Kitabı oku: «Märchen für Kinder», sayfa 8
Die alten weißen Schnecken waren die vornehmsten in der Welt, wie sie sehr wohl wußten; lediglich um ihretwillen war der Wald da, und das Rittergut war da, damit sie gekocht und auf silberne Schüsseln gelegt werden konnten.
Sie lebten jetzt sehr einsam und glücklich, und da sie selbst ohne Kinder waren, so hatten sie eine kleine gewöhnliche Schnecke an Kindesstatt angenommen. Der Kleine wollte indes nicht wachsen, da er zu niedriger Abkunft war. Aber die Alten, besonders die Schneckenmutter, meinten doch, eine Zunahme merken zu können, und letztere bat den Vater, er möchte nur das kleine Schneckenhaus befühlen, und das that er und fand, daß die Mutter recht hatte. —
„Höre nur, wie es heute auf die Kletten plätschert!“ sagte an einem Regentage der Schneckenvater. „Ich bin nur froh, daß wir unser gutes Haus haben und der Kleine auch das seinige. Für uns ist allerdings besser gesorgt als für alle übrigen Geschöpfe, woraus du ersiehst, daß uns die Herrschaft in der Welt gehört! Von Geburt an besitzen wir ein Haus und der Klettenwald ist um unsertwillen angepflanzt worden!“ – „Ich möchte nur wissen, was außerhalb desselben ist!“ meinte die Schneckenmutter.
„Außerhalb ist nichts! Das Schloß ist vielleicht eingestürzt!“ sagte der Schneckenvater, „oder der Klettenwald ist darüber hinweggewachsen, so daß die Menschen nicht mehr heraus können!“
„Hast du auch schon daran gedacht, wo wir eine Frau für unsern Kleinen herbekommen könnten?“ fragte die Schneckenmutter. „Glaubst du nicht, daß weit, weit in den Klettenwald hinein sich noch jemand unserer Art finden sollte?“
„Schwarze Schnecken, meine ich, werden wohl zahlreich vorhanden sein,“ sagte der Alte, „schwarze Schnecken ohne Haus, aber die gehören trotz ihrer Eingebildetheit zu dem gemeinen Volke. Wir könnten jedoch die Ameisen damit beauftragen; sie laufen, als wenn sie etwas zu thun hätten, regelmäßig hin und her; sie wissen gewiß eine Frau für unser Schneckchen!“
„Ich weiß freilich die allerschönste!“ sagte eine Ameise; „aber ich befürchte, es wird sich nicht machen, da es sich um eine Königin handelt!“ – „Das thut nichts!“ sagten die Alten. „Hat sie ein Haus?“ – „Sie hat ein Schloß!“ sagte die Ameise. „Das schönste Ameisenschloß mit siebenhundert Gängen.“ – „Nein, besten Dank!“ sagte die Schneckenmutter, „unser Sohn soll nicht in einen Ameisenhaufen! Wißt ihr nichts Besseres, so wollen wir uns an die weißen Mücken wenden; sie fliegen in Regen und Sonnenschein weit umher und kennen den Klettenwald von innen und von außen!“
„Wir haben eine Frau für ihn!“ sagten die Mücken. „Hundert Menschenschritte von hier sitzt auf einem Stachelbeerstrauche eine kleine Schnecke mit einem Hause.“ – „Gut, laßt sie zu ihm kommen!“ sagten die Alten, „er hat einen Klettenwald, sie hat nur einen Strauch!“
Da holten sie das kleine Schneckenfräulein. Das dauerte acht Tage, aber das war gerade das Hervorragende dabei; damit bewies sie, daß echtes Schneckenblut in ihr rollte.
Darauf wurde Hochzeit gefeiert. Sechs Leuchtkäfer leuchteten, so gut sie vermochten; sonst verlief die Feierlichkeit in aller Stille, denn die alten Schnecken konnten Schwärmen und Lustbarkeiten nicht leiden. Dagegen wurde von der Schneckenmutter eine schöne Rede gehalten; der Vater war nicht dazu im Stande, er war zu bewegt, und dann übergaben sie ihnen den ganzen Klettenwald als Erbteil und wiederholten, was sie stets gesagt hatten, daß es das Beste in der Welt wäre, wenn sie und ihre Kinder einst auf das Schloß kommen, schwarz gekocht und auf eine silberne Schüssel gelegt werden würden.
Nach Schluß der Rede krochen die Alten in ihre Häuser und kamen nie wieder heraus; sie schliefen. Das junge Schneckenpaar regierte im Walde und erhielt eine zahlreiche Nachkommenschaft, nie aber wurden sie gekocht und nie kamen sie auf eine silberne Schüssel, weshalb sie meinten, daß das Schloß eingestürzt und alle Menschen in der Welt ausgestorben wären, und da ihnen niemand widersprach, galt es natürlich als wahr. Der Regen schlug auf die Klettenblätter, um ihnen eine Trommelmusik vorzumachen, und die Sonne leuchtete, um ihretwegen den Klettenwald in ein Lichtmeer zu tauchen und sie waren sehr glücklich und die ganze Familie war glücklich, und sie war es wirklich.
Der Engel
Bei jedem guten Kinde, wenn es stirbt, steigt ein Engel Gottes auf die Erde nieder, nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet seine großen weißen Flügel aus, fliegt über alle Stätten hin, die das Kind lieb gehabt hatte, und pflückt eine ganze Hand voll Blumen, die er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort noch schöner als auf Erden blühen. Der liebe Gott drückt alle Blumen an sein Herz, aber der Blume, die ihm am liebsten ist, gibt er einen Kuß und dadurch erhält sie Stimme und vermag in der großen Glückseligkeit mitzusingen.
Sieh, dies alles erzählte ein Engel Gottes, als er ein totes Kind zum Himmel trug und das Kind hörte es wie im Traume. Sie schwebten hin über die Stätten der Heimat, wo das Kind gespielt hatte, und kamen durch Gärten mit herrlichen Blumen.
„Welche wollen wir nun mitnehmen und in den Himmel pflanzen?“ fragte der Engel.
Da stand ein schlanker, prächtiger Rosenstock, aber eine böse Hand hatte den Stamm umgebrochen, so daß alle Zweige voll großer, halbaufgebrochener Knospen verwelkt herabhingen.
„Der arme Rosenstock!“ sagte das Kind. „Ob er nur oben bei Gott zur Blüte gelangen kann?“
Und der Engel nahm ihn, küßte aber das Kind dafür und das Kleine öffnete seine Augen zur Hälfte. Sie pflückten von den reichen Prachtblumen, nahmen jedoch auch die verachtete Goldblume und das wilde Stiefmütterchen mit.
„Jetzt haben wir Blumen!“ jubelte das Kind, und der Engel nickte. Es war Nacht und überall herrschte Stille. Sie blieben in der großen Stadt und schwebten in einer der schmalsten Gassen, wo allerhand Gerümpel umherlag, denn es war Ziehtag gewesen.
Der Engel zeigte auf die Scherben eines Blumentopfes hinunter und auf einen Klumpen Erde, der herausgefallen war und durch die Wurzeln einer großen, verwelkten, und deshalb auf die Straße hinausgeworfenen Feldblume zusammengehalten wurde.
„Die nehmen wir mit!“ sagte der Engel. „Ich will dir gleich erzählen, weshalb!“ Und nun flogen sie und der Engel erzählte:
„Dort unten in der engen Straße, in dem niedrigen Keller, wohnte ein armer, kranker Knabe. Von Kindesbeinen an war er immer bettlägerig gewesen. Wenn er sich am wohlsten fühlte, konnte er die kleine Stube auf Krücken ein paarmal auf- und niedergehen; das war das Höchste. Während weniger Sommertage fielen die Sonnenstrahlen ein halbes Stündchen in den Kellerflur hinein. Wenn dann der arme Junge dasaß und die warme Sonne auf sich herniederscheinen ließ, und durch seine feinen Finger, die er sich vor das Gesicht hielt, das rote Blut hindurchschimmern sah, dann hieß es: „Heute ist er ausgewesen!“ Den Wald in seinem herrlichen Frühlingsgrün kannte er nur dadurch, daß ihm des Nachbars Sohn den ersten Buchenzweig brachte. Den hielt er über den Kopf und träumte nun, unter Buchen zu ruhen, wo die Sonne schiene und die Vögel sängen.
„An einem schönen Lenztage brachte ihm der Nachbarssohn mehrere Feldblumen, worunter sich auch eine mit der Wurzel befand. Sie wurde in einen Topf gepflanzt und an das Fenster dicht neben seinem Bette gestellt. Die Blume war von einer glücklichen Hand gepflanzt, sie wuchs, trieb neue Schößlinge und trug jedes Jahr ihre Blumen. Sie ersetzte dem kranken Knaben den schönsten Garten, war sein kleiner Schatz auf dieser Erde. Er begoß und wartete sie und sorgte dafür, daß sie jeglichen Sonnenstrahl, der durch das niedrige Fenster hereinglänzte, bis auf den letzten erhielt. Die Blume wuchs selbst in seine Träume hinein, denn für ihn allein wuchs sie, verbreitete sie ihren Duft und erfreute sie das Auge. Ihr wandte er im Tode sein Antlitz zu, als der Herr ihn rief.
„Ein ganzes Jahr ist er nun bei Gott gewesen. So lange hat die Blume vergessen im Fenster gestanden und ist verdorrt und deshalb auf die Straße hinausgeworfen worden. Und dies ist die arme verdorrte Blume, die wir mit in unseren Strauß genommen haben, denn diese schlichte Blume hat mehr Freude gebracht als die reichste Blume in dem Garten einer Königin.“
„Aber, woher weißt du dies alles?“ fragte das Kind, welches der Engel zum Himmel emportrug. – „Ich weiß es!“ sagte der Engel, „ich war ja selbst der kleine kranke Knabe. Sollte ich meine Blumen nicht kennen?“ Und das Kind öffnete seine Augen nun ganz und schaute dem Engel in sein herrliches, freundliches Antlitz.
In demselben Augenblicke waren sie in Gottes schönem Himmel, wo Freude und Glückseligkeit war. Und Gott drückte das tote Kind an sein Herz und da erhielt es Flügel wie der andere Engel und flog Hand in Hand mit ihm dahin. Gott drückte alle die Blumen an sein Herz, aber die arme vertrocknete Feldblume küßte er und sie erhielt Stimme und sang mit all den Engeln, die um Gott schwebten, einige ganz nahe, andere in großen Kreisen um diese herum, immer weiter und weiter hinaus bis in die Unendlichkeit, alle aber gleich glücklich. Alle sangen sie, Klein und Groß, das gute, nun so gesegnete Kind, wie die arme Feldblume, die vertrocknet, im Kehricht mit hinausgeworfen, in der engen, dunklen Straße dagelegen hatte.
Der standhafte Zinnsoldat
Es waren einmal fünfundzwanzig Zinnsoldaten, die alle Brüder waren, da man sie aus einem und demselben alten Zinnlöffel gegossen hatte. Das Gewehr hielten sie im Arm, das Gesicht vorwärts gegen den Feind gerichtet; rot und blau, kurzum herrlich war die Uniform.
Das Allererste, was sie in dieser Welt hörten, nachdem der Deckel von der Schachtel, in welcher sie lagen, abgenommen wurde, war das Wort: „Zinnsoldaten!“ Das rief ein kleiner Knabe und klatschte vor Wonne in die Hände. Er hatte sie zu seinem Geburtstage bekommen und stellte sie nun auf dem Tisch in Schlachtordnung auf.
Der eine Soldat glich dem andern auf das Genaueste, nur ein einziger war etwas verschieden: er hatte nur ein Bein, denn da er zuletzt gegossen worden, hatte das Zinn nicht mehr ausgereicht; doch stand er auf seinem einen Beine eben so fest wie die andern auf ihren beiden, und gerade er sollte sich durch sein denkwürdiges Schicksal besonders auszeichnen.
Auf dem Tische, wo sie aufgestellt wurden, befand sich noch vieles andere Spielzeug; aber dasjenige, welches am meisten die Aufmerksamkeit auf sich zog, war ein hübsches Schloß von Papier. Durch die kleinen Fenster konnte man inwendig in die Säle hineinschauen. Vor demselben standen kleine Bäume, rings um ein Stück Spiegelglas, welches einen See vorstellen sollte. Das war wohl alles niedlich, aber das Niedlichste blieb doch ein kleines Mädchen, welches vor dem offenen Schloßportale stand. Es war ebenfalls aus Papier ausgeschnitten, hatte aber ein seidenes Kleid an und ein kleines, schmales, blaues Band über den Schultern; mitten auf diesem saß ein funkelnder Stern, so groß wie ihr ganzes Gesicht. Das kleine Mädchen streckte ihre beiden Arme anmutig in die Höhe, denn sie war eine Tänzerin, und dann erhob sie das eine Bein so hoch, daß es der Zinnsoldat gar nicht entdecken konnte und dachte, daß sie, wie er, nur Ein Bein hätte.
„Die paßte für mich als Frau!“ dachte er, „aber sie ist zu vornehm für mich, sie wohnt in einem Schlosse, und ich habe nur eine Schachtel, die ich mit vierundzwanzig teilen muß, das ist keine Wohnung für sie. Doch will ich zusehen, ob ich ihre Bekanntschaft machen kann!“ Dann legte er sich der Länge nach hinter eine Schnupftabaksdose, die auf dem Tische stand. Von hier konnte er die kleine feine Dame, die nicht müde wurde, auf einem Bein zu stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, genau beobachten.
Als es Abend wurde, legte man die übrigen Zinnsoldaten in ihre Schachtel und die Leute im Hause gingen zu Bette. Nun begann das Spielzeug zu spielen, der Nußknacker schlug Purzelbäume und der Griffel fuhr lustig über die Tafel hin. Es entstand ein Lärm, daß der Kanarienvogel aufwachte und seinen Gesang mit hineinschmetterte. Die beiden Einzigen, welche sich nicht von der Stelle bewegten, waren der Zinnsoldat und die kleine Tänzerin. Sie stand kerzengerade auf der Zehenspitze und hatte beide Arme erhoben; er war auf seinem Einen Bein ebenso standhaft, nicht einen Augenblick wandte er seine Augen von ihr ab.
Jetzt schlug es Mitternacht und klatsch! sprang der Deckel von der Schnupftabaksdose, aber nicht etwa Schnupftabak war darin, nein, sondern ein kleiner schwarzer Kobold; das war ein Kunststück.
„Zinnsoldat!“ sagte der Kobold, „du wirst dir noch die Augen aussehen!“ – Aber der Zinnsoldat that, als ob er nichts gehört hätte. – „Ja, warte nur bis morgen!“ rief ihm dann der Kobold noch zu.
Als es nun Morgen ward und die Kinder aufstanden, wurde der Zinnsoldat in das offene Fenster gestellt, und war es nun der Kobold oder ein Zugwind, gleichviel, plötzlich flog das Fenster auf und der Soldat fiel aus dem dritten Stockwerke häuptlings hinunter. Das war ein schrecklicher Sturz. Er streckte sein Eines Bein gerade in die Luft und blieb auf dem Helme, das Bajonett nach unten, zwischen den Pflastersteinen stecken.
Die Dienstmagd und der kleine Knabe liefen sogleich hinunter, um ihn zu suchen; aber obgleich sie beinahe auf ihn getreten hätten, konnten sie ihn doch nicht erblicken.
Nun begann es zu regnen; Tropfen folgte auf Tropfen, bis es ein tüchtiger Platzregen wurde; als er vorüber war, kamen zwei Straßenjungen dorthin.
„Sieh, sieh!“ sagte der eine, „da liegt ein Zinnsoldat, der muß hinaus und segeln!“
Nun machten sie ein Boot aus Zeitungspapier, setzten den Zinnsoldaten mitten hinein und ließen ihn den Rinnstein hinunter segeln. Beide Knaben liefen nebenher und klatschten in die Hände. Hilf Himmel, was für Wellen erhoben sich in dem Rinnstein und welch reißender Strom war da! Ja, es mußte ein wahrer Platzregen heruntergekommen sein. Das Papierboot schwankte auf und nieder und bisweilen drehte es sich im Kreise, daß den Zinnsoldaten ein Schauer überlief. Trotzdem blieb er standhaft, verfärbte sich nicht, sah geradeaus und behielt das Gewehr im Arm.
Plötzlich trieb das Boot unter eine lange Rinnsteinbrücke; hier war es so dunkel wie in seiner Schachtel. „Wo mag ich jetzt nur hinkommen?“ dachte er. „Ja, ja, das ist des Kobolds Schuld!“
In diesem Augenblicke erschien eine Wasserratte, welche unter der Rinnsteinbrücke wohnte.
„Hast du einen Paß?“ fragte die Ratte. „Her mit dem Passe!“
Aber der Zinnsoldat schwieg still und hielt sein Gewehr nur noch fester. Das Boot fuhr weiter und die Ratte hinterher. Hu! wie sie mit den Zähnen knirschte und den Spänen und dem Stroh zurief: „Haltet ihn auf! Er hat keinen Zoll bezahlt, er hat keinen Paß vorgezeigt!“
Aber die Strömung wurde stärker und stärker; der Zinnsoldat konnte, schon ehe er das Ende des Brettes erreichte, den hellen Tag erblicken, aber er hörte zugleich einen brausenden Ton, der auch eines tapferen Mannes Herzen erschrecken konnte. Denkt euch, der Rinnstein stürzte am Ende der Brücke gerade in einen großen, breiten Kanal hinab, was ihm gleiche Gefahr bringen mußte als uns, wollten wir Menschen einen großen Wasserfall hinuntersegeln.
Er war jetzt schon so nahe dabei, daß er nicht mehr anzuhalten vermochte. Das Boot fuhr hinab, der arme Zinnsoldat hielt sich, so gut es gehen wollte, aufrecht. Niemand sollte ihm nachsagen können, daß er auch nur mit den Augen geblinkt hätte. Das Boot drehte sich drei-, viermal um sich selbst und füllte sich dabei bis zum Rande mit Wasser, es mußte sinken. Der Zinnsoldat stand bis zum Halse im Wasser, und tiefer und tiefer sank das Boot. Mehr und mehr löste sich das Papier auf; jetzt ging das Wasser schon über des Soldaten Haupt, – da dachte er an die kleine, niedliche Tänzerin, die er nie mehr erblicken sollte; und es klang vor des Zinnsoldaten Ohren:
„Morgenrot, Morgenrot,
Leuchtest mir zum frühen Tod.“
Nun zerriß das Papier und der Zinnsoldat fiel hindurch, wurde aber in demselben Augenblicke von einem großen Fische verschlungen.
Nein, wie finster war es da drinnen; da war es noch schlimmer als unter der Rinnsteinbrücke und vor allen Dingen so gar eng. Gleichwohl war der Zinnsoldat standhaft und lag, so lang er war, mit dem Gewehre im Arme.
Der Fisch fuhr umher und machte die entsetzlichsten Bewegungen; endlich wurde es ganz still, und wie ein Blitzstrahl fuhr es durch ihn hin. Dann drang ein heller Lichtglanz hinein und jemand rief laut: „Ein Zinnsoldat!“ Der Fisch war gefangen, auf den Markt gebracht und verkauft worden und so in die Küche hinausgewandert, wo ihn die Magd mit einem großen Messer aufschnitt. Sie faßte den Soldaten mitten um den Leib und trug ihn in die Stube hinein, wo sämtliche den merkwürdigen Mann sehen wollten, der im Magen eines Fisches umhergereist war; der Zinnsoldat war jedoch darauf gar nicht stolz. Man stellte ihn auf den Tisch und da – nein, wie wunderlich kann es doch in der Welt zugehen, befand sich der Zinnsoldat in der nämlichen Stube, in der er vorher gewesen war, er sah die nämlichen Kinder und das nämliche Spielzeug stand auf dem Tische: das herrliche Schloß mit der niedlichen kleinen Tänzerin. Sie hielt sich immer noch auf dem einen Beine und hatte das andere hoch in der Luft, sie war ebenfalls standhaft. Das rührte den Zinnsoldaten so, daß er beinahe Zinn geweint hätte, aber das schickte sich nicht. Er sah sie und sie sah ihn an, aber sie sagten einander nichts.
Plötzlich ergriff der eine der kleinen Knaben den Zinnsoldaten und warf ihn geradewegs in den Ofen hinein, obgleich hierzu eigentlich gar kein Grund vorlag; doch gewiß hatte es ihm der Kobold in der Dose eingegeben.
Der Zinnsoldat stand mitten im Feuer und fühlte eine ganz entsetzliche Hitze. Die Farben waren von ihm abgegangen, ob das von den Reisestrapazen herrührte oder vom Kummer, wußte er nicht. Er sah das Dämchen an und fühlte, wie er schmolz; aber noch stand er aufrecht und hielt sein Gewehr im Arm. Da ging plötzlich eine Thür auf, ein Windhauch erfaßte die Tänzerin und diese flog gleich einer Sylphe in den Ofen zum Zinnsoldaten, loderte auf und war dahin. Da schmolz auch der Zinnsoldat zu einem Klumpen, und als die Magd am nächsten Morgen die Asche aus dem Ofen nahm, fand sie ihn gestaltet wie ein kleines Herz. Von der Tänzerin war nichts übrig als der Flitterstern, der schwarz gebrannt war.
Des Kaisers Nachtigall
Das Schloß des Kaisers von China war das prächtigste in der Welt, durch und durch von feinem Porzellan. Im Garten sah man die herrlichsten und merkwürdigsten Blumen und an den allerprächtigsten waren silberne Glocken befestigt, die fortwährend tönten, damit man nicht vorüberginge, ohne die Blumen zu bemerken. Alles war in des Kaisers Garten auf das Geschmackvollste und Kunstreichste ausgegrübelt und er erstreckte sich so weit, daß selbst der Gärtner das Ende desselben nicht kannte.
Aus dem Garten gelangte man in einen Wald, und dieser stieß an das Meer, welches blau und tief war. Große Schiffe konnten unter den überhängenden Zweigen hinsegeln, und in diesen wohnte eine Nachtigall, welche so himmlisch schön sang, daß selbst der arme Fischer, der vollauf von seinem Geschäft in Anspruch genommen war, still lag und lauschte, wenn er nachts ausgefahren war, sein Netz aufzuziehen und dann die Nachtigall hörte. „Mein Gott’, wie ist das schön!“ sagte er, dann aber mußte er seinem Gewerbe nachgehen und vergaß den Vogel. Doch wenn derselbe in der nächsten Nacht wieder sang, und der Fischer dorthin kam, wiederholte er: „Mein Gott, wie ist das doch schön!“
Von allen Ländern der Welt kamen Reisende nach der Stadt des Kaisers und bewunderten dieselbe, das Schloß und den Garten; vernahmen sie aber die Nachtigall, dann sagten sie alle: „Das ist doch das Allerbeste!“
Die Reisenden erzählten davon nach ihrer Heimkunft, und die Gelehrten schrieben Bücher über die Stadt, das Schloß und den Garten, aber die Nachtigall vergaßen sie nicht, der wurde das Hauptkapitel gewidmet; und die, welche dichten konnten, schrieben die herrlichsten Gedichte über die Nachtigall im Walde bei der tiefen See.
Die Bücher wurden in alle Sprachen übersetzt und einige gerieten dann auch einmal dem Kaiser in die Hände. Er saß in seinem goldenen Stuhl, las und las und nickte jeden Augenblick mit dem Kopfe, denn es freute ihn, diese prächtigen Beschreibungen von der Stadt, dem Schlosse und dem Garten zu vernehmen. „Aber die Nachtigall ist doch das Allerbeste!“ stand da geschrieben.
„Was soll das heißen?“ fragte der Kaiser. „Die Nachtigall? Die kenne ich ja gar nicht. Giebt es einen solchen Vogel in meinem Kaiserreiche und sogar in meinem eigenen Garten? Davon habe ich nie gehört. So etwas muß man erst aus Büchern erfahren!“
Darauf rief er seinen Kavalier. „Hier soll sich ja ein höchst merkwürdiger Vogel aufhalten, der Nachtigall genannt wird!“ redete ihn der Kaiser an. „Man sagt, daß er das Allerbeste in meinem großen Reiche ist! Weshalb hat man mir nie etwas von demselben gesagt?“
„Ich habe ihn nie vorher nennen hören!“ sagte der Kavalier; „er ist nie bei Hofe vorgestellt worden!“
„Ich will, daß er heute abend herkommt und vor mir singt!“ fuhr der Kaiser fort. „Die ganze Welt weiß, was ich habe, und ich weiß es nicht.“
„Ich habe ihn nie vorher nennen hören!“ entgegnete der Kavalier, „aber ich werde ihn suchen, ich werde ihn finden!“
Aber, wo war er zu finden? Der Kavalier lief treppauf und treppab, durch Säle und Gänge, keiner von allen, die er traf, hatte von der Nachtigall je reden gehört; und der Kavalier lief wieder zum Kaiser und behauptete, es müßte gewiß eine Fabel der Buchschreiber sein.
„Ja, aber das Buch, in dem ich es gelesen habe,“ versetzte der Kaiser, „ist mir von dem großmächtigen Kaiser von Japan geschickt worden und folglich ist es keine Unwahrheit. Ich will die Nachtigall hören! Sie soll heute abend hier sein! Sie steht in meiner allerhöchsten Gnade!“
Der Kavalier und mit ihm der halbe Hof suchten und fragten nun nach der merkwürdigen Nachtigall, die alle Welt kannte, nur niemand bei Hofe.
Endlich trafen sie ein armes kleines Küchenmädchen. Sie sagte: „O Gott, die Nachtigall! Die kenne ich gut! Ja, wie kann die singen! Jeden Abend darf ich meiner Mutter einige Speisereste bringen. Sie wohnt unten am Meeresufer, und wenn ich zurückkehre, müde bin und im Walde ruhe, dann höre ich die Nachtigall singen. Die Thränen treten mir dabei in die Augen, es kommt mir gerade so vor, als ob mich meine Mutter küßte!“
„Kleines Küchenmädchen!“ sagte der Kavalier, „ich will dir eine Anstellung in der Schloßküche verschaffen, wenn du uns zur Nachtigall führst, denn sie ist heute abend zum Gesang befohlen!“
Darauf zogen sie alle nach dem Wald hinaus, wo die Nachtigall zu singen pflegte, der halbe Hof war mit. Als sie im besten Marsche waren, fing eine Kuh zu brüllen an.
„Oh!“ sagte ein Hofjunker, „nun haben wir sie! Es steckt doch wirklich eine ganz außerordentliche Kraft in einem so kleinen Tierchen. Ich habe sie sicher schon früher einmal gehört!“
„Nein, das sind Kühe, welche brüllen!“ sagte das kleine Küchenmädchen; „wir sind noch weit von der Stelle entfernt!“
Jetzt quackten Frösche im Sumpfe. „Herrlich!“ sagte der chinesische Schloßbonze. „Nun höre ich sie, es klingt gerade wie kleine Glocken.“
„Nein, das sind die Frösche!“ versetzte das kleine Küchenmädchen. „Aber nun werden wir sie, denke ich, bald hören.“ Da begann die Nachtigall zu schlagen.
„Das ist sie!“ rief das kleine Mädchen, „hört, hört, und dort sitzt sie!“ und dabei zeigte sie auf einen kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen.
„Ist es möglich!“ sagte der Kavalier, „so einfach von Aussehen hätte ich sie mir nicht vorgestellt!“
„Kleine Nachtigall!“ rief das kleine Küchenmädchen ganz laut, „unser allergnädigster Kaiser wünscht, daß du vor ihm singst!“
„Mit größtem Vergnügen!“ sagte der Vogel, und sang gleich, daß es eine wahre Lust war.
„Es klingt gerade wie Glasglocken!“ sagte der Kavalier, „und seht nur die kleine Kehle, wie die sich anstrengt! Es ist merkwürdig, daß wir sie früher nie gehört haben! Sie wird einen großen Erfolg bei Hofe haben!“
„Soll ich noch einmal vor dem Kaiser singen?“ fragte die Nachtigall, welche glaubte, daß der Kaiser zugegen wäre.
„Meine vortreffliche, liebe Nachtigall!“ sagte der Kavalier, „ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute abend zu befehlen, wo Sie Seine kaiserliche Gnaden mit Ihrem reizenden Gesange bezaubern sollen!“
„Es nimmt sich im Grünen am besten aus!“ entgegnete die Nachtigall, aber sie ging doch mit, als sie hörte, daß es der Kaiser wünschte.
Im Schlosse war alles im festlichen Staate. Wände und Fußboden, die von Porzellan waren, erglänzten im Scheine vieler tausend goldener Lampen. Die schönsten Blumen, die recht laut klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt. Da war ein Laufen und Rennen, und von dem starken Zugwind klingelten alle Glocken, so daß man sein eigenes Wort nicht verstand.
Mitten in dem Saale, in welchem der Kaiser saß, war eine kleine, goldene Säule aufgestellt, auf welcher die Nachtigall sitzen sollte. Der ganze Hof war dort versammelt, und das kleine Küchenmädchen hatte die Erlaubnis erhalten, hinter der Thür zu stehen, da ihr nun der Titel einer „wirklichen Hofköchin“ beigelegt war.
Die Nachtigall sang so lieblich, daß dem Kaiser Thränen in die Augen traten; die Thränen liefen ihm über die Wangen hinab, und nun sang die Nachtigall noch schöner, daß es recht zu Herzen ging. Der Kaiser war so froh und zufrieden, daß er zu bestimmen geruhte, die Nachtigall sollte einen goldenen Pantoffel um den Hals tragen. Die Nachtigall aber dankte, sie hätte schon eine hinreichende Belohnung erhalten.
„Ich habe Thränen in den Augen des Kaisers gesehen, das ist mir der reichste Schatz! Eines Kaisers Thränen haben eine wunderbare Macht! Gott weiß, ich bin belohnt genug!“ Dann sang sie wieder mit ihrer süßen, bezaubernden Stimme. Ja, die Nachtigall machte wirklich Glück.
Sie sollte nun bei Hofe bleiben, ihren eigenen Käfig haben und die Freiheit genießen, zweimal des Tages und einmal des Nachts sich im Freien zu ergehen. Zwölf Diener mußten sie begleiten, die sie alle an einem um das eine Bein geschlungenen Bande festhielten. Ein solcher Ausgang war nun eben kein Vergnügen.
Eines Tages wurde dem Kaiser eine große Kiste mit der Aufschrift „Nachtigall!“ überreicht.
„Da haben wir nun gewiß ein Buch über unsern berühmten Vogel!“ dachte der Kaiser; aber es war kein Buch, es war ein kleines Kunstwerk, welches in einer Schachtel lag, eine künstliche Nachtigall, die der lebendigen ähneln sollte, aber überall mit Diamanten, Rubinen und Saphiren besetzt war. Sobald man den künstlichen Vogel aufzog, konnte er eines der Stücke singen, welche die wirkliche Nachtigall sang, und dabei bewegte er den Schwanz auf und nieder und glänzte von Silber und Gold. Um den Hals hing ihm ein Bändchen, auf dem geschrieben stand: „Die Nachtigall des Kaisers von Japan ist arm gegen die des Kaisers von China!“
„Das ist herrlich!“ sagten sie sämtlich, und derjenige, welcher den künstlichen Vogel überbracht hatte, erhielt sofort den Titel eines „kaiserlichen Oberhofnachtigallenüberbringers“.
„Nun müssen sie zusammen singen! Was wird das für ein Duett werden!“
So mußten sie denn zusammen singen, aber es wollte nicht recht gehen, denn die wirkliche Nachtigall ging auf ihre Art und der Kunstvogel ging auf Walzen. „Der trägt nicht die Schuld!“ sagte der Spielmeister, „der ist besonders taktfest und ganz aus meiner Schule!“ Nun sollte der Kunstvogel allein singen. – Er machte ein ebenso großes Glück wie der wirkliche und dann bot er auch einen viel prächtigeren Anblick.
Dreiunddreißigmal sang er ein und dasselbe Stück und wurde doch nicht müde. Die Leute hätten ihn gern wieder von vorn gehört, doch meinte der Kaiser, daß nun auch die lebendige Nachtigall etwas vortragen sollte – — aber wo war diese? Niemand hatte bemerkt, daß sie zum offenen Fenster hinausgeflogen war, fort zu ihren grünen Wäldern.
„Aber was ist denn das?“ rief der Kaiser; und alle Hofleute schalten und meinten, die Nachtigall wäre ein höchst undankbares Tier. „Den besten Vogel haben wir doch!“ trösteten sie sich und so mußte der Kunstvogel wieder singen. Der Spielmeister lobte den Vogel über alle Maßen, ja, er versicherte, er wäre besser als die wirkliche Nachtigall, nicht nur was die Kleider und die vielen strahlenden Diamanten anbelangte, sondern auch hinsichtlich seines Innern.
Der Kaiser stimmte ihm bei und der Spielmeister erhielt Befehl, den Vogel am nächsten Sonntage dem Volke vorzuweisen. Und die Leute hörten ihn und waren ganz entzückt und riefen: „O!“ und hielten nach ihrer Sitte einen Finger in die Höhe und nickten dabei. Aber die armen Fischer, welche die wirkliche Nachtigall gehört hatten, meinten: „Das klingt wohl ganz hübsch, es läßt sich auch eine Ähnlichkeit der Melodie nicht ableugnen, aber es fehlt doch etwas. Was es nur sein mag?“
Die wirkliche Nachtigall ward aus Land und Reich verwiesen; der Kunstvogel aber hatte seinen Platz auf einem seidenen Kissen, unmittelbar neben dem Bette des Kaisers. Alle Geschenke, die er erhalten hatte, Gold und Edelsteine, lagen rings um ihn her, und im Titel war er bereits bis zum „Kaiserlichen Nachttischsänger“ mit dem Range eines Rates erster Klasse aufgestiegen.
So ging es ein ganzes Jahr: Der Kaiser, der Hof und alle andern Chinesen kannten jeden Laut in dem Gesange des Kunstvogels auswendig, aber gerade deshalb hielten sie die größten Stücke auf ihn. Sie konnten selbst mitsingen und thaten es. Die Gassenbuben sangen: „Zizizi! Kluckkluckkluck!“ und der Kaiser sang es. O, es war himmlisch!
Aber eines Abends, als der Kunstvogel gerade am besten sang, und der Kaiser im Bette lag und zuhörte, ging es inwendig im Vogel: „Schwupp!“ Da sprang etwas: „Schnurrrrr!“ Alle Räder liefen herum, und dann schwieg die Musik.
Der Kaiser sprang sogleich aus dem Bette und ließ seinen Leibarzt holen, aber was konnte der helfen! Dann schickte man nach dem Uhrmacher, und nach vielem Fragen und vielem Untersuchen setzte er den Vogel wenigstens einigermaßen wieder in Stand, erklärte aber, er müßte sehr geschont werden, denn die Zapfen wären abgenutzt und es wäre unmöglich, neue dergestalt einzusetzen, daß die Musik sicher ginge. Da war nun große Trauer. Nur einmal des Jahres durfte man den Kunstvogel singen lassen, und schon das war ein großes Wagnis. Dann aber hielt der Spielmeister eine kleine Rede und versicherte, daß es noch ebenso gut wäre wie früher, und dann war es auch ebenso gut wie früher.