Kitabı oku: «I. Die Bio-Ökonomie - Die nachhaltige Nischenstrategie des Menschen», sayfa 9

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Abbildung 2: Energieströme und -transformationen in Ackerbaukulturen


Abbildung 2 zeigt die energetischen Ströme in Ackerbaukulturen. Solare Energie wird durch pflanzliche und tierische Aktivitäten (einschließlich Mikroorganismen) sowie menschliche Arbeit zu erneuerbaren Ressourcenvorräten (VeR) angehäuft, die Bedürfnisse in der Humansphäre Sphäre (MS) befriedigen. Das Pflugsymbol steht für die Nutzung von Werkzeugen und einfachen Techniken zum Bilden und Wieder-Freisetzen von Energiereserven. Der geleistete Unterhaltungsaufwand wird mit einer starken blauen Linie bezeichnet. Dies ist der Strom menschlicher Arbeit, der aufgewendet wird, um Vorräte erneuerbarer Ressourcen zu erhalten.

Trotz der inhärenten Auflösungsdynamiken und des äußeren Druckes durch die industriell-kapitalistische Lebensweise, haben sich in abgelegenen ökologischen Regionen nachhaltige Feldbaukulturen bis in die Gegenwart erhalten, deren Überleben heute jedoch verstärkt bedroht ist. In den Höhenlagen des tropischen Regenwaldes auf Neu-Guinea betreiben zum Beispiel die Tsembaga noch heute Gartenbau auf Brandrodungsbasis. Unter dem Aspekt der Transformation von Energie betrachtet, sieht ihre Nischenstrategie wie folgt aus: Zunächst wird eine Waldfläche brandgerodet und dann umzäunt. Asche und Abfall düngen den Boden. Es wird Mischkultur betrieben, das heißt der Boden wird nicht in Reihen und Beete unterteilt, sondern verschiedene Wurzelpflanzen wie Yams und Süßkartoffel wachsen in unterschiedlicher Bodentiefe miteinander. Nach 18-24 Monaten ist die Ernte (die sukzessive erfolgt, da Vorratshaltung kaum möglich ist) abgeschlossen. Der alte Garten wird dann aufgegeben, so dass die ursprüngliche Vegetation wieder ihren Platz einnehmen kann. Ein neuer Garten wird dann an anderer Stelle angelegt. Da im Vergleich zur Gesamtfläche des Regenwaldes immer nur ein ganz winziges Stück brandgerodet wird, bleibt die kontinuierliche Regeneration des Systems voll erhalten. Kein Vergleich also mit der schonungslosen Brandrodung des brasilianischen Urwaldes, um Weideflächen für Mc-Donalds-Rinder zu schaffen, die zu irreparablen Schäden führt. Der Gartenbau der Tsembaga braucht weder Dünger noch importierte Werkzeuge. Er kommt also ohne Energiezufuhr von außen aus und basiert auf menschlicher Muskelkraft als Hauptenergiequelle. Diese Nischenstrategie respektiert das Gleichgewicht des tropischen Regenwaldes und führt nicht zur ökologischen Simplifikation der Nische - der Idealfall einer nachhaltigen Wirtschaft.[161]

3. Asiatische Produktionsweise – Hydraulische Gesellschaft

Unter den historischen Ackerbaugesellschaften zeichnen sich insbesondere drei große Formen agrarischer Kulturen durch den Entwurf komplexer Lebensordnungen und eine zeitlich relativ beständige Struktur aus: die Antike, der Feudalismus und die Asiatische Produktionsweise. Das ursprüngliche Gemeineigentum zerfällt dabei in orientalische, römische (antike) und germanische Formen der Dorfgemeinde mit entsprechenden Abstufungen in den Eigentumsverhältnissen. Die Antike bildete zunächst eine teils stationäre, teils nach außen aggressive Wirtschaftsform, wie die kolonialen Ambitionen und die rücksichtslose Abholzung der ausgedehnten mediterranen Waldgebiete zeigt. Erst nach einer rückläufigen Entwicklung wurde hier der Weg zur Freisetzung dynamischer Kräfte geebnet. Aus dem Feudalismus entwickelte sich schließlich der industrielle Kapitalismus. Nach Marx' Ansicht geht mit dem Zerfall des naturwüchsigen Gemeineigentums die Entstehung von gesellschaftlicher Ausbeutung und Elend einher, die erst mit dem Übergang zur auf Privateigentum gegründeten Klassengesellschaft Einzug in die Geschichte der menschlichen Gesellschaft halten.[162] Während die beiden oben erstgenannten Typen über starke inhärente Dynamiken verfügen, die auf eine Änderung der nischenspezifischen Strategie drängen, ist die Asiatische Produktionsweise die typische Form einer entfalteten Ackerbaukultur, die kaum über innere Dynamik zur Differenzierung und Umgestaltung der globalen Nischenstrategie verfügt. Sie kann nur durch äußere Eingriffe transformiert werden. Insofern verkörpert sie den Idealtyp einer stationären Wirtschaftsweise.[163]

Die verschiedenartige Ausprägung agrarischer Kulturen ist auf unterschiedliche Voraussetzungen in der natürlichen Umwelt, also auf die Gegebenheiten der jeweiligen ökologischen Nische zurückzuführen. Entsprechend der Bodenbeschaffenheit, den Klimaverhältnissen (vor allem der Häufigkeit und Regelmäßigkeit der natürlichen Niederschläge) kann zwischen intensiver und extensiver Pflanzenkultur unterschieden werden. Die europäischen Frühformen des Ackerbaus waren extensiv, das heißt ihre Grundlage waren fruchtbare Böden und regelmäßige Regenfälle. Boden- und Klimaverhältnisse erforderten keine künstliche Bewässerung. Aber in anderen Regionen der Erde konnten regelmäßige und üppige Ernten nur durch intensive Pflanzenkultur eingebracht werden, das heißt, es musste künstlich bewässert werden. Das entscheidende Merkmal zur Charakterisierung der Asiatischen Produktionsweise liegt in der Anlage und Unterhaltung komplexer Wasserbauten und Wasserführungssysteme zur erfolgreichen landwirtschaftlichen Bodennutzung. Künstliche Bewässerung hat dabei nicht nur die Aufgabe, den Nahrungspflanzen hydraulische Energie zuzuführen und sie vor Ausdörrung zu schützen, sondern soll auch die Wassermassen beherrschen, die aus periodischen Überschwemmungen oder Schneeschmelzen über das Land hereinbrechen und so die Ernten zu zerstören drohen. Unabhängig voneinander entwickelten sich nicht nur in Asien, sondern auch in anderen Teilen der Welt komplexe Bewässerungswirtschaften: in Ägypten und Mesopotamien, Indien, China, Mexiko und den Küstengebieten der Anden, wobei das hauptsächliche geographische Verbreitungsgebiet allerdings in Asien liegt, vor allem in China und Indien. Gemeinsames Merkmal dieser geographischen Regionen ist die Abwesenheit ausreichender Niederschläge und das Vorhandensein zugänglicher Wasservorräte. Um die Bewässerungsanlagen und Schutzbauten zur Regulierung von Hochwassern der angezapften Flüsse und von periodischen Überschwemmungen zu errichten, ist der kollektive Arbeitseinsatz sehr vieler Menschen notwendig. Diese Arbeiten erfordern eine besondere Art der Arbeitsteilung und eine Kooperation auf hoher Stufenleiter. Sie müssen zur richtigen Jahreszeit und im genau berechneten Umfange geleistet werden. Neben der Beherrschung von Zeitmessung, Geometrie und Mathematik ist eine Institution erforderlich, die diesen Einsatz der Arbeitskräfte zentral koordiniert und steuert:

Die wirksame Durchführung der hydraulischen Aufgaben eines Landes verlangt ein organisatorisches Geflecht, das die Einwohnerschaft des ganzen Gebietes (...) umfasst. Wer immer die Fäden dieses Geflechts in seiner Hand hält, hat eine einzigartige Chance, sich der höchsten politischen Gewalt zu bemächtigen.”[164]

Auf der Basis selbstgenügsamer, bäuerlicher Gemeinwesen erhebt sich ein zentralisierter Apparat, der die zentrale Energiebasis der Gesellschaft, das Wasser, kontrolliert und verteilt. Dieser Apparat, der die Kanal- und Bestellungsarbeit auf der Basis des Fronsystems sowie den Steuereinzug für seinen Unterhalt organisiert, bildet die Basis des hydraulischen Staates und das zentrale Instrument der über den kleinen Gemeinden schwebenden despotischen Regierung.[165] Mit zunehmender Erstarkung organisiert dieser zentralisierte Staatsapparat auch die Errichtung und den Unterhalt nicht-hydraulischer Werke wie Verteidigungs- und Verkehrsanlagen sowie von Palästen, Grabstätten und Tempeln.

Die Eigentumsverhältnisse in der Asiatischen Produktionsweise sind ein äußerst kompliziertes und umstrittenes Gebiet, zumal auch das Eigentum an Menschen, die Sklaverei, impliziert ist. Marx sieht in der Dorfgemeinde den wirklichen Eigentümer: „Eigentum nur als gemeinschaftliches Eigentum an dem Boden.”[166] Zugleich spricht er von einer allgemeinen Sklaverei der gesamten Bevölkerung unter dem Regiment des despotischen Staates, im Unterschied zur privaten Sklaverei im klassischen Altertum und der dezentralisierten Gewalt der feudalistischen Gesellschaft. Wittfogel hält dagegen die marxistisch orientierte, von den Eigentumsverhältnissen ausgehende Klassensoziologie für zu eng, um die Charakteristiken der hydraulischen Gesellschaft zu erfassen. Ob der zentralisierte Staatsapparat Eigentümer der nutzbaren Wasservorräte ist, sei letztlich eine bloß juristische Frage. Entscheidend sei vielmehr, dass er dieses gewaltige Energiereservoir kontrolliert.[167] Grundlage der Naturaneignung in der Asiatischen Produktionsweise sind also eine zentralmachtorientierte[168] Bewässerungswirtschaft auf der Basis despotischer Herrschaft, alimentiert durch ein staatliches Steuersystem einerseits und selbstgenügsame, wesentlich für den Eigenbedarf produzierende, auf gemeinschaftlichem Besitz an Grund und Boden beruhende, dörfliche Gemeinschaften andererseits. Diese Dorfgemeinschaften gehen nicht über die Subsistenzproduktion hinaus. Sie formen einen lokal gebundenen Mikrokosmos, der selbständig in der großen territorialen Ausdehnung vorhanden ist. Agrikultur und Hausindustrie bleiben eng verbunden. Besonders im alten Indien sind diese Dorfgemeinschaften ziemlich autark. Handweberei, Handspinnerei und handbetriebener Ackerbau bilden hier die Basis der örtlichen Selbstversorgung.[169] Im alten China sind örtliche Gemeinden und Zentralregierung aufgrund des Mangels an Kommunikations- und Transportmöglichkeiten nur lose miteinander verbunden.[170] Grundlage dieser Technologie der Naturaneignung ist solare Energie, die durch menschliche Arbeit auf niedriger entropischer Basis im Zusammenwirken mit den Naturkräften transformiert wird. Das Spinnrad zum Beispiel „nutzt die verfügbare mechanische Energie eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes zur Herstellung materieller Güter. Der Handwebstuhl arbeitet ähnlich. Diese mechanische Energie stammt aus der Nahrung, die von den Menschen verzehrt wird. Die Energie in der Nahrung kommt aus den Sonnenstrahlen, die auf die Felder fallen, wo die Nahrungsmittel wachsen.”[171]

In den alten indischen Dorfgemeinden ist die Arbeitsteilung relativ schwach entwickelt. Nur wenige Gemeindebewohner üben spezialisierte Berufe aus wie der Schmied, der Zimmermann oder der Töpfer. Die meisten Handwerksarbeiten wie Spinnen, Weben, Backen usw. werden von jeder Familie neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu Hause betrieben. Der Tauschhandel vollzieht sich lediglich innerhalb einer Dorfkultur und findet dadurch nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Die Warenproduktion, das heißt die Produktion von Waren für den Tausch, spielt in der Asiatischen Produktionsweise nur eine untergeordnete Rolle. Da sich Privateigentum und Austausch nicht herausgebildet hatten, sind Arbeit und Einkommen getrennt: die Handwerker sind, ebenso wie die Brahmanen und Lehrer, Beamte der Gemeinde, die von ihr ernährt werden. Ihr Einkommen ist ein Anteil am gemeinschaftlichen Arbeitsprodukt und steht nicht im Zusammenhang mit dem Umfang ihrer individuellen Arbeit.[172]

Die Asiatische Produktionsweise beruht auf dem kombinierten Nebeneinander von zwei verschiedenen Strategien menschlichen Überlebens in der ökologischen Nische. Das natürliche Umfeld dieser Wirtschaftsform sind große Mengen diffus einstrahlender solarer Energie einerseits und ein chronischer Mangel an zeitlich und räumlich gleichmäßig verteilten Wasservorräten andererseits. Aus der Notwendigkeit, die Energien des Wassers lokal verfügbar zu machen, entsteht der despotische Staat als spezifisches Instrument der Nischenspezialisierung. Dieser zentralisierte Machtapparat differenziert sich nun nach zwei Richtungen: Zum einen übt er gesellschaftlich nützliche Funktionen für die Gemeinde aus, indem er die Landwirtschaft durch das gewaltige Projekt der Wasserregulierung in Gang hält und dadurch auch innere Stabilität und Schutz vor militärischen Aggressionen garantiert, zum anderen führt er jedoch zur Herausbildung einer despotischen Minderheit, die menschliche Sklavenarbeit zur Befriedigung ihrer Luxusbedürfnisse mobilisiert. Ausgehend von diesem Doppelcharakter des hydraulischen Machtapparates kommt es hinsichtlich der technischen Gestaltung äußerer Natur zu einer konfliktreichen Vermählung zwischen dezentralen, überschaubaren und dialogischen Technologien einerseits mit zentralmachtorientierten, spezialisierten und autoritären Technologien andererseits. Mit Blick auf den Gegensatz zwischen Dorfkultur und Zentralmacht hat Lewis Mumford diese beiden gegensätzlichen Weisen menschlichen Stoffwechsels mit der Natur hinsichtlich ihrer jeweiligen Energiebasis unterschieden und bezeichnet sie mit dem Gegensatzpaar von autoritärer und demokratischer Technik:

Ich verstehe unter demokratischer Technik eine überschaubare Produktionsweise. Sie basiert hauptsächlich auf handwerklichen Fähigkeiten und animalischer Energie und bleibt auch bei der Anwendung von Maschinen der aktiven Kontrolle des Handwerkers unterstellt (...) Die Leistungsfähigkeit dieser Technologie war immer begrenzt, aber gerade wegen ihrer weiten Verbreitung und bescheidenen Ansprüche besaß sie eine große Anpassungs- und Regenerationsfähigkeit.”[173]

Im Gegensatz zu dieser auf menschliche Autonomie über den technologischen Gestaltungsprozess zielenden Technik, beruhe die autoritäre Technik auf unbarmherziger physischer Gewalt, Zwangsarbeit und Sklaverei; sie sei zentralisiert und spezialisiert und ermögliche erst entscheidende Erfindungen, schriftliche Aufzeichnungen und komplexe Maschinen. Die hydraulische Gesellschaft ist offensichtlich durch ein Nebeneinander beider Techniken gekennzeichnet, wobei die Impulse zur differenzierten Naturbeherrschung von der zentralisierten, autoritären Technik kommen. Durch die Anwendung der autoritären Technik hatten asiatische Gesellschaften bereits vor Jahrtausenden ein Niveau technischen Wissens erreicht, welches höher lag, als dasjenige Europas im Beginn der Industrialisierung. So gab es u.a. schon Gusseisen und mit Wasserkraft betriebene Webstühle.[174]

Die demokratische Technik gewinnt ökologisches Wissen auf partnerschaftliche Weise. Erprobungsfeld ist primär die Natur selbst, nicht aber der organisiert-experimentelle Umgang mit Naturgegenständen, der das Erkenntnisobjekt auf verletzende Weise einschränkt. In den Ackerbaugesellschaften sind insbesondere die Frauen die technologischen Expertinnen, was die Pflege der Felder und Gärten oder die Sorge um Brunnen und Wasserstellen betrifft. Vandana Shiva sieht in den Frauen die traditionellen Naturwissenschaftlerinnen:

„ ... Frauen (...) verfügen über ein ökologisches, zugleich plurales Wissen über verschiedene natürliche Ökosysteme wie auch über die Vielfalt von Kulturen, die ein naturbezogenes Leben hervorbringt. Mit der Kolonisierung der verschiedenen Völker ging weltweit und zuvörderst die gewaltsame Unterdrückung jener ökologischen Erkenntnismodelle einher, welche Natur und Erde als Hort aller verborgenen und manifesten schöpferischen Kräfte, als Beweggrund der Welt verstanden.” [175]

Dörflich-demokratische und zentralmachtorientierte-autoritäre Technik korrespondieren mit jeweils unterschiedlichen Naturbildern. Die dörfliche Technologie verehrt die Natur. Der organisiert-experimentelle Umgang mit den Naturgegenständen ist ihr weitgehend fremd. Wie in Jäger- und Sammlergesellschaften und den frühen Ackerbaukulturen gilt die Natur hier wesensmäßig als Subjekt, als Gegenstand der Anbetung und Verehrung. Im Taoismus, der eigenständigen Religion der traditionellen chinesischen Gesellschaft neben dem Buddhismus, findet sich als zentrale Lehre der Grundsatz vom Nicht-Handeln, das Prinzip des wu wei: Menschen, Tiere und Dinge sollen nicht einer Ordnung unterworfen werden, sondern die Dinge bleiben sich selbst überlassen. Die Natur soll ihren Lauf nehmen und man soll davon leben, mit und nicht gegen den Strom zu schwimmen. Wu wei bezeichnet also das Prinzip der Nicht-Einmischung und das Vertrauen in die Selbststeuerungskapazität der Natur und gesellschaftlicher Einheiten wie Dorfgemeinschaften und einzelner Bauernfamilien. „Durch das ganze taoistische Denken zieht sich dieses Gefühl, dass die Gesellschaft verdorben, verpfuscht worden ist, und dass man zur ursprünglichen Einfachheit zurückkehren müsse (...) 'Der größte Bildhauer ist der, der am wenigsten schnitzt'.”[176]

Im alten Indien ist die Lebensweise insbesondere durch die Idee des Opfers geprägt, durch das der Mensch seine Pflichten gegenüber der göttlichen Ordnung der Natur erfüllt. Die Durchführung von Opferritualen und das Empfangen der Naturgaben sind untrennbar miteinander verknüpft. So lehrt Vers 14 der Bhagavad-Gita: „Alle lebenden Körper erhalten sich durch Getreide, das nur wachsen kann, wenn Regen fällt. Regen wird durch die Darbringung von yajna (Opfer) hervorgerufen, und yajna wird aus vorgeschriebenen Pflichten geboren.”[177] Gemeint ist also, wer den Mächten, die den Regen kontrollieren, keine Opfer bringt und sie nicht zufriedenstellt, wird Mangel leiden, weil er seine Pflichten gegenüber der göttlichen Ordnung der Natur verletzt.[178] Gelehrt wird im Kern also, dass wenn der Mensch von den Gaben der Natur zehrt, ihn dies auch zur Gegengabe, zum Opfer verpflichtet, wenn er Schaden für sich vermeiden will. Karl Marx und orthodoxe marxistische Autoren sehen in der hinduistischen Auffassung einen Aberglauben, der den Menschen zum unterwürfigen Sklaven traditioneller Regeln mache. Marx und seine Epigonen haben daher die naturursprüngliche Lebensweise der Asiaten als würdeloses, unbewegliches und vegetatives Dasein, als Unterwerfung des Menschen unter das Joch äußerer Umstände und tierisch rohe Naturanbetung diffamiert, „deren Entartung zum Ausdruck kam in der Tatsache, dass der Mensch, der Beherrscher der Natur, von Hanuman, dem Affen, und Sabbala, der Kuh andächtig in die Knie sank.”[179] Tatsächlich ging in der Geschichte der Verlust von Ehrfurcht vor der Schöpferkraft der Natur jedoch oft mit dem Verlust von Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben einher. Im Unterscheid zur substantiell naturverbundenen Techniken, hat die zentralisierte Technik des hydraulischen Staates die Tendenz, die Natur und in der Folge auch den Menschen selbst zum ausbeutbaren Objekt zu degradieren. So hat Karl A. Wittfogel nachdrücklich auf den inneren Zusammenhang zwischen dem hydraulischen Machtapparat früher asiatischer Gesellschaften und den Staatsbürokratien der ehemaligen sozialistischen Länder Osteuropas hingewiesen. Das Herrschaftssystem der früheren Sowjetunion, die bürokratische Despotie, sah er dabei als Fortsetzung der orientalischen Despotie, die sich einst auf der Basis der künstlichen Bewässerungswirtschaft herausgebildet hat.[180]

Aufgrund der äußeren Naturgegebenheiten basiert die nischenspezifische Strategie hydraulischer Gesellschaften auf dem Ineinander von zwei konträren Strömungen menschlicher Naturaneignung: einer dörflich-dezentralen, mit einfacher Reproduktion zufriedenen, auf dem einen und einer zum Produktivismus drängenden, zentralisierten, auf dem anderen Pol.[181] Obwohl dynamische Triebkräfte zur Transformation dieser Wirtschaftsweise, etwa in eine industrielle, vorhanden sind, gewinnen diese nicht die Oberhand. Die hydraulische Gesellschaft ist vielmehr der klassische Fall gesellschaftlicher Stagnation.[182] Die natürlichen Grundlagen dieser Stagnation liegen in der geographischen Gestalt der natürlichen Umwelt. Trotz der Macht über die Wasserenergie kann der despotische Staat die in der Weite des Landes zerstreuten und zersplitterten Dorfkulturen nicht umfassend unter das Diktat der autoritären, zentralmachtorientierten Technik pressen. Die oft rigoros betriebene staatliche Steuer- und Geldeinnahmepolitik führt zu periodischen Elendskrisen und durch sie provozierten Rebellionen gegen die Zentralmacht. Im alten China wurde die staatliche Geldeinnahmepolitik - ursprünglich ein Instrument der Ressourcenbildung gegen Überschwemmungen und Dürrekatastrophen - zeitweilig von den Herrschenden zur Finanzierung expansiver Bestrebungen umfunktioniert. Das bedeutendste Dokument der klassischen chinesischen Ökonomie - die Abhandlung über Salz und Eisen (yan tie lun) - thematisiert in Form eines fiktiven Dialogs zwischen den Gelehrten und dem Herrscher die Zusammenhänge zwischen aggressiver Geldeinnahmepolitik, Wohlstandsentwicklung, Entfaltung von produktiven Potentialen und expansiven Bestrebungen. Die Finanzierung der chinesischen Armee jener Zeit beruhte vor allem auf den Erträgen aus dem staatlichen Salz- und Eisenmonopol. Eine Abschaffung dieses Monopols hätte ein Ende der expansiven Bestrebungen und ein Prestigeverlust für den Kaiser bedeutet. Die Gelehrten beklagen nun die ökonomischen Entwicklungshindernisse, die aus diesem Monopol für die Wohlstandsentwicklung resultieren. Während der Herrscher die Grundlagen für den Wohlstand des Landes vor allem in kaufmännischer Geschicklichkeit, der Anwendung richtiger Berechnungsverfahren und territorialer Expansion sieht, beklagen die Gelehrten die moralische Entartung einer solchen Entwicklung und insistieren auf landwirtschaftlicher Arbeit, moralischen Grundsätzen und korrekter Pflichterfüllung als den Bestimmungsmomenten eines Lebens in Glück und Wohlstand.[183] Doch letztlich erlaubte es die geographische Weite des Landes nicht, eine auf aggressive Umorientierung der Wirtschaftsweise zielenden Strategie in den weitflächig zersplitterten Dorfgemeinschaften durchzusetzen. Am selbstreproduktiven Organismus der lokalen Gemeinschaften und an einer Lebenseinstellung, die den höchsten moralischen Wert in der Läuterung des menschlichen Wesens und der vollständigen Loslösung von den Bedürfnissen sieht, scheitern alle Aufbruchsbestrebungen. Die selbstgenügsame Gemeinde blockierte den Prozess der weiteren Spezialisierung und Differenzierung der nischendominierenden Strategie, wobei auch das Fehlen von Privateigentum und entwickelter Arbeitsteilung eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte: „Der einfache produktive Organismus dieser (…) Gemeinwesen, die sich beständig in derselben Form reproduzieren und, wenn zufällig zerstört, an demselben Ort, mit demselben Namen, wieder aufbauen, liefert den Schlüssel zum Geheimnis der Unveränderlichkeit asiatischer Gesellschaften ... “[184]

Die Wirtschaftsweise der hydraulischen Gesellschaft ist stationär. Mit der vorhandenen Technologie und den gegebenen Eigentumsverhältnissen wird der natürliche Lebensraum auf dem Niveau einer einmal erreichten Entwicklung und Differenzierung über die Jahrtausende gleich, in stereotyper Wiederholung, auf der Ebene einfacher Reproduktion bearbeitet. Zur Konsolidierung dieser Wirtschaftsweise haben im alten China auch eine über lange Zeit konstante Bevölkerungsgröße, eine ausgeglichene Verteilung des Volkswohlstandes sowie eine religiöse und gesellschaftliche Ethik beigetragen, die materielle Wohlfahrt gering und geistiges Leben hochschätzt.[185] Die innere Dynamik der Wirtschaftsweise ist hier nicht stark genug, um die Energieflüsse der Gesellschaft auf eine höhere Stufenleiter zu transformieren. Obwohl die Technologie der Naturaneignung (besonders in der Produktion von Luxusgütern) ein hohes Niveau erreicht, bleibt die Grundlage der Gesellschaft agrarisch. Menschliche und tierische Arbeitskraft sind daher die Hauptinstrumente, um Nahrungsressourcen zu erschließen. Das Gleichgewicht der ökologischen Nische ist zwar durch den Anbau weniger Nahrungspflanzen reduziert, bleibt aber auf der einmal eingependelten Ebene relativ stabil. Als Nebenwirkung der künstlichen Bewässerung dürften sicherlich auch neue ökologische Nischen für bestimmte Pflanzen oder Wassertiere und Vögel, zum Beispiel im Umfeld von Wasserstellen, Kanälen und Staubecken entstanden sein. Aufgrund des niedrigen Niveaus der angewandten Technik bleibt die entropische Degradation gering.

Dem nachhaltigen Zustand der Wirtschaftsweise entsprechen eine Religion, Kultur und Geisteshaltung, die an Beständigkeit, Harmonie und Ganzheit orientiert sind und denen eine auf Unterwerfung der Natur zielende Lebenseinstellung fremd ist. So wird in der chinesischen Weltanschauung die Klassifikation der Natur auch auf den Geist und alle Ebenen des Seins ausgedehnt. Das menschliche Dasein erscheint als Teil der universalen Ordnung. Diese Weltauffassung kennt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem Physischen und dem Psychischen, dem Naturhaften und Menschlichen.[186] Im alten China haben Konfuzianismus und Taoismus jeweils sehr unterschiedliche, bisweilen direkt gegensätzliche Modelle zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung und der Modalitäten des menschlichen Stoffwechsels mit der Natur entwickelt. So vertraut die konfuzianische Wirtschaftslehre bei der Regulierung des Reichtums nicht auf die Selbststeuerungskraft der Naturordnung, sondern fordert die soziale Ordnung zur Entwicklung von Normen und Regularien zwecks Regelung von Produktion, Verteilung und Konsum auf. Die Lehren und Riten der Klassiker gelten als die kristallisierte Weisheit zur Regelung des sozialen Verhaltens, wie des Handelns im Hinblick auf die ökologischen Systeme. Gelehrt wird vor allem eine institutionalisierte Kontrolle der Produktion, Distribution und Konsumtion. Wenig Beachtung wird bei Konfuzius Anreizen zur Steigerung der Produktion gegeben. Obwohl eine intenventionistische Wirtschaftspolitik des Staates favorisiert wird, findet sich dennoch eine ausgesprochene Abneigung gegenüber detaillierten Eingriffen und Regelungen. Im Unterschied zum Konfuzianismus glaubt der Taoismus an laissez-faire. Während Konfuzius in der Loslösung der sozialen Ordnung von den Lehren der Klassiker die Grundlage für alle Phantome von Chaos und Unordnung erblickt, sieht Laotze, der Begründer des Taoismus, die herrschende Ordnung der Gesellschaft gerade als Resultat der Umsetzung eben dieser Klassikerlehrmeinungen an. Nach Auffassung des Dao De Jing[187] (des Buchs vom Tao und der Tugend) bringt die Existenz von Gesetzen erst den Zustand der Gesetzlosigkeit hervor. Gesetze und Institutionen gelten als Ursache sozialer Probleme, nicht aber als Mittel zu deren Beseitigung. Weil die sozialen Probleme aus dem herrschenden System der Produktion und Verteilung resultieren, ist der beste Weg zu ihrer Beseitigung die weitgehende Abschaffung der herrschenden ökonomischen Institutionen. Nach Laotzes Ansicht stehen in der bestehenden Gesellschaft die ökonomischen und sozialen Institutionen mit der Naturordnung (dem universellen Gesetz des Tao) in Widerspruch. Folglich ist nach seiner Ansicht diejenige Regierung die Beste, die am wenigsten regiert. Trotz dieser paradigmatischen Gegensätze finden sich aber auch tiefe Übereinstimmungen zwischen beiden Lehren: So sind Konfuzianismus und Taoismus sich einig in ihrer Kritik der materiellen Bedürfnisbefriedigung als der vermeintlichen Quelle wahren menschlichen Glücks; ein Wesenszug, der typisch ist für das östliche Denken. Daher treten auch die Taoisten - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht für die Erhöhung der öffentlichen Wohlfahrt durch Förderung des Selbstinteresses und der selbständigen Entwicklung der Teilnehmer am Wirtschaftsleben ein. Im Taoismus findet sich eine radikale Infragestellung aller technischen und ökonomischen Leistungen, da sie als Entfernung vom Tao interpretiert werden. Während der Konfuzianismus - zumindest bei bestimmten rituellen Zeremonien - auch Großzügigkeit und Verschwendung propagiert, fordert der Taoismus durchgängig Einfachheit und Natürlichkeit als die höchsten Ziele. Vollständige Bedürfnislosigkeit gilt als höchstes Ideal.[188] Aufschlussreich ist auch ein vergleichender Blick auf die fundierenden Unterschiede zwischen den klassischen chinesischen und den modernen westlichen Wirtschaftslehren: Während die westlichen Wirtschaftslehren die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen durch die Entwicklung effizienter Methoden der Produktion und Verteilung lehren, setzen der Konfuzianismus teilweise und der Taoismus vollständig auf eine Steuerung in der Sphäre der Konsumtion. Dem westlichen Ansatz, durch äußeren Zugriff auf die Lebensbedingungen der Nische die Lebensqualität zu verbessern, steht der östliche Weg gegenüber, der vor allem auf die innere Veränderung der handelnden Akteure selbst setzt und der Manipulation der äußeren Wirklichkeit nur eine untergeordnete Rolle beimisst.

Auch im alten Indien begünstigen Religion, Kultur und herrschende Denkstile nachhaltig eine auf Stabilität und Dauer gegründete Nischenstrategie. So stehen auch die Hindu-Religionen mit ihren Wiedergeburtslehren, dem ständigen Formwandel aller Lebenskräfte im ewigen kosmischen Reigen, im Einklang mit den Kreislaufprozessen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Die Stabilität der klassischen indischen Gesellschaft hat ihre Grundlage im religiösen Glauben. Die Verehrung der Natur als Ausdruck des Göttlichen und die in der Bhagavad Gita propagierte Dialektik des Opfers liefern ein dazu passendes Modell für den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur.[189] Allerdings bilden religiös begründete, traditionsgebundene Handlungen wie Opferungen und Schenkungen die Urformen, aus denen sich später dann reguläre Formen unentgeltlicher Mehrproduktaneignung durch die Machthaber des despotischen Staates entwickeln, deren sozialer Status durch den Glauben der Hindu-Gemeinschaft eine religiöse Legitimationsbasis erhält. Der Hinduismus legitimiert die soziale Schichtung des Kastensystems, das heißt die von Geburt bestimmte Beschränkung auf eine bestimmte Beschäftigungsart und Lebensform, als durch das eigene Handeln in früheren Existenzformen mit naturgesetzlicher Notwendigkeit entstanden. Die Ordnung und der Rang der Kasten gelten der Idee nach als ewig, wie der Gang der Gestirne und der Unterschied zwischen den Tiergattungen und den Menschenrassen. Sinnlos wäre daher der Versuch, sie umstürzen zu wollen. Folgt man Max Webers Analyse über den Einfluss der indischen Religiosität auf die ökonomische Entwicklung des Landes, dann hat das Kastensystem auf die nischenstrategische Entwicklung einen äußerst negativen Einfluss ausgeübt, wobei der Kern dieser Hemmung nicht in Einzelschwierigkeiten, sondern im Geist des ganzen Systems lag. Die Ritualgesetze waren nach Webers Auffassung nicht geeignet, ökonomische und technische Umwälzungen zu gebären. So konnten, im Unterschied zu den Zünften des Mittelalters, Kinder nicht in andere Berufe als ihre Eltern übergehen, weil es keine freie Wahl des Lehrmeisters gab. Der einzige Weg in der Kastenordnung aufzusteigen bestand darin, seine rituellen Kastenpflichten treu zu erfüllen und damit zu rechnen, später als Edler oder König wiedergeboren zu werden.[190] Dieser Auffassung ist mit dem Argument widersprochen worden, Weber habe einen kolonialistisch beschränkten Blick auf Indien gehabt und die Ambivalenz des Kastensystems nicht wirklich erfasst.[191]

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