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Kitabı oku: «Märchen für Kinder», sayfa 12

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Und eines Morgens, da kamen Leute herauf und kramten auf dem Boden umher. Die Kasten erhielten einen andern Platz und der Baum wurde hervorgezogen. Sie warfen ihn unsanft auf den Fußboden, aber sofort schleppte ihn ein Hausknecht nach der Treppe hin, wo das Tageslicht schimmerte.

„Nun beginnt das Leben wieder!“ dachte der Baum. Er fühlte die frische Luft, den ersten Sonnenstrahl, – und nun war er draußen auf dem Hofe. Alles ging so schnell, daß der Baum völlig vergaß, sich selbst zu betrachten; zu viel Neues war ringsumher anzustaunen. Der Hof stieß an einen Garten und alles stand darin in voller Blüte. Die Rosen hingen frisch und duftend über den kleinen Staketenzaun hinüber, die Lindenbäume blühten und die Schwalben flogen umher und zwitscherten: „Quirre virrevit, mein Mann ist gekommen!“ Aber den Tannenbaum meinten sie damit nicht.

„Nun will ich leben!“ jubelte dieser und breitete seine Zweige weit aus. Ach, sie waren alle vertrocknet und gelb und zwischen Unkraut und Nesseln lag er in einem Winkel da. Der Goldpapierstern saß noch oben auf der Spitze und leuchtete im hellsten Sonnenscheine.

Auf dem Hofe selbst spielten ein paar von den lustigen Kindern, die am Weihnachtsabend um den Baum getanzt hatten und dabei so fröhlich gewesen waren. Eines der kleinsten lief hin und riß den Goldstern ab.

„Sieh, was da noch an dem alten, häßlichen Tannenbaume sitzt!“ rief es und trat auf die Zweige, daß sie unter seinen Stiefeln knackten.

Und der Baum betrachtete all’ die Blumenpracht und Frische im Garten, betrachtete dann sich selbst und wünschte, daß er in seinem finstern Winkel auf dem Boden geblieben wäre. Er gedachte seiner frischen Jugend im Walde, des lustigen Weihnachtsabends und der kleinen Mäuse, die so fröhlich der Geschichte von Klumpe-Dumpe zugelauscht hatten.

„Vorbei, vorbei!“ seufzte der arme Baum. „Hätte ich mich doch gefreut als ich es noch konnte! Vorbei, vorbei!“

Der Hausknecht kam und hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da; hell loderte es auf unter dem großen Braukessel. Er seufzte tief, jeder Seufzer tönte wie ein kleiner Schuß. Deshalb liefen die Kinder, welche draußen spielten, herbei, setzten sich vor das Feuer, schauten hinein und riefen: „Piff, paff!“ Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, gedachte der Baum eines Sommertages im Walde, einer Winternacht draußen, wenn die Sterne glänzten. Er gedachte des Weihnachtsabends und des Klumpe-Dumpe, des einzigen Märchens, welches er gehört hatte und zu erzählen wußte, – und dann war der Baum verbrannt.

Die Kinder spielten im Hofe und der kleinste hatte auf der Brust den Goldstern, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war dieser vorüber und mit diesem auch der Baum nebst seiner Geschichte. Vorbei, vorbei – und so geht es mit allen Geschichten.

Das alte Haus

In einem Seitengäßchen stand ein altes, altes Haus; es war fast dreihundert Jahre alt. Dies konnte man an dem Balken lesen, wo die Jahreszahl von Tulpen und Hopfenranken umschlungen eingeschnitten war. Da standen auch in altertümlicher Schreibart ganze Verse und über jedem Fenster war in den Balken ein fratzenhaftes Gesicht eingeschnitten und am ganzen Gebäude wucherte der Epheu üppig empor. Das eine Stockwerk trat weit über das andere heraus und dicht unter dem Dache lief eine Bleirinne, die am Ende einen Drachenkopf als Zierat trug. Das Regenwasser sollte aus dem Rachen seinen Ausgang nehmen, fand aber seinen Weg durch den Bauch, denn es war ein Loch in der Rinne.

Alle andern Häuser in der Straße waren neu und man konnte es ihnen zur Genüge ansehen, daß sie mit dem alten Hause nichts zu thun haben wollten.

Gerade gegenüber in der Straße standen gleichfalls neue und hübsche Häuser und am Fenster eines derselben saß ein kleiner Knabe mit frischen roten Wangen, mit hellen, strahlenden Augen, welchem dies alte Haus noch am besten gefiel, sowohl im Sonnenschein wie im Mondenschein. Und blickte er zu der Mauer hinüber, von der der Kalk abgefallen war, dann konnte er dasitzen und sich mit seiner regen Einbildungskraft die seltsamsten Bilder entwerfen, wie die Straße früher müßte ausgesehen haben mit ihren Treppen, Erkern und spitzen Giebeln. Er vermochte im Geiste Soldaten mit Hellebarden zu sehen und Dachrinnen, die in der Gestalt von Drachen und Lindwürmern ausliefen.

Das Haus bewohnte ein alter Mann. Er ging noch immer in den altmodischen Kniehosen, trug einen Rock mit großen Messingknöpfen und eine Perücke, der man es ansehen konnte, daß es eine echte Perücke war. Jeden Morgen kam ein alter Mann zu ihm, um aufzuräumen und Gänge zu besorgen, sonst war der alte Mann in den Kniehosen ganz allein in dem alten Hause. Bisweilen trat er an das Fenster und blickte hinaus, und der kleine Knabe nickte ihm zu und der alte Mann nickte wieder. Auf diese Weise wurden sie erst miteinander bekannt und dann Freunde, obgleich sie nie miteinander gesprochen hatten, aber das war ja auch gleichgültig.

Der kleine Knabe hörte seine Eltern oft sagen: „Dem alten Manne da drüben geht es sehr gut, aber er lebt so erschrecklich einsam!“

Am nächsten Sonntage wickelte der kleine Knabe etwas in ein Stück Papier, that es in ein kleines Pappschächtelchen, ging hinunter vor die Thür, und als der alte Mann, welcher die Gänge besorgte, in das alte Haus wollte, sagte er zu ihm:

„Höre, willst du dies deinem Herrn von mir bringen? Ich besitze zwei Zinnsoldaten, dies ist der eine; er soll ihn haben, weil ich weiß, daß er so ganz allein ist!“

Das Gesicht des alten Mannes wurde mit einemmale ganz heiter; er nickte und trug den Zinnsoldaten zu dem alten Mann hinauf, welcher den Vorgang vom Fenster aus mit angesehen hatte. Bald darauf geschah von dort die Anfrage, ob der kleine Knabe nicht drüben einen Besuch abstatten wolle. Dazu erhielt er auch von seinen Eltern die Erlaubnis und so kam er in das alte Haus.

Die Messingknöpfe an dem Treppengeländer glänzten weit stärker als sonst; man hätte vermuten können, daß sie zu Ehren des Besuches geputzt worden wären, und es schien, als ob die ausgeschnitzten Trompeter – denn an der Thüre waren Trompeter angebracht – in ihre aus Holz geschnitzten Trompeten: „Tratteratra, der kleine Knabe ist da!“ bliesen. Der ganze Hausflur war mit alten Portraits behängt. Dann kam eine Treppe, die aufwärts und auf einen baufälligen Altan führte, der ganz mit Grün bewachsen, wie ein Garten aussah. Hier standen altmodische Blumentöpfe, die Gesichter mit Eselsohren darstellten; die Blumen waren sich aber völlig selbst überlassen und wuchsen wild auf.

Von hier trat man in ein Zimmer, dessen Wände mit Schweinsleder bekleidet waren. Die darauf gedruckten, goldenen Blumen gewährten einen gar freundlichen Anblick. – „Vergoldung vergeht, aber Schweinsleder besteht!“ sagten die Wände. Darauf gelangte der kleine Knabe in das Erkerzimmer, in welchem der alte Mann saß.

„Besten Dank für den Zinnsoldaten, mein kleiner Freund!“ sagte der alte Herr, „und Dank, daß du zu mir herüberkommst!“

Nun sah sich der Knabe erst ein wenig in dem mit alten Möbeln überfüllten Zimmer um. Mitten an der Wand hing das Portrait einer jungen, lebensfrohen Frau, aber in altväterischer Tracht, mit gepudertem Haar und steifleinenem Rocke. Sie schaute mit gar sanften Augen auf den Knaben hernieder, der den alten Mann sogleich fragte: „Wo hast du diese herbekommen?“

„Vom Trödler drüben!“ sagte der alte Mann. „Dort hängen noch viele Bilder; niemand kennt sie oder kümmert sich um sie, denn die Personen, welche sie vorstellen, sind sämtlich längst begraben; aber in jungen Tagen habe ich diese gekannt, und nun ist auch sie gestorben und weilt schon seit einem halben Jahrhundert nicht mehr auf Erden.“

„Meine Eltern sagten, du seiest ganz allein,“ begann der kleine Knabe wieder.

„O,“ sagte der Greis, „die alten Gedanken und alles, was sie in meiner Seele wachrufen, kommen und besuchen mich, und nun kommst du ja auch! – Mir geht es ganz gut!“

Darauf nahm er vom Bücherbrett ein Bilderbuch. Was war darin alles zu sehen! Lange Prozessionen, die seltsamsten Kutschen, wie sie heutigen Tages längst von unsern Straßen verschwunden sind, und sonst noch die wunderbarsten Dinge. O, was war das für ein Bilderbuch!

Der alte Mann ging in das Nebenzimmer, um Eingemachtes, Äpfel und Nüsse zu holen; – für einen kleinen Knaben war es da oben in dem alten Hause gar nicht so übel.

„Ich kann es nicht aushalten!“ begann plötzlich der Zinnsoldat, welcher auf der Kommode stand, zu sprechen; „hier ist es so einsam und traurig; nein, wenn man an ein Familienleben gewöhnt ist, kann man sich an die unheimliche Stille in diesem Hause hier gar nicht gewöhnen! – Ich kann es nicht aushalten!“

„Du brauchst doch nicht zu klagen!“ sagte der kleine Knabe, „mir kommt es hier sehr hübsch vor, zumal da alle die alten Gedanken und alles, was sie in des alten Mannes Seele wachrufen, zu Besuch kommen!“ – „Die sehe und kenne ich aber nicht!“ sagte der Zinnsoldat, „ich kann es nicht aushalten!“ – „Du mußt!“ erwiderte der kleine Knabe.

Der alte Mann erschien jetzt wieder mit dem heitersten Gesicht, dem herrlichsten Eingemachten, mit Äpfeln und Nüssen, und darum dachte der kleine Knabe nicht länger an den Zinnsoldaten.

Glücklich und vergnügt kam der Kleine wieder nach Hause. Tage und Wochen verstrichen seitdem und nach dem alten Hause und von dem alten Hause nickte man sich gegenseitig freundlich zu; und dann kam der kleine Knabe wieder hinüber.

Die ausgeschnitzten Trompeter bliesen: „Tratteratra! der kleine Knabe ist da!“ und auch sonst war es genau so wie beim ersten male, denn da drüben verstrich ein Tag wie der andere.

„Ich kann es nicht aushalten!“ sagte da wieder der Zinnsoldat, „ich habe Zinn geweint! Hier ist es zu trübselig! Jetzt weiß ich, was es heißt, Besuch von seinen alten Gedanken zu erhalten. Ich habe den Besuch der meinigen gehabt und sah euch alle so deutlich vor mir. Ihr Kinder standet alle mit gefalteten Händen vor dem Tische und sanget euern Morgen-Choral. Vater und Mutter waren in gleich feierlicher Stimmung, als plötzlich die Thüre aufging und die kleine Schwester Marie, welche immer tanzt, sobald sie nur Musik hört, hereinkam. So stand sie denn erst auf dem einen Beinchen und neigte den Kopf ganz vornüber, und dann auf dem andern und neigte den Kopf wieder ganz vornüber. Ihr standet sämtlich sehr ernsthaft da, obgleich das euch sauer genug wurde, ich aber mußte innerlich so lachen, daß ich vom Tische fiel und mir eine Beule schlug, mit der ich noch einhergehe, denn es war nicht recht von mir, zu lachen. Erzähle mir, ob ihr des Sonntags noch singt? Erzähle mir etwas von der kleinen Marie! Und wie befindet sich mein Kamerad, der andere Zinnsoldat? Ja, der ist fürwahr glücklich! – Ich kann es nicht aushalten!“

„Du bist verschenkt!“ war die Antwort; „du mußt bleiben. Kannst du das nicht begreifen?“

Der alte Mann kam mit einem Kasten, worin viel zu sehen war, Häuschen aus Kreide gearbeitet und Balsambüchsen und alte Karten, so groß und so vergoldet, wie man sie heutigen Tages nie mehr erblickt. Der Inhalt großer Kästen wurde besichtigt, und auch das Klavier geöffnet; heiser klangen die Töne, die der alte Mann hervorlockte; dann summte er leise ein Lied vor sich hin.

„Ja, das konnte sie singen!“ sagte er, und dabei nickte er ihrem Portrait zu, welches er bei dem Trödler gekauft hatte und hellauf leuchteten dabei die Augen des alten Mannes.

„Ich will in den Krieg! Ich will in den Krieg!“ rief der Zinnsoldat, so laut er konnte, und stürzte sich gerade auf den Fußboden hinab.

Ja, wo war er geblieben? Der alte Mann suchte, der kleine Knabe suchte, fort war er und fort blieb er. Der Zinnsoldat war durch eine Ritze gefallen und lag nun im offenen Grabe.

Der Tag verging und der kleine Knabe kam nach Hause, und Wochen auf Wochen verstrichen. Die Fenster waren fest zugefroren. Der kleine Knabe mußte lange dasitzen und auf die Scheiben hauchen, um ein Guckloch nach dem alten Hause hinüber zu erhalten. Dort war der Schnee in alle Schnörkel eingedrungen; die ganze Treppe war verschneit, als ob niemand dort zu Hause wäre. Es war dort auch niemand zu Hause – der alte Mann war tot.

Am Abend hielt ein Wagen vor der Thür und auf demselben wurde er in seinem engen Sarge nach dem Lande hinaus gefahren, um dort in seinem Erbbegräbnisse zu ruhen. Da fuhr er nun, aber niemand folgte, alle seine Freunde waren ja tot. Nur der kleine Knabe warf dem Sarge beim Vorüberfahren einen Kußfinger nach.

Einige Tage darauf fand in dem alten Hause Auktion statt. Der kleine Knabe sah von seinem Fenster aus, wie man alles forttrug: die alten Ritter und die alten Damen, die Blumentöpfe mit langen Ohren, die alten Stühle und die alten Spinden, alles zerstreute sich, einiges kam in diese, anderes in jene Hände. Ihr Portrait, welches er beim Trödler aufgefunden hatte, wanderte wieder zum Trödler und da blieb es für immer hängen, denn niemand kannte die Frau mehr und niemand bekümmerte sich um das alte Bild.

Im Frühling riß man das alte Haus selbst nieder, denn es war nur noch ein altes Gemäuer, sagten die Leute. Man konnte von der Straße aus gerade in das Zimmer mit der schweinsledernen Bekleidung hineinsehen, welche fetzenweise abgerissen wurde; verwildert hing der Epheu an dem alten Altan um die stürzenden Balken. So wurde dort alles gründlich dem Boden gleich gemacht! – „Das half!“ sagten die Nachbarhäuser. —

Auf dem nämlichen Platze wurde ein schönes Haus mit großen Fenstern und weißen glatten Mauern aufgeführt, aber vorn, wo eigentlich das alte Haus gestanden hatte, wurde ein kleiner Garten angelegt und gegen die Nachbarmauern rankten wilde Weinreben empor. Auf den Ranken schaukelten sich die Sperlinge und plauderten in ihrer Sprachweise miteinander; aber nicht von dem alten Hause, dessen sie sich nicht mehr erinnerten. —

Viele Jahre vergingen; aus dem Knaben war ein tüchtiger Mann geworden. Er bewohnte mit seiner jungen Frau das neue, schöne Haus, vor dem sich der Garten befand. Einst stand er neben ihr, während sie eine Blume pflanzte und die Erde mit ihren feinen Fingern festdrückte. „Au!“ Was war das? Sie hatte sich gestochen. Eine Spitze guckte aus der weichen Erde hervor.

Das war – ja denkt euch nur! – das war der Zinnsoldat, derselbe, der dort oben bei dem alten Manne abhanden gekommen und allmählich durch Gebälk und Schutt hindurchgeglitten war und endlich viele Jahre in der Erde gelegen hatte.

Die junge Frau wischte den Soldaten zuerst mit einem grünen Blatte und dann mit ihrem feinen Taschentuche ab; es kam dem Zinnsoldaten vor, als erwachte er aus tiefer Ohnmacht.

„Laß mich ihn sehen!“ sagte der junge Mann, lachte und schüttelte den Kopf. „Derselbe kann es wohl schwerlich sein, aber er erinnert mich an eine Geschichte, die ich mit einem Zinnsoldaten erlebte, als ich noch ein kleiner Knabe war!“ Dann erzählte er seiner Frau von dem alten Hause und dem alten Manne und von dem Zinnsoldaten, den er ihm hinübergesandt, weil er so erschrecklich einsam war. Er erzählte dies so anschaulich, als ob es sich erst jetzt vor ihren Augen zutrüge, so daß der jungen Frau über das alte Haus und dem alten Mann die Thränen in die Augen traten.

„Es ist gleichwohl möglich, daß es der nämliche Zinnsoldat ist!“ erwiderte sie. „Ich will ihn aufbewahren und alles im Gedächtnis behalten, was du mir erzählt hast. Aber das Grab des alten Mannes mußt du mir zeigen!“

„Ja, das kenne ich nicht,“ sagte er, „und niemand kennt es! Alle seine Freunde waren tot, niemand pflegte ihn, und ich war ja damals ein kleiner Knabe.“

„Wie entsetzlich einsam muß er doch gewesen sein!“ rief sie aus.

„Entsetzlich einsam!“ sagte der Zinnsoldat, „aber herrlich ist es, nicht vergessen zu werden!“

„Herrlich!“ rief etwas dicht neben ihnen, aber außer dem Zinnsoldaten sah niemand, daß es ein Fetzen der schweinsledernen Wandbekleidung war. Alle Vergoldung hatte er verloren, er sah wie nasse Erde aus, aber seine Ansicht hatte er sich doch bewahrt und er sprach sie aus:

 
„Vergoldung vergeht,
aber Schweinsleder besteht!“
 

Doch das glaubte der Zinnsoldat nicht.

Der Buchweizen

Wenn man nach einem Gewitter an einem Buchweizenfelde vorübergeht, nimmt man oft wahr, daß es schwarz und wie versengt aussieht. Es ist gerade, als ob eine Feuerflamme über dasselbe hinweggegangen wäre und der Landmann sagt dann: „Das hat der Buchweizen vom Blitzstrahl bekommen!“ Aber weshalb hat er das bekommen? – Ich will erzählen, was mir der Sperling gesagt hat, und der Sperling hat es von einer alten Weide, die neben einem Buchweizenfelde stand und noch daselbst steht. Es ist eine gar ehrwürdige, hohe Weide; sie neigt sich vorn über und die Zweige hängen auf die Erde hinunter, wie wenn sie grünes, langes Haar vorstellten.

Auf allen Feldern ringsumher wuchs Korn, Roggen, Gerste und Hafer. O, der köstliche Hafer! Wenn er reif ist, nimmt er sich wie eine ganze Menge kleiner, gelber Kanarienvögel auf einem Zweige aus. Das Korn versprach einen reichen Erntesegen, und je schwerer es war, desto tiefer neigte es sich in frommer Demut.

Aber da war auch ein Buchweizenfeld und dies lag der alten Weide gerade gegenüber. Dem Buchweizen fiel es nicht ein, sich wie das andere Korn zu neigen; er trug den Kopf hoch und stand stolz und steif da.

„Ich bin wohl ebenso reich, wie die Ähre,“ sagte er, „und bin überdies weit hübscher. Kennst du jemand, der sich prächtiger ausnimmt als ich und die Meinigen, du alte Weide?“

Und die Weide nickte mit dem Kopfe, als wollte sie sagen: „Freilich kenne ich welche!“

Plötzlich zog sich ein entsetzliches Unwetter zusammen. Alle Feldblumen falteten ihre Blätter oder neigten ihre feinen Köpfe hernieder, während der Sturm über sie dahinfuhr. Nur der Buchweizen brüstete sich in seinem Stolze.

„Neige dein Haupt wie wir!“ sagten die Blumen.

„Das habe ich gar nicht nötig!“ versetzte der Buchweizen.

„Neige dein Haupt wie wir!“ rief das Korn. „Jetzt kommt der Sturmengel geflogen! Er hat Flügel, die von den Wolken bis zur Erde herunterreichen. Er zerschlägt dich, ehe du ihn um Gnade anflehen kannst!“

„Ich will mich aber nicht neigen!“ sagte der Buchweizen.

„Schließe deine Blüten und neige deine Blätter!“ ermahnte auch die alte Weide. „Sieh nicht in den Blitz, wenn die Wolke bricht! Selbst die Menschen dürfen das nicht, denn in dem Blitze kann man bis in Gottes Himmel hineinschauen; doch vermag dieser Anblick sogar die Menschen zu blenden. Was würde da nicht erst uns, den Gewächsen der Erde, geschehen, wagten wir es, die wir doch weit geringer sind!“

„Weit geringer?“ entgegnete der Buchweizen. „Nun will ich erst gerade in Gottes Himmel sehen!“ Und er that es in seinem Übermute und Stolz. Es war, als wenn die ganze Welt in Flammen stände, so blitzte es.

Als sich das Unwetter verzogen hatte, standen die Blumen und das Korn in der stillen, reinen Luft vom Regen erfrischt da, aber der Buchweizen war vom Blitz kohlschwarz gebrannt; er war nun ein totes, nutzloses Gewächs.

Der alte Weidenbaum bewegte seine Zweige und Wassertropfen träufelten von seinen Blättern, gerade wie Thränen, und die Sperlinge fragten: „Weshalb weinst du? Hier ist es ja wunderbar erquickend! Sieh, wie die Sonne leuchtet und die Wolken eilen! Weshalb weinst du also, du alte Weide?“

Und die Weide erzählte von dem Stolze und dem Übermute und von der Strafe des Buchweizens. Denn die Strafe folgt immer. Die Sperlinge haben mir die Geschichte erzählt, als ich sie eines Abends um ein Märchen bat.

Die roten Schuhe

Einst lebte ein kleines Mädchen, welches gar fein und niedlich war, doch seiner großen Armut wegen im Sommer stets barfuß und im Winter mit großen Holzschuhen gehen mußte, wovon der Spann seiner Füßchen ganz rot und wund wurde.

Die alte Mutter Schusterin, welche mitten im Dorfe wohnte, nähte für die Kleine, welche Karen hieß, aus alten roten Tuchlappen ein Paar Schühchen, welche das Kind am Begräbnistage seiner Mutter erhielt und sie da zum erstenmal trug. Zum Trauern waren sie freilich nicht recht geeignet, aber sie hatte ja keine andern, und darum zog sie dieselben über ihre nackten Füßchen und schritt so hinter dem ärmlichen Sarge her.

Da kam auf einmal ein großer altmodischer Wagen angefahren, in welchem eine alte Frau saß. Sie betrachtete das kleine Mädchen und fühlte Mitleid mit demselben. Deshalb sagte sie zu dem Geistlichen: „Hört, würdiger Herr, gebt mir das kleine Mädchen, dann will ich getreulich für dasselbe sorgen!“

Karen bildete sich ein, sie hätte das alles nur den roten Schuhen zu verdanken, aber die alte Frau sagte, sie wären abscheulich und ließ sie verbrennen. Karen selbst wurde rein und kleidsam angezogen; sie mußte den Unterricht besuchen und nähen lernen, und die Leute sagten, sie wäre niedlich, aber der Spiegel sagte: „Du bist mehr als niedlich, du bist schön!“ —

Da reiste einmal die Königin durch das Land und hatte ihre kleine Tochter, die eine Prinzessin war, bei sich. Die Leute strömten vor das Schloß und auch Karen fand sich da ein. Die kleine Prinzessin stand weißgekleidet an einer Balkonthür und ließ sich bewundern; Schleppe oder Goldkrone hatte sie nicht, aber herrliche rote Saffianschuhe, die freilich weit zierlicher waren als die, welche Mutter Schusterin der kleinen Karen genäht hatte. Ja, was könnte es Schöneres in der Welt geben als rote Schuhe!

Jetzt war Karen so alt, daß sie eingesegnet werden sollte; sie erhielt neue Kleider und neue Schuhe sollte sie auch haben. Der beste Schuhmacher in der Stadt nahm zu ihrem kleinen Fuße Maß. Mitten unter den Schuhen, im großen Glasschranke, standen ein Paar rote, genau wie sie die Prinzessin getragen hatte; wie schön waren die! Der Schuhmacher sagte auch, sie wären für ein Grafenkind gearbeitet, hätten aber nicht gepaßt.

„Das ist wohl Glanzleder?“ fragte die alte, kurzsichtige Frau, „sie glänzen so schön!“

„Ja, sie glänzen!“ sagte Karen; und sie paßten und wurden gekauft; aber die alte Frau, welche ja so schlecht sah, wußte nicht, daß sie rot waren, denn nie würde sie sonst Karen erlaubt haben, mit roten Schuhen zur Einsegnung zu gehen, aber so that sie es.

Alle Menschen sahen ihr nach den Füßen, und als sie über die Kirchschwelle zur Chorthüre hineintrat, kam es ihr vor, als ob selbst die alten Bilder in der Kirche die Augen auf ihre roten Schuhe hefteten; und nur an diese dachte sie auch, als ihr der Prediger die Hand auf das Haupt legte und von der heiligen Taufe redete, vom Bunde mit Gott und daß sie sich nun wie eine erwachsene Christin aufführen sollte. Die Orgel spielte so feierlich, die lieblichen Kinderstimmen sangen und der alte Kantor sang, aber Karen dachte nur an die roten Schuhe.

Am Nachmittage erfuhr dann die alte Frau von allen Seiten, daß Karens Schuhe rot gewesen wären und sie sagte, das schickte sich nicht und in Zukunft sollte Karen, so oft sie zur Kirche ginge, stets schwarze Schuhe anziehen, selbst wenn sie alt wären.

Am folgenden Sonntage war die erste Abendmahlfeier der Konfirmanden; Karen sah erst die schwarzen Schuhe an, dann die roten – und dann noch einmal die roten und zog sie an.

Es war herrlicher Sonnenschein; Karen und die alte Frau schlugen einen Fußsteig durch das Kornfeld ein, auf dem es etwas stäubte.

An der Kirchthüre stand ein alter Soldat mit einem Krückstock und mit einem merkwürdig langen Barte, der mehr rot als weiß war; ja, rot war er sicher. Er verneigte sich bis zur Erde und fragte die alte Frau, ob er ihr vielleicht die Schuhe abstäuben sollte. Karen streckte gleichfalls ihren Fuß vor. „Sieh, welch’ prächtige Tanzschuhe!“ sagte der Soldat. „Sitzt fest, wenn ihr tanzt!“ und dann schlug er mit der Hand gegen die Sohlen.

Die alte Frau reichte dem Soldaten ein Geldstück und trat darauf mit Karen in die Kirche ein.

Alle Menschen drinnen sahen nach Karens roten Schuhen und alle Bilder sahen nach ihnen, und als Karen vor dem Altare niederkniete und den goldenen Kelch an die Lippen setzte, dachte sie nur an die roten Schuhe. Es war, als ob sie vor ihr im Kelche schwämmen; und sie vergaß das Lied mitzusingen, sie vergaß ihr Vaterunser zu beten.

Alle Leute verließen jetzt die Kirche und die alte Frau stieg in ihren Wagen. Schon erhob Karen den Fuß, um hinter ihr einzusteigen, als der alte Soldat, welcher dicht dabeistand, sagte: „Sieh, welch’ prächtige Tanzschuhe!“ – Karen konnte sich nicht enthalten, einige Tanzschritte zu thun, sowie sie aber begann, tanzten die Beine unaufhaltsam fort. Es war, als hätten die Schuhe Macht über sie erhalten. Sie tanzte um die Kirchenecke, denn sie vermochte nicht inne zu halten. Der Kutscher mußte hinterher laufen und sie greifen; er hob sie in den Wagen, aber auch jetzt setzten die Füße ihren Tanz rastlos fort, so daß sie die alte gute Frau empfindlich trat. Erst als sie die Schuhe auszog, erhielten die Beine Ruhe. Daheim wurden die Schuhe in einen Schrank gestellt, aber Karen wurde nicht müde, sie immer wieder zu betrachten.

Nun erkrankte die alte Frau lebensgefährlich und Karen, die ihr am nächsten stand, sollte sie warten und pflegen. Aber in der Stadt war ein großer Ball, zu dem Karen eingeladen war. Sie sah die alte Frau an, die ja doch rettungslos verloren war, sie sah die roten Schuhe an, und es kam ihr vor, als ob keine Sünde dabei wäre. – Sie zog die roten Schuhe an, und das konnte sie ja auch wohl, aber dann ging sie auf den Ball und begann zu tanzen. Das war gewiß nicht recht von ihr.

Als sie aber nach rechts tanzen wollte, tanzten die Schuhe nach links, und als sie den Saal hinauf wollte, tanzten die Schuhe den Saal hinunter, die Treppe hinab, durch die Straße und zum Stadtthore hinaus. Tanzen that sie und tanzen mußte sie, gerade hinaus in den finstren Wald.

Da leuchtete es zwischen den Bäumen und sie glaubte, es wäre der Mond, denn es war ein Gesicht, aber es war der alte Soldat mit dem roten Barte; er saß und nickte und sagte: „Sieh, welch’ prächtige Tanzschuhe!“

Da erschrak sie und wollte die roten Schuhe abwerfen, aber sie hingen fest, wie angewachsen, und tanzen mußte sie über Felder und Wiesen, in Regen und Sonnenschein, bei Tag und bei Nacht, aber nachts war es am entsetzlichsten.

Sie tanzte auf den einsamen Kirchhof hinauf, aber die Toten, die dort ruhten, tanzten nicht, sie hatten viel Besseres zu thun, als zu tanzen. Sie wollte sich auf das Grab des Armen setzen, wo das bittere Wurmkraut blühte, aber für sie war weder Ruh noch Rast, und als sie auf die offene Kirchthüre zutanzte, erblickte sie neben derselben einen Engel in langen weißen Kleidern, mit Flügeln, welche von den Schultern bis auf die Erde hinabreichten; sein Antlitz war streng und ernst und in der Hand hielt er ein breites leuchtendes Schwert.

„Tanzen sollst du!“ sagte er, „tanzen mit deinen roten Schuhen, bis du bleich und kalt wirst! Tanzen sollst du von Thür zu Thür, und wo stolze, eitle Kinder wohnen, sollst du anklopfen, daß sie dich hören und sich vor dir fürchten! Tanzen sollst du, tanzen – — – —“

„Gnade!“ rief Karen. Aber sie vernahm nicht, was der Engel antwortete, denn die Schuhe trugen sie durch die Pforte auf das Feld hinaus, über Weg und Steg, und immer mußte sie tanzen.

Eines Morgens tanzte sie vor einer Thür vorüber, die ihr sehr wohl bekannt war. Drinnen tönte Choralgesang, man trug einen blumenbekränzten Sarg hinaus. Da wußte sie, daß die alte Frau gestorben war und es beschlich sie das Gefühl, als ob sie von allen verlassen und von Gottes Engel verdammt wäre.

Tanzen that sie und tanzen mußte sie, tanzen in der dunklen Nacht. Die Schuhe trugen sie über Dornen und Baumstümpfe, und sie riß sich bis aufs Blut; sie tanzte über die Haide nach einem kleinen, einsamen Hause. Hier wohnte, wie sie wußte, der Scharfrichter, und sie klopfte mit den Fingern an die Scheiben und sagte:

„Kommt heraus! Kommt heraus! Ich kann nicht hineinkommen, denn ich muß tanzen.“

„Ich bin der Scharfrichter“, entgegnete es von drinnen, „ich höre, daß meine Axt klirrt.“

„Schlagt mir meine Füße mit den roten Schuhen ab“, bat Karen.

Der Scharfrichter kam aus dem Hause heraus und schlug ihr die Füße mit den roten Schuhen ab, aber die Schuhe tanzten mit den kleinen Füßen über das Feld hin in den tiefen Wald hinein.

Er verfertigte ihr Stelzfüße und Krücken, lehrte sie ein Sterbelied, welches die armen Sünder zu singen pflegen, und sie schritt weiter über die Haide.

„Nun habe ich genug um der roten Schuhe willen gelitten!“ sagte sie, „nun will ich in die Kirche gehen, damit man mich sehen kann!“ Schnell ging sie auf die Kirchthüre zu, als sie sich ihr aber näherte, tanzten die roten Schuhe vor ihr her und sie erschrak und kehrte um.

Die ganze Woche hindurch war sie traurig und weinte viel heiße Thränen, als aber der Sonntag kam, sagte sie: „Fürwahr, nun habe ich genug gelitten und gestritten! Jetzt möchte ich glauben, daß ich eben so gut bin wie viele von denen, welche in der Kirche sitzen und hochmütig auf die andern herabschauen.“ Mutig trat sie den Weg an; aber sie war erst bis zur Eingangsthüre zum Friedhofe gelangt, als sie plötzlich die roten Schuhe vor sich hertanzen sah. Sie erschrak, wandte um und bereute von ganzem Herzen ihre Sünde.

Sie ging zur Pfarre und bot sich als Magd an; sie versprach fleißig zu sein und alles zu thun, was in ihren Kräften stände; auf Lohn sähe sie nicht, sie wünschte nur, wieder ein Obdach zu erhalten und bei guten Menschen zu sein. Die Frau Pfarrerin fühlte Mitleid mit ihr und nahm sie in Dienst. Sie war stets fleißig und in sich gekehrt. Sie saß still da, und lauschte aufmerksam zu, wenn der Pfarrer aus der Bibel vorlas. Alle Kinder gewannen sie lieb; sobald dieselben aber von Putz und Staat und davon sprachen, wie schön es doch sein müßte, eine Prinzessin zu sein, schüttelte sie den Kopf.

Am folgenden Sonntage gingen alle zur Kirche und fragten sie, ob sie sie begleiten wollte, aber traurig und mit Thränen in den Augen sah sie auf ihre Krücken, und nun gingen die andern hin, Gottes Wort zu hören, sie aber ging allein in ihr kleines Kämmerlein, welches nur so groß war, um einem Bett und einem Stuhle Platz zu gewähren. Hier setzte sie sich mit ihrem Gesangbuche hin, und während sie frommen Sinnes darin las, trug der Wind die Orgeltöne von der Kirche zu ihr herüber und sie erhob ihr mit Thränen benetztes Antlitz und sagte: „Gott sei mir Sünderin gnädig!“

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
03 ağustos 2018
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