Kitabı oku: «Schwein gehabt», sayfa 3
Tierarzt al dente
Tierarzt zu sein, ist einer der schönsten Berufe, die es gibt, aber man darf nicht wehleidig sein. Immer wieder setzt es untertags kleinere, manchmal auch größere Verletzungen ab, die man am Abend versucht, so weit zu kurieren, dass sie am nächsten Morgen nicht mehr bei der Arbeit behindern, was aber nicht immer gelingt.
Von harmlosen blauen Flecken und Schrammen über Prellungen, Quetschungen, Zerrungen bis zu ärgeren Bisswunden und Knochenbrüchen habe ich alles schon bei weiblichen oder männlichen Kollegen gesehen oder davon gehört. Einer jungen Nachbarkollegin wurde von einer durchgehenden Kuh das Ultraschallgerät auf ihren Körper geschleudert. Diese Apparate waren damals noch keineswegs so komfortabel und klein wie heute, sondern ganz schön schwere Brocken. Als sie im Spital mit einem Nasen- und Knöchelbruch lag, stattete ich ihr einen Besuch ab und brachte, zur Erheiterung, ein paar ziemlich lustige Comic-Hefte mit. Das stellte sich als Fehler heraus. Was ich nämlich nicht wusste, war, dass sie auch noch drei gebrochene Rippen hatte, welche die Lust am Lachen gehörig dämpften.
„Hättest Du die Hefte halt nicht gelesen“, verteidigte ich mich, als sie, wieder genesen, mir hinterher nicht ganz ernstgemeinte Vorwürfe deswegen machte.
„Du bist gut“, sagte sie, „was glaubst Du, wie stinklangweilig es in so einem Krankenhaus sein kann.“
„Na schön, das nächste Mal bringe ich Dir als Lektüre halt ‚Krieg und Frieden‘ oder das Pongauer Telefonbuch mit!“
Das Repertoire unserer Vierbeiner, ihren Unwillen gegen eine gutgemeinte medizinische Behandlung auszudrücken, ist eigentlich ein ziemlich überschaubares: Kühe schlagen, Pferde schlagen und beißen, Hunde und Schweine beißen nur und Katzen beißen und kratzen.
Wenn man diese Möglichkeiten kennt, hat man schon halb gewonnen.
Vielleicht hatte ich deshalb in meiner bisherigen Praxis Glück gehabt, drei Mal auf das Holzbein geklopft, dass ich von ernstlichen Blessuren verschont geblieben bin.
Lediglich zwei Mal hätte die Sache schief gehen und mir eine längere Arbeitsunfähigkeit bescheren können.
Beim ersten Mal handelte es sich um „Jonny“. Eigentlich ein blöder Name für einen Hund, so heißen höchstens Matrosen oder Filterzigaretten.
Es war an einem frühen Nachmittag im anbrechenden Frühling, ich wollte gerade die Ordination schließen, als ich ein helles Kläffen vor der Tür zum Warteraum hörte. Ich öffnete und sah mich einem ziemlich fetten Welsh Corgi, der Lieblingsrasse der Queen, gegenüber. Ich war mir aber sicher, dass es nicht Madame war, die auf einen Sprung beim Hofgasteiner Tierarzt vorbeischaute. Ich sollte Recht behalten. Eine ebenso korpulente wie künstlich erblondete Dame mit reichlich Perlen um den Hals und aufdringlichem Lidschatten schob sich ächzend durch die Warteraumtür: „Jonny hat was mit den Ohren. Dauernd beutelt er den Kopf!“
Dagegen musste was unternommen werden. Abgesehen, dass eine Otitis externa, eine Entzündung des äußeren Gehörganges, für das Tier äußerst unangenehm ist, besteht die Gefahr, durch das ewige Kopfschütteln eine Blutung in die Schichten der Ohrmuschel zu provozieren, was eine nicht unerhebliche Komplikation bedeuten würde.
„Hereinspaziert“, sagte ich, „setzen Sie bitte den Kandidaten auf den Tisch.“
„Er beißt aber.“
„Sie auch?“
„Mich nicht. Aber Sie!“
„Haben Sie denn keinen Beißkorb?“
„Schon. Aber daheim in Wien. Ich habe ja nicht gewusst, dass ich im Urlaub zum Tierarzt muss.“
Ich kramte in meinem Vorrat an Beißkörben. Aber da ich kein ausgesprochener Kleintierpraktiker war, hatte ich nichts auf Lager, was Jonnys grimmiger Physiognomie entsprochen hätte.
Ich griff daher zu einer Rolle Köperband, das sind Baumwollbänder, die es in verschiedenen Breiten gibt und die für alles Mögliche zu gebrauchen sind. Ich nehme sie zum Beispiel, wenn ich einen Kater kastriere, zur Fixation der gespreizten Hinterbeine am OP-Tisch.
Davon schnitt ich eine entsprechende Länge ab und fabrizierte eine Mundschlinge.
„Halten Sie ihn bitte gut fest, während ich ihm die Schlinge überstreife.“
Die Dame drückte Jonny zwischen ihr Dekolleté und ich versuchte, die Schlinge um seine Schnauze zu legen. Das erwies sich jedoch als unmöglich. Vor allem wegen des Busens. Er wehrte sich aus Leibeskräften, Jonny, nicht der Busen, strampelte wie wild um sich und schnappte nach allen Seiten, ohne dabei sein enervierendes Kläffen einzustellen. Keine schlechte Koordinationsleistung.
„Fester halten“, schrie ich, um Jonny zu übertönen.
Endlich hatte ich die Schlinge richtig platziert, aber bevor ich sie festziehen konnte, lockerte die Besitzerin den Griff, Jonny drehte blitzartig den Kopf und schlug knurrend seine Zähne in mein Handgelenk.
„Fix noch einmal“, brüllte ich, „ich hab’ doch gesagt, Sie sollen ihn fester halten!“
„Ich hab’ gefürchtet, ich tu ihm weh!“
„Schön, dass Sie wenigstens um einen besorgt sind!“ Mein Blut versaute inzwischen den Ordinationstisch.
„So, Du Gangster, jetzt ist Schluss mit Lustig!“ Ich packte den keifenden Jonny mit der Rechten am Genick oder, wie man so schön sagt, am Krawattl, drückte seinen Kopf gegen die Tischplatte und steckte ihm mit der anderen Hand das Othoskop in die Ohrwaschln. Eine hochgradige Entzündung leuchtete mir entgegen. Ich setzte den behaarten Piranha auf den Boden, übergab seiner Besitzerin ein Fläschchen Ohrmedikament mit der Anweisung „Zweimal täglich, eine Woche lang“ und kassierte, diesmal auch Schmerzensgeld.
Während ich mir die tiefe Fleischwunde mit Desinfektionsmittel ausspülte, welches höllisch brannte, hegte ich finstere Gedanken. Dergestalt nämlich, denjenigen, der das idiotische Sprichwort „Bellende Hunde beißen nicht“ in die Welt gesetzt hatte, mit Jonny bekannt zu machen.
Zum Glück waren Jonnys Beißerchen nicht bis in das Gelenk vorgedrungen, eine infektiöse Arthritis war das Letzte, was man als Tierarzt brauchen konnte.
Das zweite Mal bekam ich es mit einem noch ganz anderen Kaliber als Jonny zu tun. Am Telefon hatte der Winklbauer ein wenig kryptisch geklungen. Irgendetwas sei mit Bert nicht in Ordnung.
Dass es sich bei Bert um den Zuchteber am Hof handelte, wusste ich. Da es aber ungewöhnlich war, selbst in unseren Breiten, wo Tiere noch als Individuen betrachtet werden und jede Kuh ihren Namen trägt, bei Schweinen ebenfalls so zu verfahren, fragte ich einmal den Bauern nach dem Grund dafür. Er hatte nur gegrinst und gemeint, der Saubär hätte eine frappante Ähnlichkeit mit seinem Schwager Rupert. Ob das auf einer optischen oder vermehrungstechnischen Analogie beruhte, ließen wir dahingestellt.
„Er hat so komische Flecken am Körper“, sagte der Winkler, während er mich in den Schweinestall führte. Und fressen tut er praktisch so gut wie gar nicht.“
Ein kurzer Blick genügte: „Bert hat Rotlauf.“
„Rotlauf? Das habe ich am Anfang auch geglaubt, aber der tritt doch nur im Sommer auf!“
„Das war früher einmal.“ Ich konnte mich noch erinnern, als in den heißen Jahreszeiten manchmal durch das Fieber sowieso überhitzte Schweine infolge des zusätzlichen Stresses zu krampfen und blau anzulaufen begannen. Ein Kübel kaltes Wasser schwungvoll über den Rücken gegossen, verhinderte den drohenden Kreislaufkollaps.
„Mittlerweile handelt es sich um eine Ganzjahreskrankheit, obwohl die meisten Fälle noch immer, wie Sie richtig sagen, im Sommer auftreten!“
„Na, wenn es weiter nichts ist, eine Spritze und die Sache ist erledigt“, meinte der Winkler aufgeräumt. Mit Rotlauf hatte er genügend Erfahrung.
Ich zweifelte, ob Bert die Sache mit der Spritze auch so gelassen aufnehmen würde.
Er war immerhin ein über zweihundert Kilo schweres Bröckerl und Eber sind im Allgemeinen ziemlich wehrhaft. Als ich das Penicillin aus dem Auto holte, nahm ich zur Sicherheit die Rüsselbremse mit. Das ist eine Schlinge aus massiv gedrehtem Stahldraht, die man zwischen Mundhöhle und Oberkiefer einfädelte und mittels Griff nach oben hin zuzog. Es ist dabei aber wichtig, wenn das Tier Abwehrbewegungen macht, den Zug ja nicht zu lockern, sonst kommt der Kopf wieder frei.
Aber zuerst wollte ich es erstmals ohne das Zwangsinstrument versuchen. Es gibt da bei Schweinen den Trick, die Nadel ganz langsam unter die Haut zu schieben, nur nicht schnell zustechen. Wenn man den Patienten dann noch ablenkt, entweder mit Futter oder Streicheln, kann man in vielen Fällen so ein Medikament hinter den Ohrgrund injizieren.
Bei Bert funktionierte das nicht. Kaum hatte ich ihn nur mit der Hand berührt, von der Nadel war noch keine Rede gewesen, fuhr er hoch und ließ ein aggressives Grunzen hören.
Also doch die Rüsselschlinge!
„Sie müssen mir helfen“, sagte ich zum Winkler. Bert war über den doppelten Besuch in seinem Pferch überhaupt nicht amüsiert, aber ich konnte ihm nicht helfen, wenn ich ihm helfen wollte. Mit der Schlinge war es wie mit dem Lasso. Der erste Versuch sollte sitzen! Zu meiner großen Freude gelang mir das auch. Blitzschnell drückte ich dem Winkler den Griff in die Hand: „Ziehen!“
Bert protestierte schreiend, dass uns fast die Trommelfelle platzten. Ich kenne ein paar alte Schweinepraktiker, die immer ohne Gehörschutz gearbeitet hatten und im Alter dann auf die Frage nach der Uhrzeit geantwortet haben: „Ja, ich glaube, es wird Regen geben.“
Der Winkler schwitzte vor Anstrengung, um das tobende Biest an der Angel zu halten: „Beeilen Sie sich, Herr Doktor“, schnaufte er.
„Tu ich ja!“ Jetzt war die Einstichgeschwindigkeit egal, ich bohrte Bert die Nadel ins Fleisch und drückte ab.
„So, Sie können ihn loslassen.“ Dazu gab es am anderen Ende der Rüsselbremse einen Ring, wenn man daran zog, öffnete sich die Schlinge.
Der Winkler tat, wie ihm geheißen, und hechtete anschließend über die Plankenwand.
Mein Fehler war es, Bert den Rücken zugedreht zu haben, als mir die Spritze hinunterfiel. Instinktiv bückte ich mich, ich hörte den Winkler noch schreien: „Achtung!“, da war der rachsüchtige Saubär schon da und biss zu. Ein brennender Schmerz an meiner rechten Gesäßbacke trieb mir die Tränen in die Augen.
Eber haben normalerweise meißelscharfe Hauer, mit denen sie einen mühelos aufschlitzen können. Zum Glück hatte Berts seinerzeitiger Züchter ihm die Eckzähne schon im Ferkelalter entfernt, aber es blieben ihm, wenn mich meine Anatomiekenntnisse nicht trogen, noch immer zweiundvierzig andere.
Ich machte es dem Winkler nach und setzte im Flugsprung aus dem Gehege.
Der Winkler starrte auf die Kehrseite meiner Medaille: „Er hat Sie erwischt!“
„Das habe ich gemerkt.“ Ich griff nach hinten und das Erste, was ich in die Finger bekam, war ein loser, nasser Fetzen Hosenstoff. Als ich die Hand zurückzog, war sie voller Blut.
Der Winkler verlor einen Gutteil seiner infolge der Heuarbeit erworbenen Sonnenbräune und stotterte: „Sie bluten ja wie ein Schwein, Entschuldigung. Sie müssen sofort ins Krankenhaus, ich rufe die Rettung!“
Krankenhaus! Das hätte mir gerade noch gefehlt!
„Ich weiß was Besseres“, stöhnte ich, „ich fahr’ schnell zum alten Lamprechter in die Praxis, der ist noch ein Landarzt von altem Schrot und Korn, der näht so was in Nullkömmanix.“
„Dann bringe ich wenigstens was zum Verbinden! Sie schauen ja aus, furchtbar!“
Da ich hinten keine Augen hatte, versetzte mich die Schilderung vom Winkler doch in einige Sorge: „Danke, aber ich habe mehr Verbandszeug an Bord als eine ägyptische Mumie im Sarkophag.“
Ich hinkte zum Auto. Unterwegs spürte ich, dass das gesamte Hosenbein immer feuchter wurde. Die Blutung musste wirklich erheblich sein.
Ich stopfte mir einen Ballen Zellstoff in das Hosenloch, dabei ertasteten meine Finger ein großes Stück Sitzfleisch, das aus dem Zusammenhang gerissen schien. Damit der Autositz nicht auch noch etwas abbekam, breitete ich etliche Lagen Rektalhandschuhe darauf, ehe ich Platz nahm und den Motor startete. Man sagt mir in unserer Gegend gerne nach, dass ich mehr auf dem Gaspedal stehe, als auf dem Sitz zu sitzen, in diesem Fall hielt ich es für gerechtfertigt. Ebenso das Blaulicht einzuschalten, warum sollte es nicht einmal mir zugutekommen?
Unterwegs wählte ich die Nummer vom Lamprechter. Keine Ahnung, ob er gerade Ordination hatte, ich probierte es einfach. Zu meiner riesigen Erleichterung hob er ab.
„Nein, ich habe zur Zeit keine Sprechstunde“, erklärte er, „um was geht es?“
Als ich ihm mein Problem geschildert hatte, kam ein Lachen aus dem Lautsprecher: „Ich habe bisher immer geglaubt, der einzige Unterschied zwischen Human- und Veterinärmedizin ist der, dass Ihr fallweise Eure Patienten esst. Dass es auch umgekehrt sein kann, ist mir neu. Also, dann schauen wir uns die Sache halt an.“ Das war noch das Prinzip dieser hippokratischen Generation, allzeit bereit, wie die Pfadfinder.
Lamprechter zählte tatsächlich noch zu der aussterbenden Spezies universeller Landärzte. In der heutigen Gesellschaft kam sein rustikales Wesen nicht so gut an, deshalb waren viele seiner möglichen Patienten zu anderen Ärzten gewechselt.
Aber die, die geblieben waren, konnten auf eine verlässliche Diagnose und eine erfolgversprechende Behandlung, auch mit aus der Mode gekommenen Hausmitteln, vertrauen. Und da er kurz vor der Pension stand, waren ihm die Abtrünnigen schnurzegal, um es vornehm auszudrücken.
Er war hochgewachsen und trug die buschigsten Augenbrauen, die ich je gesehen hatte.
Als er meinen Hintern begutachtet hatte, zuckten sie mit einer Heiterkeit, die ich im Moment für nicht ganz angebracht hielt.
„Ganz schöne Schweinerei in Ihrer Stelze! Da ist eine Vene ordentlich erwischt worden. Los rauf auf die Ordinationsliege.“
Bevor er den ersten Stich setzte, fragte er über den Brillenrand hinweg: „Wollen Sie eine Narkose?“
„Ich habe Mensuren gefochten und neunundsechzig Nähte am Kopf, ohne Betäubung. Ich glaube, ich werde das am Gegenpol auch aushalten.“, erklärte ich trotzig.
„Wunderbar,“ grinste er, „ich liebe Helden!“
„So, eine Tetanusspritze noch und ein Antibiotikum und Tabletten gegen die Schmerzen“, sagte er, nachdem er die Arbeit beendet hatte.
Er besah sein Werk wie eine Brautmutter, die soeben mit der Näherei der Aussteuer für das Töchterlein fertig geworden war. „Jetzt haben Sie einen weiteren Schmiss, aber an einer Stelle, die zum Renommieren wenig taugt.“
Weil er kein Frisör war, hielt er mir keinen Spiegel vor, dass ich mich von hinten betrachten konnte, dafür kam er mit zwei Schnapsgläsern und einer Flasche Birnenbrand: „Gegen den Flüssigkeitsverlust“, meinte er schmunzelnd.
„Vielen Dank. Was bin ich schuldig?“
„Aber Herr Kollege. Doch nicht unter uns Medizinern!“ Das war auch so ein überkommenes Prinzip. Ärzte, auch Tierärzte, pflogen für gewöhnlich keine Honorare von Standesgenossen zu nehmen. „Wenn mich einmal einer meiner Patienten beißen sollte, komme ich bestimmt zu Ihnen!“
Nachdem mein Allerwertester gut versorgt schien, erledigte ich weitere Visiten. Nur beim Gehen piekste es noch ordentlich, weshalb ich das rechte Bein vorsichtig aufsetzte und mich jeder Bauer fragte: „Was haben Sie denn?“
Dem Ederbauer sagte ich noch die Wahrheit, worauf er grinsend erwiderte: „Na, der Bursche hat auch einmal wissen wollen, wie so ein Schinken allgemein schmeckt.“
Da ich diesbezüglich keine Witze mehr hören mochte, erzählte ich den restlichen Bauern, ich hätte Ischias. Das akzeptierten sie, denn Kreuzschmerzen kannte jeder.
Nur Karin hatte, nachdem sie sich nach dem ersten Schreck vergewissert hatte, dass keine edleren Teile in Mitleidenschaft gezogen worden waren, noch eine Bemerkung auf Lager: „Wildfremde Leute in den Hintern beißen! So einem Schwein graust doch vor gar nichts!“
Ich fand das äußerst verletzend und ließ es mir auch anmerken: „Aber wenn ich früher oft gesagt habe, Du hättest einen Po zum Anbeißen, hat es Dir schon gefallen, oder?“
Jetzt musste sie lächeln: „Ich hoffe doch sehr, dass Du damals andere Gefühle gehabt hast als Dein Eber heute.“
Später im Bett hielt ich es nicht lange aus. Auf dem Bauch konnte ich nicht schlafen und die Wunde begann wieder zu pochen. Das Schmerzmittel hatte seine Wirkung verloren. Ich warf mir noch eine Tablette ein und goss ein Glas Whisky voll, das ich im Stehen vor dem Fernseher, in welchem ein öder Nachtfilm lief, mit kleinen Schlucken austrank.
Himmelarschundzwirn! Mein Lieblingsfluch traf, bis auf den Himmel, momentan auf mich zu. Ich konnte nur darauf vertrauen, dass der Lamprechter ein zeitgemäßes Nahtmaterial gewählt hatte.
Sauer macht nicht lustig
Karin beobachtete mich skeptisch, wie ich um acht Uhr morgens hastig, eine halbe Banane im Mund als Frühstück, in meine kurze Hose schlüpfte.
„Das erinnert mich wieder daran“, meinte sie, „dass ich Dir schon x-mal gesagt habe, Du brauchst dringend ein neues Gewand für den Herbst und den Winter!“
„Na und? Jetzt sind wir mitten im Sommer!“
„Eben! Bis Du Dich einmal zum Einkaufen aufraffst, sind die besten Stücke schon ausverkauft oder in Deiner Größe nicht mehr vorhanden!“
„Na hör mal! Ich habe mindestens ein Dutzend Sakkos in der Garderobe hängen.“ Genaugenommen wären es sogar zwei Dutzend, hätten nicht einige liebe Motten den Weg in unsere Kleiderschränke gefunden.
„Ja, aber die Sakkos stammen allesamt aus dem Jahre Schnee! Wer trägt denn heutzutage noch Salz und Pfeffer?“ Karin schüttelte sich bei dem bloßen Gedanken. Für diejenigen, die zu jung sind, um die damalige Haute Couture miterlebt zu haben: Unter „Salz und Pfeffer“ versteht man einen grau-braun gesprenkelten Stoff, der heute als hoffnungslos veraltet gilt. Der „Bulle von Tölz“ zum Beispiel trägt in allen Folgen so ein Jackett, was aber kein Wunder ist, teilen wir doch in vielen Belangen eine ähnliche Lebenseinstellung.
„Mir gefällt es. Außerdem ist es wahnsinnig bequem!“
„Und die Revers! Völlig unmodern!“
„Darum hebe ich sie ja auf. In ein paar Jahren sind sie wieder der letzte Schrei, Du wirst sehen!“ Schon der alte Rabbi Ben Akiba sagte bekanntlich im Jahr hundert nach Christus: „Es ist alles schon dagewesen!“
„Nicht gerade überraschend“, murmelte Karin, „der hat auch nur Kaftan getragen!“
Ich gestehe, dass Gewandkaufen jene Sache ist, die ich nach der Bürokratie und verlogenen politischen Diskussionen am meisten hasse. Wenn das Verkaufspersonal um einen herumschwänzelt und jedes Mal, sobald man die Umkleidekabine verlässt, in Entzückensschreie ausbricht, obwohl man sich in den Klamotten höchst unwohl fühlt, da ziehe ich doch den ehrlichen Tritt einer Kuh vor. Die drückt damit wenigstens ihre ungeschminkte Meinung aus.
Aber in punkto Mode ist mit einem Eheweib, das sich ständig Kleider, Mäntel, Schuhe und Handtaschen kauft, manche dann nach zwei Jahren ungetragen an eine gute Freundin verschenkt, nicht zu reden.
Deshalb nuschelte ich hinter der Banane hervor: „Ich hab’ jetzt keine Zeit, ich muss dringend weg. Beim Walkner ist schon wieder eines seiner besten Kälber krank!“
Die Jungtiere auf dem Walknerhof hatten schon seit jeher ein Aufzuchtproblem. Fast jedes war in der ersten Lebenswoche an heftigem Durchfall erkrankt und bis der Bauer, trotz eindringlicher Ermahnung, kapiert hatte, dass Kälber, auch wenn sie vierzig oder mehr Kilo wogen, im Prinzip Säuglinge darstellten und ein sofortiges Eingreifen dringend geboten war, nicht erst am nächsten oder übernächsten Tag, hatte ich schon etliche verloren.
Meist handelt es sich bei diesen Durchfällen um eine Infektion mit dem Rota- bzw. Coronavirus, welche an sich noch nicht das Problem wären, käme da nicht das Bakterium E. Coli ins Spiel. Ein natürlicher Darmbewohner, der in einer gesunden und ausbalancierten Darmflora keine Schwierigkeiten bereitet. Aber in einem entzündeten Darm entgleist die Bakterienpopulation und die Coli-Keime explodieren. Dazu kommt der Umstand, dass gegen Ende der Neunzigerjahre vermehrt Bakterienstämme aufgetreten sind, die von der Wissenschaft als EHEC oder EPEC bezeichnet werden und Toxine bilden. Diese Bakteriengifte schädigen die Organe des Tieres. Die Bakterien selbst kann der Tierarzt auch noch nach achtundvierzig Stunden medikamentell erschlagen, die inzwischen im Körper gebildeten Toxine jedoch nicht neutralisieren. So ist es nach dieser Zeitspanne immer ein Glücksspiel, abhängig von der vorhandenen Giftmenge, ob das Kalb eine Überlebenschance besitzt oder nicht. Oft genug verliert man dieses Vabanque.
Ich fahre immer aus der Haut, wenn ich vor so einem festliegenden Kalb mit Untertemperatur und tiefliegenden Augen stehe und der Bauer erklärt: „Aber gestern hat es noch seine Milch getrunken!“
„Himmelarschundzwirn! Natürlich sauft es noch, solange der Körper funktioniert. Wenn es nicht mehr trinkt, heißt das, dass sich die Organe verabschieden, vorzugsweise die Nieren!“
Eigenartigerweise hatte der Walkner seit gut einem Jahr keine derartigen Durchfälle zu vermelden gehabt und da ich nicht, weil ich sonst alles bei ihm machte, davon ausging, dass er diesbezüglich tierärztlich fremdging, war mir die Sache, offen gestanden, ein, wenn auch erfreuliches Rätsel.
Allerdings hatten sich in letzter Zeit bei ihm die Fälle gehäuft, in denen Kälber an Aufblähungen litten.
Beim ersten Mal hatte es am nachmittäglichen Telefon geheißen, ein Tier sei in der Früh „voll“ geworden, woraufhin ihm der Stallknecht ein Verdauungsöl eingegeben hatte. Solche Verdauungsöle beinhalten meist Zutaten, wie Fenchel, Anis, Kümmel und Kamille, und werden von diversen Händlern angeboten. Ich kannte einen älteren Kollegen, der jedes Mal explodiert war, wenn ihm der Tierbesitzer gestanden hatte, dass er zuvor das Mittel eingegeben hatte. Ich kann bis heute nichts Verwerfliches daran finden, nützt es nicht, schaden kann es auf keinen Fall, da die Inhaltsstoffe absolut verdauungsfördernd wirken.
Die Walknerbäuerin führte des Weiteren aus, die Aufblähung wäre im Laufe des Tages auch wieder verschwunden, allerdings zeigte sich das Kalb nicht ganz von der gesunden Seite.
Als ich am Hof eintraf, kam mir das Kalb entgegen, zwar nicht übermäßig lebhaft, aber in keiner Weise krank. Nach einer eingehenden Untersuchung kam ich zu dem Schluss, dass das Verdauungsöl wohl seine Schuldigkeit getan hatte, ich konnte absolut nichts Pathologisches finden. Obwohl ich nicht der Typ war, der, nur weil er sich schon im Stall befand, aus pekuniären Gründen eine Behandlung durchführte, entschloss ich mich zur Sicherheit, doch eine harmlose, aber krampflösende Spritze zu geben. Ich hatte damals gerade meine Praxis begonnen und wollte nicht, dass es bei einem etwaigen Rückfall hieße: „Der Doktor war da, hat aber nix getan!“
Um sechs in der Früh des nächsten Morgen läutete das Telefon! Die Walknerbäuerin klang höchst aufgeregt: „Sie müssen sofort kommen, das Kalb ist viel schlechter beieinander als gestern!“
Eine halbe Stunde später kam ich in den Stall gestürmt: Das Kalb war tot!
Einigermaßen konsterniert, veranlasste ich eine Sektion. Wie sagen es doch alle Gerichtsmediziner in den diversen Kriminalfilmen immer so schön? „Wenn ich ihn bzw. sie auf dem Tisch habe, weiß ich mehr!“ Und mit dem Obduktionsbefund in der Hand nach zwei Tagen war auch mir die Sache klar: Das Tier hatte an einem Labmagengeschwür laboriert, welches durchgebrochen war. Das Verdauungsöl hatte mit allem nichts zu tun gehabt. Zum Zeitpunkt meines Eintreffens war der Mageninhalt bereits in die Bauchhöhle geflossen, was einerseits eine Erleichterung für das Tier bedeutet hatte, andererseits infolge einer septischen Peritonitis über Nacht zum unweigerlichen Tod führen musste.
Seither war ich jedes Mal nervös, wenn mir der Walkner, zwar rechtzeitig, ein weiteres Kalb mit Aufblähung servierte. Ich therapierte zwar immer in Richtung Labmagengeschwür und hatte auch Erfolg damit, nur war mir völlig schleierhaft, wieso plötzlich die Mehrzahl der Kälber diese Erkrankung entwickelte.
Ab dem besagten Morgen mit der vorausgegangen Modediskussion fand ich erneut ein Kalb vor, dass eindeutig die Anzeichen eines Labmagengeschwüres aufwies. Der Walkner schüttelte verzweifelt den Kopf!
Ich behandelte das Tier wie die vorhergegangenen, indem ich etwas Novalgin zur Beruhigung des Verdauungstraktes spritzte und für einige Tage, zusätzlich zur Milchmahlzeit, Reisschleimsuppe verordnete. Das ist ein bewährtes Mittel zur Abdeckung von Schleimhautdefekten.
Ich hatte zwar in letzter Zeit, auf Bestreben von Karin, ein wenig abgenommen, aber mein Bauchgefühl war noch immer überproportional entwickelt. Das verriet mir, dass ein kurzer Blick in die Stallapotheke, die in einem wurmstichigen Wandschrank untergebracht war, nicht schaden konnte. Ich musterte die Ansammlung von Flaschen und Dosen mit diversen Zaubertränken, Salben und Pülverchen. Neben dem Verdauungsöl fand ich auch ein längst abgelaufenes Vitaminpräparat, eine Eutercreme auf Pfefferminzbasis, eine steinhart gewordene Phlegmonesalbe, eine Dose Holzteer und andere verstaubte Behälter mit undefinierbarem Inhalt. Aber dann stach mir der Kanister mit sechsundachtzigprozentiger Ameisensäure ins Auge! Wozu brauchte der Walkner Ameisensäure? So viel ich wusste, besaß er keine Bienenstöcke, wo Ameisensäure ein beliebtes Mittel gegen die Varroamilbe darstellte.
„Damit säuere ich den Kälbern die Milch an! Mir hat einer dazu geraten, der auch dauernd mit Kälberdurchfall zu kämpfen gehabt hat. Und wirklich, seither kein dünnscheißendes Kalb mehr!“
In mir stieg ein furchtbarer Verdacht auf: „Wieviel hauen Sie denn davon in die Milchportion rein?“
Der Walkner blies die Backen auf und zuckte die Schultern: „So nach Gefühl halt! Aber jedenfalls ordentlich!“
Ich strich mir über den Bart und nickte: „Dann ist die Sache wohl klar. Sie haben die Kälber innerlich verätzt. So eine junge Labmagenschleimhaut ist äußerst zart und empfindlich. Die Säure hat Löcher hineingebrannt und daraus sind dann die Geschwüre entstanden.“
Der Walkner starrte mich an wie einen Flaschengeist: „Donnerwetter, ich glaube, Sie haben Recht. Das Ganze hat angefangen, als ich die Ameisensäure hergenommen habe! Verflucht, ich bin doch ein Trottel!“
„Na, nachdem wir jetzt wissen, woran es liegt, können wir ja was dagegen unternehmen, was?“
Ich rechnete dem Walkner eine verträglichere Konzentration aus. Er war begeistert und schlug mir zum Abschied auf die Schulter: „Großartig! Wenn Sie nicht Viehdoktor geworden wären, hätten Sie bestimmt einen prima Detektiv abgegeben!“
Ich grinste: „Vielleicht in der Pension!“
Meine nächste Station war die Scherstein-Alm, wo eine kranke Ziege auf mich wartete. Oder zumindest der Besitzer.
Unterwegs überlegte ich beschwingt, dass in jedem Tierarzt ein kleiner Sherlock Holmes stecken sollte.
Die Ziege hatte eine Euterentzündung und war schnell behandelt.
Weil ich langsam Durst verspürte, umrundete ich die Almhütte, wo fast sämtliche Tische mit ebenso durstigen Wanderern dicht besetzt waren.
Nur ganz hinten war einer frei. Ich bestellte im Schankraum einen schnellen Radler und ließ mich gemütlich nieder. Als der Wirt das Getränk brachte, rief er entsetzt: „Da können Sie sich nicht hinsetzen, Herr Doktor!“
„Warum? Es sitzt ja sonst keiner da.“
„Ameisen!! Lautete die Antwort. „Unten an einem Tischfuß ist ein Loch in der Erde, von wo die Biester hervorkriechen und jeden beißen. Ich habe das Loch schon zugeschüttet, aber die Luder buddeln sich wieder heraus! Morgen muss ich was besorgen und reinschütten!“
Ehe ich mich noch versah, spürte ich das große Krabbeln über meine nackten Oberschenkel
Ich versuchte, die Viecher abzustreifen, aber ein paar hatten sich schon unter meine kurzen Hosenbeine geflüchtet und von dem Rest fielen einige in die Stiefelschächte. Beide Partien begannen, ihre Zangen zu benutzen und dabei Säure zu versprühen. Ameisensäure war ja ein altes Hausmittel gegen Rheuma und ich konnte mir gut vorstellen, dass, wenn man die Unterhose voll mit diesen Krabbeltieren hatte, man für eine Weile sein Rheuma vergaß.
Die Stiefel konnte ich ja vor allen Leuten zur Not noch ausziehen, bei der Hose war das schon ein wenig schwieriger. Während ich in Socken aufs Klo stürmte, wo ich mich auch der unteren Hälfte der Klamotten entledigen konnte, wurde mir klar, was die Kälber vom Walkner innerlich mitgemacht hatten.
Und dass der alte Spruch „Sauer macht lustig“ ein absoluter Schmarrn war.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.