahin, denn Phöbos Apollo sandte ihm das tödliche Eisen tief in die Herzkammer hinein, und als er es wieder herauszog, drängte sich mit dem Atem das Blut und das Eingeweide des Sterbenden hervor. Damasichthon, den sechsten, einen zarten Jüngling mit langen Locken, traf ein Pfeil in das Kniegelenk; und während er sich rückwärts bog, das unerwartete Geschoß mit der Hand herauszuziehen, drang ihm ein anderer Pfeil bis ans Gefieder durch den offenen Mund hinab in den Hals, und ein Blutstrahl schoß wie ein Springbrunnen hoch aus dem Schlunde empor. Der letzte und jüngste Sohn, der Knabe Ilioneus, der dies alles mit angesehen hatte, warf sich auf die Knie nieder, breitete die Arme aus und fing an zu flehen: »O all ihr Götter miteinander, verschont mich!« Der furchtbare Bogenschütze selbst wurde gerührt, aber der Pfeil war nicht mehr zurückzurufen. Der Knabe sank zusammen. Doch fiel er an der leichtesten Wunde, die kaum bis zum Herzen hindurchgedrungen war.
Der Ruf des Unglückes verbreitete sich bald in die Stadt. Amphion, der Vater, als er die Schreckenskunde hörte, durchbohrte sich die Brust mit dem Stahl. Der laute Jammer seiner Diener und alles Volks drang bald auch in die Frauengemächer. Niobe vermochte lange das Schreckliche nicht zu fassen; sie wollte nicht glauben, daß die Himmlischen so viel Vorrechte hätten, daß sie es wagten, daß sie es vermochten. Aber bald konnte sie nicht mehr zweifeln. Ach, wie unähnlich war die jetzige Niobe der vorigen, die eben erst das Volk von den Ältären der mächtigen Göttin zurückscheuchte und mit hohem Nacken durch die Stadt einherschritt! Jene erschien auch ihren liebsten Freunden beneidenswert, diese des Mitleids würdig selbst dem Feinde! Sie kam herausgestürzt auf das Feld, sie warf sich auf die erkälteten Leichname, sie verteilte ihre letzten Küsse an die Söhne, bald an diesen, bald an jenen. Dann hub sie die zerschlagenen Arme gen Himmel und rief. »Weide dich nun an meinem Jammer, sättige dein grimmiges Herz, du grausame Latona, der Tod dieser sieben wirft mich in die Grube; triumphiere, siegende Feindin!«
Jetzt waren auch ihre sieben Töchter, schon in Trauergewande gekleidet, herbeigekommen und standen mit fliegenden Haaren um die gefallenen Brüder her. Ein Strahl der Schadenfreude zuckte bei ihrem Anblick um Niobes blasses Gesicht. Sie vergaß sich, warf einen spottenden Blick gen Himmel und sagte: »Siegerin! nein, auch in meinem Unglücke bleibt mir mehr als dir in deinem Glück. Auch nach so vielen Leichen bin ich noch Überwinderin!« Kaum hatte sie’s gesprochen, als man eine Sehne ertönen hörte, wie von einem straff angezogenen Bogen. Alles erschrak, nur Niobe bebte nicht; das Unglück hatte sie beherzt gemacht. Da fuhr plötzlich eine der Schwestern mit der Hand ans Herz; sie zog einen Pfeil heraus, der ihr im Innersten haftete. Ohnmächtig zu Boden gesunken, senkte sie ihr sterbendes Antlitz über den nächstgelegenen Bruder. Eine andere Schwester eilt auf die unglückselige Mutter zu, sie zu trösten; aber von einer verborgenen Wunde gebeugt, verstummte sie plötzlich. Eine dritte sinkt im Fliehen zu Boden, andere fallen, über die sterbenden Schwestern hingeneigt. Nur die letzte war noch übrig, die sich in den Schoß der Mutter geflüchtet und an diese, von ihrem faltigen Gewande zugedeckt, sich kindisch anschmiegte. »Nur die einzige laßt mir«, schrie Niobe wehklagend zum Himmel, »nur die jüngste von so vielen!« Aber während sie noch flehte, stürzte schon das Kind aus ihrem Schoße nieder, und einsam saß Niobe zwischen ihres Gatten, ihrer Söhne und ihrer Töchter Leichen. Da erstarrte sie vor Gram; kein Lüftchen bewegte das Haar ihres Hauptes; aus dem Gesichte wich das Blut; die Augen standen unbewegt in den traurigen Wangen; im ganzen Bilde war kein Leben mehr; die Adern stockten mitten im Pulsschlag, der Nacken drehte, der Arm regte, der Fuß bewegte sich nicht mehr; auch das Innere des Leibes war zum kalten Felsstein geworden. Nichts lebte mehr an ihr als die Tränen; diese rannen unaufhörlich aus den steinernen Augen hervor. Jetzt faßte den Stein eine gewaltige Windsbraut, führte ihn fort durch die Lüfte und über das Meer und setzte ihn erst in der alten Heimat Niobes, in Lydien, im öden Gebirge, unter den Steinklippen des Sipylos nieder. Hier haftete Niobe als ein Marmorfelsen am Gipfel des Berges, und noch jetzt zerfließt der Marmor in Tränen.
Salmoneus
Salmoneus, der Herrscher in Elis, war ein reicher, ungerechter und in seinem Herzen übermütiger Fürst. Er hatte eine herrliche Stadt, Salmonia genannt, gegründet und ging in seinem Stolze so weit, daß er von seinen Untertanen göttliche Ehren und Opfer forderte und für Zeus gehalten sein wollte. Als Zeus durchzog er auch sein Land und die griechischen Völkerschaften auf einem Wagen, der dem Wagen des Donnerers gleichen sollte. Er ahmte dabei des Gottes Blitz durch emporgeworfene Fackeln, seinen Donner durch den Hufschlag wilder Rosse nach, die er über eherne Brücken trieb. Menschen ließ er niedermachen und gab vor, der Blitz habe sie getötet. Zeus sah vom Olymp herab das törichte Beginnen. Aus dichten Wolken griff er einen echten Blitz heraus und schleuderte ihn wirbelnd auf den im wahnsinnigen Übermute dahinfahrenden Sterblichen herunter. Der Donnerstrahl zerschmetterte den König und vertilgte die von ihm erbaute Stadt samt allen ihren Bewohnern.
Viertes Buch
Aus der Heraklessage
Herakles der Neugeborne
Herakles war ein Sohn des Zeus und der Alkmene, Alkmene eine Enkelin des Perseus; der Stiefvater des Herakles hieß Amphitryon, auch er war ein Enkel des Perseus und König von Tiryns, hatte jedoch diese Stadt verlassen, um in Theben zu wohnen. Hera, die Gemahlin des Zeus, haßte ihre Nebenbuhlerin Alkmene und gönnte ihr den Sohn nicht, von dessen Zukunft Zeus den Göttern selbst Großes verkündet hatte. Als daher Alkmene den Herakles geboren, glaubte sie ihn vor der Göttermutter in dem Palaste nicht sicher und setzte ihn an einem Platze aus, der noch in späten Zeiten das Heraklesfeld hieß. Hier wäre das Kind ohne Zweifel verschmachtet, wenn nicht ein wunderbarer Zufall seine Feindin Hera selbst, von Athene begleitet, des Weges geführt hätte. Athene betrachtete die schöne Gestalt des Kindes mit Verwunderung, erbarmte sich sein und bewog die Begleiterin, dem Kleinen ihre göttliche Brust zu reichen. Aber der Knabe sog viel kräftiger an der Brust, als sein Alter erwarten ließ; Hera empfand Schmerzen und warf das Kind unwillig zu Boden. Jetzt hob Athene dasselbe voll Mitleid wieder auf, trug es in die nahe Stadt und brachte es der Königin Alkmene als ein armes Findelkind, das sie aus Barmherzigkeit aufzuziehen bat. So war die leibliche Mutter, aus Angst vor der Stiefmutter, bereit gewesen, die Pflicht der natürlichen Liebe verleugnend, ihr Kind umkommen zu lassen; und die Stiefmutter, die von natürlichem Hasse gegen dasselbe erfüllt ist, muß, ohne es zu wissen, ihren Feind vom Tode erretten. Ja noch mehr: Herakles hatte nur ein paar Züge an Heras Brust getan, aber die wenigen Tropfen Göttermilch waren genügend, ihm Unsterblichkeit einzuflößen.
Alkmene hatte indessen ihr Kind auf den ersten Blick erkannt und es freudig in die Wiege gelegt. Aber auch der Göttin blieb nicht verborgen, wer an ihrer Brust gelegen und wie leichtsinnig sie den Augenblick der Rache vorübergelassen habe. Sogleich schickte sie zwei entsetzliche Schlangen aus, die, das Kind zu töten bestimmt, durch die offenen Pforten in Alkmenes Schlafgemach geschlichen kamen und, ehe die Dienerinnen des Gemaches und die schlummernde Mutter selbst es innewurden, sich an der Wiege emporringelten und den Hals des Knaben zu umstricken anfingen. Der Knabe erwachte mit einem Schrei und richtete seinen Kopf auf. Das ungewohnte Halsband war ihm unbequem. Da gab er die erste Probe seiner Götterkraft: er ergriff mit jeder Hand eine Schlange am Genick und erstickte die beiden mit einem einzigen Druck. Die Wärterinnen hatten die Schlangen jetzt wohl bemerkt; aber unbezwingbare Furcht hielt sie ferne. Alkmene war auf den Schrei ihres Kindes erwacht; mit bloßen Füßen sprang sie aus dem Bett und stürzte Hilfe rufend auf die Schlangen zu, die sie schon von den Händen ihres Kindes erwürgt fand. Jetzt traten auch die Fürsten der Thebaner, durch den Hilferuf aufgeschreckt, bewaffnet in das Schlafgemach; der König Amphitryon, der den Stiefsohn als ein Geschenk des Zeus betrachtete und liebhatte, eilte erschrocken herbei, das bloße Schwert in der Hand. Da stand er vor der Wiege, sah und hörte, was geschehen war; Lust, mit Entsetzen gemischt, durchbebte ihn über die unerhörte Kraft des kaum gebornen Sohnes. Er betrachtete die Tat als ein großes Wunderzeichen und rief den Propheten des großen Zeus, den Wahrsager Tiresias, herbei. Dieser weissagte dem Könige, der Königin und allen Anwesenden den Lebenslauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie viele Ungetüme des Meeres er hinwegräumen, wie er mit den Giganten selbst im Kampfe zusammenstoßen und sie besiegen werde und wie ihm am Ende seines mühevollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern und Hebe, die ewige Jugend, als himmlische Gemahlin erwarte.