Kitabı oku: «Kapitän in zwei Welten», sayfa 4

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Im Dezember 1996 wurde der Kapitän der JANNA von zwei tatverdächtigen Polen getötet und über Bord geworfen. Nicht alle Kapitäne kamen mit den von allen Seiten auf sie einstürmenden Problemen klar. Kapitän Gallas nahm sich 1878, nachdem er in einer ausweglosen wirtschaftlichen Situation seinen in Rostock beheimateten Schoner OTTO&FRIEDA absichtlich versenkt hatte, in einem dänischen Gefängnis das Leben. Kapitän Brunswig von der PRINZESSIN VICTORIA LUISE erschoss sich 1906, nachdem das von ihm geführte Schiff auf einen Felsen der Insel Jamaika gelaufen war. Der letzte mir bekannt gewordene Fall betrifft den Kapitän der CMA CGM LAPEROUSE. Philippe Deruy glaubte nach einer Kollision 2010, das Vertrauen seiner Reederei verloren zu haben, und nahm sich das Leben.

SCHIFFFAHRT DER KAISERZEIT UND DES DRITTEN REICHES

An der Funktion Kapitän scheiden sich viele Geister. Die einen heroisieren ihn wie Reinemuth und andere, wie beispielsweise Welke, machen aus ihm eine Herrschaftsform. Für mich ist die Messlatte für die Person in dieser Funktion, wie er seine Aufgaben als Seemann, dem ein Schiff, eine Besatzung und eine Ladung anvertraut wurde, bewältigt. Um erfolgreich zu sein, benötigt er einerseits eine Reihe von Voraussetzungen und er muss andererseits Wege und Mittel finden, um die Gesetze und Regeln des Flaggen- und Hafenstaates, die wirtschaftlichen Vorgaben des Reeders und/​oder Managers sowie des Charterers, der Versicherung usw. zu erfüllen.


Die Rostocker Cap Horniers (Fischer, Just, Rath, Brunne, Erdmann und Schommartz)

Die Besatzung mit ihren Auffassungen und Wünschen darf er nicht übersehen, denn mit ihr muss er die Reisen bestreiten. Er soll, bei einem Reeder, der diesen Namen verdient, unter diesen Bedingungen das Schiff sicher und effizient führen. Für viele Kapitäne hieß und heißt das, die Quadratur des Kreises zu lösen. 1836 hatte das Unterhaus des britischen Parlaments ein Komitee zur Untersuchung der großen Anzahl der See- und Personenunfälle eingesetzt. Die Schlussfolgerungen des Komitees4 zu den Ursachen der Unfälle waren: fehlerhafter Bau, unzureichende Ausrüstung, ungenügende Reparatur der Schiffe, falsche und übermäßige Beladung, unangemessene Schiffsentwürfe aufgrund der existierenden Vermessungsvorschriften, was zu kleinen Schiffen mit zu großer Ladefähigkeit führte, inkompetente Kapitäne, Alkoholmissbrauch bei Offizieren und Mannschaft, Versicherungsbestimmungen, die die Reeder verleiteten, sich weniger um Bau, Ausrüstung und Sicherheit des Schiffes zu kümmern, mangelhafte Häfen und fehlerhafte Seekarten.

Wie der jeweilige Kapitän versucht, diesen Gordischen Knoten zu durchschlagen, hängt wesentlich von der Kultur ab, in der er erzogen wurde. Auch wenn er nie Teil eines genossenschaftlichen Unternehmens war, waren seine Möglichkeiten, Disziplinarverstöße zu ahnden, begrenzt. Der Extremfall ist der amerikanische Kapitän, der selbst oder über seinen „bucko mate“ mit den Fäusten gnadenlos Disziplin herstellt. Als Gegensatz dazu möchte ich auf Richard Wossidlo und seine Berichte von der Seefahrt unserer Vorfahren in seinem berühmten Buch Reise Quartier in Gottesnaam verweisen. In seinem Abschnitt „Matrosen und Schiffer“ beginnt er den letzten Absatz mit folgenden Worten: „Öfter freilich werden es die Matrosen gewesen sein, die das harte Regiment des Schiffers zu spüren bekommen haben. Dies mag zur Aufrechterhaltung von ‚Ruhe und Ordnung‘ gelegentlich notwendig und heilsam gewesen sein.“ Abgesehen davon, dass man den Begriff „hartes Regime“ sehr unterschiedlich definieren kann, ist von der Anwendung physischer Gewalt niemals die Rede. Welke ist zu der Auffassung gekommen, dass im 19. Jahrhundert die Rolle des Kapitäns neu definiert wurde. Er schreibt5: „Im 19. Jahrhundert bereitete das Klischee der undisziplinierten, zu Trunksucht und zu rechtlosem Verhalten neigenden Seeleute den Boden, auf dem sich die neue Kapitänsgewalt mit Zustimmung eines breiten Publikums entfalten konnte. Und tatsächlich näherte sich die Praxis der Schiffsführung im Lauf des Jahrhunderts auf bemerkenswerte Weise dem Bild an, das in literarischen Vorlagen entworfen wurde. Lange hatten beide einen Makel. Gab es für die personale Herrschaft, die Kapitäne an Bord über ihr Schiffsvolk ausübten, doch keine legale Basis. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bemühten sich namhafte Rechtstheoretiker, diesem Mangel abzuhelfen.“


In Hamburg der Hansa Hafen 1907, Postkarte

Wenn er damit recht hätte, müsste sich das in den Gesetzen dieser Zeit, vor allem in der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872, niederschlagen. Folgende Paragraphen geben darüber Auskunft:

§ 57.

Der Schiffer kann den Schiffsmann, abgesehen von den in dem Heuervertrage bestimmten Fällen, vor Ablauf der Dienstzeit entlassen:

2) wenn der Schiffsmann eines groben Dienstvergehens, insbesondere des wiederholten Ungehorsams oder der fortgesetzten Widerspenstigkeit, der Schmuggelei sich schuldig macht;

3) wenn der Schiffsmann des Vergehens des Diebstahls, Betrugs, der Untreue, Unterschlagung, Hehlerei und Fälschung, oder einer nach dem Strafgesetzbuche mit Zuchthaus bedrohten Handlung sich schuldig macht; …

§ 61.

Der Schiffsmann kann seine Entlassung fordern:

1) wenn sich der Schiffer einer schweren Verletzung seiner ihm gegen denselben obliegenden Pflichten, insbesondere der Mißhandlung oder durch grundlose Vorenthaltung von Speise und Trank schuldig macht; …

Vierter Abschnitt

Disziplinar-Bestimmungen.

§ 72.

Der Schiffsmann ist der Disziplinargewalt des Schiffers unterworfen …

§ 79.

Der Schiffer ist befugt, alle zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Sicherung der Regelmäßigkeit des Dienstes erforderlichen Maßregeln zu ergreifen. Zu diesem Zwecke darf er namentlich auch herkömmliche Erschwerungen des Dienstes oder mäßige Schmälerung der Kost, Letztere jedoch auf höchstens drei Tage, als Strafte eintreten lassen. Geldbuße, körperliche Züchtigung oder Einsperrung darf er als Strafe nicht verhängen.

Bei einer Widersetzlichkeit oder bei beharrlichem Ungehorsam ist der Schiffer zur Anwendung aller Mittel befugt, welche erforderlich sind, um seinen Befehlen Gehorsam zu verschaffen. Er darf gegen die Betheiligten die geeigneten Sicherungsmaßregeln ergreifen und sie nöthigenfalls während der Reise fesseln

Die Seemannsordnung legte für zahlreiche Vergehen des Schiffsmannes, aber auch des Schiffers, Strafen in Form von Geldbußen und Gefängnis fest. Beim Schiffer gehörten dazu Missbrauch der Disziplinargewalt, unzureichende Verproviantierung des Schiffes, ungebührliche Vorenthaltung der Kost, unzureichende Führung des Tagebuches, wenn er die Seemannsordnung den Seeleuten nicht zur Verfügung stellte, wenn er verhinderte, dass sie zum Seemannsamt gehen konnten usw. Dass mit der Seemannsordnung im Sinne von Welke eine Herrschaftsform geschaffen wurde, ist nicht erkennbar.

1902 wurde eine neue Seemannsordnung erlassen, die die Festlegungen zu den Pflichten und Rechten des Kapitäns sowie der Besatzungsmitglieder nicht wesentlich veränderte. Vor allem in der HANSA finden sich viele Beispiele, die eine besondere oder neue Herrschaftsform nicht erkennen lassen.

Die HANSA (48/​1906) berichtete über eine Sitzung des Vereins Deutscher Kapitäne und Offiziere der Handelsmarine am 22. November. Auf der Sitzung wurde bekannt, dass es auf den Frachtschiffen einer Reederei in Schleswig nicht nur dem Ersten Offizier, sondern auch dem Kapitän zur Pflicht gemacht wird, dass er gelegentlich beim Arbeiten der Leute selbst mit Hand anlegt. Die Versammlung fasste einstimmig den folgenden Beschluss: „Der Verein hält es für durchaus verwerflich, daß eine Reederei Vorschriften erläßt, welche Kapitänen und Offizieren Anweisung geben, wie sie ihren Dienst auszuführen haben. Die Reederei hat ihre Aufträge über die Bestimmung des Schiffes zu erteilen; ein weiteres Eingreifen in den Dienst an Bord bedeutet mitunter Schädigung der einzelnen Personen, wie durch seeamtliche Untersuchung im Jahre 1904 zur Genüge dargelegt ist.“

Fritz Brustat-Naval6 schrieb: „In dem ebenso einzigartigen wie schönen Buch von Dr. Jürgen Meyer Hamburgs Segelschiffe 1795 – 1945 ist ein Kapitänskontrakt vom 1. Juni 1909 abgedruckt, der für sich spricht. Der Kapitän übernahm dort die Führung des Vollschiffes ‚Melete‘ gegen eine Monatsgage von 100 (einhundert) Mark sowie 2 ½ Prozent der Brutto-Fracht nach Abzug der Maklergebühren. Er mußte also auf Teufel komm raus fahren, um zu Geld zu kommen. Dabei behielt sich, wie es dort schwarz auf weiß steht, die Rhederei das Recht vor, den Kapitän zu entlassen, wann und wo es ihr gefällt, ohne Angabe von Gründen und ohne Verbindlichkeit zur Rückbeförderung vom Auslande … und hat derselbe ohne Widerspruch vom Kommando zurückzutreten.‘“

Der Kapitän verfügte entsprechend diesem Vertrag über keine Sicherheit, seine Funktion ausschließlich nach den Regeln guter Seemannschaft ausüben zu können. Die Wünsche des Reeders waren wichtiger als Seemannschaft, Gesetze und Gesundheit der Besatzung. Auch von ihm wurde ein physischer Einsatz erwartet, der über den vernünftigerweise von einem Menschen zu erwartenden Umfang hinausging. Nur sehr selten wurde es selbst den Seeämtern zu viel und sie gaben das in ihren Sprüchen zu erkennen. Die HANSA berichtete in Nummer 6 im Jahre 1904 über den Spruch des Stralsunder Seeamtes: „Gegen den Führer eines in der Kalmarbucht gestrandeten Schoners stellte der Reichskommissar den Antrag auf Entziehung der Befugnis zur Ausübung des Schiffergewerbes, weil der Seeunfall durch einen Irrtum des Kapitäns in seiner Navigation verursacht worden war. Das Seeamt, das dieses Verfahren nicht in Abrede stellt, hat aber dem Kapitän eine vertretbare Schuld an der Strandung nicht beigemessen, weil er 48 Stunden ohne Nachtruhe und warme Nahrung ausgehalten habe und dadurch seine Widerstandskraft und seine Leistungsfähigkeit herabgesetzt worden sei.“

Viele Kapitäne konnten die vielfältigen Anforderungen an ihre Führung des Schiffes nicht erfüllen. Erschwert wurde ihre Situation, weil die Besatzungen nicht länger gewillt waren, die Missachtung ihrer elementarsten Rechte hinzunehmen. Die HANSA (22/​1909) berichtete über die Probleme von Kapitän Thomann, dem Führer des Segelschiffes BLANKENESE.


Der Hafen von Callao im Jahre 1997. Im Vordergrund die ORTO-I, die ehemalige KÖLPINSEE der DSR

Auf der Reise von Hamburg nach Callao hatte es an Bord keine Probleme gegeben. Das änderte sich nach dem Anlauf von Callao. Besatzungsmitglieder gingen ohne Erlaubnis an Land, betranken sich und arbeiteten schlecht. Ein Teil der Verstöße gegen die Seemannsordnung trug der Kapitän in das Schiffstagebuch ein. Verschlimmert wurden diese Probleme anscheinend dadurch, dass Kapitän und Erster Offizier auf unterschiedliche Weise mit der Besatzung kommunizierten. Das Schiff versegelte nach dem Abschluss der Ladungsarbeiten nach Newcastle, NSW, wo sich Besatzungsmitglieder entsprechend § 58 der Seemannsordnung beim Konsul über die Qualität des Proviants beschwerten. Der Konsul ließ den Proviant überprüfen, der, bis auf das Hartbrot, für gut erklärt wurde. Als die BLANKENESE den Hafen verlassen sollte, weigerte sich die Besatzung, das Schiff seeklar zu machen. Sie wollten erst die Sache mit dem Proviant geklärt haben.


Der Hafen von Iquique, auf dessen Reede zahllose deutsche Segelschiffe während des Ersten Weltkrieges beschäftigungslos herumlagen, 1904, gemeinfrei

Der Kapitän holte den Konsul, der die Seeleute einzeln aufforderte, an die Arbeit zu gehen. Zehn weigerten sich und wurden wegen Meuterei der örtlichen Polizei übergeben. Die Betreffenden wurden von einem Gericht zu drei Monaten „hard-labour“ verurteilt. Da es dem Kapitän nicht gelang, diese Seeleute zu ersetzen, ging er mit dem Konsul ins Gefängnis und fragte sie, ob sie nicht doch die Reise nach Hause mitmachen wollten. Nur zwei Seeleute gingen nicht auf das Schiff zurück. Die Rückreise verlief ohne größere Probleme. In Hamburg wollte Kapitän Thomann auf Vorschlag des Konsuls in Taltal ihre Heuer wegen des dem Schiff entstandenen Schadens einbehalten. Darauf ließ sich aber der Beamte des Seemannsamtes nicht ein. Nachdem sie ihre Heuer erhalten hatten, wurden die deutschen Seeleute verhaftet. Die ausländischen Seeleute waren nicht mehr erreichbar. Drei Matrosen wurden zu vier Tagen Gefängnis verurteilt. Da sie in Newcastle schon fünf Tage im Gefängnis gesessen hatten, sah das Hamburger Gericht die Sache als erledigt an. Der „Haupträdelsführer“ musste zusätzlich 15 Mark Strafe zahlen. Die HANSA führt zum Urteil aus: „Das sehr kurze Urteil stellt fest, daß der Proviant vor der Meuterei untersucht und von drei Sachverständigen für gut befunden wurde, glaubt aber die Sache sehr milde ansehen zu müssen, da der erste Steuermann H. bestätigt habe, daß der Proviant durch die lange Reise sehr minderwertig geworden, insbesondere das Brot, die Hülsenfrüchte, Mehl, Reis und Graupen voller Maden und Würmern waren.“ Ich gehe davon aus, dass der Proviant auf der BLANKENESE nicht in Ordnung war. Das entsprach den damals üblichen Verhaltensweisen der Reeder, wobei es ganz sicher auch in dieser Frage Ausnahmen gegeben haben wird. Andererseits würde ich das Verhalten einiger Matrosen ebenfalls nicht akzeptiert haben.


Kapitän Ludwig Albrand im Lotsenhaus von Warnemünde

Für den Kapitän war es zweifellos nicht leicht, das Schiff zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu führen. Das Verhalten von Kapitän Thomann vermittelt jedoch den Eindruck, dass er eine keine Autorität ausstrahlende Persönlichkeit gewesen ist, denn sonst hätten die Matrosen ihm das Leben nicht mit vielen kleinen Widersetzlichkeiten schwer gemacht. Es ging auch durchaus anders. Das berichtet der Rostocker Kapitän Ludwig Albrand in seinem Buch Westward – Ho. Er beschreibt eine Reise der Hamburger Viermastbark HENRIETTE, die im August 1909 begann. Nachdem das Schiff Lizard passiert hatte, wurde die Mannschaft genau nach der Speiserolle verpflegt, was offensichtlich ihren Hunger nicht stillte. Das brachte sie dazu, die Arbeit an Deck zu sabotieren, was wiederum zu Schäden in der Takelage führte. Letztendlich verweigerte sie die Arbeit. Vier Mann wurden daraufhin für drei Stunden in Eisen gelegt und ins Schiffstagebuch eingetragen. In der Seemannsordnung von 1902 lautete der betreffende Paragraph 91 (Disziplinarstrafen und Zwangsmittel) folgendermaßen:

Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherung der Regelmässigkeit des Dienstes ist der Kapitän befugt, die geeigneten Massregeln zu ergreifen. Geldbussen, Kostschmälerung von mehr als dreitägiger Dauer, Einsperrung und körperliche Züchtigung darf er jedoch zu diesem Zweck weder als Strafe verhängen, noch als Zwangsmittel anwenden.

Bei einer Widersetzlichkeit oder bei beharrlichem Ungehorsam ist der Kapitän zur Anwendung aller Mittel befugt, welche erforderlich sind, um seinen Befehlen Gehorsam zu verschaffen. Zu diesem Zweck ist ihm auch die Anwendung von körperlicher Gewalt in dem durch die Umstände gebotenen Masse gestattet. Er darf ferner gegen die Betheiligten die geeigneten Sicherungsmassregeln ergreifen und sie nöthigenfalls während der Reise fesseln.

Dieser Paragraph eröffnete dem Kapitän durchaus eine Reihe von Möglichkeiten, Besatzungsmitglieder zu disziplinieren. Es wäre interessant gewesen, die Vorgänge vom Seemannsamt und einem Gericht bewerten zu lassen. Ein Teil der Seeleute der HENRIETTE zog es jedoch vor, in Vancouver achteraus zu segeln, anstatt sich beim Seemannsamt zu beschweren.

Ich weise immer wieder darauf hin, dass der Kapitän Diener vieler Herren war und es unverändert ist. Die HANSA (34/​1909) berichtet unter der Überschrift Versicherer – Kapitän: „… daß die Assekuranzgesellschaften Einfluß auf den Anstellungsvertrag des Kapitäns mit seinem Reeder haben können, bedarf hier keines näheren Eingehens. Im Allgemeinen macht sich dieser Einfluß, sofern er zum Nachteil des Kapitäns zum Ausdruck kommt, nur sehr selten und gewöhnlich nur dann geltend, wenn der Kapitain im Rufe eines unvorsichtigen Navigateurs steht oder wenn er Eigenschaften hat, die sich mit den Anforderungen an einen tüchtigen Schiffer nicht in Einklang bringen lassen. Auch in einem solchen Falle wird ein Einschreiten der Versicherer nur vorkommen, wenn die Reederei versagt hat, das heißt, wenn sie nicht bereits selbst ihrem Kapitän gegenüber die am nächsten liegende Konsequenz gezogen, ihn also entlassen hat.


Die Einfahrt zur Bucht von Vancouver

Dann kann es vorkommen, daß der Versicherer mit einer Prämienerhöhung droht, solange dieser Kapitän noch das Schiff führt … Nicht dieser episodische Vorfall gibt hier Anlaß, von dem Fall Kenntnis zu geben, sondern die aus einer der vielen Kundgebungen hervorgehende Tatsache, daß bei Lloyds über den Kapitän jedes dort versicherten Schiffes eine sorgfältige Konduitenliste geführt wird: The Captain’s Register. Eine ‚schwarze Liste‘, würden die Sozialdemokraten sagen …“

Keines der angeführten Beispiele vermittelt den Eindruck einer „Herrschaftsform Kapitän“. Davon war die deutsche Schifffahrt weit entfernt, auch wenn es zweifellos erhebliche Unterschiede zwischen den erwähnten Schiffen und denen der großen Linienreedereien gegeben haben wird. Die generelle Entwicklung der Schifffahrt im Deutschen Reich, wie die Verlagerung des Verkehrs in die Nordseehäfen und die Subventionierung der Postdampferlinien (Hapag, Hamburg-Süd, Norddeutscher Lloyd) durch die Reichsregierung, förderte nicht die in den Ostseehäfen beheimatete Schifffahrt. Sie führte zum Niedergang der Partenreederei, die in Rostock, auf dem Fischland und dem Darß sowie in Ribnitz besonders stark gewesen war. Diese Entwicklung wurde durch eine Reihe lokaler Faktoren, wie die Misswirtschaft der Korrespondentreeder, das Ausscheiden der Getreidehändler als Reeder in der Krise ab 1886 und die Unfähigkeit der Rostocker Reeder, sich in Aktiengesellschaften zu organisieren, gefördert. Für die Kapitäne an dieser Küste bedeutete dies, dass ihnen auf der einen Seite die Möglichkeit, als Miteigentümer des Schiffes ihre Position und einen respektablen Wohlstand abzusichern, verloren ging und sie sich auf der anderen Seite neue Arbeitgeber suchen mussten. Das war ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum hinzog. Kapitän Willi Hahn7 beschrieb diese Situation folgendermaßen: „Nun, die große Zeit der Segelschiffe in der Seefahrt war lange vorbei. Als die ELISE wegen ausbleibender Ladung zum Aufliegen kam, stieg ich im August 1931 in Rostock auf meinen ersten Dampfer: GÜNTHER ZELCK. Zwar bot dieses Schiff bessere Arbeitsbedingungen als der alte Segler, aber das Regime war auch hier hart. Der Kapitän hieß Albert Jörck, er kam aus Althagen vom Fischland. Er hatte sich seine Leute aus dem Dorf mitgebracht. Der Bootsmann, zwei Matrosen und der Schiffsjunge waren miteinander verwandt, alle hießen Dade. Die Fischländer Seeleute blieben anfangs noch von den Auswüchsen des Reedereiwesens verschont, mussten nicht die Bekanntschaft der Stellenvermittler machen, die in den großen Hafenstädten saßen und von deren Gnade es abhing, ob man ein ordentliches Schiff und eine anständige Heuer erwischte.“

Der Rostocker Kapitän Paul Friedrich Albrand dokumentiert den Übergang vom Teilhaber an einer Partenreederei zum Dienstleister. 1875 baute er zusammen mit den Schiffbauern Burchardt und Bohn in Rostock die Bark EMMA RÖMER, die er 14 Jahre lang führte und dann verkaufte.


Die Rostocker Bark EMMA RÖMER (Kopie eines Kapitänsbildes)

Damit war seine Zeit als Partenreeder vorbei. Einer der berühmtesten Rostocker Seeleute, der spätere Lotsenkommandeur Stephan Jantzen, war ebenfalls Partenreeder. Dieses wichtige Kapitel der mecklenburgischen und pommerschen Schifffahrtsgeschichte ist endgültig abgeschlossen, denn die aus dem Mittelalter stammende Rechtsform Partenreederei ist für die deutsche Schifffahrt seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts am 25. April 2013 beendet. Es können keine neuen Partenreedereien mehr gegründet werden.

Der Weg von Paul Friedrich Albrand ist typisch für einen Kapitän, der ein eigenes Schiff nicht mehr in Auftrag geben konnte. Über zwei Stationen kam er zur Hamburger Reederei Weber & Schuldt und übernahm deren Vollschiff OSORNO, das er bis 1901 führte. Damit endete seine Fahrzeit als Kapitän, er setzte sich zur Ruhe. Ein Darßer Seemann, Kapitän C.M.E. Prützmann, stellte im Oktober 1905 die PAMIR für Laeisz in Dienst. Vorher hatte er schon die in Rostock gebaute PAMPA und die PETSCHILI für die Hamburger Reederei geführt. Zingster Kapitäne fuhren in Hamburg für Wachsmuth und Krogmann, Schmidt, G.J.H. Siemers & Co., Reederei Actien-Gesellschaft von 1896 und F. Laeisz. Man könnte sagen, dass diese Linie mit dem aus Prerow stammenden Kapitän Otto Schommartz endete, bis wir 1990 wieder anfingen, in Hamburg und Bremen Klinken zu putzen. Schommartz war der letzte Kapitän der Viermastbark PADUA, die 1945 an die Sowjetunion übergeben wurde und heute immer noch als KRUSENSTERN der Ausbildung von Seeleuten dient. Nach dem Krieg war er Inspektor bei der Hamburger Reederei A. Kirsten.

Diese sich über Jahrzehnte vollziehende Entwicklung kommentierten die alten Seeleute Richard Wossidlo gegenüber mit den folgenden Worten: „Wat is de Welt retour gahn – wat bröcht so’n Schipper Nohrung in de Stadt.“

Joseph Conrad hat die Endphase dieses Prozesses in mehreren Büchern und Erzählungen meisterhaft geschildert. Beispielhaft sind die folgenden Worte aus „Das Ende vom Lied“: „Es war eine Zeit gewesen, als Männer noch etwas zählten – Damals galt der Einzelne etwas.“

Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkte sich diese Tendenz. Eine „Schanz“ auf einem Rostocker Schiff zu bekommen, war außerordentlich schwer. Die Zeit von 1914 bis 1921 bedeutete das jähe Ende einer positiven Entwicklung.

Für die Rostocker Kapitäne sei der Weg von Ernst Weitendorf nach dem Krieg kurz beschrieben. Er war in der Hansestadt nicht unbekannt. Nachdem er im Ersten Weltkrieg sieben Jahre auf einem Segelschiff vor Iquique als Erster Offizier verbracht hatte, kehrte er nach Deutschland zurück. Arbeit in der Handelsschifffahrt gab es nicht, da die deutsche Handelsflotte bis auf einige traurige Reste nicht mehr existierte. Er wechselte zur Fischerei und arbeitete auf Rostocker Loggern und Trawlern. 1922 konnte er zur Handelsschifffahrt zurückkehren. Für eine neue Rostocker Reederei übernahm er einen Gaffelschoner. Die VORWÄRTS führte er bis Ende 1923. Dann heuerte er bei der Bremer Reederei Vinnen an. Für sie führte er von 1924 bis 1931 den Fünfmaster CARL VINNEN. Dann benötigten die Bremer seine Dienste nicht mehr, und er wurde arbeitslos. Gemeinsam mit einem Maschinisten kaufte er in Wismar den Dampfer OSKAR. Der war billig, bedurfte aber kostspieliger Reparaturen. Die erste Reise der ELSA MARIE begann im Frühjahr 1933 in Rostock. Zwei Jahre später konnte Weitendorf den Maschinisten auszahlen. Von nun an war er alleiniger Besitzer der ELSA. Der Dampfer wurde in Eckardt & Messtorffs Verzeichnis der deutschen Handelsflotte von 1936/​37 folgendermaßen beschrieben: 1917 in Amsterdam gebaut, 560 PS, 849 BRT, 61,18 m lang, 9,20 m breit. Im November 1936 übergab Weitendorf die Schiffsführung für eine Reise nach Frankreich an einen Kollegen. Am Morgen des 2. Dezember meldete der Rundfunk, dass der Dampfer bei Borkum untergegangen sei. Nur ein Matrose wurde gerettet. Weitendorf ließ dann auf der Kremer Werft in Elmshorn ein 1 200 to großes Motorschiff bauen. Die neue ELSA übernahm er im November 1938. Aber schon im nächsten Jahr verkaufte er sie und hörte mit der Seefahrt auf.


Der von Weitendorf zusammen mit einem Maschinisten gekaufte Dampfer OSCAR, der dann in ELSA MARIE und später in ELSA umbenannt wurde

Kapitän Gerhard Wulf, der bei ihm auf der WILHELM PIECK gefahren war, berichtete mir das Folgende: „Sein Verhalten nach dem Untergang des Dampfers ELSA haben ihm die Rostocker verübelt. So wurden die Leute (die Angehörigen) nicht versorgt, er hat sich nicht um sie gekümmert. Im Dritten Reich wurde die Versicherungssumme (eines verlorenen Schiffes - HHD) nicht ausgezahlt. Er musste eine neue ELSA bauen lassen, die er bei Kremer in Elmshorn bestellte. Der Bau ging nur langsam voran. Die Werft hatte die CHINCHA für die Regierung in Peru gebaut. Sie bot ihm an, den Neubau nach Peru zu überführen. Dafür stellte er sich die Besatzung selber zusammen. Weitendorf erhielt für alle Ausgaben eine reichliche Pauschalsumme. Die Besatzungsmitglieder hatten einen Vertrag, dass sie mit einem Passagierschiff zurückfahren durften. Der ‚Alte‘ hat aber das Geld eingesteckt und die Seeleute vershanghait. Er brachte sie auf einen italienischen Dampfer. Nach der Aussage eines Elblosten mussten sie für ihre Rückreise arbeiten. Das waren alles Leute, die er gut kannte. Er selbst fuhr mit dem Passagierdampfer SANTA KLARA bis New York und dann mit einem anderen Dampfer nach Antwerpen. Viele Rostocker sagten nach der Indienststellung des Schulschiffes: Wenn wir gewusst hätten, dass Weitendorf ihr Kapitän wird, dann hätten wir nicht für den Bau der WILHELM PIECK gespendet.“


Kapitän Weitendorf mit von ihm ausgebildeten Kapitänen und Offizieren (von links: Kapitän Kapteina, Erster Offizier Westphal, Kapitän Weitendorf, Kapitän Gerhard Wulf)

Am Beispiel von Kapitän Weitendorf wird auch deutlich, wie technische Entwicklungen die Funktion Kapitän beeinflussten. Die Einführung des Telegraphen beseitigte ein für alle Mal die Unabhängigkeit des Kapitäns. Jede Verbesserung der Kommunikationstechnik verstärkte diese Entwicklung. Weitendorf8 beschrieb das folgendermaßen: „Der Seniorchef der Firma, der alte Herr Vinnen, holte mich in sein Kontor und unterhielt sich lange mit mir, so wie etwa mein Vater mit mir gesprochen hätte. Beim Abschied ermunterte er mich, ich solle mich nur ja nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn per Funk unwillkommene Befehle der Reederei einträfen. ‚An Buurd sün Sei de Schipper, un so bliwwt da ook!‘“


Die GREIF, das ehemalige Segelschulschiff WILHELM PIECK

Als Kapitän des Seglers VORWÄRTS hatte er noch Ladungen besorgt und die nötigen Verträge für ihre Beförderung abgeschlossen. Von den Fähigkeiten des Schiffers hing in den Zeiten nicht vorhandener oder schlechter Kommunikation der wirtschaftliche Erfolg des Schiffes ab. Diese Zeiten sind nun schon lange vorbei. Inzwischen haben wir auf der Brücke die „Black-Box-Schiffsdatenschreiber“ und auf einigen Schiffen Kameras, die es in der Verwaltung jung-dynamischen, von der Führung eines Schiffes geringes Wissen und noch weniger Erfahrung habenden „Managern“ erlauben, dem Kapitän jederzeit über die Schulter zu schauen. Dabei dürfte es kaum bleiben. Die Satellitentechnik ermöglicht es der Verwaltung, direkt in den Schiffsbetrieb, z. B. beim Einsatz der Hauptmaschine, einzugreifen.


Kapitän Weitendorf mit einer Delegation des Segelschulschiffes beim Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck am 25. 1. 1952

Für die Entwicklung der DSR-Kapitäne ist die unmittelbare Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg von außerordentlicher Bedeutung, weil in dieser Zeit ihre Lehrmeister geprägt wurden. Aus schriftlichen Unterlagen und den Interviews mit Kapitän Karl-Heinz Seidler und Dozent Dr. Manfred Hessel werden doch erhebliche Unterschiede zwischen der großen, der mittleren und der kleinen Fahrt deutlich. Am stärksten war der Einfluss der NSDAP zweifellos auf den Passagierschiffen. Burmeister9 schreibt dazu: „… denn die Kapitäne und Ersten Offiziere der großen Passagierschiffe waren selber froh, wenn sie keinen Ärger mit den ‚Ortsgruppenleitern‘ hatten, die von der NSDAP auf den großen Passagierschiffen gestellt wurden.“ Der spätere Kapitän und Lotse Hans Peter Jürgens10 beschrieb eine bemerkenswerte Szene folgendermaßen: „‚Guten Morgen‘, rief ich auf die Brücke. Der Erste Offizier drehte sich um und sah mich an, als hätte ich ihm gerade über die Schulter gespuckt. ‚Was fällt Ihnen ein!‘, schnauzte er, ‚hier gilt der Deutsche Gruß! Es heißt ›Heil Hitler‹, morgens wie abends und immerzu. Ich warne Sie! Merken Sie sich das, oder Sie lernen mich kennen!‘“


Dozent Dr. Manfred Hessel 1942 als Rudergänger auf MS WELHEIM

Auch unter den deutschen Kapitänen hat es Nazis gegeben. Aufgrund des verfügbaren Materials und der Aussagen von Kapitän Seidler und Dozent Dr. Hessel liegt die Schlussfolgerung nahe, dass diese vor allem in der großen Fahrt zu finden waren. Ein Beispiel dafür ist der Bremer Kapitän Adolf Ahrens, der die BREMEN nach Ausbruch des Krieges von New York über Murmansk nach Deutschland zurückführte. Er war 1934 der NSDAP beigetreten. Seine Bücher waren stark nationalsozialistisch geprägt.

Dozent Dr. Manfred Hessel beschrieb in einem Gespräch seine Seefahrt auf Schiffen mittlerer Tonnage, die für ihn im März 1939 als Moses begann, folgendermaßen: „Ich habe die meisten Kapitäne als sehr menschlich empfunden. Ich bin ja vor allem bei KIA gefahren. Die Reederei, die zum Stinnes Konzern gehörte, versorgte Ostpreußen mit Fertigprodukten, Industriegütern, Kohle usw. Ich habe die Kapitäne als gut und sehr gut empfunden. Sie haben sich mit dir beschäftigt, die Kapitäne und der Chief mate haben sich mit dir auch mal zusammengesetzt … Einer, der Kapitän Pfeiffer, war eine Ausnahme. Die Besatzung nannte ihn Hannibal, weil er so terroristisch mit der Besatzung umging. Er war ein kleiner Aktienbesitzer bei Stinnes und hatte seine private Barkasse mit an Bord. Das Verhalten dieser Kapitäne war für Kapitäne anderer großer Reedereien undenkbar … Auf der WELHEIM hatten wir einen Politvertreter/​Beauftragten der NSDAP. Das war der Zimmermann. Er sollte die Seeleute schulen, aber es wurde nicht viel über Politik gesprochen. Der Zimmermann war ziemlich friedlich und still. Es gab Vorbereitungen auf den Landgang, aber das wurde auf Sparflamme gekocht. Auf den kleineren Schiffen gab es diese Funktion auch nicht … Kapitän Ecks hat auf der WELHEIM nur auf das Fachliche geachtet. Als aktiver Nazi hat sich keiner von den Kapitänen, mit denen ich in jenen Jahren zusammen gefahren bin, zu erkennen gegeben. Sie mussten natürlich Dinge durchführen, die von oben angeordnet worden waren.“

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22 aralık 2023
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371 s. 170 illüstrasyon
ISBN:
9783960085966
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