Kitabı oku: «Verblüffend einfach Ziele erreichen»

Yazı tipi:

Hans-Georg Willmann

Verblüffend einfach

Ziele erreichen

11 KLEINE TRICKS MIT GROSSER WIRKUNG


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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-803-0

ISBN epub: 978-3-95623-533-7

Lektorat: Eva Gößwein, Berlin | www.textstudio-goesswein.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Fotos: © Hans-Georg Willmann, Townsville (Australien) / Freiburg (Deutschland)

Autorenfoto Umschlag: Alex Jung

Copyright © 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Das E-Book basiert auf dem 2017 erschienenen Buchtitel "Verblüffend einfach Ziele erreichen" von Hans-Georg Willmann, © 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

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INHALT

Den eigenen Weg gehen

1. Sortieren

2. Aufhören

3. Anfangen

4. Begrenzen

5. Befreien

6. Ändern

7. Automatisieren

8. Überwinden

9. Abschalten

10. Anstecken

11. Erkennen

Von Zielen und Wegen

Die Elf plus eins

Literatur & Links

Über Hans-Georg Willmann


Outback. Ich bin wieder unterwegs. Diesmal gemeinsam mit meiner Frau Melanie. Wir sind hierhergekommen, um einige Zeit mit Aborigines, den Ureinwohnern Australiens, zu leben. Von Adelaide aus fahren wir über Straßen und Pisten in Richtung rotes Zentrum zu den Adnyamathanha People. Die Felsenmenschen, was Adnyamathanha übersetzt bedeutet, leben schon seit Zehntausenden von Jahren im Gebiet der nördlichen Flinders Ranges. Gemeinsam mit ihnen jagen und kochen wir und reden über die Traumzeit. Wir feiern mit dem ganzen Stamm ins neue Jahr hinein. In der Nacht tanzen wir barfuß im Sand um ein großes Feuer herum, halten uns an den Händen und singen zusammen. Mitten im Outback. Weit weg von allem. Mit einer Million Sterne über uns.

DEN EIGENEN WEG GEHEN

Ich schreibe dieses Buch in Townsville, Australien. Seit neun Monaten lebe ich hier in den Tropen. Ich bin Diplom-Psychologe, Coach und Autor. Mehr als 20 Bücher habe ich bereits geschrieben. Mehr als vier Jahre bin ich um die Welt gereist – durch die Wüstenstaaten Afrikas, durch die bunte Vielfalt Südostasiens, durch die Weiten der USA, durch die unterschiedlichen Kulturen Europas und ein Jahr auf dem roten Kontinent.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich acht Jahre alt war, als ich vor einem Schwarz-Weiß-Fernsehgerät saß und eine Reisereportage über Australien gesehen habe. Die Sehnsucht, die mich damals ergriff, hat mich nie mehr losgelassen. Ich sehe den Abenteurer, der in seinem Geländewagen durch das grenzenlose Outback fuhr, noch heute vor mir. Das hat mich so sehr fasziniert und inspiriert, dass sich daraus ein Herzenswunsch entwickelt hat: Ich wollte reisen, ich wollte unterwegs sein.

Und ich wollte schreiben. Weiß der Himmel, warum. Ich bin ein Arbeiterkind. In der Grundschule war meine beste Note im Fach Deutsch eine 5,5. In Worten: Fünfkommafünf. Mit Ach und Krach habe ich eine Empfehlung für die Realschule bekommen, und das auch nur, weil ich in Mathe und Sport ziemlich gut war. Aus meiner größten Schwäche, dem Lesen und Schreiben, hat sich meine zweite Leidenschaft entwickelt: Ich wollte Bücher schreiben.

Seither sind viele Jahre verstrichen und ich bin meinen Weg gegangen. Nicht ohne Anstrengung und auch nicht ohne Selbstzweifel. Aber mit Momenten der Erfüllung, die ich gegen nichts auf dieser Welt eintauschen möchte – und mit Erfolg. Nach der mittleren Reife habe ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert, dann das Abitur, danach ein Psychologiestudium mit Prädikatsexamen. Ich habe mein eigenes Unternehmen gegründet und arbeite seit 15 Jahren erfolgreich als Coach. Und ich bin unterwegs – gerade wieder in Australien – und schreibe mein 25. Buch.

Zwei Fragen haben mich während der gesamten Zeit begleitet:

1. Warum machen Menschen das? Warum setzen wir uns überhaupt große Ziele?

2. Wie schaffen Menschen das? Wie erreichen wir unsere Herzensziele?

Eine Antwort auf die Frage, warum wir das machen, liegt tief in jedem von uns verborgen. Es sind unsere Bedürfnisse, die uns durchs Leben lenken und die wir mit unseren Zielen befriedigen wollen. Dafür nehmen wir selbst weite, manchmal extrem anstrengende und riskante Wege auf uns. Wir besteigen die höchsten Berge, durchqueren die größten Wüsten und überwinden die tiefsten Ozeane. Wir gründen wohltätige Vereine, managen wertvolle Unternehmen und forschen manchmal jahrelang, um etwas zu erfinden, das anderen das Leben leichter macht. Wir machen das, weil wir uns von niemandem die Sehnsucht, die Leidenschaft und die Hoffnung nehmen lassen, nach den Sternen zu greifen.

Eine Antwort auf die Frage, wie wir das schaffen, beschreibe ich in diesem Buch. Die Antwort ist nicht ganz so schnell gegeben. Denn glauben Sie mir, es reicht nicht aus, im Alter von acht Jahren eine Reportage über Australien zu sehen und in der Grundschule schlecht in Deutsch gewesen zu sein, um 25 Bücher zu schreiben und viele Jahre um die Welt zu reisen.

Auch die größte Sehnsucht und die größte Leidenschaft treffen auf den Alltag. Auch die größte Sehnsucht und die größte Leidenschaft sind nur der Anfang eines Weges. Um diesen Weg geht es mir und darum, wie jeder von uns seinen eigenen Weg gehen und seine Herzensziele erreichen kann – auch wenn es anstrengend wird.

Neben meinen Reisen um die Welt und meiner Tätigkeit als Autor haben mich vor allem die unzähligen Coachinggespräche mit meinen Klienten gelehrt, was dabei hilft – und was nicht. Als Coach habe ich viele Menschen dabei unterstützt, den eigenen Weg zu gehen und Ziele zu erreichen: die Weltreise, das Auslandsjahr, der Masterabschluss, die Führungskarriere, die Selbstständigkeit, das eigene Buch, die erste Million.

Zwischen diesen beiden Buchdeckeln erzähle ich Ihnen, was diesen Menschen geholfen hat. Es sind elf kleine Tricks mit großer Wirkung. Die Elf sind praxiserprobt; sie sind für alle geeignet, die umsetzen wollen, was sie sich von Herzen wünschen: von der Start-up-Unternehmerin bis zum Angestellten, vom Abenteurer bis zur Hausfrau.

Ich wünsche allen Lesern viel Spaß beim Ausprobieren der Elf.

Hans-Georg Willmann

Townsville, Australien, Frühjahr 2017

1. SORTIEREN

»Sechs ehrliche Diener habe ich.

Sie lehrten mich, was ich kann.

Sie heißen was und wie und wo.

Sie heißen warum und wer und wann.«

JOSEPH RUDYARD KIPLING

Wenn man sich mit Leuten über ihre Ziele und über Zielerreichung unterhält – was man als Coach ja oft tut –, dann fällt einem auf, dass Menschen oft eine Vorstellung davon haben, was sie erreichen wollen, aber selten genau wissen, wie sie es tatsächlich erreichen können.

Als Coach spreche ich mit Unternehmern und Freiberuflern, mit Managern, Sachbearbeitern und Abenteurern, mit Künstlern, Entwicklungshelfern und Privatiers. Darunter sind Frauen und Männer von Twenty-something bis 50 plus – und Menschen aus vielen Ländern dieser Welt. Wenn wir über ihre Ziele reden, fällt es fast allen leicht, sich das erreichte Ziel in seiner ganzen Schönheit vorzustellen. Zum Beispiel das fertige Buch, das sie noch schreiben wollen, die florierende Firma, die sie noch aufbauen wollen, der Mastertitel oder die Managerposition, die sie noch erreichen wollen, oder das Jahr in Neuseeland, das sie noch realisieren wollen.

Geht es jedoch an die Umsetzung, an den Weg zum Ziel und daran, die Gedanken zu strukturieren, die Entscheidungen zu treffen und die entsprechenden Dinge zu tun, wird es auf einmal komplex und die Vorstellung ist oft unklar.


Sommer 1988. Afrika. Algerien. Ich bin 19 Jahre alt und gemeinsam mit meinem Freund Raphael auf dem Weg in die Zentralsahara. Wind, Sand und bald keine Straße mehr. Über 400 Kilometer Strecke liegen vor uns bis zur nächsten Oasen-Stadt In Salah. Wir sind sortiert, wissen, was wir wollen. Unser Ziel: Durchkommen. Bei über 53 Grad Celsius im Schatten – den es hier nicht gibt – sind wir ganz schön gefordert.

Im Coachinggespräch vereinfachen wir dann erst einmal. Wir reduzieren die Komplexität, indem wir anfangen, zu sortieren. Das geht ganz gut mit einem simplen Trick:

Der 6-W-Fragen-Trick

Was will ich erreichen – was ist mein Ziel? Warum will ich das erreichen – welches Bedürfnis steht hinter meinem Ziel? Wann fange ich damit an? Wie will ich dabei vorgehen? Wo sehe ich Hindernisse auf dem Weg zum Ziel? Wer kann mir dabei helfen, mein Ziel zu erreichen?

Diese sechs einfachen W-Fragen können wir zu unseren ständigen Begleitern machen. Immer dann, wenn wir in eine schwierige Situation geraten, können wir sie als Vereinfachungshelfer nutzen, um Orientierung und mehr Klarheit auf dem Weg zu unserem Ziel zu bekommen.

Der 6-W-Fragen-Trick

1. Was will ich erreichen?

2. Warum will ich das erreichen?

3. Wann will ich damit anfangen?

4. Wie will ich es machen?

5. Wo sehe ich Hindernisse?

6. Wer kann mir dabei helfen?

Die stärkste Frage unter den sechs ist die Frage nach dem Warum. Warum wollen wir ein Ziel erreichen? Interessant ist, dass wir im Alltag wenig über das Warum reden, aber sehr viel über unsere Ziele. »Was ist dein Urlaubsziel?« »Was ist dein Karriereziel?« »Was ist dein Jahresziel?« »Was ist dein Gehaltsziel?« »Was, was, was …?«

Dabei sind die Ziele, die wir uns setzen, nichts anderes als die sichtbare Oberfläche unserer Bedürfnisse. Die Energie, uns für ein Ziel anzustrengen und etwas zu riskieren, entsteht immer und ausschließlich aus dem Wunsch heraus, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn wir uns beispielsweise eine Gehaltserhöhung zum Ziel setzen, kann dahinter das Bedürfnis nach mehr Sicherheit oder nach mehr Anerkennung oder nach Gerechtigkeit stehen. Setzen wir uns zum Ziel, einen Marathon zu laufen, steht dahinter vielleicht das Bedürfnis, uns selbst und eventuell auch anderen zu beweisen, dass wir willensstark genug sind, um zu trainieren und die 42,195-Kilometer-Strecke zu schaffen.

Am Anfang steht immer ein Bedürfnis, dann erst kommt das Ziel. Deshalb geht es eigentlich nie um die Ziele selbst, die wir glauben, erreichen zu wollen, oder um die Dinge, die wir glauben, haben zu wollen oder tun zu müssen. Es geht immer darum, ein Bedürfnisdefizit aufzulösen. Ansonsten würden wir uns keine Ziele setzen.

Auch unsere Vorfahren haben sich nicht einfach so das Ziel gesetzt, ein Mammut zu jagen. Am Anfang stand das Grundbedürfnis, etwas zwischen den Zähnen zu haben, das Überleben der Gruppe zu sichern. Die Energie für die Anstrengung und die Bereitschaft, das Risiko der Jagd einzugehen, entstanden aus dem Wunsch heraus, dieses Bedürfnis zu befriedigen.

Die Frage, was wir wirklich wollen, ist untrennbar mit der Frage, warum wir das wollen, verbunden. Wenn wir unser Warum, unsere Bedürfnisse hinter dem Was kennen, finden wir unseren Weg und behalten unsere Ziele leichter im Auge. Im Coachinggespräch frage ich die Leute deshalb oft ausgiebig nach dem Warum und rufe so den eigentlichen Impuls, den ursprünglichen Auslöser und das Bedürfnis hinter dem Ziel wieder in Erinnerung.

Mein Auslöser dafür, reisen zu wollen, unterwegs sein zu wollen, war eine Reisereportage über Australien, die ich gesehen habe, als ich acht Jahre alt war. Heute, viele Jahre und viele Reisen später, weiß ich, dass der Impuls, das Bild »Abenteurer in Australien«, eines meiner tiefsten Bedürfnisse berührt hat. Damals in einer Dreizimmerwohnung vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher. Als kleiner Junge in einer kleinen Welt. Das Bedürfnis nach Freiheit. Der heftige Drang nach Unabhängigkeit und Wachstum.

Dieses Bedürfnis hat sich mein ganzes Leben lang seinen Weg gebahnt. Und glauben Sie mir, weder mit acht und auch noch nicht mit 18 Jahren wusste ich, wohin genau mich dieser Weg führen wird. Ich bin losgelaufen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Als Jugendlicher bin ich unter anderem von Freiburg nach Paris und zurück gelaufen, habe am Wegesrand geschlafen, Brunnenwasser getrunken und mich von Baguette und Obst ernährt. Ich habe mir, wie so ziemlich alle in meiner Umgebung, alltägliche Ziele gesetzt: Schulabschluss, Ausbildung, Studium, Berufstätigkeit. Und ich habe mein Ding gemacht und immer, wenn ich gespürt habe, dass es mir eng ums Herz wurde, wusste ich, dass mein Weg nicht mehr lange in diese Richtung weiterverlaufen wird.

Meine Bedürfnisse nach Freiheit, Unabhängigkeit und Wachstum sind zu einem Wegweiser in meinem Leben geworden. Um diese Bedürfnisse zu befriedigen, bin ich bereit, Anstrengung und Risiko auf mich zu nehmen. Aktuell lebe, schreibe und coache ich in den Tropen Australiens.

Die menschlichen Grundbedürfnisse ähneln sich. Wir alle müssen essen, trinken und schlafen, und wir alle wünschen uns Sicherheit und Schutz. Wir haben den Wunsch, mit anderen Menschen verbunden zu sein, aber auch das Bedürfnis, zu wachsen, unabhängig und erfolgreich zu leben. Und wir wollen Einfluss nehmen auf unsere Lebensumstände.

Spannend ist, dass die Ziele, über die sich unsere Bedürfnisse ausdrücken, ganz unterschiedlich sein können – abhängig von unserer Bereitschaft, unseren Fähigkeiten und unseren Möglichkeiten, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Nicht jeder kann immer alles überall erreichen. Aber wenn wir unsere Bedürfnisse kennen, finden wir einen Weg, passende Ziele zu wählen, die für uns auch erreichbar sind.

Denken wir nur an Karl May, der lange Jahre seines Lebens aufgrund von Gaunereien im Gefängnis saß und sein Bedürfnis nach Freiheit nicht etwa auf Reisen, sondern in seiner Fantasie als Autor von Reiseerzählungen und Abenteuerromanen auslebte. Legendär sind seine Geschichten um den Indianer Winnetou. Karl May ist einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller mit einer weltweiten Auflage von über 200 Millionen.

Es lohnt sich, einmal innezuhalten und sich zu fragen, welche Bedürfnisse wir mit unseren Zielen befriedigen wollen und welche Ziele zu unseren Bedürfnissen passen. Denn unsere Ziele können wir uns aussuchen. Unsere Bedürfnisse nicht.

Vorhaben, die nicht zu unseren Bedürfnissen passen, sollten wir gleich sein lassen. Wir verfolgen zu oft Ziele, die uns eigentlich nichts bedeuten, um Leute zu beeindrucken, die wir eigentlich nicht mögen, und vergeuden damit Zeit und Energie, die wir nicht haben.

Wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir von ganzem Herzen erreichen wollen, wenn wir nach den Sternen greifen, auch wenn wir vielleicht nur den Mond erreichen, dann wird vieles viel einfacher. Dann sind wir auf einmal ganz dicht dran an unseren Bedürfnissen, an unserer Energiequelle. Und dann haben wir den Mut und die Kraft und die Ausdauer, auch »Unmögliches« zu erreichen.

Probieren Sie es aus. Sortieren Sie die Dinge und fragen Sie sich nach Ihrem Warum. So finden Sie heraus, was Sie wirklich wollen, bekommen Zielklarheit, und es gelingt Ihnen leichter, einen Weg zu finden und Ihre Herzensziele im Auge zu behalten.


Wir haben unser Ziel erreicht: In Salah, Die Quelle des Heils. Hier gibt es Schatten und Wasser. In Salah ist einer der heißesten Orte in der Sahara. Eine extreme Hitzewelle beschert uns fast 60 Grad Celsius im Schatten. Wir können gar nicht so viel trinken, wie wir schwitzen. Die Proteine fangen an zu denaturieren. In Gesprächen erfahren wir, dass 17 einheimische Oasenbewohner in den letzten Tagen gestorben sind. Wir müssen weiter. Raus aus dem Hitzekessel. Ich denke mir: Einzelne Ziele sind nur Etappen auf einem Weg. Gleichgültig, wie anstrengend es ist, sie zu erreichen – es geht weiter.


Sommer 1990. Zentralsahara. Die Piste nach Tamanrasset ist teilweise schwer zu meistern. Raphael und ich sind auf unserer zweiten Saharadurchquerung mit Motorrädern unterwegs. Hier muss man damit aufhören, so zu fahren, wie man das von deutschen Straßen gewohnt ist. Was auf der Straße funktioniert, funktioniert im Gelände nicht.

2. AUFHÖREN

Wenn etwas nicht funktioniert,

hör auf damit.

Es ist verblüffend, wie viele Dinge wir tun, mit denen wir nur aufhören müssen, damit sie den Weg freigeben für das, was uns wirklich wichtig ist. Im Coachinggespräch geht es deshalb häufig um einen vermeintlich einfachen Tipp. Er lautet: Wenn etwas nicht funktioniert, hör auf damit.

Wenn es nicht funktioniert, gleichzeitig konzentriert an einer Aufgabe zu arbeiten und die Neuigkeiten auf Facebook zu checken, dann hör auf damit, Facebook zu checken. Wenn es nicht funktioniert, schlanker zu werden und Chips zu essen, dann hör auf damit, Chips zu essen.

Da es jedoch nicht einfach ist, mit etwas aufzuhören, das uns in Versuchung führt und uns eine schnelle Belohnung verspricht, brauchen wir dafür einen guten Trick. Und den gibt es:

Der 10-Minuten-Trick

Wir können damit anfangen, aufzuhören, indem wir zehn Minuten warten, bevor wir einer Versuchung nachgeben, und damit etwas tun, das uns von dem abhält, was wir eigentlich machen wollen. Wir hören also gar nicht ganz damit auf, sondern fangen nur damit an, aufzuhören, indem wir warten und uns die Erlaubnis erteilen, nach zehn Minuten Wartezeit der Versuchung nachzugeben, wenn unser Verlangen dann noch immer so groß ist.

Wenn wir beispielsweise an einer wichtigen Präsentation arbeiten und der Impuls groß ist, nach dem Smartphone zu greifen, um unsere Social-Media-Kanäle zu checken, dann können wir uns sagen: »Stopp. Ich warte zehn Minuten. Wenn mein Wunsch nach zehn Minuten immer noch so stark ist, kann ich der Versuchung nachgeben.« Bei diesem Trick ist es sehr hilfreich, wenn wir uns während der zehn Minuten Wartezeit das wichtige Ziel ins Gedächtnis rufen, das wir erreichen, wenn wir der Versuchung widerstehen und an unserer Präsentation weiterarbeiten, etwa: »Ich werde im Meeting den Vorstand überzeugen und habe dadurch Chancen auf eine Beförderung.« Nicht hilfreich ist es dagegen, wenn wir während der zehn Minuten ständig an die Versuchung denken.

Zehn Minuten Verzögerung wirken Wunder! Wir können dadurch unser starkes Verlangen nach einer sofortigen Belohnung in den Griff bekommen. Die neurobiologischen Einzelheiten erspare ich Ihnen hier, aber Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass bereits zehn Minuten Wartezeit die Art, wie unser Belohnungszentrum im Gehirn reagiert, entscheidend verändern. Wenn eine unmittelbare Befriedigung erst mit zehnminütiger Verzögerung in Aussicht steht, behandelt das Gehirn sie wie eine zukünftige Belohnung. Dadurch wirkt das Belohnungsversprechen weniger stark, wodurch das unwiderstehliche Verlangen nach dem, was uns eine sofortige Belohnung verspricht, ausbleibt. So können wir der Versuchung leichter widerstehen.

Der 10-Minuten-Trick

Wenn ich das Verlangen spüre, etwas zu tun, das mich von dem abhält, was ich eigentlich tun will, warte ich zehn Minuten, bevor ich der Versuchung nachgebe. Zwei Dinge sind dabei hilfreich. Erstens: die Selbsterlaubnis, nach zehn Minuten Wartezeit der Versuchung nachzugeben, wenn mir dann noch danach ist. Und zweitens: während der zehn Minuten Wartezeit an mein Ziel denken, das ich erreiche, wenn ich der schnellen Belohnung widerstehe und das mache, was ich eigentlich machen will.

Noch ein Tipp: Um die zehn Minuten Wartezeit durchzuhalten, hilft es, wenn wir einen räumlichen oder visuellen Abstand zum »Objekt der Begierde« schaffen, zum Beispiel indem wir das Smartphone in die Schublade oder die Chips-Tüte in den Schrank packen.

Bei mir waren es Gummibärchen, die mir während meiner ersten drei Schreibjahre 20,4 Kilogramm mehr Gewicht auf der Waage beschert haben. Ich hatte immer eine große Familienpackung in Reichweite auf dem Tisch stehen. Es war so einfach – und so lecker. Sitzen, schreiben, Gummibärchen essen. Tag für Tag und Woche für Woche.

Als der Knopf an meiner Jeans nicht mehr zuging und die Waage bedenkliche 95 Kilogramm anzeigte, habe ich den 10-Minuten-Trick genutzt. Gummibärchen in den Schrank. Immer, wenn ich den Impuls verspürte, aufzustehen, um eine Handvoll zu essen, habe ich zehn Minuten gewartet und mir selbst erlaubt, danach zuzugreifen, wenn ich dann noch wollte. In der Wartezeit habe ich an meinem Buch weitergeschrieben und mich so mit meinem eigentlichen Ziel beschäftigt. Das hat geholfen. Denn nach zehn Minuten war ich wieder so konzentriert bei der Sache, dass ich gar keinen Heißhunger mehr auf die Gummibärchen hatte.

Es dauerte eine Weile, und neben dem 10-Minuten-Trick für die Gummibärchen brauchte ich noch einen anderen Trick, der mir beim Thema Bewegung geholfen hat, aber dazu später mehr. Nach und nach habe ich die 20 Kilogramm wieder abgenommen.

Um leichter damit aufzuhören, einem plötzlichen Verlangen nach einer schnellen Belohnung nachzugeben, wirken zehn Minuten Warten verblüffend einfach. Wenn wir das nächste Mal konzentriert ein Fachbuch lesen wollen und das Verlangen verspüren, immer wieder auf unser Smartphone zu schauen, wenn wir weniger Zucker essen wollen, aber die Versuchung groß ist, nach den Gummibärchen oder der Schokolade zu greifen, dann können wir tief durchatmen, lächeln und warten – nur zehn Minuten.

Doch es sind nicht nur die Versuchungen, die schnellen Belohnungen, die uns davon abhalten, das zu tun, was notwendig wäre, um unsere Ziele zu erreichen. Es sind auch unsere eingeschliffenen Lösungsmuster, die uns immer wieder auf alte Wege führen, wo uns doch neue Wege offenstehen. Das erleben wir beispielsweise, wenn wir vom Mitarbeiter zur Führungskraft aufsteigen und versuchen, unsere neuen (Führungs-)Aufgaben mit unseren alten (Mitarbeiter-)Lösungen anzugehen. Oft versuchen neu ernannte Führungskräfte mit noch effizienteren Zeitmanagementtechniken alle Aufgaben selbst abzuarbeiten, statt mehr Aufgaben zu delegieren, um den Kopf für die Mitarbeiterführung und für wichtige Entscheidungen frei zu haben. Hier gilt der gleiche einfache Tipp: Wenn das, was du schon immer tust, nicht (mehr) funktioniert, dann hör am besten damit auf.

Nun ist auch das leichter gesagt als getan. Denn Lösungsmuster sind ja Verhaltensweisen, die einmal ganz gut funktioniert haben. Was machen wir, wenn ein Verhalten, das einmal funktioniert hat, jetzt leider nicht mehr hilfreich ist? Auch dafür gibt es einen Trick: Wir können damit anfangen, aufzuhören, das zu tun, was wir schon immer tun, indem wir uns erlauben, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Wichtig ist dabei wiederum die Selbsterlaubnis. Wir können uns dazu entscheiden, etwas ganz ander(e)s zu machen, wir müssen aber nicht. Wir können uns auch dafür entscheiden, den alten Stiefel weiterzumachen, obwohl er nicht (mehr) funktioniert. Aber auch das müssen wir nicht.

Ein Mitarbeiter hat wieder einmal eine Aufgabe nicht richtig verstanden und liefert ein unbrauchbares Ergebnis ab. Der Chef merkt, wie er den Mitarbeiter wieder zurechtweisen will: »Herrje, zum wievielten Mal habe ich Ihnen das jetzt schon erklärt? Wann kapieren Sie das denn endlich? Machen Sie das so …!« Doch halt, hat eine Zurechtweisung des Mitarbeiters in der Vergangenheit zu guten Ergebnissen geführt? Nein? Dann wäre jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Der Chef könnte seinen Mitarbeiter zum Beispiel einmal fragen, welche Unterstützung ihm helfen würde, um besser zu arbeiten. Er könnte mit dem Mitarbeiter auch in die Besprechungsecke gehen und erst einmal eine Tasse Kaffee mit ihm trinken. Um einmal etwas ganz anders zu machen, ist es hilfreich, wenn wir einmal etwas ganz anderes machen, zum Beispiel den Kontext wechseln – weg vom Schreibtisch, hin zur Besprechungsecke oder zur Kaffeeküche.

Wenn das, was wir schon immer tun, nicht (mehr) funktioniert, dann hören wir also am besten damit auf und machen etwas ander(e)s. Klingt eigentlich ganz einfach, allerdings sind wir es gewohnt und geschult darin, wenn etwas nicht funktioniert, noch mehr desselben zu tun und es noch härter zu versuchen. Try hard, try harder. Wenn es dann immer noch nicht klappt, dann haben wir einfach noch nicht genug getan – denken wir. Manchmal stimmt das auch. Manchmal müssen wir noch mehr und noch härter arbeiten, um unser Ziel zu erreichen. Aber ganz oft stimmt es auch nicht. Ganz oft holen wir immer und immer wieder unseren Hammer aus der Schublade, obwohl wir schon längst Schrauben in die Wand drehen wollen.

Ich erinnere mich noch ganz genau an jenen heißen Tag im Juni 2014, als ich den »Hammer« nicht aus der Hand legen konnte. Ich hatte mir die Pfingstwoche freigenommen, um in aller Ruhe zu schreiben. Eine Woche keine Termine. Telefon aus. Autoreply im E-Mail-Account. Frau alleine im Urlaub. Freunde und Familie informiert. Jetzt nur noch mein Mac-Book und ich an meinem großen Holztisch in Freiburg mit Blick über den Schwarzwald. Ein Traum. In den vergangenen Wochen hatte ich mich auf eine Fragestellung für mein neues Buch »Erfolg durch Willenskraft« konzentriert. Dazu hatte ich viele Gespräche geführt, Artikel gelesen und Notizen gesammelt. Und jetzt war wieder Schreibwoche: früh morgens aufstehen, unmittelbar danach an den Rechner, anfangen zu schreiben, den ganzen Tag. Unterbrochen nur von einigen kurzen Pausen. Bis spät in die Nacht. Am nächsten Morgen das gleiche Programm. Flow-Erlebnis pur.

Die ersten beiden Tage liefen wunderbar. Pfingstmontag wollte ich genauso weitermachen. Irgendwie hat es aber nicht geklappt. Keine Konzentration. Schon am Vormittag 25 Grad. »Egal«, dachte ich. »Ich habe einen Plan: schreiben, bis ich einschlafe.« Nach vier Stunden am Rechner hatte ich fünf Sätze geschrieben. Immer wieder kamen mir Gedanken ans kühle Wasser im nahegelegenen Schwimmbad in den Sinn. »Nein. Selbstregulation. Du musst schreiben.« Nachmittag. Die Luft steht in der Wohnung. Dachgeschoss. 37 Grad. Ich sitze und schwitze und versuche zu schreiben, weil das mein Plan ist und bislang auch immer geklappt hat. Sitzen und konzentriert schreiben, bis etwas Brauchbares dabei rauskommt. Mittlerweile habe ich schon fast eine Seite geschrieben – in sieben Stunden. »Schwimmbad? Nein! Du musst schreiben, das ist dein Plan.« Abend. Immer noch über 30 Grad. Jetzt habe ich die Seite vollgeschrieben – und gelöscht. War nichts. Ich will raus, weg vom Holztisch und dem Rechner und schaffe es nicht.

Nach zehn Stunden starrend vor dem Bildschirm muss ich plötzlich laut über mich selbst lachen. »Prima, HG, hast den ganzen Tag verbockt. Nix zu Papier gebracht. Nicht im Schwimmbad gewesen. Rückenschmerzen.« Ich wollte zu sehr mit meiner üblichen Schreibstrategie, die ja immer prima funktioniert hat, das Kapitel zu Ende schreiben und habe dabei versucht, »mit dem Hammer Schrauben in die Wand zu klopfen«. Doch mehr desselben Verhaltens war nicht die Lösung. Ich hätte einfach aufhören und etwas ganz ander(e)s machen können. Eben ins Schwimmbad gehen und danach frisch und erholt einige Seiten zu Papier bringen. Das wäre viel besser gewesen, als dazusitzen und den Bildschirm anzuglotzen. Am nächsten Tag habe ich freigemacht. Wenn etwas nicht funktioniert – dachte ich mir –, dann hör auf damit und mach etwas ander(e)s.


Unser Weg nach Tamanrasset, ein ehemaliger Karawanenstützpunkt und heute die größte Oase im Süden Algeriens, ist anspruchsvoll. Der Himmel bleigrau, die Luft voller Sand. Asphaltierte Straßen verschwinden, weil sich durch die Hitze und den LKW-Verkehr der Asphalt auflöst. Übrig bleiben Pisten. Unser Weg entsteht oft dadurch, dass wir uns eine Spur durch den Sand pflügen. Auf den unendlichen Kilometern nach Süden begreife ich zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, wenn kein Weg mehr vorgegeben ist. Ich denke mir: Da kann man auch verloren gehen. Das muss man echt wollen und aushalten können.

Wenn Sie das nächste Mal über einer Aufgabe brüten – so wie ich an meinem Schreibtag bei 37 Grad – und einfach nicht weiterkommen, wenn Sie mit Ihrem Partner streiten und erfolglos versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass natürlich Sie recht haben, wenn Sie versuchen, mit noch effizienteren Zeitmanagementtechniken Ihr Karriereziel zu erreichen, es aber einfach nicht klappt, dann wäre es vielleicht einen Versuch wert, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Erlauben Sie sich, es auszuprobieren.

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