Kitabı oku: «Hochzeit machen ist nicht schwer ...», sayfa 2

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»Frau Baronin! Das ist ja eine Überraschung. Wir hatten Sie erst am Wochenende erwartet.« Ein ehrwürdiger alter Diener in einer klassischen Livree begrüßte Ronja etwas konfus, als sie vor dem alten Gutshaus hielten. »Wenn Sie Bescheid gesagt hätten, hätten wir etwas vorbereitet.«

»Danke, Johann, ich brauche nichts«, entgegnete Ronja freundlich. »Aber diese junge Dame hier«, sie wies auf Marina, während sie ihre ledernen Autohandschuhe abstreifte, »benötigt ein Zimmer. Für ein paar Tage«, fügte sie fast etwas warnend hinzu.

»Aber natürlich.« Johann nickte ernsthaft. »Ich werde Annie gleich anweisen, dass sie es herrichtet.«

»Da haben wir uns auf der ganzen Fahrt unterhalten, und davon hast du mir gar nichts erzählt?« Marina lachte, als sie ausstieg und ihr Hochzeitskleid zusammenraffte.

Ronja hatte darauf bestanden, dass sie es mitnahm. Sie wollte nicht, dass Marina einen Grund hatte, in ihre Wohnung zurückzukehren, um es zu holen.

Statt des Jogginganzugs trug Marina nun eine Jeans und ein T-Shirt von Ronja. »Frau Baronin?«

»Das hat keine Bedeutung.« Ronja winkte ab. »Ich trage den Titel nicht. Aber Johann besteht darauf, mich so zu nennen. Ich kann es ihm nicht abgewöhnen.«

»Und das ist dein Gut hier?«, wunderte Marina sich weiter. Sie schaute sich überwältigt um. »Wie groß ist das?«

»Die Größe hat ebenfalls keine Bedeutung«, erwiderte Ronja schon etwas genervt. »Es ist unser Familiensitz. Meine Großmutter lebt noch hier, sonst hätte ich es längst verkauft.«

»Verkauft?« Marina sah sie staunend an. »So etwas Schönes?«

»Ja«, erwiderte Ronja knapp und ging mit schnellen Schritten auf die große Eingangstür zu. »Es ist heutzutage nicht mehr rentabel.«

Marina folgte ihr mit dem bauschigen Kleid in den Armen. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte sie. »Ich meine, dass so etwas einer einzigen Familie gehört.«

»Alter Adel hat eine Menge Nachteile«, erklärte Ronja mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Johann kehrte zurück und blieb ruckartig stehen, als er das Kleid in Marinas Armen sah. »Aber . . .« Seine Gesichtszüge erhellten sich, als ginge gerade die Sonne auf. »Frau Baronin . . .« Er strahlte Ronja an. »Warum haben Sie nichts davon gesagt? Dann hätten wir doch ein Fest ausgerichtet.« Er ging schnell auf Marina zu und nahm ihr das Kleid ab. »Gnädige Frau.« Tief verbeugte er sich vor ihr. »Herzlich willkommen auf Schöneichen

Ronja war so verblüfft, dass sie nicht sofort reagieren konnte. »Es ist nicht –«, setzte sie an, aber Johann konzentrierte sich nun nur noch auf Marina.

»Dann brauchen wir ja kein separates Zimmer«, sagte er, und es schien fast, als ob er zwinkerte. »Wir machen das große Herrschaftszimmer fertig.« Marina wirkte auch überrascht, aber Johann gab ihr gar keine Gelegenheit dazu, etwas zu erwidern. »Kommen Sie, gnädige Frau«, fuhr er fort. »Ich zeige es Ihnen. Damit Sie sich ein wenig frischmachen können.«

Fast, als wäre sie in Trance, folgte Marina ihm die große, mit wertvollen Schnitzereien verzierte Holztreppe in die nächste Etage hinauf, und Ronja blieb völlig entgeistert zurück.

Als wollte sie einen bösen Traum loswerden, schüttelte sie heftig den Kopf. »Na, den Irrtum müssen wir aber sofort aufklären.« Sie atmete tief durch und hob entschlossen die Augenbrauen zu einem fast angriffslustigen Blick.

Dann schritt sie ebenfalls die Treppe hinauf und begab sich den Gang hinunter zu ihrem eigenen Zimmer. Dort legte sie die Stadtkleidung ab und zog sich ein paar dem Landleben gewachsene Schuhe an ebenso wie eine rustikale Hose und Bluse. So fühlte sie sich weitaus besser. Sie hatte heute einen Termin mit ihrem Bankier gehabt und war deshalb recht geschäftsmäßig gekleidet gewesen, was sie ziemlich hasste.

Als sie ihr Zimmer wieder verließ, kam ihr Johann schon sehr aufgeregt entgegen. »Sie sollen bitte sofort zur Frau Baronin kommen, Frau Baronin.«

Manchmal musste Ronja darüber schmunzeln, dass Johann sowohl ihre Großmutter als auch sie Frau Baronin nannte und man deshalb hin und wieder nicht genau wusste, wer gemeint war. Heute war ihr jedoch nicht nach Schmunzeln zumute. »Geht es ihr nicht gut?«, fragte sie besorgt.

Johann verzog schuldbewusst die vielen Runzeln in seinem verhutzelten Gesicht. »Sie hat sich leider sehr über die Neuigkeit aufgeregt. Glücklicherweise ist der Arzt gerade da und hat ihr gleich ein Beruhigungsmittel gegeben.«

»Sie haben doch nicht etwa –?« Ronja schaute ihn missbilligend an. »Das war ein bisschen überstürzt.«

»Ich weiß, Frau Baronin.« Johann sah ziemlich unglücklich aus. »Aber wir haben uns alle so gefreut, und die Frau Baronin hat gefragt, was der Grund der Freude ist. Da musste ich es ihr doch sagen.«

»Wirklich, Johann . . .« Ronja schüttelte tadelnd den Kopf. »Hätten Sie mich doch vorher gefragt.«

Johann schaute sie nur an, und allein dieser Ausdruck in seinem Gesicht, das ihr seit Kindertagen vertraut war, besänftigte Ronja.

Sie lächelte. »Ist schon gut«, sagte sie und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Dann werde ich jetzt mal zu Großmutter gehen.« Und ihr sagen, dass es nicht stimmt, fügte sie in Gedanken hinzu. Das würde ihre Großmutter nicht freuen. Aber sie konnte sie ja schließlich nicht in dem Glauben lassen, dass Marina –

Fast hätte Ronja ungläubig aufgelacht. Wie konnte überhaupt irgendjemand glauben, dass sie und Marina . . .? Manchmal zimmerten die Leute sich ihre eigene Welt zurecht, und sie wollten nichts anderes hören. Das war einfach nur ärgerlich. Nun musste sie das alles erst einmal wieder geradebiegen.

Als sie in den Räumen ihrer Großmutter ankam, hielt sie direkt hinter der Tür der Arzt auf, den Ronja schon seit vielen Jahren kannte und der das Vertrauen ihrer Großmutter besaß, das nicht einfach zu erringen war. Von einem anderen Arzt ließ sie sich nicht behandeln.

»Sie hätten es ihr ruhig ein bisschen schonender beibringen können«, begrüßte er Ronja mit einem strafenden Blick. »Sie wissen doch, dass Ihre Großmutter ein schwaches Herz hat. Sie hat sich so gefreut, dass es beinah stehengeblieben wäre. Gut, dass ich gerade da war.«

»Johann hätte das nicht sagen sollen«, erwiderte Ronja leise mit einem Blick auf das Bett, auf dem ihre Großmutter lag und offensichtlich schlummerte. »Es stimmt nämlich gar nicht. Marina ist nicht . . . Ich meine . . . Wir sind nicht verheiratet. Ich habe sie heute erst kennengelernt, und es hat sich zufällig so ergeben, dass sie mitgekommen ist. Aber sie wird in Kürze das Gut wieder verlassen, und wahrscheinlich werden wir sie nie mehr wiedersehen.«

»Ach du je.« Dr. Werding riss entsetzt die Augen auf. »Das dürfen Sie Ihrer Großmutter auf keinen Fall sagen!«

Ronjas Stirn runzelte sich verärgert. »Wieso nicht? Ich kann doch nicht –«

»Hören Sie . . .« Er legte ihr eine Hand auf den Arm. »Wenn Sie das tun und das Herz Ihrer Großmutter noch einmal einer solchen Belastung ausgesetzt wird, dann könnte es wirklich stehenbleiben. Es war schon beim ersten Mal heute knapp, das sagte ich doch schon. Ich kann das nicht erlauben. Das Risiko ist zu groß.«

»Aber . . .« Ronja schaute zu der schlafenden Gestalt ihrer Großmutter in der Art von voluminösem Kleid, das sie gern trug, hinüber. »Es stimmt nicht«, flüsterte sie dem Arzt zu. »Es wäre eine Lüge!«

»Dann ist es eben eine.« Er zuckte die Schultern. »So schlimm ist das nicht. Johann sagte, die junge Frau wäre sehr nett. Also . . .«

»Also bereitet er das Herrschaftszimmer für uns vor«, wisperte Ronja. »Das geht nicht. Wir kennen uns überhaupt nicht!«

Er hob die Augenbrauen. »Es gibt wirklich Schlimmeres, als mit einer hübschen jungen Frau im selben Zimmer zu übernachten.«

»Haben Sie eine Ahnung!«, zischte Ronja unterdrückt. »Das geht auf keinen Fall!«

»Tun Sie, was Sie wollen«, erwiderte er mit wütend blitzenden Augen. »Aber wenn etwas passiert, haben Sie die Verantwortung. Ich habe Sie gewarnt.«

»Ronja . . .« Leise meldete sich ihre Großmutter vom Bett. »Da bist du ja, mein Schatz.« Sie versuchte, sich aufzurichten.

»Nicht, Großmutter.« Ronja ging schnell zu ihr hinüber. »Bleib liegen. Dr. Werding sagt, dass du dich nicht anstrengen darfst.«

»Ach, warum bin ich nur so eine schwache alte Frau?«, schimpfte ihre Großmutter ärgerlich. »Dabei war es eine so große Freude für mich.« Sie lächelte ihre Enkelin glücklich an. »Endlich hast du wieder jemanden gefunden. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.«

»Großmutter . . .« Ronja verzog das Gesicht.

»Aber du hättest wirklich etwas sagen können«, fuhr ihre Großmutter tadelnd fort. »Ich weiß, ihr jungen Leute seid heutzutage nicht mehr so förmlich, aber in unserer Familie war es immer üblich, eine Hochzeit anders zu feiern. Nicht in der Stadt, sondern hier bei uns auf dem Gut, mit allen Nachbarn und Leuten. Die werden sehr enttäuscht sein, wenn wir das nicht nachholen.«

Innerlich stöhnte Ronja auf. »Das hat doch Zeit, Großmutter«, erwiderte sie, während sie sich mühsam zur Ruhe zwang. »Erhol dich erst einmal. Dann können wir darüber reden.« Sie warf einen Blick zu Dr. Werding hinüber, und er nickte ihr wohlwollend und auch ein wenig dankbar zu. »Ruh dich aus«, lächelte sie ihre Großmutter an. »Mach dir jetzt keine Gedanken mehr.«

»Ich möchte mir gern so viele Gedanken machen.« Ihre Großmutter lächelte zurück. »Und deine Braut so bald wie möglich kennenlernen. Heute beim Abendessen bin ich bestimmt wieder erholt genug. Dann kannst du sie mir vorstellen.«

Ronja fing einen warnenden Blick von Dr. Werding auf. »Ja«, nickte sie schicksalsergeben. »Beim Abendessen.«

»Dann lass mich jetzt noch ein bisschen ruhen, Kind.« Die Augenlider ihrer Großmutter wurden schwer. »Bis heute Abend.« Ihre Stimme versickerte, und ihre Atemzüge zeigten an, dass sie erneut eingeschlummert war.

»Das haben Sie gut gemacht«, lobte Dr. Werding, als Ronja zur Tür ging und das Zimmer verlassen wollte. »Es wäre jetzt wirklich zu viel für sie gewesen. Sie werden sehen, so ist es das Beste.«

»Davon«, Ronja verzog schief einen Mundwinkel, »bin ich nicht so überzeugt.«

»Steht dir gut«, begrüßte Marina sie lächelnd, als Ronja das sogenannte Herrschaftszimmer betrat, einen riesigen Raum mit hoher Decke, der das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen war und den sie seit Jahren nicht mehr benutzt hatten. Sie musterte Ronja von oben bis unten. »Du siehst wie die geborene Gutsherrin aus.«

Ronja war direkt hinter der Tür stehengeblieben und starrte sie nun an, als sähe sie ein Mondkalb.

»Entschuldige.« Marina verzog das Gesicht. »Johann hat mir das rausgelegt. Er meinte, es würde passen. Und das tut es auch.«

Ronja schluckte. »Das Kleid gehört meiner Mutter.«

»Sie wohnt normalerweise in diesem Zimmer?«, fragte Marina verwirrt.

»Sie ist . . .«, Ronja zögerte, »nicht mehr hier.«

»Ich ziehe es sofort aus«, bot Marina an. »Wenn du nicht willst, dass ich es trage.«

Einige Sekunden lang blieb Ronja stumm, dann rang sie sich zu einer Antwort durch. »Nein, behalt es ruhig an. Meine Großmutter möchte, dass wir mit ihr zusammen zu Abend essen, und da kannst du nicht in Jeans und T-Shirt am Tisch sitzen. Das mag sie gar nicht.«

»Sonst habe ich nur mein Hochzeitskleid.« Marina lachte verlegen. »Tut mir furchtbar leid, dass ich mich nicht besser auf meine Flucht vorbereitet habe.«

»Das konntest du ja nicht wissen«, erwiderte Ronja versöhnlich. Sie lächelte. »Das Kleid steht dir übrigens besser als meiner Mutter.«

»Danke.« Marina sah fast etwas erstaunt aus. »Es ist so Retrostil. Ich mag das.«

»Als meine Mutter es kaufte, war es nicht retro. Damals war das modern«, bemerkte Ronja schmunzelnd.

Marina lachte. »Natürlich. Ist alles etwas ungewohnt für mich.«

»Für mich auch.« Ronja seufzte. »Was das Abendessen betrifft . . .« Sie atmete tief durch und räusperte sich. »Meine Großmutter denkt, wir sind verheiratet.«

»Was?« Nun starrte Marina sie genauso an wie Ronja sie, als sie hereingekommen war.

»Tja.« Resigniert zuckte Ronja die Schultern. »Johann hat es ihr brühwarm erzählt. Er dachte offenbar, das wäre die Wahrheit. Und sie hat fast einen Herzanfall bekommen. Sie hat ein sehr schwaches Herz, und eigentlich muss man alle Aufregung von ihr fernhalten.«

»Oh, das tut mir leid«, entschuldigte Marina sich hastig. Ihr Gesichtsausdruck wirkte so betroffen, als ob sie selbst gerade eine Nachricht erhalten hätte, die eine ihrer Verwandten betraf. »Das habe ich nicht gewollt. Er war so«, sie lachte überrumpelt, »davon überzeugt, dass ich gar nichts sagen konnte. Ich dachte, wir erklären das später.«

»Das dachte ich auch.« Ronja atmete erneut tief durch. »Aber das geht im Moment nicht. Meine Großmutter . . .«, sie verzog besorgt das Gesicht, »würde das wahrscheinlich nicht überleben. Ich wollte es ihr vorhin schon sagen, aber der Arzt war bei ihr, und er meinte, er übernimmt keinerlei Verantwortung für eine weitere Aufregung dieser Art. Die Freude hat sie glücklicherweise nicht umgebracht, aber die Enttäuschung, dass es nicht so ist, wie sie jetzt denkt, würde es vielleicht tun.«

»Ach du liebe Güte.« Marina starrte sie entgeistert an. »Das . . . Das ist allerdings . . .«

»Ja.« Ronja ließ sich auf einen zierlichen Sessel sinken. »Das ist allerdings. Wir müssen diese Komödie wohl weiterspielen, solange wir hier sind. Ich werde unseren Aufenthalt so kurz wie möglich halten. Aber ein paar Tage habe ich versprochen.« Sie legte ihre Stirn in bekümmerte Dackelfalten.

»Na, das wird schon gehen«, bemerkte Marina entschlossen und kam zu ihr herüber. »Oder?«

Ronja blickte zu ihr hoch. »Es muss. Meine Großmutter ist alles, was ich noch habe, und ich möchte sie nicht vorzeitig ins Grab bringen.«

»Ich auch nicht. Auch wenn ich sie noch nicht einmal kenne.« Marina lächelte sie an. »Aber wenn sie deine Großmutter ist, ist sie bestimmt genauso nett wie du.«

Marinas Lächeln hätte Ronja vielleicht umgeworfen, wenn sie nicht schon gesessen hätte. Es war unglaublich, was dieses Lächeln in ihr auslöste. Dinge, von denen sie nichts wissen wollte.

Sie stand etwas abrupt auf. »Ich gehe nach draußen. Frische Luft schnappen. Immer wenn ich aus der Stadt komme, habe ich das Bedürfnis nach einem langen Spaziergang, um all diesen Smog loszuwerden und wieder richtig durchatmen zu können.«

»Ich hätte nichts gegen einen Spaziergang«, sagte Marina. Sie musterte Ronja fragend. »Oder willst du lieber allein sein?« Als Ronja nicht antwortete, fuhr sie nach einer kurzen Weile fort: »Schon gut. Ich sehe schon. Dann lass dich nicht aufhalten.«

»Tut mir leid, ich –« Ronja hob etwas ratlos die Hände. »Ich muss über einiges nachdenken.«

Ein sanftes Lächeln huschte über Marinas Lippen. »Gehöre ich auch dazu?«

»Ehrlich gesagt . . .«, erwiderte Ronja zögernd, »ja. Das alles hier war nicht geplant, und ich hasse ungeplante Ereignisse.«

Immer noch lächelte Marina. »Ich habe mir fast schon gedacht, dass du kein Typ für Überraschungen bist.« Sie runzelte entschuldigend die Stirn. »Dass ich so in dein Leben reingeschneit bin, hat dich nicht gefreut. Ich werde versuchen, die«, wieder verzog sie das Gesicht, »Unannehmlichkeiten so klein wie möglich zu halten. Es wird mir bestimmt eine Lösung einfallen, sodass ich meinen Aufenthalt hier nicht unnötig ausdehnen muss.«

Auf einmal fühlte Ronja sich miserabel. »Ist schon in Ordnung«, sagte sie schnell. »Du kannst so lange bleiben, wie du willst. Nur ich werde nicht lange bleiben.« Sie nickte Marina zu und ging hinaus.

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, musste sie auf dem Gang erst einmal verschnaufen. Das war eine Anstrengung, mit der sie nicht gerechnet hatte. Normalerweise fuhr sie auf das Gut hinaus, um ihre Großmutter zu besuchen und sich zu erholen. Es war meistens eine angenehme Erfahrung, eine Art Zurücktauchen in ihre Kindheit, in die Zeit, in der sie hier aufgewachsen und glücklich gewesen war.

Eine dunkle Wolke zog über ihr Gesicht. Nicht nur glücklich. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.

Sie straffte ihre Schultern und stellte wieder die unerschütterliche Gutsherrin dar, als sie den Gang durchschritt und sich dann die Treppe hinunter in die Halle begab, um das Haus zu verlassen.

»Na, du bist ja vielleicht eine Schwerenöterin!« Ein gutaussehender Mann in Ronjas Alter kam mit ausgebreiteten Armen zum Haupteingang herein. »Einfach so zu heiraten und uns nichts zu sagen!« Mit seinen langen Schritten hatte er sie in Nullkommanichts erreicht, riss sie in seine Arme und drückte sie heftig.

Ronja war zu verdutzt gewesen, um zu reagieren, aber jetzt schob sie ihn von sich. »Muss ich euch denn über alles informieren?«

»Musst du nicht.« Eine Frauenstimme mischte sich ein. »Aber es wäre nett gewesen.«

Lächelnd schaute Ronja über die Schulter des Mannes, die ihr noch immer halb die Sicht verdeckte. »Hallo Sissy. Lange nicht gesehen.«

»Tja.« Sissy zuckte die Schultern. »Du bist ja so selten da. Anscheinend hast du uns schon ganz vergessen.«

»Wie könnte ich das?« Ronja ging mit einem warmen Blick auf sie zu. »Schön, dich wiederzusehen.«

»Justus«, Sissy zeigte auf ihren Bruder, der Ronja so heftig umarmt hatte, »erzählte, du hättest deine . . . Frau mitgebracht. Das konnten wir doch nicht verpassen.«

»Wenn ich euch nicht hätte . . .« Ronja schaute sich um und behielt beide Geschwister lächelnd im Blick. »Aber es ist . . .«, sie räusperte sich, »nicht ganz so, wie ihr denkt.«

In diesem Moment wandte Sissys Aufmerksamkeit sich von ihr ab und wanderte die Treppe hinauf.

»Oh, ich dachte, du wärst schon weg«, sagte Marina, die – ganz untypisch für sie – langsam herunterkam. »Ich wollte mir nur ein wenig das Gut anschauen.«

»Ist das nicht ein Kleid deiner Mutter?«, fragte Sissy. Es schien fast, als zögen sich ihre Augenbrauen zusammen.

»Ja«, antwortete Ronja. »Es gab ein paar . . .«, sie räusperte sich, »unvorhergesehene Zwischenfälle, und Marina«, auf einmal lächelte sie unwillkürlich, als ob die Erwähnung dieses Namens allein ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte, »muss noch auf ihr Gepäck warten.«

Marina blickte etwas fragend auf sie, und Ronja wies mit ihrem Arm auf die beiden neuangekommenen Besucher. »Darf ich dir meine ältesten Freunde vorstellen? Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Da ich keine eigenen Brüder oder Schwestern habe, sind Justus und Sissy das, was dem am nächsten kommt.«

»Das ist aber nett.« Marina streckte die Hand aus, und Sissy nahm sie, betrachtete sie jedoch verstohlen misstrauisch.

Justus führte wieder seine Nummer mit der Umarmung vor. Er ließ sich das auch bei Marina nicht nehmen. »Na . . .« Lachend schaute er Ronja an. »Da hast du dir ja was geangelt!«

»Falls das ein Kompliment sein sollte, bedanke ich mich dafür«, entgegnete Marina schmunzelnd. »Und du kannst mich jetzt loslassen.«

»Oh . . . Ja . . . Verzeihung.« Justus wirkte auf einmal etwas verlegen.

»Er macht das immer«, entschuldigte Ronja ihn. »Ist eben ein richtiger Bauerntrampel.« Sie grinste.

»Du! Pass auf!« Justus boxte heftig in ihre Richtung, aber Ronja wich geschickt aus. Sie hatte das schon erwartet.

»Stimmt doch«, sagte Sissy. »Du hast dich nie darum bemüht, etwas anderes zu sein. Du bist und bleibst ein Bauer.«

»Und stolz darauf«, bestätigte Justus, während er selbstbewusst die Brust herausstreckte. »Das Einzige, was ich daran bedauere, ist, dass es kaum eine Frau mehr gibt, die Bäuerin sein will.«

»Bauer sucht Frau?«, fragte Marina mit einem Glucksen in der Stimme.

»Tja, leider ist das kein solcher Witz, wie es im Fernsehen erscheint«, sagte er, auf einmal etwas ernster. »Ein Bauernhof ist wirklich nicht vollständig ohne eine Frau, die sich um alles kümmert.« Er grinste wieder. »Einschließlich des Bauern.« Nur widerstrebend wandte er seinen Blick von Marina ab und erneut Ronja zu. »Was bist du nur für ein Glückspilz? Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich mit dir tauschen würde.«

»Oh, Marina hat nichts gegen Männer«, bemerkte Ronja trocken. »Du kannst sie ja mal fragen.«

Schlagartig herrschte verblüffte Stille.

»Das meint Ronja natürlich nicht ernst«, fiel Marina etwas hastig mit ihrer klaren Stimme ein und hakte sich schnell bei Ronja unter. »Selbstverständlich habe ich nichts gegen Männer.« Sie lächelte Justus an. »Aber der einzige freie Posten wäre der als Hausfreund.« Sie lachte leise. »Denn verheiratet bin ich ja nun mit Ronja. Nicht wahr, Schatz?« Sie hauchte einen Kuss auf Ronjas Wange und schaute ihr tief und scheinbar verliebt in die Augen.

Ronja spürte, wie ihre Knie weich wurden. Das hatte sie jetzt nicht gerade noch gebraucht. Sie räusperte sich. »Ja. Ja, natürlich«, erwiderte sie.

Am liebsten hätte sie sich schnell von Marina losgemacht und Justus und Sissy erklärt, dass das alles ein Irrtum war, aber schon kam Johann in die Halle, und alle Aufmerksamkeit wandte sich ihm zu, als er fragte: »Bleiben die Herrschaften zum Abendessen?«

»Warum nicht?« Justus lachte. »So lange ist das ja nicht mehr hin, und ich weiß, dass es bei euch immer etwas Gutes gibt.« Er zwinkerte Johann zu, der das mit einem leicht väterlichen Lächeln quittierte und zurückgab: »Und Sie hatten immer genug Appetit, dass nichts übriggeblieben ist, Herr Justus.«

»Den habe ich nachher bestimmt auch«, sagte Justus. »Und jetzt zeigen wir Marina das Gut, oder, Ronja? Das wolltest du sicherlich gerade allein tun, aber da hast du jetzt Pech gehabt. Turteln könnt ihr, wenn wir weg sind.«

Marina schien das Ganze wesentlich mehr zu genießen als Ronja. Sie ließ Ronjas Arm los, was Ronja dazu veranlasste, innerlich erleichtert aufzuatmen, und hängte sich bei Justus ein. »Ich glaube, du bist ein besserer Führer als Ronja. Und du kennst dich doch sicher auch mit allem hier aus. Außerdem«, sie senkte ihre Stimme, »kannst du mir dabei ein paar Geschichten aus eurer Kindheit erzählen. Ich kann mir Ronja als Kind nämlich gar nicht vorstellen. War sie da auch immer so ernst?«

»Du hast sie geheiratet, also musst du das Ernste ja mögen«, erwiderte Justus, während er mit ihr hinausschlenderte. »Aber die Antwort auf deine Frage ist nein. Sie war ein ziemlich wildes Kind.« Er schaute sich zu Ronja um und blinzelte ihr zu, als sie nach Luft schnappte. »Hat uns immer zu irgendwelchen Streichen überredet.«

»Das«, Marina schaute sich ebenfalls zu Ronja um, »kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Darüber musst du mir mehr erzählen.«

»Gern«, sagte Justus. »Ronjas Freunde sind meine Freunde. Und ihre Frau«, er betrachtete Marina bewundernd, »sowieso.«

Sie entfernten sich aus Ronjas und Sissys Hörweite, da die beiden sich bislang nicht gerührt hatten. Sissy stand immer noch neben Ronja und sah etwas düster aus. »Willst du nicht mitgehen?«, fauchte sie Ronja fast an. »Schließlich ist sie deine Frau!«

Ronja schüttelte leicht den Kopf. »Du weißt, dass Justus ihr nichts tun wird. Er ist ein Ehrenmann. Er klopft nur immer gern Sprüche.«

»Also ich würde ja ein bisschen besser auf mein Ehegespons aufpassen, wenn ich gerade erst geheiratet hätte. Ihr seid doch noch in den Flitterwochen?«

Irgendetwas in Sissys Gesichtsausdruck bewog Ronja dazu, ihr nicht die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie das ursprünglich vorgehabt hatte. Alles hatte sich so schnell in eine andere Richtung entwickelt als erwartet. »Ja«, bestätigte sie plötzlich ganz selbstverständlich. »Wir sind noch in den Flitterwochen.«

»Und da bringst du sie hierher und treibst sie in Justus’ Arme?« Sissy folgte ihrem Bruder und Marina mit schnellen Schritten.

»Sissy . . .« Ronja ging ihr nach. »Was hast du denn? Justus ist dein Bruder. Und er ist auch wie mein Bruder. So wie du wie meine Schwester bist. Wir sind wie eine Familie. Da ist es doch ziemlich naheliegend –«

»Dass du sie uns vorstellst, deine wunderhübsche junge Frau«, bemerkte Sissy ziemlich giftig, »damit wir sie in die Familie aufnehmen?«

»Nicht direkt.« Ronja zuckte die Schultern. »Aber ihr seid herübergekommen . . .«

»Das war Justus’ Idee«, entgegnete Sissy scharf. »Er konnte sich kaum zurückhalten, als wir es hörten.«

»Dich hat es nicht interessiert?«, fragte Ronja mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Doch.« Sissy schien sich langsam zu beruhigen. »Natürlich hat es mich interessiert. Mit so etwas hat ja schließlich«, sie räusperte sich, »niemand gerechnet.«

»Ja, es kam«, Ronjas Lippen zuckten, »auch für mich ziemlich überraschend.«

»Ihr kennt euch noch nicht lange?«, fragte Sissy sofort.

»N-nein. Noch nicht lange.« Das war zumindest die Wahrheit. »Es ging tatsächlich . . . ziemlich schnell«, fügte Ronja zögernd hinzu.

»Das hätte ich nie von dir gedacht.« Sissys Blick durchbohrte sie fast. »Die ganzen Jahre –«

»Ja.« Ronja unterbrach sie, weil sie nun Justus und Marina erreicht hatten.

»Du hast deiner Braut nichts über das Gut erzählt?«, fragte Justus erstaunt, als Ronja vor ihm stehenblieb. »Gar nichts?«

»Ich . . . Es war . . . so wenig Zeit«, rettete Ronja sich in eine lahme Entschuldigung.

»Liebe auf den ersten Blick«, bemerkte Sissy beißend. »Und gleich vor den Traualtar. Wer hätte das von unserer lieben Ronja gedacht?«

Justus riss weit die Augen auf. »Ehrlich?«

Ehrlich . . . ist hier gar nichts, dachte Ronja. Und es wird von Minute zu Minute schlimmer. Ich muss das stoppen.

Sie öffnete den Mund, aber sie kam nicht dazu, etwas zu sagen, weil Marina mit einem süßen Lächeln einfiel: »Wir waren anderweitig beschäftigt.« Sie zwinkerte. »Versteht ihr das nicht?«

Oh Gott! dachte Ronja. Das auch noch!

»Aber natürlich.« Justus grinste von einem Ohr zum anderen. »Ihr hattet nicht viel Zeit zum Reden.«

Marina kam zu Ronja herüber und hängte sich wieder an ihren Arm. »Aber hier . . .«, fuhr sie immer noch lächelnd fort, »können wir uns die Zeit ja jetzt nehmen.« Ganz vertraut schmiegte sie sich an Ronja. »Ich würde wirklich gern mehr über das Gut und deine Kindheit erfahren. Obwohl Justus mir ja jetzt schon einiges erzählt hat.«

Ronja wusste nicht, wie sie sich noch beherrschen sollte. Marinas warmer, weicher Körper an ihrem, ihre Brust, die sich gegen ihren Arm drückte – das war einfach zu viel für sie. »Das Abendessen«, sagte sie und drehte sich ruckartig um, sodass Marina den Kontakt zu ihr verlor, »wartet.«

Schnell, bevor sich irgendeine neue Formation mit allzu enger körperlicher Berührung bilden konnte, setzte sie ihre langen Beine in Bewegung und raste fast zum Haus zurück. Dort angekommen war sie in ihrem Zimmer verschwunden, bevor ihr irgendjemand folgen konnte.

Sie lehnte sich mit der Stirn gegen die kühle Wand und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. Nur zu gut wusste sie, dass sie ihrer Großmutter nicht die Wahrheit sagen und damit diese Scharade beenden konnte, ohne sie ernsthaft zu gefährden, aber sie hatte das Gefühl, bald würde ihr eigenes Herz stehenbleiben, wenn es weiter solchen Aufregungen ausgesetzt war.

»Wenn ich das gewusst hätte . . .«, flüsterte sie zur Wand, als würde sie tatsächlich mit ihr sprechen. »Ich hätte sie einfach aus dem Wagen werfen sollen. Was geht mich ihre Hochzeit an, ihr Bräutigam, ihr ganzes Leben, das offenbar Chaos heißt?« Sie atmete tief durch. »Mein Leben ist in Ordnung.« Sie seufzte resigniert auf. »Jedenfalls war es das, bevor ich sie kennengelernt habe.«

Die Wand hatte jedoch auch keinen Rat für sie, und so stellte sie sich unter die Dusche und ließ das kalte Wasser über sich laufen. Es machte ihr überhaupt nichts aus. Sie spürte es kaum. Ihre Gedanken waren bei Marina und all den Gefühlen, die sie in ihr hervorrief. Die sie anscheinend hervorrufen wollte.

So konnte es wirklich nicht weitergehen. Marina musste begreifen, dass das hier kein Spiel war. Dass Ronja darin kein Spiel sehen konnte. Marina musste sich zurückhalten. Ja, genau, das musste sie. Sie musste lernen, sich wie eine Dame zu benehmen. Jedenfalls solange sie hier war.

Es klopfte an der Badezimmertür.

»Ich will niemanden sehen«, flüsterte Ronja zu sich selbst. »Ich kann nicht mehr.«

Es klopfte erneut.

»Wer ist da?«, fragte sie lauter, während sie ihre Augen zur Decke drehte.

»Johann, Frau Baronin«, kam die Antwort durch die geschlossene Tür. »Das Abendessen wird in einer halben Stunde serviert.«

»Ist gut.« Ronja stieg aus der Dusche und griff sich ein Handtuch. »Ich komme gleich.«

»Soll ich Ihnen Annie schicken?«, fragte er. »Damit sie Ihnen beim Ankleiden hilft?«

Ronja schüttelte ungläubig schmunzelnd den Kopf. Davon konnte Johann immer noch nicht lassen. »Nein«, erwiderte sie. »Ich schaffe das schon allein.«

»Sehr wohl, Frau Baronin«, verabschiedete er sich in seiner üblichen gediegenen Art und entfernte sich aus ihren Räumlichkeiten. Ihre Zimmertür wurde leise und gemessen ins Schloss gezogen.

Niemals würde Johann eine Tür aufreißen oder zuschlagen. So etwas taten nur Barbaren. Das hatte sie schon seit ihrer Kindheit oft von ihm gehört, wenn sie in ihrer Wildheit, die man ihr jetzt kaum noch ansah, wie ein Wirbelwind durchs Haus gefegt war.

Nun kam sie sich keinesfalls mehr wild vor, sondern eher erschlagen.

Eine gefühlte Ewigkeit stand sie noch mit dem Handtuch da, bevor sie sich endlich ganz abtrocknete und in ihr Schlafzimmer zurückging.

Das Abendessen verlief einigermaßen ruhig, Ronjas Großmutter strahlte fast wie ein Honigkuchenpferd mit Justus um die Wette, bis sie sagte: »Ich weiß, Sie werden einer alten Frau verzeihen.« Sie lächelte Marina an. »Aber meine Zeit auf dieser Erde ist nun doch schon etwas begrenzt, und ich frage mich . . . Werde ich noch Urgroßmutter werden?«

Ronja blieb fast der Bissen im Hals stecken, und sie begann angestrengt zu husten.

Marina musste mindestens genauso überrascht sein, aber man merkte es ihr nicht an. Ihre Mundwinkel zuckten heftig, als sie zu Ronja hinüberschaute. »Ich werde tun, was ich kann«, bemerkte sie. »An mir soll es nicht liegen.«

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