Kitabı oku: «Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild», sayfa 3
In der westfälischen Heimat. 1848 – 1849
Dreiviertel Jahre später, 1848, brach die Revolution aus, und Bodelschwingh erhielt seine Entlassung. In tiefstem Schmerz trat er den Weg in die westfälische Heimat an. In Minden auf dem Bahnhof wurde der verabschiedete Minister erkannt, und ein Mann spottete hinter ihm her: „Oller Ex, oller Ex.” „Laßt ihn spotten,” sagte er zu seinen Kindern, „es ist uns gut so.”
Der König erwog ernstlich, Bodelschwingh als leitenden Minister zurückzurufen, und richtete eine Vorfrage an ihn, ob er bereit wäre zu kommen. Bodelschwingh aber lehnte in einem ausführlichen Schreiben ab. Diese Tatsache widerlegt stärker als alles andere den später gegen Bodelschwingh erhobenen Vorwurf, als hätte er am 19. März die Zurückziehung der Truppen veranlaßt. Nie würde Friedrich Wilhelm IV. einen Minister zurückgerufen haben, dem er die tiefe Demütigung der königlichen Würde zur Last legen mußte, die eine Folge der Zurückziehung der Truppen war.
Zeitweise beschäftigte den verabschiedeten Minister der Gedanke, mit den Seinen nach Amerika auszuwandern. Aber dann entschloß er sich, die heimatliche Scholle zu pflügen, und gerade jetzt nach den schmerzlichen Erlebnissen brach die glücklichste Zeit für die Familie an. Das alte Gutshaus in Velmede war schon vor den Freiheitskriegen abgebrochen worden und hatte längst durch ein neues ersetzt werden sollen. Da aber infolge des Krieges ein großer Teil des Vermögens verloren gegangen war, so war der Neubau bis jetzt unterblieben. Nur die alte, strohgedeckte Wagenremise stand noch, die sich einst die Eltern des Ministers zum Wohnhaus eingerichtet hatten und in der jetzt der Förster wohnte. Hier zog nun die Familie ein.
Bald ging es an den Bau eines einfachen einstöckigen Landhauses, an das Zuschütten des alten Hausgrabens und an die Einrichtung des neuen Blumen- und Obstgartens. Überall legten der Vater und seine Söhne selbst mit Hand an. Dazwischen aber tauchten all die alten Freuden aus Koblenz und Berlin wieder auf. In der Seseke, dem kleinen Fluß, der das Gutsland durchschnitt, wurde geschwommen, gefischt und gerudert; auch die Jagdflinte wurde wieder über den Rücken geworfen und mit dem geliebten Vater um die Wette das Land in die Länge und Breite durchstreift.
Aber inzwischen mußten weitere Schritte ins Leben hinein getan werden. Der Konfirmationsunterricht bei dem Hofprediger Snethlage in Berlin war unterbrochen worden. So brachte der Vater den nun schon siebzehnjährigen Friedrich nach Unna. Pastor von Velsen, als Mensch und als Christ eine gleich anziehende Persönlichkeit, wollte den Primaner nicht mit den so viel jüngeren Konfirmanden zusammen unterrichten und gab ihm auf seinem Zimmer die Konfirmationsstunden. „Das waren selige Wege nach dem lieben Unna hinaus,” schrieb er, „und tiefer als die Konfirmationsfeier selbst blieben diese Stunden in der Seele haften.”
Dann kam die Aufnahme in das Gymnasium zu Dortmund. Aber heimisch wurde er hier nicht. Dazu war die Heimat zu nah. Einige Male machte er am Sonntag zu Fuß den weiten Weg von Dortmund nach Unna, um den Konfirmator wiederzusehen, dessen Predigten ihm mehr zu Herzen gingen, als es sonst ein menschliches Wort bis dahin getan hatte. Aber für gewöhnlich ging es mit den Brüdern Franz und Ernst jeden Sonnabend Nachmittag auf Fußwegen quer durch die Felder die drei Stunden weit zu Eltern und Geschwistern nach Velmede. „Dabei begegnete es mir einmal,” erzählt er, „als das Elternhaus aus der Ferne winkte, daß ich mich wiederholt umblickte, weil es mir vorkam, als ob ein Reiter auf dem schmalen Fußpfade hinter mir her galoppierte, bis ich erkannte, daß es mein eigenes Herz war, welches so laut vor Freude und Wonne klopfte beim Anblick des geliebten Vaterhauses.” Und am letzten Busch kamen Vater und Mutter und die beiden Schwestern Frieda und Sophie den Brüdern entgegen. Dann ging es gemeinsam ins Elternhaus, das vorher nie so genossen worden war als jetzt, wo die Söhne nicht jeden Tag darin zubringen konnten.
Am Sonntagmorgen stand der Vater, der in gesunden Tagen nie den Gottesdienst versäumte, für den Weg in die Kirche nach Methler bereit, und die Kinder folgten ihm, während die Mutter sich alle vierzehn Tage mit den Mägden abwechselte. Am Nachmittag ging es dann unter die Eichen des Mühlenbruchs, wo die Söhne einen lauschigen, stillen Sitzplatz für die Eltern und Schwestern errichtet hatten und wo nun an dem flackernden Feuer die Kartoffeln geröstet wurden. „Wie konnte der Vater jubeln durch den Mühlenbruch wie ein Kind!” schreibt der Sohn. Und in einem Brief der Tochter Sophie heißt es: „An jeder Blume, jedem Blatt und Strauch hatte er seine kindliche Freude. Es ist ja auch ein wahrhaft erfrischender Anblick, den Mann zu sehen, der durch alle Unnatur der Welt, alle Schlechtigkeit und Niedrigkeit der Menschen, alle die ertötendsten Geschäfte des täglichen Lebens und durch viel bittere Enttäuschungen sich hindurchgerettet und sich den reinen, heiteren, ungetrübten Sinn eines Kindes zu erhalten gewußt hat. So heiter, frisch und kräftig habe ich ihn eigentlich noch nie gekannt.”
Ostern 1849 entließ das Gymnasium in Dortmund den jungen Friedrich von Bodelschwingh mit dem Zeugnis der Reife. Da er nur ein halbes Jahr in Berlin und nur ein Jahr in Dortmund die Prima besucht hatte, so würde er am liebsten noch ein halbes Jahr auf das geliebte Friedrich-Wilhelms-Gymnasium nach Berlin zurückgekehrt sein, um trotz des guten Dortmunder Zeugnisses die klassischen Studien zu vertiefen. Aber der Vater riet ab.
Die Ausbildung
Als Eleve im Oderbruch. 1849–1851
„Meine landwirtschaftliche Lehrzeit ist unzweifelhaft die reichste meines Lebens gewesen und wird mir auch wahrscheinlich immer die angenehmste Erinnerung bleiben, sodaß ich sie um keinen Preis missen möchte, sollte ich auch jede beliebige andere Karriere ergreifen. Wenn Zeit und Mittel es gestatten, so will ich einem jeden unbedingt raten, dem Juristen sowohl wie dem Forstmann und Bergmann, vor allem aber dem zukünftigen Soldaten, daß er sich durch ein landwirtschaftliches Lehrjahr für seinen späteren Beruf vorbereitet.”
F. v. B. an seinen Vater 1853.
Was nun werden? Schon während der Zeit in Dortmund hatte Bodelschwingh gelegentlich ein Bergwerk befahren und als Hauer mitgearbeitet. Eigentlich gefesselt hatte ihn diese Arbeit nicht. Sollte er Jura studieren? Aber die unsicheren politischen Verhältnisse schreckten ihn ab. Dagegen brachte ihn die vielfache Beschäftigung mit seinem Vater in Garten, Feld und Wald zu dem Gedanken, zunächst einmal die Landwirtschaft zu ergreifen. Um sich für die praktische Tätigkeit als Landwirt vorzubereiten, ging er zum Studium der Botanik und der Physik für den Sommer 1849 nach Berlin, wo er außer den beiden genannten Fächern Philosophie und Geschichte hörte. Im Herbst 1849 brachte ihn dann sein Vater auf seine neue Arbeitsstelle.
„Ich besinne mich noch darauf,” schreibt er, „daß es gerade die Nacht vom 14. auf den 15. September war, wo wir in Begleitung meines neuen Lehrherrn, des alten Koppe, zu Wagen von Berlin nach Kienitz im Oderbruch fuhren. Die Nacht war für mich sehr lehrreich, weil der alte Herr meinem Vater, den er schon als früheren Finanzminister kannte und liebte, viel aus seinem Leben erzählte. Der alte Koppe war in der Tat eine ausgezeichnete und in vieler Beziehung für meinen neuen Beruf vorbildliche Persönlichkeit. Er war auf einem Gute in der märkischen Lausitz Hütejunge gewesen. Sein Gutsherr hatte ihn als einen munteren, geweckten Knaben, der in allen Stücken besonders treu war, kennen gelernt und liebgewonnen. Er hatte ihm dann zu seiner weiteren Ausbildung verholfen, sodaß er später zum Gutsverwalter aufrückte.
Wir fuhren in jener Nacht durch die Güter eines der reichsten Herren dort in der Mark. Diese Güter hatte der alte Koppe lange Zeit verwaltet und hatte seinem Herrn in seinen Vermögensverhältnissen durch große Umsicht und Treue sehr fortgeholfen. Als dann die beiden wertvollen königlichen Domänen Kienitz und Wollup bei Küstrin pachtfrei wurden, reichte ihm sein Herr gegen die Teilung des Reingewinnes die Mittel dar, die Pachtung anzutreten. Mit großen Opfern kaufte sich Koppe später von dieser Verpflichtung, den Reingewinn zu teilen, frei. Trotzdem brachte er es so weit, daß er seiner Frau das Gut, auf dem er als Hütejunge gedient hatte, zum Geburtstagsgeschenk machen konnte und daß er seine sämtlichen Söhne und Schwiegersöhne ebenfalls entweder mit einem großen Gut oder mit großartigen Pachtungen auszustatten in die Lage kam.
Dies alles verdankte er nächst dem Segen Gottes seiner großen Treue im Kleinen und seiner pünktlichen Sorgfalt. Er wurde der Begründer des landwirtschaftlichen Rechenwesens in seiner jetzigen Genauigkeit, wodurch man in die Lage gesetzt ist, von jedem Zweige der Landwirtschaft am Schluß des Jahres genau zu wissen, was er an Gewinn oder Verlust gebracht hat. Während, wie Koppe in jener Nacht erzählte, sein Vorgänger z. B. keine Ahnung gehabt hatte, ob er bei seiner Pferdezucht gewinne oder zusetze, – das zweite war tatsächlich der Fall – gab sich Koppe über jeden einzelnen Betrieb seiner Wirtschaft genau Rechenschaft. Bis in sein hohes Alter behielt er die gleiche Pünktlichkeit bei: Punkt fünf Uhr stand er fertig angezogen an seinem Schreibtisch und erwartete, daß auch auf denselben Glockenschlag die Inspektoren und Eleven hereintraten, um die Arbeitseinteilung zu besprechen. Dabei sorgte er treulich für seine Arbeiter und ging ihnen auch in seinem kirchlichen Leben mit gutem Beispiel voran.
Ich wurde zunächst seinem zweiten Sohn, dem er die Bearbeitung der Domäne Kienitz übertragen hatte, als Eleve anvertraut. Die Domäne Kienitz war damals zwar nicht eins der größten, aber doch eins der bestbewirtschafteten Güter des Oderbruchs. Auch war sie das einzige Gut des Oderbruchs, das eine Zuckerfabrik besaß. Von den 2200 Morgen wurden jedes Jahr 700 mit Zuckerrüben bestellt. Der Viehbestand setzte sich zusammen aus 40 Ackerpferden, 24 Kühen, 100 Ochsen und mehreren 1000 Schafen. Das Gut lag nur eine halbe Stunde von der Oder entfernt. Die breiten mit Weiden bestandenen Wassergräben, die das Gut durchzogen, und ein einziger Sandhügel von 2 bis 3 Morgen, der mit Birken und Tannen bepflanzt war, bildeten die geringe Abwechslung in dieser einförmigen, aber überaus fruchtbaren Ebene.
Mein Prinzipal war in einiger Verlegenheit, was er mit dem etwas ungewöhnlichen Lehrjungen anfangen solle, der als Studiosus von der Universität kam und von dem er zu denken schien, er würde besondere Ansprüche machen. Auf dem ersten Spaziergang mit ihm ins Feld hinaus kamen wir zu den Ochsenpflügern, die den Acker für die Rüben, die im nächsten Frühjahr gelegt werden sollten, aufbrachen. Es war eine lange außerordentlich dürre Zeit gewesen und darum der Acker so hart wie eine Dreschtenne. Die sogenannten Rigolpflüge waren jeder mit fünf starken Ochsen bespannt, zwei hinten und drei vorn, und der von ihnen umgebrochene Acker war anzusehen wie ein Feld voller aufgebrochener Steinblöcke. Die einzelnen Erdschollen waren zum Teil zentnerschwer. Ein Mann mußte den Pflug führen, während ein anderer die Ochsen langsam antrieb, die unter beständigem Keuchen und Stöhnen einen Erdblock nach dem andern herausholten.
Ich fragte meinen Prinzipal, ob ich das Pflügen wohl lernen dürfe. Diese Frage schien ihm eine große Erleichterung zu gewähren. Denn ihm war nun aus der Verlegenheit geholfen, und ich war an der Arbeit. Etwa vier Wochen lang habe ich dann einen solchen Rigolpflug geführt. Das war freilich keine leichte Aufgabe. Die Ochsen wurden zweimal am Tage umgespannt, aber der Pflüger mußte von morgens fünf bis abends acht Uhr aushalten, und es war damals in den Septembertagen noch eine recht heiße Sonnenglut. Die Knöchel schwollen mir vor Anstrengung dick an, und ich war bald von der Sonne braun gebrannt trotz einer großen grünen Mütze, die ich auf dem Kopfe trug. Hierauf lernte ich auch mit den Pferden pflügen, deren immer sechs vor einen Pflug gespannt waren, drei in einer Reihe, wobei ich gleichzeitig den Pflug führen und die Pferde regieren mußte.
Nun ging auch die Herbstbestellung an, und ich lernte mit vier Pferden die Eggen im Kreise herumschleudern, um die steinharte Erdkruste zu zerkleinern. Inzwischen hatte auch die Rübenernte begonnen, die bis tief in den November hinein dauerte. Alle Arbeit, die vorkam, machte ich mit. Am sauersten wurde mir das Säelaken, in das ein halber Scheffel Roggen eingebunden war und mit dem ich den tiefen Acker durchschreiten mußte. Hierbei wurde ich völlig lahm. Als das Frostwetter eintrat, bekam ich meine Arbeit auf dem großen Pachthof, wo nun tüchtig gedroschen wurde. Drei Drescher waren jedesmal zusammen auf dem Scheunenflur. Drei Tage wurde gedroschen und den vierten aufgemessen. Das Aufmessen hatte ich besonders zu beaufsichtigen. Die Drescher bekamen von Roggen und Weizen jedesmal den 15. Scheffel, von Hafer und Gerste jedesmal den 16. zum Eigentum. Das war ihr Lohn. Geld bekamen sie nicht. Daneben hatte ich die Futterausgabe und die Aufsicht über die Ställe. Hier bei den Ochsen, Schafen und Kühen war es im Winter gar heimlich und angenehm.
Mitunter galt es tagelang auf dem Kornboden stehen und das Getreide einmessen, das auf die Oder-Kähne verladen wurde, um nach Stettin und anderen Hafenstationen ausgeführt zu werden. Eine andere Winterarbeit war das Köpfen der Weiden. Abgesehen von den Gartenbäumen ist fast der einzige Baum des Oderbruchs die Weide, die die zahllosen Gräben der Niederungen begrenzt. Jedes Jahr wurde eine bestimmte Abteilung dieser Weiden abgeholzt, d. h. nur die drei- bis vierjährigen, und zwar über dem Kopf des Stammes. Diese Arbeit wurde mit einem kleinen scharfen Beil verrichtet und kostete mich erst einige Übung, denn die einzelnen Äste durften nicht splittern.
Sobald der Frühling ins Land kam, ging es an die Vorbereitung der wichtigsten Arbeit des ganzen Jahres, an die Rübenbestellung. Hierbei lernte ich eine heilsame Kunst, nämlich die, treu auf dem bestimmten Posten auszuharren. So verlangte es der alte Herr Koppe von allen seinen jungen Leuten. Nachdem der Acker zubereitet war, wurde zunächst der Same mit Hilfe einer sogenannten Hopser-Schnur gelegt. Die Schnur hatte hundert Knoten in gleich weitem Abstande. Je zwei Knoten, die mit bestimmten Bändern bezeichnet waren, gehörten immer einer Samenlegerin. Diese hatte da, wo ihre beiden Knoten waren, zwei Löcher zu graben, den Samen hineinzulegen, wieder zuzuscharren und mit dem Fuß daraufzutreten. An den beiden Enden der langen Schnur aber standen zwei Leute mit dem Hopser. Diese riefen jedesmal, wenn die Schnur weiterrückte, „Hopp”. Auf solche Weise mußten 700 Morgen mit Samen belegt werden – eine Arbeit, die die größte Sorgfalt erforderte. Es galt aufzupassen, daß keine der Samenlegerinnen zurückblieb und keine unordentliche Arbeit machte. Die größte Freude machte es mir, in den langen, langen Streifen die kleinen Rüben regelmäßig aufgehen zu sehen, und der Kummer war groß, wenn irgendwo schlecht gearbeitet worden war. Hatte man sich die Reihenfolge der einzelnen Legerinnen aufgeschrieben, so konnte man noch nach Wochen wissen, an wem die Schuld lag. Dann kam das Verhacken und Verziehen und abermalige Verhacken der Rüben. Vierzehn Wochen habe ich so ununterbrochen aushalten müssen, ohne mittags nach Hause zu kommen. Mein Mittagessen bekam ich in einem kleinen Korb an irgend einen Grabenrand hinausgeschickt.
So eintönig diese Arbeit scheint, so machte sie mir doch große Freude. Ihre Eintönigkeit erleichterte ich mir dadurch, daß ich in der Frühstücks- und Mittagspause meinen armen Rübenhackerinnen schöne Geschichten vorlas. Auch führte ich in meiner Tasche entweder Matthias Claudius oder eine andere Sammlung bei mir und lernte, hinter meinen Arbeiterinnen auf- und abgehend, unbemerkt manches schöne Gedicht auswendig. Hiernach kamen die Klee- und die Heuernte und dann die Getreideernte mit ihrer heißen Arbeit und ihrer Freude des Einfahrens, woran alle vierzig Pferde beteiligt waren.
Als wir eben die Rübenernte begonnen hatten, gab es für mich ein wichtiges Ereignis. Der Krieg gegen Österreich drohte auszubrechen. Meine sämtlichen älteren landwirtschaftlichen Mitarbeiter, auch der erste Inspektor, ja selbst der ältere Bruder meines Prinzipals, der Administrator von Wollup, wurden zu den Fahnen einberufen. So blieb meinem Prinzipal nichts anderes übrig, als mich zum ersten Inspektor avancieren zu lassen. Die Not ist ja der beste Lehrmeister. Ich bekam jetzt ein Reitpferd und hatte mich vom Morgen bis zum Abend tüchtig zu tummeln. Am Abend hatte ich die Löhne auszuzahlen, und oft saß ich bis tief in die Nacht, um mit meiner Rechnung in Ordnung zu kommen. Denn es war eine Haupttugend des alten Koppe, daß er eine so sorgfältige Rechnungslegung verlangte und von jedem Arbeiter, jedem Ochsen, jedem Pferd jeden Abend genau aufgeschrieben haben mußte, was und worauf sie gearbeitet hatten.
Mitten in diese tapfere Arbeit, die mir viel Freude machte, kam die Nachricht, daß mein Vater, als die Kriegswolken sich dichter zusammenzogen, sich zum Eintritt in die Armee gemeldet und sich sein früheres Regiment als Oberst ausgebeten hatte. In einem seiner Briefe kam es mir so vor, als ob er dächte, mir wäre die Not des Vaterlandes gleichgültig. Ich trat mit diesem Briefe zu meinem Prinzipal und sagte: „Es hilft mir nichts, ich muß mich heute noch in Berlin als Soldat melden.” Als ich in Berlin bei meinem Vater eintrat, sagte er: „Dein Bruder Franz hat sich bereits bei den Garde-Jägern gemeldet; ich wünsche, daß auch du dort eintrittst.” Ich fuhr sofort nach Potsdam, meldete mich beim Kommandeur des Jägerbataillons und wurde als Freiwilliger angenommen. Um dies meinem Vater mitzuteilen, kehrte ich noch einmal nach Berlin zurück. Als ich bei ihm eintrat, war er sehr traurig. Denn soeben war die Nachricht gekommen, daß sich Preußen in Olmütz vor Österreich gedemütigt hatte und das Schwert wieder in die Scheide gesteckt wurde.
Nun sorgte mein Vater dafür, daß meine Meldung für ungültig erklärt wurde und ich wieder auf mein Arbeitsfeld zurückkehren konnte. Noch an demselben Tage langte ich um Mitternacht auf meinem todmüden Pferde in Kienitz an zur großen Freude meines Prinzipals, um am andern Morgen wieder meinen Dienst zu übernehmen. Als nach einiger Zeit auch meine Kollegen zurückkehrten, wollte mein Prinzipal mich nicht wieder Lehrling werden lassen, sondern schickte mich für den Rest meiner Lehrzeit nach Wollup zu seinem Bruder, einem äußerst liebenswürdigen Manne, dem ich das Hauptbuch abschließen half und bei dem ich auch die in Kienitz nicht vorkommenden Zweige der Landwirtschaft kennen lernte, namentlich die dort blühende Branntweinbrennerei.
An herzlicher Freundlichkeit in beiden Familien Koppe hat es mir nicht gefehlt. Im übrigen aber war das Leben für mich mit viel Kampf und Not verbunden. Das Dasein der jungen Landwirte ist meist sehr traurig, weil sie vielfach für höhere Genüsse keinen Sinn haben. In die Kirche ging niemand. Das war insofern freilich kaum recht zu ändern, weil es mit dem Geistlichen in Kienitz überaus dürftig aussah. Ich ging aber aus Trotz, um nicht als Feigling dazustehen, und gerade weil ich darüber ausgelacht wurde, mitunter in die Kirche. Morgens beim Frühstück las ich meinen Tacitus, römische Geschichte. Im Hause war eine Schwester des Professors Steinmeyer, ein vortreffliches Mädchen, die „Fränzchen” genannt wurde. Mit ihr spielte ich, während die andern Karten spielten, manche Partie Schach. Denn für das Kartenspiel hatte ich mich nicht erwärmen können; ich hatte es wohl einige Male versucht, wurde aber, weil ich keinen Ernst bei der Sache zeigte, abgesetzt. Am liebsten ging ich Sonntags still durch die Felder, die ich hatte bestellen helfen, oder auch wohl an das Ufer der Oder, wo ich vom Deich eine liebliche Aussicht über die weiten fruchtbaren Fluren genoß. Der Abschied von diesem arbeitsreichen Ackerfeld wurde mir immerhin nicht ganz leicht, als es im Frühjahr 1851 galt, des Königs Rock anzuziehen, um mein freiwilliges Soldatenjahr abzudienen.”