Kitabı oku: «Herzsteine von Hanna Jansen. Königs Erläuterungen Spezial.», sayfa 2
2.3 | Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken |
ZUSAMMENFASSUNG
Die Bücher Hanna Jansens stehen für einen klaren und ungeschönten Blick auf soziale Realitäten und damit verbundene Schicksale – teilweise eingebettet in den Kontext fremder Länder.
2001 erscheint mit Der gestohlene Sommer das erste Buch Hanna Jansens. Es ist ein Jugendbuch und handelt von Andi, der mit seiner alleinerziehenden Mutter und seiner geistig behinderten Schwester Theresa Ferien an einem See macht. Als er Theresa an diesem See ein Märchen von einer Nixe erzählt, taucht die junge Lilo auf, die dort in einem Bootshaus lebt. Theresa entwickelt eine große Anhänglichkeit Lilo gegenüber. Andi hat für Lilo ambivalente Gefühle, er empfindet sie als reizvoll-rätselhaft. Trotzdem lässt er sich auf einen Handel mit ihr ein: Sie kümmert sich für einige Stunden um Theresa, dafür bekommt sie von ihm Nahrung und Geld und er seine Freiheiten. Dann jedoch erscheint die Polizei am Bootshaus und will Lilo mitnehmen. Lilo flieht, Theresa nimmt sie mit. Andi gesteht alles seiner Mutter. Später bringt Lilo Theresa zu ihrer Familie zurück.
Ein Jahr später folgt mit Über tausend Hügel wandere ich mit dir (2002) ein weiteres Jugendbuch Jansens und das erste über den Genozid in Ruanda. Protagonistin ist Jeanne, die während des Völkermords ihre gesamte Familie verliert. Sie selbst kann fliehen und gelangt schließlich nach Deutschland, wo sie sich ein neues, sicheres Leben aufbaut. Für dieses Buch wird Jansen 2003 mit dem „Buxtehuder Bullen“ ausgezeichnet und für den „Friedrich-Gerstäcker-Preis“ nominiert. 2007 erhält sie für den Roman den „Gold Medal Independent Publisher Book Award“ in der Kategorie Multicultural Fiction–Children’s sowie den „PMA Benjamin Franklin Award“ für die englische Ausgabe.
Ebenfalls 2002 erscheint mit Ich heirate Felixa das erste Kinderbuch Jansens. Es handelt von dem dunkelhäutigen Adoptivkind David, der sich im Kindergarten in die blondhaarige Felixa verguckt und erste rassistische Erfahrungen machen muss. Die lllustrationen zu dem Buch lieferte Barbara Korthues.
Auch Gretha auf der Treppe von 2004 ist ein Kinderbuch mit Illustrationen von Barbara Korthues. Die Familie Engel hat für ihre Zwillinge das kolumbianische Au-Pair-Mädchen Gretha angestellt. Zunächst sind die Kinder wenig begeistert, doch dann schließen sie die ungewöhnliche Gretha ins Herz, die eine Vogelspinne besitzt und wunderbare Geschichten aus ihrer Heimat erzählt.
2011 publiziert Jansen die Kurzgeschichte Noel oder der Traum von Iburayi. Noel, ein zehnjähriger Junge aus Ruanda, reist allein nach Europa, das in seiner Sprache Iburayi heißt. Zunächst lebt er bei seinem Onkel in Brüssel, der sich aber nicht um ihn kümmern kann. Schließlich wird er von einer deutschen Familie aufgenommen, bei der auch andere afrikanische Kinder leben. Die Kurzgeschichte erscheint in der von Petra Deistler-Kaufmann 2011 herausgegebenen Anthologie Zu Hause ist, wo ich glücklich bin.
2012 erscheint mit Herzsteine ein weiteres Jugendbuch Jansens. Auch mit diesem Roman thematisiert sie den ruandischen Genozid.
2013 folgt Zeit der Krabben. Die 17-jährige Cynthia kehrt nach ihrem Highschool-Abschluss zu ihren Eltern in die Karibik zurück. Sie trifft auf sich auflösende Sozialstrukturen: Die Eltern scheinen sich voneinander entfremdet zu haben, der Vater kapselt sich ab. Der Bruder ist beim Militär und verstößt absichtlich gegen den Verhaltenskodex. Cynthia beginnt sich für den Kameraden ihres Bruders, Guiguito, zu interessieren, der in die Kriminalität abgleitet. Inmitten dieser die Kontrolle über ihr Leben verlierenden Menschen muss Cynthia sich darüber klar werden, welche Richtung sie ihrem Leben geben will.
2016 erscheint mit Linus im Glück ein von Britta Gotha illustriertes Kinderbuch über einen eigenwilligen Bären. 2017 wird das Kinderbuch Maxima und ich veröffentlicht, diesmal illustriert von Leonard Erlbruch. David aus Nigeria fühlt sich einsam. Da gesteht ihm Maxima in der Nachmittagsbetreuung ihre Zuneigung und für David brechen glückliche Zeiten an. Dann allerdings schenkt Maxima einem Mädchen ihre Freundschaft und David lernt, mit diesem Verlust umzugehen.
2018 folgt die Publikation des Romans Und wenn nur einer dich erkennt. Protagonistin ist Elfriede Wolf, genannt Friedchen, geboren am 12.12.1912. Sie ist zwergwüchsig und intersexuell[9], was sie in Nazi-Deutschland in Lebensgefahr bringt. Friedchen[10] ist auf die Unterstützung mutiger Menschen angewiesen.
2021 wendet sich Hansen mit ihrer Reihe um den Protagonisten Jakob den Erstlesern zu: Hasen in der Nase dreht sich um Jakob, der von der Stadt aufs Land umziehen muss.
3. | Textanalyse und -interpretation |
3.1 | Entstehung und Quellen |
ZUSAMMENFASSUNG
Zu Herzsteine inspiriert wurde Hanna Jansen 2007 durch eine Begegnung mit einer ruandischen Überlebenden.
Beim Schreiben von Herzsteine griff sie auf Erlebnisse und Eindrücke zurück, die sie während eines Ruanda-Besuchs mit ihrem Pflegesohn 2011 sammeln konnte.
2012 erschien Herzsteine im Peter-Hammer-Verlag, Wuppertal.
2007 nahm Hanna Jansen am Londoner „Human Rights Watch Festival“ teil, wo sie aus Über tausend Hügel wandere ich mit dir las. Nach der Lesung sprach eine Frau aus dem Publikum Jansen an und berichtete ihr von der Wirkung, die dieses Buch auf sie gehabt hatte (vgl. S. 193 ff. Nachwort). Die Frau war eine Überlebende des Genozids, nach Großbritannien emigriert und außerdem Mutter eines 13-jährigen Jungen. Dieser Junge hatte Über tausend Hügel wandere ich mit dir gelesen, und als Folge dieser Lektüre seine Mutter eindringlich gebeten, dieses Buch ebenfalls zu lesen. Die Frau las das Buch und danach konnte sie ihrem Sohn ihre persönliche Geschichte erzählen.[11] Diese Begegnung und diese Informationen inspirierten Jansen zu Herzsteine. Kernpunkt des Romans sollte dabei die Frage nach den Folgen des traumatischen Geschehens sein:
„Wie, habe ich mich gefragt, sieht das Leben der Nachgeborenen der Überlebenden aus? Welche Auswirkungen hat es auf sie, was ihren Müttern oder Vätern widerfahren ist? Und wie gehen Letztere mit ihren Erfahrungen gegenüber ihren Kindern um? Ist es überhaupt möglich, sich dem Trauma gemeinsam zu nähern?“ (Nachwort, S. 193)
Hanna Jansen schrieb ein Jahr an diesem Roman, unterstützt durch ein Autorenstipendium des Landes NRW.
In das Buch eingeflossen sind eigene Eindrücke und Erfahrungen, die Jansen in Ruanda gesammelt hatte. 2011 reiste sie zusammen mit ihrem ruandischen Adoptivsohn Jano zu dessen überlebender Familie. Mit ihm zusammen besuchte sie seine Großmutter und auch das Kigali Genocide Memorial in Gisozi, wo Janos Vater in einem Massengrab beigesetzt liegt. Diese Besuche verarbeitet sie in Herzsteine. Sie lässt Sam die Gedenkstätte besuchen, Janos überlebende Großmutter ist die Vorlage für Mama Munyemana im Text.
Für Jansen war es wichtig, multiperspektivisch[12] zu erzählen. In einem Interview äußerte sie sich dazu wie folgt:
„Die Geschichte multiperspektivisch zu erzählen, war eine bewusste Entscheidung, zu der es für mich keine Alternative gab. So konnte ich die Auswirkungen des Traumas der Mutter auf die Familie am besten zeigen, die unterschiedlichen Verflechtungen greifbarer machen, auch die Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart.“[13]
Bei der Gestaltung der Figuren war Jansen Authentizität wichtig. Einerseits sollten sie natürlich Handlungsträger sein, sie sollten aber auch eine Weiterentwicklung vollziehen können. Aus diesem Grund war für Jansen das Romanende nicht von Beginn an festgelegt, sondern ein Ergebnis der Entwicklung der Figuren im Laufe des Schreibprozesses.
2012 erschien Herzsteine erstmals im Wuppertaler Peter-Hammer-Verlag. Inzwischen wird der Roman in der Verlagsgruppe Beltz aufgelegt und wird als Schullektüre eingesetzt.
3.2 | Inhaltsangabe |
ZUSAMMENFASSUNG
Sam und seine Eltern Luk und Felicitas (Fe) ziehen von Hamburg nach Sylt. Fe geht es psychisch schlecht und Luk, der Orthopäde ist und auf der Insel für ein Jahr seinen Studienfreund Peter vertritt, verspricht sich von dem Aufenthalt Besserung für seine Frau. Sam sorgt sich sehr um seine Mutter, den Grund ihres Kummers kennt er nicht. Er ist über den Wegzug aus Hamburg und seiner gewohnten Umgebung allerdings nicht besonders glücklich.
Sam lernt Enna kennen, die wie er neu in die Klasse kommt und Außenseiterin ist, da ihre Mutter Helen als „Heilerin“ von den Insulanern nicht respektiert wird. In der Folge verlieben sich Sam und Enna und werden heimlich ein Paar.
Fe geht es auch auf Sylt schlecht und eines Tages ist sie verschwunden: Luk lässt sie durch die Polizei suchen. Während er zuhause auf eine Nachricht wartet, erzählt Luk Sam, was er über Felicitas Vergangenheit weiß.
Diese wird 1970 in einem ruandischen Dorf geboren. Die Familie gehört zu den Tutsi und 1973 kommt es zu einem Pogrom durch Hutu, bei dem Fes Vater getötet wird. Der Rest der Familie überlebt nur mit Glück.
Später zieht die Familie in die Stadt zu Verwandten, wo der gleichaltrige Munyemana Fes Spielkamerad und später ihre erste Liebe wird. Der Hass der Hutu auf die Tutsi besteht nach wie vor. So wird Fe, die inzwischen das Gymnasium besucht, auf dem Weg dorthin von drei Hutu angegriffen. Munyemana wendet sich von ihr ab.
Nach dem Schulabschluss geht Fe für ein Jahr nach London, bevor sie nach Kigali zurückkehrt. Als 1994 der Genozid an den Tutsi losbricht, kann sie gerade noch nach Europa entkommen. Ihre Mutter und ihre Schwestern lässt sie zurück, was sie, als sie von deren Ermordung erfährt, zutiefst bereut. In London arbeitet sie in einem Hotel als Zimmermädchen und lernt dort den 16 Jahre älteren Luk kennen und heiratet ihn. Sam wird geboren und das Leben nimmt seinen Lauf.
Dann jedoch zeigen sich die psychischen Folgen des in Ruanda Erlebten, über die Fe auf Sylt in der Nacht ihres Verschwindens mit Helen sprechen kann. Sie beschließt, ohne Luk und Sam nach Ruanda zu reisen.
Sam und Luk folgen ihr sechs Monate später in der Hoffnung, dass Fe mit ihnen nach Deutschland zurückkehren wird. Während Luk mit der Situation in Ruanda nur schlecht umgehen kann, interessiert sich Sam für die Vergangenheit seiner Mutter – und er beginnt, sie zu verstehen. Sam und Luk kehren ohne Fe nach Deutschland zurück. Am Tag des Abschieds schenkt Sam seiner Mutter einen auf Sylt gefundenen Herzstein.
TEIL I: DIE INSEL
EINS
Die Dreijährige findet auf dem Weg vor ihrem Haus den Kopf ihrer Lieblingskuh Kanama. Sie möchte schreien, kann es vor Entsetzen aber nicht. Fortan spricht sie nicht mehr.
Sam und seine Eltern sind auf dem Weg von Hamburg nach Sylt, wo sie für ein Jahr leben wollen. Sam hofft, dass der Aufenthalt dort seiner Mutter helfen wird. Sie kommt ihm rätselhaft vor und oft wünscht er sich, ihre Gedanken lesen zu können.
Rückblick[14] (sechs Monate zuvor): Sams Vater Luk schlägt in einem Vieraugengespräch vor, dass die Familie für ein Jahr auf Sylt leben könnte. Luk möchte die Praxis seines Studienfreunds Peter übernehmen, der für ein Jahr ins Ausland geht und eine Vertretung für seine orthopädische Praxis auf Sylt sucht. Luk erklärt, dass er sich von der Zeit auf der Insel auch Erholung für Fe verspricht. Sam hat das Gefühl, dass die Entscheidung für Sylt auch ohne seine Zustimmung bereits gefallen ist.
Sie wird an einem Augustsonntag in einem Dorf geboren. Sie ist die jüngste von drei Schwestern und erhält von ihrem Vater den Namen „Nkulikiyinka“, was „die der Kuh hinterherläuft“ (S. 11) heißt. Sie ist ein wildes Kind, was ihren Vater veranlasste, ihr den Spitznamen Inyana, „Kälbchen“, zu geben. Die Familie hat fünf Kühe, von denen Kanama („August“) die Lieblingskuh von Inyana ist.
Sam wartet vor dem Ferienhaus auf Sylt auf seine Mutter, die versprochen hat, mit ihm zum Strand zu gehen. Während des Wartens denkt er an die Nervenkrise seiner Mutter in Hamburg in einem Kaufhaus. Polizisten brachten Fe schließlich nach Hause, wo sie nur noch weinte: Sam sah sie zum ersten Mal weinen (S. 13). Seitdem hat Sam wieder Angst um seine Mutter. Schon als Dreijähriger erwachte er nachts von Fes Albträumen. Als Sam schon alleine zum Strand gehen will, erscheint seine Mutter endlich im modischen Strand-Outfit.
Sie hat eine enge Beziehung zu ihrem Vater und liebt es, zusammen mit ihm die Kühe zu versorgen.
Sam ist im Wasser in eine gefährliche Situation geraten und kehrt erschöpft an den Strand zurück, wo seine angst- und zornerfüllte Mutter auf ihn wartet. Er versucht sie zu beruhigen, doch erst einmal bleibt die Stimmung angespannt. Sie beobachten einen dicken Mann, der sich sehr ungeschickt abzutrocknen versucht, was Sams Mutter zu lautem Lachen reizt. Sam ist überrascht von dem Heiterkeitsausbruch seiner Mutter und hofft, dass sie ihre Krise überwinden kann.
Auf dem Heimweg laufen sie und ihr Vater häufig um die Wette, der Vater lässt sie aber nie gewinnen. Das ärgert sie. Der Vater sagt, dass sie schneller werden müsse, da Zeiten kommen könnten, in denen sie schneller laufen müsse als andere.
Luks ehemaliger Studienfreund Peter ist zum Essen eingeladen. Fe hat afrikanisch gekocht, was sie nur selten tut. Sam vergleicht den attraktiven, zehn Jahre jüngeren Mann mit seinem Vater. Auch Sams Mutter ist 16 Jahre jünger als ihr Mann (S. 18). Peter erläutert, dass er in Myanmar an Rachitis erkrankten Menschen helfen will. An Luk gewendet sagt Peter, dass er sicherlich unterfordert sei, was ihm aber auch guttun könne. Die Stimmung ist angespannt und um irgendetwas zu sagen, fragt Sam nach dem Enstehen von Rachitis. Sein Vater erklärt es ihm, um dann mit Peter zu fachsimpeln. Schließlich erscheint Fe mit dem Essen.
Der Vater ist oft unterwegs, weshalb sich die älteren Schwestern um ihre Erziehung kümmern mit der Absicht, ein sauberes und braves Mädchen aus ihr zu machen. Sie hasst das und flieht zu den Kühen.
Sam vermisst seine Hamburger Freunde Jan und Olli. Er denkt daran, dass er am Folgetag in die neue Schule gehen muss und dass er sich einsam fühlen wird. Bisher hat er die aus Hamburg mitgenommenen Dinge nicht ausgepackt – mit Ausnahme des Stoffgorillas Klaus, den er als kleines Kind von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte und der nach Ollis Großvater benannt wurde. Vor Jahren hatte sein Vater eine Kapitänsmütze mitgebracht und Klaus aufgesetzt und zum Familienoberhaupt ernannt. Seine Mutter hatte daraufhin schallend gelacht. Sam entspannt sich und nimmt sich vor, seine Mutter zukünftig häufiger zum Lachen zu bringen.
ZWEI
Sam steht in Begleitung seiner Eltern und Peter vor der neuen Schule. Seine Mutter ist wie immer sehr gut gekleidet und zieht zu Sams Leidwesen die Blicke der Insulaner auf sich. Sam gibt den Erwachsenen zu verstehen, dass er nicht bis ins Klassenzimmer begleitet werden möchte. Luk reagiert etwas ungehalten, Fe ist betroffen. Eine große, korpulente Frau und ihre Tochter betreten den Schulhof. Beide sind ungewöhnlich gekleidet, weshalb die Insulaner nun sie anstarren, allerdings ohne jedes Wohlwollen. Peter erläutert, dass dies Helen und ihre Tochter seien. Weiteres will Peter nicht über sie sagen. Sams Aufmerksamkeit ist geweckt, doch in diesem Moment läutet die Schulglocke. Sam macht sich auf den Weg in seine Klasse.
Die Mutter ist sehr angespannt und hört häufig Radio. Vieles, was sie sonst nicht geduldet hätte, ignoriert sie jetzt. Fe empfindet diese Zeit als angenehm.
Enna sitzt im Klassenzimmer neben Sam: Beide sind neu in der Klasse. Sam denkt über Peters Bemerkungen bezüglich Helen nach. Verstohlen mustert er Enna, die ihn ebenso wie die anderen ignoriert. Zwei Jungen gaffen sie plötzlich provozierend an: Auch das ignoriert Enna.
Inyana wird von ihrer Schwester Umehire mitten in der Nacht aus dem Bett geholt und im Dunkeln notdürftig angekleidet. Die Mutter und Ingabire reden leise und aufgeregt miteinander. Umehire fordert Inyana auf, Sandalen anzuziehen und sagt ihr, dass sie draußen sofort losrennen müsse. Felicitas versteht die Situation nicht. Sie fragt sich, wo der Vater ist, der am Abend vorher zurückkommen wollte. Vorsichtig öffnet die Mutter die Tür, Felicitas hört Schreie und die Kühe brüllen. Dann laufen sie nach draußen und um ihr Leben.
In der Regel findet sich Sam erst fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn am Schultor ein. Auch seine Mitschülerinnen Julia und Nadine sind da, die ihn anhimmeln. Sam ist von den beiden genervt, Enna hingegen bewundert er, weil sie die Unfreundlichkeit der Mitschüler an sich abgleiten lässt. Nadine macht überraschend mit ihrem Smartphone ein Foto von Sam, der gerade noch ärgerlich sein Gesicht mit den Händen bedecken kann. Nadine sagt „Fürs Archiv“ (S. 31). Dann fotografiert sie Enna mit der Bemerkung „Top-und-Flop-des Monats“ (S. 31).
Die Hutu-Nachbarin Mukantaganda hat die Mutter und die Schwestern in ihrem Küchenhaus versteckt und versorgt sie mit Essen. Die Familie liegt auf dem harten Boden und kann sich kaum regen. Felicitas begreift nicht, warum sie sich verstecken müssen. Draußen brüllen die Kühe und man hört Schreie.
Sams Klassenlehrer Pitzow ruft zur Wahl des Klassensprechers auf. Er notiert die Namen der zur Wahl stehenden Schüler und will schon abstimmen lassen, als Nadine überraschend Enna vorschlägt. Die Schüler wissen genau, dass Nadine Enna demütigen will. Enna bleibt äußerlich gelassen, doch sie ist verletzt.
Die Familie kann endlich ihr Versteck verlassen. Felicitas möchte zu ihrer Kuh und läuft durch ein zerstörtes Dorf. Dann findet sie Kanamas Kopf. Alle Tiere sind tot, das Haus der Familie ist verbrannt. Später erfährt sie, dass ihr Vater ermordet wurde. Etwas in ihr zerbricht.
Nadine ist zur Klassensprecherin gewählt geworden, Enna hat eine Stimme bekommen. Nadine facht eine Diskussion darüber an, wer Enna gewählt haben könnte. Ein Schüler hat Ennas Mutter mit ihren telepathischen Kräften im Verdacht. Die Klasse reagiert amüsiert. Nadine imitiert spöttisch-theatralisch ein Medium. Dann unterstellt sie Enna, sich selbst gewählt zu haben, um einer Peinlichkeit zu entgehen. Sam ist abgestoßen von Nadines Verhalten und behauptet, dass er Enna gewählt habe. Er fordert Nadine auf, Enna in Ruhe zu lassen. In der Klasse ist es plötzlich still, Nadine ist perplex. In die schweigende Klasse hinein sagt Enna für alle hörbar, dass Nadines Anhängerschaft kleiner werde und dass nicht jeder, hinter dem sie her sei, so leicht zu haben sei. Die wütende Nadine gibt Enna zu verstehen, dass sie zu weit gegangen sei.
Die Familie zieht zu Verwandten in die Stadt. Die Mutter arbeitet dort für ein britisches Arztehepaar als Haushaltshilfe. Felicitas gefällt das Leben in der Stadt nicht, von der Fürsorge ihrer Schwestern fühlt sie sich erdrückt. Es wird erst besser, als Umehire eine Ausbildung zur Krankenschwester macht und Ingabire vor dem Schulabschluss steht und sie sich deshalb weniger um die kleine Schwester kümmern können.
Sam ist auf dem Heimweg, als Enna ihn zur Rede stellt: Warum er behauptet habe, dass er sie gewählt habe, obwohl das nicht stimmen könne. Sie fordert ihn auf, für sie nicht „den edlen Ritter“ (S. 38) zu geben. Schließlich erklärt sich Sam und sagt, dass er fair habe sein wollen und fragt Enna, woher sie wisse, dass er sie nicht gewählt habe. Enna erwidert, dass sie sich selbst gewählt habe.
Nach der Schule muss Fe zur Freundin ihrer Mutter, Nyirahuku, gehen. Sie fühlt sich von ihr grob behandelt, doch ihre Mutter lässt nicht mit sich reden. Nyirahukus jüngster Sohn Munyemana, der in Felicitas Alter ist, will zunächst nicht mit ihr spielen. Das ändert sich als er feststellt, dass Fe robust ist: „Du bist gar kein Mädchen!“ (S. 39)
DREI
Sam radelt ins Watt, wo er sich die Hünengräber anschauen will. Außerdem möchte er wissen, wo Enna wohnt. Er klettert auf den Deich und erblickt Enna im Watt. Sam erinnert sich, dass er bereits vor zwei Jahren mit seinen Eltern an diesem Ort gewesen war.
Analepse (zwei Jahre zuvor): Sam und seine Eltern streifen durch das Watt. Fe beginnt kleine, runde Steine in die Luft zu werfen und aufzufangen, wobei sie sehr geschickt ist. Sam und sein Vater versuchen es auch, scheitern aber. Sams Vater schlägt vor, besonders schöne Steine zu sammeln, wobei er sehr erfolgreich ist.
Ihre Mutter nimmt Fe manchmal mit zu dem Ehepaar, wo sie beim Putzen helfen soll. Die Achtjährige genießt es, in einem großen Haus mit vielen schönen Möbeln zu sein. Das weiße Ehepaar ist eine Attraktion für sie. Bekommt Fe es zu Gesicht, schaut sie es unentwegt an. Fes Mutter ist das peinlich.
Enna spielt mit einem kleinen Hund. Als sie Sam sieht, winkt sie ihm zu. Befangen geht Sam zu ihr und bringt die Rede auf den Hund. Enna erklärt ihm, dass sie und ihre Mutter das Tier halbverhungert im Watt gefunden und gerettet haben. Nach dem Propheten, der von einem Wal ausgespien wurde[15], haben sie ihn „Jona“ genannt. Jona buddelt Löcher in den Sand und legt einen großen, herzförmig geformten Stein frei. Sam bewundert seine regelmäßige Form und steckt ihn ein. Enna lädt ihn zu sich nach Hause ein, um ihm ihre Steinsammlung zu zeigen.
Enna, die in einem alten Bauernhaus zusammen mit vielen Tieren lebt, zeigt Sam die Steinsammlung. „Meine Mutter sagt, zu jedem Manschen gehört ein ganz bestimmter Stein. Und wenn du deinen findest, fängt etwas Neues an.“ (S. 47) Ennas Mutter glaubt an die Kraft der Steine, erklärt Enna. Sam ist irritiert und befragt Enna nach ihrer Mutter. Enna erklärt ihm, dass sie Heilerin ist und Menschen durch Handauflegen helfen kann. Sam fragt Enna, ob sie daran glaube. Diese lässt sich Zeit mit der Antwort und erwidert schließlich, dass sie es glaube, auch wenn sie es nicht verstehe. Sogar kranke Tiere könne ihre Mutter heilen. An das abfällige Gerede habe sie sich gewöhnt, sagt Enna, auch an die häufigen Wohnortwechsel. Dann gibt sie Sam zu verstehen, dass sie es nicht leicht mit ihrer Mutter hat, weil sie „so … anders“ (S. 48) ist.
Elizabeth, in deren Haus Fes Mutter putzt, beginnt sich für die kleine Felicitas zu interessieren: Fortan darf sie nicht mehr beim Putzen helfen. Elizabeth spielt mit ihr, bringt ihr Englisch bei und verwöhnt sie mit leckerem Essen. Später gibt sie ihr Bücher zum Lesen, was Fe sehr gefällt, obwohl sie hinter dem Tun Elizabeths auch Langeweile vermutet. Sie mag die Engländerin, doch nahe fühlt sie sich ihr nicht.
Sam ist auf dem Heimweg. Eine Szene aus der Vergangenheit fällt ihm ein: Seine Mutter saß an seinem Bett und sang ihm in einer fremden Sprache vor. Er fragt sich, wann seine Mutter aufgehört hat zu singen. Eine große Traurigkeit überkommt ihn und am liebsten würde er nicht nach Hause zurückkehren, weil er sich vor der gedrückten Stimmung dort fürchtet.
Luk sitzt vor einem leeren Weinglas im Wohnzimmer und stiert vor sich hin. Sam geht zu ihm und erzählt von Enna, ihrer Mutter und ihren heilenden Händen. Luk nennt das „Humbug“ (S. 51) und „Hokuspokus“ (S. 51). Sam lässt sich nicht beirren und versucht Luk das Konzept der positiven Energie zu vermitteln. Luk fragt seinen Sohn, ob er das wirklich glaube. Sam ist unschlüssig und konfrontiert seinen Vater damit, dass er gesagt habe, dass es viele Dinge gebe, die die Menschen nicht wissen würden. Luk lässt das nicht gelten. Provozierend erwidert Sam, dass Ennas Mutter Menschen geholfen habe, bei denen die ärztliche Heilkunst versagt hatte. Es entwickelt sich ein Disput über die Grenzen der modernen Medizin. Gereizt erklärt Luk seinem Sohn, dass er nichts gegen die Treffen mit Enna habe, dass Menschen wie ihre Mutter sich aber durch das Leid kranker Menschen bereichern. Sam erwidert, dass Enna und ihre Mutter sehr einfach leben. Luk kontert, dass das zum Image gehören kann. Sam wirft in den Raum, dass die Familie und besonders die Mutter positive Energie brauchen könnten. Luk wird zornig und verbietet ihm, so zu reden: Dass Fe Probleme habe, wisse er selber am besten.
Fes Mutter ist ärgerlich darüber, dass Elizabeth sich um Felicitas kümmert, während sie putzen muss – eine Arbeit, für die sie früher selbst Dienstboten hatten. Sie befürchtet, dass Felicitas sich für etwas Besonderes halten könnte. Mutter und Tochter beginnen sich voneinander zu entfremden.
Sam ist auf dem Weg zu Enna, weil er die Probleme zuhause kaum noch erträgt. Als er Ennas Haus erreicht, überkommen ihn Zweifel und er überlegt umzukehren. Er umfasst den noch in seiner Tasche steckenden Herzstein und geht zur Haustür, die unvermittelt von Enna geöffnet wird. Als sie Sam sieht, strahlt sie ihn an. Sam fühlt, dass er verliebt ist.
Sam und Enna liegen in Ennas Bett. Sam ist sehr aufgeregt und bedrückt. Enna streichelt ihn, schließlich küssen sie sich. Nach einer Weile steht Enna auf, um für Getränke zu sorgen. Sam fragt sich, was wohl geschieht, wenn Ennas Mutter erscheint, und realisiert, dass es für Enna kein Problem zu sein scheint. Er entspannt sich. Eine strahlende Enna erscheint mit selbst gemachter Zitronenlimonade. Sam denkt, dass es bei ihm zu Hause auch so sein müsste. Er erzählt Enna, dass seine Mutter psychische Probleme habe, dass sie deshalb nach Sylt gezogen seien und dass er Angst habe, dass seine Mutter den Verstand verliert. Er erzählt von dem Vorfall im Kaufhaus, von den Albträumen und der zunehmenden Entfremdung in der Familie. Enna vermutet, dass sie Heimweh nach Ruanda habe. Das verneint Sam: „Afrika ist total tabu für sie.“ (S. 58) Sam erzählt, dass sie ständig Angst um ihn gehabt und Kontakt zu anderen Müttern abgelehnt habe. In Hamburg habe sie einmal einen Nähkurs belegt und danach beinahe manisch genäht. Außerdem lese sie viel in verschiedenen Sprachen. Enna fragt ihn, ob er Hamburg vermisse. Sam umarmt Enna heftig.
Ennas Mutter betritt das Haus und ruft gereizt nach ihrer Tochter. Erschrocken springt Sam aus dem Bett und fühlt sich ertappt. Ennas Mutter beklagt, dass die Ziegen noch nicht gemolken seien, und betritt Ennas Zimmer. Überrascht registriert sie Sam: Sie heißt ihn willkommen, stellt sich als „Helen“ vor und lädt ihn zum Essen ein. Auch das Ziegenmelken übernimmt sie für Enna.
Munyemana bringt Felicitas das Spiel mit den fünf Steinen bei, die man nacheinander in die Luft wirft und auffängt. Dieses Spiel fasziniert sie, bei der Konzentration darauf vergisst sie alles, auch ihre schlimmen Erlebnisse.
VIER
Nach dem Unterricht treffen sich Sam und Enna heimlich in den Dünen. Enna erklärt Sam, dass sie ihre Beziehung vor der Klasse geheim halten möchte, um Sam zu schützen. Sam gibt sich unbeeindruckt. Beide gestehen sich ihre Gefühle füreinander und tauschen Zärtlichkeiten. Sam fragt Enna nach ihrem Vater, den sie aber nicht kennt. Ab und zu habe es andere Männer im Leben ihrer Mutter gegeben, aber keine Beziehung wäre von Dauer gewesen. Sie würde sich gut mit ihrer Mutter verstehen, sagt Enna. Einzig die vielen Umzüge machten ihr zu schaffen.
„Felicitas“ (Glück) ist ihr Taufname. Sie reflektiert über die Namen Felicitas, Nkulikiyinka und Inyana. Das unverfälschte Ich war Inyana gewesen. Sie reflektiert über einen weiteren Namen, der in ihrem Pass stand[16] und der 1994 ein Selektionskriterium gewesen sei. Heute sei die Unterscheidung aufgehoben. Felicitas fragt sich, wer sich mit wem versöhnen soll, wenn doch alle wissen, wer wer ist.
Zuhause wird Sam von seinen Eltern auf der Terrasse erwartet. Der Vater möchte in der Familie etwas besprechen. Sam will jedoch zuerst für die Schule arbeiten. Er soll über eine der großen Sylter Sturmfluten schreiben. Im Zusammenhang mit Heinrich von Kleists Novelle Das Erdbeben von Chili[17] wurde im Unterricht über die Rolle des Zufalls diskutiert und darüber, ob der Mensch selbstbestimmt ist. Sam entscheidet sich für die Form der Reportage und beginnt im Internet zu recherchieren, wo er auf einen Bericht über eine Sturmflut im 14. Jahrhundert stößt, bei der über hunderttausend Menschen ertranken.
Fe kann sich nicht daran erinnern, wann ihr klar war, dass sie für die anderen überflüssig war. Den Mord an ihrem Vater und die Tötung ihrer Lieblingskuh bringt sie zunächst nicht damit in Zusammenhang. Schließlich realisiert sie, dass sie gehasst wird. Sie richtet die Aggression gegen sich und hört auf „die zu sein, die du einmal warst“ (S. 66).
Luk eröffnet der Familie auf der Terrasse, dass man ihm eine Chefarztstelle in der Rehaklinik der Insel angeboten hat. Im folgenden Sommer könne er dort beginnen und möchte Sams und Fes Meinung dazu wissen. Wenn er sich das für sich vorstellen könne, soll er es tun, sagt Fe nach einiger Zeit. Sam ist diese Antwort zu nichtssagend und er wirft ein, dass es auf Sylt zu diversen Katastrophen gekommen sei. Bei einem dieser Ereignisse seien hunderttausend Menschen umgekommen. „Mum zuckt zusammen, ihr Gesicht erstarrt, wird blass, das heißt wässrig grau um die Nase, dann steht sie auf.“ (S. 67)
Fe besucht inzwischen das Gymnasium. Ihre Mutter und ihre Schwestern finanzieren der Zwölfjährigen den Schulbesuch, was Fe allerdings kaum zu schätzen weiß. Um den Schulweg abzukürzen, läuft sie durch ein Wohngebiet, wo „die anderen“ leben. An einem Morgen versperren ihr drei Hutu-Jungen den Weg. Fe lässt sich nicht einschüchtern, doch einer der Hutu nimmt sie von hinten in den Würgegriff. Die übrigen zwei Hutu-Jungen beginnen sie zu begrapschen. Felicitas tritt einem Grapscher zwischen die Beine. Der Getroffene geht schreiend zu Boden, der Würgegriff lockert sich und Fe kann sich befreien. Sie läuft davon.
Sam ist auf dem Weg zu Enna. Er redet sich ein, ihr Material über die Sylter Sturmfluten bringen zu wollen. Doch eigentlich will er nur bei ihr sein, denn zuhause war es ihm unerträglich geworden. Als Sam Ennas Haus erreicht, sieht er dort ein rotes Auto stehen. Enna öffnet ihm die Tür und freut sich zu Sams großer Irritation nicht, ihn zu sehen. Unmissverständlich sagt sie ihm, dass er stört. Sam reicht ihr stumm die Unterlagen und geht. Enna läuft hinter ihm her und erklärt ihm, dass ihre Mutter gerade eine Klientin behandelt und deshalb absolute Ruhe braucht. Sie bittet den tief enttäuschten Sam um Verständnis.
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