Kitabı oku: «Ein Mordsdreh am Jadebusen», sayfa 2

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Fedderwardersiel

Im kleinen Hafen von Fedderwardersiel wurden die Krabbenkutter zum Auslaufen klargemacht. Auch auf dem nostalgisch anmutenden Ausflugsdampfer wurde die Maschine angelassen. Die ersten Touristen warteten schon am Kai, um mit der Bella einen Törn in die Nordsee zu unternehmen.

Die Sonne war hinter niedrigen Wolken verborgen. Es schien aber trotzdem ein schöner Tag zu werden, denn der aufkommende leichte Südwind trieb die Wolken fort und die Sonne brach durch.

Die BELLA war fast ausgebucht. Als die Flut die nötige Höhe erreicht hatte, verließ das Schiff, begleitet vom Tross der Möwen, den Hafen und nahm Kurs auf den Leuchtturm Roter Sand.

Während die BELLA die Außenweser durchpflügte, erläuterte der Schiffsführer Eilert Harms über an Deck angebrachte Lautsprecher etwas über die Tide, dass die Flut ungefähr sechs Stunden dauert, in der der Wasserspiegel steigt, und dass er dann ebenso lange, bis zur totalen Ebbe wieder abfällt. „Immer im selben Rhythmus der Gezeiten.“

Die überwiegend in der Sonne auf dem Oberdeck sitzenden Passagiere, die fast alle aus Nordrhein-Westfalen stammten, hörten interessiert zu. Unter dem lauten Gekreische der begleitenden Möwen passierte das Ausflugsschiff das an Steuerbord liegende Langwarden und hatte die graue Einöde der Nordsee vor sich.

Ein Krabbenkutter kam von See zurück. Auch hier wurde ein Schwarm Möwen vom Kielwasser des Kutters wie von einem Magneten angezogen.

Inzwischen jagten wieder einige zerrissene Wolken über den Morgenhimmel.

Der Schiffsführer erzählte den aufmerksamen Passagieren, dass der Schifffahrtsweg jetzt nicht mehr gezeitenabhängig sei, aber die Rückfahrt rechtzeitig vonstatten gehen müsse. „Und zwar bevor der Hafen von Fedderwardersiel wieder trockenfällt, denn sonst sitzen wir im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen. Sie sehen, meine Damen und Herren und liebe Kinder aus dem Binnenland, dass wir hier mit dem Tidenkalender leben, der unseren Tagesablauf bestimmt.“

Gerade erklärte der Kapitän, dass an Bord der BELLA auch der Klabautermann und ein Kielschwein leben, als achtern ein Schrei ertönte.

„Da, ein Mensch im Wasser!“

Eilert Harms unterbrach seinen Vortrag und blickte von der Brücke über seine Schulter. Er nahm sein Fernglas und erkannte, dass die Frau, die den Schrei ausgestoßen hatte, richtig gesehen hatte. An Backbord trieb ein lebloser Körper. Sofort stoppte er die Maschine und manövrierte die BELLA zurück, während sein Bootsmann Hannes Wagner, der als Kartenabreißer und „Mädchen für alles“ an Bord zuständig war, versuchte, den im Wasser treibenden Körper an einen Bootshaken zu bekommen. Der Kapitän kam hinzu, bat die gaffenden Leute zurückzutreten und gemeinsam wurde der Körper über die Reling gehievt und auf Deck auf dem Rücken abgelegt.

Es handelte sich – wie nicht zu übersehen war – um die Leiche einer jungen Frau. Die Tote hatte am Schädel eine schwere Verletzung. Über den Hinterkopf zog sich eine tiefe, klaffende Wunde. Die Augen der Frau waren vielleicht von Seevögeln gefressen worden, denn es waren nur noch leere Höhlen. Trotz dieser Verletzungen war zu erkennen, dass die Frau einmal sehr hübsch gewesen war. Sie hatte lange, blonde Haare und ein zartes Gesicht mit vollen Lippen. Der Hals und die Glieder waren anmutig geformt. Die Leichenstarre war schon von ihr gewichen, dadurch war das Fleisch über den Knochen erschlafft. Die Brüste lagen auf den Rippen, Mund und Kiefer hatten sich gelockert. Die Schamhaare waren zu einem schmalen Strich rasiert.

Eine korpulente Touristin, die sich nicht an die Anweisung des Kapitäns gehalten und sich ganz nach vorn bis an die Leiche gedrängelt hatte, konnte sich bei dem Anblick der toten Frau gerade noch rechtzeitig über die Reling beugen, bevor sie die drei Brötchen mit Käse und Marmelade vom Frühstück in einem würgenden Schwall erbrach. Sofort stürzten sich die immer hungrigen Möwen auf diese unverhoffte Mahlzeit.

„Arme Deern“, murmelte der Bootsmann, während er eine Persenning über die Leiche breitete.

Der Kapitän war inzwischen auf die Brücke geeilt, um die Wasserschutzpolizei zu verständigen.

Während der Aktion hatte sich der Himmel urplötzlich verfinstert, und die schwappenden Wellen waren kabbeliger und bedrohlicher geworden. Ein plötzlich einsetzender Regenschauer ließ die Passagiere unter Deck flüchten. Ein Sturm mit Windstärke neun kam aus Westnordwest. Das Meer toste. Die Nordsee zeigte sich von ihrer brutalen Seite und reagierte so, als ob sie das Opfer nicht gern wieder hergegeben hätte.

Der Kapitän hielt sich nicht lange mit der Meldung an die Wasserschutzpolizei auf, sondern gab nur das Nötigste durch. Die Position des Leichenfundes trug er ins Logbuch ein. Vorrangig setzte er alles daran, die BELLA zurück in den sicheren Hafen zu bringen, denn erste schwere Brecher rollten über das Deck. Bevor die tote Frau von Bord gespült werden konnte, brachte der Bootsmann den Leichnam in eine kleine Kammer unter Deck. Das Schiff stampfte in der aufgewühlten See, und der Sturm war zum Orkan geworden. Fast horizontal peitschte der Regen über die BELLA.

Eilert Harms hatte sein Kapitänspatent vor zwanzig Jahren gemacht. Bis zur Übernahme der BELLA hatte er auf großer Fahrt alle Weltmeere befahren. Ihn konnte nichts mehr erschüttern. Er hatte die heftigsten Stürme in der Biskaya erlebt und Kaventsmänner von vierzig Meter Höhe bei der Fahrt um Kap Hoorn überlebt. Er war ein Ruhe und Autorität ausstrahlender, besonnener Mann. Mit seiner bedächtigen Art versuchte er die verängstigten Passagiere zu beruhigen, während riesige Wellen die BELLA in die Höhe hoben und wieder in die Tiefe fallen ließen. Ein tiefes Dröhnen war in der Ferne zu hören, und plötzlich schlugen Hagelschauer gegen die Fenster des Salons. Einzelne Passagiere fingen angstvoll an zu wimmern. Der Weltuntergang schien nah. Auf den Tischen rutschte klirrend das Geschirr hin und her und wurde nur durch die Sturmkante vor dem Herunterfallen bewahrt. Mehrere Passagiere hatte die Seekrankheit gepackt. Einige saßen mit grauen Gesichtern apathisch auf ihren Stühlen, während andere sich in bereitliegende Tüten übergeben hatten. Zwei Männer bekämpften das Unwohlsein auf ihre Art. Sie ließen sich an der kleinen Bord-Bar vom Bootsmann einen Schnaps nach dem anderen einschenken. Die Therapie schien erfolgreich zu sein. Die Männer wurden nicht seekrank, waren aber stark betrunken.

Einer der beiden, ein typischer Ruhrpott-Kumpel aus Wanne-Eickel konnte nur noch lallen: „Jezz ham wir nichs mehr von dat Kielschwein gehört.“

Die Antwort seines Zechkumpans ließ erkennen, dass er aus Berlin stammte: „Du Orje, vom Klabautermann hatta ooch nüscht mehr jesacht.“

„Denn man prost, Atze“, sagte der Ruhrpottkumpel, und beide hoben zum neunten Mal ihr Glas.

Nachdem die Gläser leer waren, meldete sich noch einmal der Berliner: „Eenen könn wa noch, wat?“

So plötzlich, wie das Unwetter gekommen war, verschwand es wieder. Der Sturm ließ nach, von Westen her rissen die Wolken auseinander, und die Sonne kam durch.

Inzwischen war die BELLA in der Wesermündung und hielt Kurs auf ihren Heimathafen Fedderwardersiel, wo sie von der Wasserschutzpolizei erwartet wurde.

Sinsum

Wenn man von Langwarden die Butjadinger Straße Richtung Burhave fährt, zweigt rechterhand kurz vor Burhave der Sinsumer Weg ab und führt direkt nach Sinsum.

Vor dem Ort stand hinter hochgewachsenen und verwilderten Büschen das verlotterte Anwesen. Es bestand aus einem reetgedeckten Wohnhaus, das einmal sehr repräsentativ gewesen sein musste. Jetzt zeigte es unübersehbare Spuren des Verfalls. Weiter bestand das Anwesen aus einigen kleinen Nebengebäuden, einer Scheune und Stallungen. Überall hatte der Zahn der Zeit genagt. In Scheune und Stallungen, die offensichtlich nicht mehr genutzt wurden, gab es kein Leben mehr, und am Tag schien die Sonne und nachts der Mond durch das zum Teil eingestürzte Dach auf allerlei Gerümpel, das die Besitzer über die Jahre hineingeworfen hatten.

Nicht mehr funktionierendes und verrostetes landwirtschaftliches Gerät wie eine alte Egge, eine ehemals mit der Hand betriebene Häckselmaschine, mehrere Sensen und Sicheln und andere Maschinenteile aus dem vorigen Jahrhundert lagen verstreut auf dem Hof herum.

Es war spätabends, als eine alte, etwas grobknochige Frau, die sich auf jugendlich getrimmt hatte, aus dem Haus trat. Sie war stark geschminkt und hatte die schlecht blondierten, grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug einen kurzen Rock und eine enge, weit geöffnete Bluse, so dass ein Teil ihres welken Busens zu sehen war.

Mathilde Koller-Elberfeld nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und rief ihre Katzen. „Miez, Miez, Miez.“

Aber kein Tier ließ sich auf dem Hof blicken.

Die Frau wollte gerade wieder ins Haus gehen, als sie das Motorgeräusch eines herannahenden Autos hörte. Sie blieb vor ihrer Haustür stehen und beobachtete, wie ein klappriger, älterer VW-Bus auf den Hof gefahren kam. Der Fahrer schlängelte sich durch herumliegende Schrottteile und hielt kurz vor der Frau an. Aus dem Wagen stieg Gunthram Vallay. Sofort wurde er von der Frau mit einem Schwall von Vorwürfen überhäuft.

„Wo warst du den ganzen Abend? Ich weiß nie, wo du dich immer herumtreibst. Bestimmt hast du wieder getrunken und sonst was angestellt. Ich finanziere dein Auto und das Segelboot, lasse dich ohne Kostenbeteiligung in meinem Haus wohnen, und du dankst es mir, indem du dich nie um mich kümmerst. Außerdem wolltest du dich längst um ein Engagement bemühen. Aber das wird wohl auch so ein Windei wie deine hochtrabenden Filmpläne.“

Damit drehte sie sich um und ging ins Haus zurück.

Gunthram Vallay, der noch am Wagen stand, warf die Fahrzeugtür zu und folgte der Frau ins Haus, wo er sah, wie sie sich eine Flasche und ein Glas aus einer Kredenz holte und sich einen dreifachen Scotch einschenkte.

Das verstärkte die Wut, die nach der Tirade der Frau in ihm hochgestiegen war. „Du versoffene alte Vettel wirfst mir vor, dass ich trinke, wo du nur noch an der Flasche hängst und dabei noch rauchst wie ein Schlot. Und was das Boot angeht, das ist doch nur noch ein löchriger, alter Kahn, und bei der Rostlaube von einem Auto zu sprechen, ist ein Witz. Und in deiner Bruchbude, die du Haus nennst, wohne ich doch nur, weil du mich auf Knien darum angefleht hast. Du bist doch froh, dass es in deinem Leben überhaupt noch einen Menschen gibt. Was meine Theater- und Filmpläne angeht, habe ich noch eher eine Chance als du mit deinen Träumen von einem Engagement. Dich kennt doch keine Sau mehr. Dass du vor vierzig Jahren mal eine große Nummer im Filmgeschäft warst und Rekordgagen bekommen hast, weiß heute auch kein Mensch mehr.“

Mathilde Koller-Elberfeld hatte ihr Glas inzwischen ausgetrunken. Tränen liefen über ihre faltigen Wangen. Sie machte zwei Schritte und warf sich dem jüngeren Mann an den Hals. Ihn fest umklammernd, hing sie schluchzend an seiner Schulter.

„Ach Gunthram, entschuldige bitte, ich liebe dich doch und habe nur dich.“

Angeekelt löste der Mann die Hände der Frau und schob sie von sich weg.

„Lass mich zufrieden, du alte Schachtel.“

Jetzt noch lauter schluchzend, ging die Frau wieder zur Kredenz, wo sie sich noch einen großen Schluck Scotch einschenkte. Dann griff sie wieder zur Zigarettenschachtel.

Dangast, die zweite

Dem Set-Aufnahmeleiter Kai Schmidt fiel als Erstem auf, dass Jenni, die Assistentin der Kostümbildnerin, fehlte, als er im Geiste die nacheinander am Set eintreffenden Teammitglieder abhakte.

Auf dem Verteiler der Tagesdispo war sie aufgeführt. Sie hätte pünktlich da sein müssen. Kai Schmidt sprach mit Hella Rahde, die sich die Verspätung ihrer Assistentin nicht erklären konnte. Ein Anruf auf ihrem Mobiltelefon brachte auch keine Klarheit. Es kam keine Verbindung zustande. Der Anruf im Hotel in Varel ergab, dass Jennifer Schorn die Nacht gar nicht in ihrem Bett verbracht hatte. Nach einer Rundumbefragung stellte sich heraus, dass nur die Regieassistentin Monique Minthorn die Assistentin noch kurz vor dem Abendessen gesehen hatte.

„Ich habe, um mir noch etwas Appetit zu holen, einen Spaziergang in Richtung Schleuse gemacht. Dort habe ich Jenni gesehen. Wir haben uns kurz zugewunken, und ich bin dann zurück zum Abendessen gegangen. Gesprochen habe ich mit ihr nicht mehr.“

Inzwischen war der Produktionsleiter Jesko Durke aus seinem Büro aus Hamburg in Dangast eingetroffen. Der Autorität ausstrahlende, bullige Mann ergriff sofort die Initiative und entschied, dass eine Vermisstenmeldung gemacht werden müsse. Dann bat er Hella Rahde, ihre Arbeit bis zur Klärung dieses Falles, wie er sagte, ohne Assistentin zu machen.

Mit einer längeren Verzögerung – inzwischen war die örtliche Polizei über das rätselhafte Verschwinden der jungen Frau informiert worden – begannen die Arbeiten des neuen Drehtages. Laut Tagesdisposition sollten acht Bilder mit unterschiedlich vielen Einstellungen gedreht werden. Es handelte sich um Innenaufnahmen, die alle in einem angemieteten und von der Ausstattungsabteilung und der Außenrequisite hergerichteten Bauernhaus gedreht werden sollten.

Beim Dreh des fünften Bildes, das im Eingangsbereich des Hauses bei geöffneter Haustür spielte, setzte plötzlich heftiger Regen ein. Es wurde abgebrochen und ein totales Innenbild vorgezogen.

Die erste Einstellung des letzten Bildes wurde gedreht. Der Regisseur Hanno Ahrens erklärte seinen beiden Hauptdarstellern gerade seine Auffassung einer Szene, in der die beiden einen längeren Dialog hatten, als die Dreharbeiten abermals unterbrochen werden mussten.

Der Aufnahmeleiter stellte zwei Kripobeamte aus Wilhelmshaven vor: Jeanette Alt, eine gutaussehende, schlanke, etwa fünfunddreißigjährige Frau mit langen, dunklen Haaren. Neben ihrer Attraktivität strahlte sie eine große Selbstsicherheit aus. Ihr Auftreten ließ erkennen, dass sie wusste, was sie wollte. Ihr junger Kollege war Enno Bollmann. Er war von imposanter Statur und sah etwas einfältig aus. In der Hand hatte er ein Notizbuch, in das er offensichtlich Befragungsergebnisse eintragen wollte.

Jeanette Alt erklärte den Grund ihres Besuches am Set. „Wir sind von unseren Kollegen aus Nordenham verständigt worden, dass die Leiche einer jungen Frau gefunden worden ist, auf die die Beschreibung Ihrer vermissten Kollegin zutreffen könnte. Wir müssen jemanden von Ihnen bitten, uns nach Nordenham zu begleiten, um die Tote zu identifizieren. Die Vorschriften besagen zwar, dass ein Angehöriger dabei sein muss, aber wir möchten schon mal Klarheit bekommen. Die Angehörigen der Vermissten sind informiert, werden aber erst morgen aus Süddeutschland hier eintreffen.“

Mehrere Teammitglieder fingen an zu weinen.

„Wie ist das Unglück passiert?“ kam eine Frage vom Oberbeleuchter Bernd Röbge.

„Es war kein Unglück, es war Mord oder Totschlag“, sagte die Kommissarin und ergänzte die Feststellung: „Die Tote, die aus dem Wasser geborgen wurde, hatte erhebliche Verletzungen, die auf Gewalteinwirkung schließen lassen. Ob sie ertrunken ist oder schon vorher diesen Verletzungen erlegen ist, wird die angeordnete Obduktion ergeben. Wenn es sich bei der Toten um Ihre Kollegin handelt, sind wir für die Aufklärung des Falles zuständig und werden uns dann in Kürze wieder bei Ihnen melden. Darf ich Sie jetzt also bitten ...“

Jesko Durke, der Produktionsleiter, der bei der einsetzenden Diskussion einen kühlen Kopf behalten hatte, ergriff das Wort. „Selbstverständlich, ich komme mit Ihnen, und Frau Rahde, unsere Kostümbildnerin, kommt auch mit.“

Er nickte Hella Rahde zu, die sofort versicherte: „Ja klar, ich werde hier im letzten Bild nicht unbedingt benötigt.“

Sie blickte dabei zum Regisseur, der sein Einverständnis gab.

Als die vier das Set verlassen hatten, wurde die Diskussion noch lebhafter, und wilde Spekulationen und Theorien wurden erörtert.

Der Regisseur beendete die ins Kraut schießenden Gespräche. „Schluss jetzt mit dem Gerede. Noch steht gar nicht fest, ob es sich bei der Toten um unsere Jenni handelt. Lasst uns die letzte Einstellung bitte zu Ende bringen; also Ton ab ...“

Das Watt, die zweite

In der Nacht hatte es stark geregnet. Als der Mann gegen sieben Uhr aufgestanden war, hatte er einen dumpfen Schmerz im Kopf gespürt, und die Wut war wieder in ihm hochgekommen. Eine Wut, die er nicht in den Griff bekam. Es musste wieder sein, hatte er schon am Morgen gewusst.

Es war ganz einfach gewesen, die Frau in seine Gewalt zu bekommen. Abends, nach Drehschluss hatte er auf einen günstigen Moment gewartet und die Maskenbildnerin abgepasst, als sie vor ihrem Hotel etwas frische Luft schnappen oder eine Zigarette rauchen wollte. Er hatte sie in ein Gespräch verwickelt, und sie hatte ihm geglaubt, als er sie unter einem Vorwand bat, ihm die paar Schritte zum kleinen Hafen zu folgen.

Wie naiv sie doch gewesen war. Ganz brav war sie mitgekommen.

Jetzt saß sie mit angstverzerrtem Gesicht mit ihm in einem Segelboot, in dem die Segel nicht gesetzt waren. Es wurde von einem alten Außenbordmotor, der hin und wieder Aussetzer hatte, angetrieben. Sie hatte erkannt, dass sie in eine Falle geraten war.

Er hatte ihre Füße zusammengebunden und ihr mit einem Knebel den Mund verschlossen. Er wusste nicht, dass sie selbst bei voller Bewegungsfreiheit nicht über Bord gesprungen wäre, denn schwimmen konnte sie nicht. Auch die Knebelung wäre nicht nötig gewesen, denn in der Weite des Jadebusens, auf dem mit der einbrechenden Nacht kein Schiff mehr war, hätte niemand ihre Schreie gehört.

Ein starker Ostwind hatte den ganzen Tag gezaust und graue Wolkenfetzen vor die Sonne getrieben. Mit dem Tidenwechsel waren die Wolken verschwunden, aber dafür war Nebel aufgetaucht und hatte sich wie ein Ölfilm auf die Wasseroberfläche gelegt. Grau dehnte sich die See, und sie fuhren durch die Wände der dicken Nebelbänke. Es war abfallendes Wasser, und der Mann rechnete aus, dass die Ebbe in einer Stunde ihren tiefsten Stand erreicht haben musste. Noch hatten sie die schwappenden Wellen des Jadebusens vor sich.

Es war das erste Mal, dass der Mann sprach, seit er die Frau gefesselt hatte. „Frauen an Bord bringen Unglück, sagt ein alter Seemannsspruch. Deshalb musst du weg.“

Der Mann spürte, wie eine neue Welle der Beunruhigung durch die Glieder der Frau brandete. „Es wird nicht mehr lange dauern“, fuhr er fort, „wir haben die Fahrrinne für die Tanker nach Wilhelmshaven gleich erreicht, und davor lassen wir uns trockenfallen.“

Inzwischen war das Wasser so weit gesunken, dass das Boot schon einige Male mit dem Kiel Grundberührung hatte. Und dann war es so weit. Das Boot schlingerte und machte keine Fahrt mehr. Der Mann stellte den Motor ab. Es dauerte nicht lange, und es legte sich leicht zur Seite.

Der Mann sah die Frau an. Jetzt, da er sich nicht mehr mit dem Manövrieren des Bootes beschäftigen musste, stieg wieder eine grenzenlose Wut in ihm hoch und staute sich auf. Diese Wut brauchte ein Ventil. Er hatte sich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle. Mit beiden Händen umschloss er den Hals der Frau und drückte zu, bis die Augen seines Opfers hervorquollen, der Mund sich schloss und die gurgelnden Laute verstummten. Er ließ die Hände von der Frau, die daraufhin wie ein nasser Sack aufs Schiffsdeck fiel und die Schräge ein Stück herunterrutschte. Als die Frau tot war, gelang es ihm, die Kontrolle über sich selbst wiederzugewinnen. Er packte den Körper unter den Armen und zog ihn schleifend zur Fahrrinne.

Nachdem er sich aufgerichtet und ein paarmal tief durchgeatmet hatte, bückte er sich zur Frau hinunter und stieß sie mit beiden Händen ins Wasser. „Den Rest machen sicher die Schiffsschrauben der Öltanker“, murmelte er, „da bleibt nicht viel von dir übrig.“

Er ging zurück zum Boot und nahm aus dem Werkzeugkasten ein Beil. Mit wuchtigen Hieben schlug er ein Leck in den Schiffsboden. Das Beil schleuderte er dann in hohem Bogen in die Fahrrinne.

Inzwischen hatte ihn wieder die bleierne Schwere seiner Depressionen beschlichen, und er spürte, wie aus dem Watt ein muffiger Geruch nach abgestorbenem Seegras aufkam. Er musste sich schnellstens zurück auf den Weg zum Deich machen, damit es kein Wettlauf mit der aufkommenden Flut würde. Das Durchschwimmen oder Durchwaten einiger Priele würde für ihn kein Hindernis darstellen.

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