Kitabı oku: «Chronik eines Weltläufers», sayfa 3

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3. ERSTE OSTASIEN-REISE (1862-1863)1

Dienstag, 27. Mai 1862:

Gestern Abend kam ich hier in Hamburg an und heute Morgen war ich gleich bei mehreren Schifffahrtslinien und habe mich nach einer Fahrt in die ostasiatischen Gewässer erkundigt. Ich hatte Glück: Morgen früh kann ich auf einem Frachtschiff mitfahren. Normalerweise ist so ein Schiff für Passagiere nicht eingerichtet, aber in letzter Zeit hat man dort einige Kajüten etwas umgerüstet, sodass auch eine geringe Anzahl an Privatpersonen befördert werden kann, wenn sie nicht allzu große Ansprüche stellen. Man bot mir auch an, als Ersatz einzuspringen, wenn einer der Matrosen durch Krankheit einige Tage ausfallen sollte. Dafür würde mir dann eine Heuer ausgezahlt, deren Höhe pro Tag ich aber noch nicht weiß. Das wäre gar nicht schlecht, denn dadurch würde ich mir mein Reisegeld etwas auffrischen.

Montag, 30. März 1863:

Ich bin nach einer über zehnmonatigen Reise wieder glücklich in der Heimat angekommen. Wir waren auf dem Hinweg um das Kap der Guten Hoffnung gefahren, wo ein Matrose von starkem Fieber erfasst wurde und ich für einige Tage einspringen musste. Insgesamt waren wir drei Personen, die die Reise in die asiatischen Gewässer mitmachten: ein Geschäftsmann, der auf Ceylon aussteigen wollte, ein Forscher, der ebenfalls Ceylon als Ziel angab, und ich, der aus reiner Abenteuerlust diese Reise machte. Beide hatten mir unterwegs diese Insel so ans Herz gelegt, dass ich beschloss, Ceylon vielleicht doch noch zu besuchen. In Karatschi, als erster Stadt in Indien, wo der Dampfer anlegte, bevor er nach Südosten zur westlichen Küste abbog, verließ ich das Schiff. Indien bildet keine politische Einheit, sondern ist nur ein geografischer Name; man versteht darunter die Halbinsel Vorderindien mit ihren der britischen Krone untergebenen Ländern. Karatschi, wo ich von Bord ging, entwickelt sich immer mehr als Handelsplatz, auch wenn große Überseeschiffe noch keinen Hafen vorfinden; man benutzt die vorgelagerte Insel Kiamari als Anlegestelle. Über Haiderabad, das auf einer Felsplatte liegt, ging es mit einem Katamorin den Indus hinauf ins Pandschab-Gebiet, dem Land der fünf Ströme, einer großen Ebene mit steinlosem, sandigem Lehmboden. Die Tierwelt im Pandschab ist sehr reichhaltig. Vorher gelang es mir noch, einen Engländer aus einer misslichen Lage zu befreien. Er stellte sich als Lord David Percy vor, ‚ungeratener‘ Sohn des Earl von Forfax2. Mit ihm durchstreifte ich die Ebenen des Pandschab und wir konnten, teilweise unter Lebensgefahr, jeder einen jener Tiger schießen, die man Könige der indischen Tierwelt nennt.3 Wir beschlossen, bis Kalkutta zusammenzubleiben, was wir auch taten, und wir konnten so manches Abenteuer miteinander erleben. Vom Pandschab-Gebiet aus gelangten wir hinüber nach Delhi, einst Residenz der Großmoguln, am rechten Ufer der Dschamna mit berühmten alten Bauten und Ruinen. Schon früher hieß Delhi die Stadt der sieben Burgen. Das jetzige Delhi wurde im 17. Jahrhundert erbaut und ist auf drei Seiten mit einer starken Mauer umgeben. Die vierte Seite begrenzt die Dschamna, ein rechter Nebenfluss des Ganges. Von alters her war die Dschamna ein heiliger Fluss, dessen Wasser reinigende Kraft besaß, was jetzt noch von den Hindus geglaubt wird. Auch diesen Fluss ging es mit Booten hinunter, oft unterbrochen durch gewaltige Stromschnellen bis zu dessen Zusammentreffen mit dem Ganges. Hier machten wir Station in Allahabad. Allahabad, was übersetzt Gottesstadt heißt, hat als Wallfahrtsort unter dem Namen Prajâga (Opferstätte) schon in der altindischen Zeit existiert. Ab hier dominiert der Ganges, der Hauptstrom Vorderindiens, obwohl er kürzer ist als der Indus und der Brahmaputra. Man bezeichnet ihn auch als den heiligen Fluss, an dessen linkem Ufer Benares liegt, die heilige Stadt der Hindus und uralter Mittelpunkt der brahmanischen Kultur und Religion. Am Ende dieses riesigen Flusses liegt in dessen Delta die Stadt Kalkutta, Sitz des englischen Vizekönigs in Indien. Die Stadt zerfällt in die ‚weiße Stadt‘ im Süden mit Amtsgebäuden und Wohnungen der Reichen und der Europäer und in die ‚schwarze Stadt‘ im Norden und Osten mit engen, krummen und schmutzigen Gassen und den ärmeren bis ärmsten Eingeborenen, meist Bengalen. Viele europäische Dampfschiffe legen hier an, doch keines fuhr hinunter nach Ceylon. Ich machte aber einen bengalischen Küstenfahrer ausfindig, der an der Ostküste entlang bis nach Madras fuhr und der mich mitnehmen wollte. Lord Percy war davon so begeistert, dass er sich sofort anschloss. Wir dümpelten mit diesem bengalischen Handelsfahrer an der Ostküste von Vorderindien entlang, legten an vielen kleinen Hafenstädtchen an, kamen dann an die Koromandel-Küste, die sich zwischen Point Calimere und der Kistna-Mündung hinzieht und in deren Mitte wir nach gut drei Wochen in Madras anlegten. Die Einheimischen nennen Madras auch Tschennapattam. Madras ist Sitz des englischen Gouverneurs und eines anglikanischen Bischofs. Den Kern bildet die Schwarze Stadt, an die sich Fort St. George anschließt. Das Klima soll im Sommer für Europäer sehr gefährlich sein, doch ich hatte nicht vor, länger hierzubleiben, denn ich hoffte, eine Weiterfahrt nach Ceylon zu finden. Mein bisheriger Weggefährte Lord Percy wollte sich erst von mir trennen, um sich quer durch das Land über Bangalore zu den West-Ghats und dann hinauf bis nach Bombay durchzuschlagen, überlegte es sich aber dann anders. Ein französischer Frachter, der Zwischenstation an den französischen Städten der Koromandel-Küste machen wollte, nahm uns mit. Zuerst legten wir in Pondichery und zwei Tage später in Karikal an, beides Kolonialgebiete der Franzosen an der vorderindischen Südostküste. Dann schlängelte er sich durch die Palkstraße, eine durch Felsenriffe nicht ungefährliche Meeresenge zwischen der indischen Südküste und Ceylon, und dann durch den Golf von Manaar, bis wir dann in Kolombo, der Hauptstadt von Ceylon, anlegten. Wir befanden uns nun auf Sinhala Dvipa, der Löweninsel, wie sie von den Einheimischen genannt wurde. Von Kolombo aus gingen wir in das Innere der Insel nach Kandi, der ehemaligen Hauptstadt des alten Königreichs, wo in dem berühmten Tempel ein Zahn des Buddha aufbewahrt werden soll. Natürlich schlossen wir uns auch einer Elefantenjagd an. Wir schlugen dann den Weg nach Süden ein bis Point de Galle, wo ich sofort einen Frachtdampfer erwischte, der auch Padang auf Sumatra anfuhr, das ich mir als nächstes Ziel ausersehen hatte. Lord Percy aber wartete auf eine Fahrgelegenheit hinauf nach Madras, um seine geplante Reise durch Indien zu vollenden. Wir hofften, uns irgendwo auf Reisen einmal wiederzutreffen.

Während meines Aufenthaltes auf Sumatra und Malakka hatte ich mir das eigentliche Malaiisch, das durch die ganze australische Inselwelt Verkehrssprache ist, ein wenig angeeignet. Das Kawi, die malaiische Priester- und Schriftsprache, verstand ich nicht; dafür aber glaubte ich, dass ich mich wahrscheinlich auch den Bewohnern der Tahiti- und Marquese-Inseln in ihrer Mundart verständlich machen könnte, wenn ich diese Inseln einmal aufsuchen würde. Ich glaube, dass man sich leichter in eine fremde Sprache findet, wenn man während seiner Schülerzeit einen guten Grund gelegt hat. Bei der Bekehrung der westmalaiischen Volksstämme zum Mohammedismus hat ihre Sprache viel von dem Arabischen aufgenommen und wird noch jetzt mit wesentlich arabischen Buchstaben geschrieben. Da ich das Arabische verstehe, so hat mir ein Zurechtfinden im Malaiischen nicht viel Mühe gemacht.4

Im März hatte ich das Glück, in Singapur einen holländischen Frachter anzutreffen, der zurück nach Amsterdam fuhr. Ich stand vor der Wahl, entweder meine Reise im malaiischen Archipel fortzusetzen oder nach Hause zu fahren. Da meine Reisekasse ziemlich dünn geworden war, entschloss ich mich für die Heimreise, zumal sie mich nichts kostete, da ich mich als Hilfskraft mit zwar geringer Bezahlung, aber dafür mit voller Verpflegung, anheuern ließ. Wir hatten eine stürmische Rückfahrt durch den Indischen Ozean, nach dem Kap der Guten Hoffnung gab es im Atlantik zwar auch noch starken Wind, doch einen echten Sturm erlebten wir nicht mehr. Nun bin ich wieder zu Hause angelangt und werde in den nächsten Tagen versuchen, meine Erlebnisse zu Papier zu bringen.

4. RUSSLAND-REISE (1863)

Sonntag, 24. Mai 1863:

Ich bin jetzt in Wien und habe mir vorgenommen, mit dem Schiff die Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer hinabzufahren. Dort werde ich sehen, wie ich weiterkomme. Ich habe vor, über das Schwarze Meer nach Transkaukasien zu gehen, wo ich mir gerne einmal das Kloster Etschmiadzin ansehen möchte, von dem ich schon so viel gehört habe. Von dort aus würde ich gerne bis ans Kaspische Meer reisen oder, falls das mit zu großen Umständen verbunden ist, irgendwie sonst nach Norden zu gelangen suchen, denn ich möchte gerne den Don oder die Wolga kennen lernen und dann meine Reise nach Moskau fortsetzen. Ich hatte nämlich in Dresden die Bekanntschaft eines russischen Offiziers gemacht, der sich Iwan Semenoff nannte. Wir hatten uns beim Billard getroffen. Er war ein ausgezeichneter Spieler und ein höchst ehrenwerter Mann. Wir waren Freunde geworden und ich hatte versprechen müssen, ihn oder wenigstens seine Mutter zu besuchen, wenn ich einmal nach Moskau kommen sollte.1

Montag, 15. Juni 1863:

Es hat auf den Tag genau drei Wochen gedauert, bis ich hier in Tultscha, der großen Hafenstadt im Donaudelta, angekommen bin. Da bis hierher die Hochseeschiffe aus dem Schwarzen Meer kommen, hoffe ich, dass ich eine Gelegenheit zur Weiterfahrt finde. Es war eine erlebnisreiche Reise mit Hindernissen, teils auf dem Fluss, teils zu Land, da die Donau noch nicht überall schiffbar ist, etwas abenteuerlich, aber schön. Ich kann mir vorstellen, dass dann, wenn sich einmal alle Staaten, durch die dieser zweitgrößte Strom Europas fließt, einig sind und ein durchgehender Schiffsverkehr auf der Donau möglich gemacht wird, diese Reise auch für weniger abenteuerempfindliche Leute ein Vergnügen wird. Zu viele staatliche Interessen sind momentan noch zu berücksichtigen.

Montag, 22. Juni 1863:

Heute bin ich in Batum, der Hauptstadt von Russisch-Kaukasien, angekommen. Batum liegt an einer Bai, die den besten Ankerplatz im östlichen Schwarzen Meer bieten soll, und ist der Haupthandelshafen Transkaukasiens und gleichzeitig auch Kriegshafen. Die Einwohnerzahl könnte über 5.000 betragen. Nun suche ich von hier aus eine Gelegenheit, um in die Gegend von Eriwan zu kommen, von wo etwa zwanzig Kilometer westlich das Kloster Etschmiadzin liegt.

Dienstag, 30. Juni 1863:

Ich hatte schon einiges von dem berühmten armenischen Kloster gehört, das seltene Schätze besitzen soll. Ursprünglich stand hier die uralte Stadt Wagharschabad, die im Jahre 302 von König Tiritades gegründet worden war. 524 erbaute der Patriarch Narses das Kloster, das mit seiner hohen Mauer und seinen acht Türmen einer Festung ähnlicher sieht als einem Kloster der armenischen Kirche. Ich war in einer Herberge in der Nähe des Klosters untergekommen, in einer Gegend, die noch zum alten Wagharschabad gehörte. Vier Mal war ich insgesamt im Kloster Etschmiadzin,2 um mir die kostbaren Reliquien anzusehen und um mich mit den Mönchen zu unterhalten. Man kann daran glauben oder nicht, wenn man hört, welche Kostbarkeiten hier angeblich aufbewahrt werden: Das bedeutendste Stück soll die Lanze sein, mit der Christus am Kreuz durchbohrt wurde; dann sieht man ein Stück der Arche Noah und die rechte Hand des heiligen Gregor. Wer die heilige Hripsime war, von der ein Stück ihres Schädels hier aufbewahrt wird, weiß ich nicht. Weitaus mehr noch interessierte mich die Bibliothek, in der sehr seltene Werke, wie zum Beispiel alte Bibelhandschriften, aufbewahrt werden, an die ich aber nur herankam, nachdem ich mit maßgebenden Mönchen darüber ins Gespräch gekommen war. Nach einigen Tagen, als ich meinen Wissensdurst genügend gestillt und auch die beiden Filialklöster von Etschmiadzin, nämlich Kaiane und Hripsime, kurz besucht hatte, setzte ich meine Reise nach Zentral-Russland fort.

Sonntag, 26. Juli 1863:

Vom Kloster Etschmiadzin war ich wieder zurückgereist nach Batum, wo ich bei meiner Ankunft noch am gleichen Tag ein Schiff erreichte, das mich über das Schwarze Meer durch die Meerenge von Kertsch im Osten der Halbinsel Krim und durch das Asowsche Meer nach Taganrog brachte. Die Hafenstadt Taganrog liegt auf einer Landzunge am Asowschen Meer. Sie war 1698 von Zar Peter I. gegründet und vor wenigen Jahren (1855) von einer englischfranzösischen Flottille zerstört worden und befindet sich jetzt noch im Wiederaufbau. Nicht sehr weit davon fließt der Don, in mehrere Arme verzweigt, ins Asowsche Meer. Nördlich davon liegt das Gebiet der Donischen Kosaken, die als großes Reitervolk bekannt sind und die ich nicht näher beschreiben muss. Mich interessierte besonders ihre Reitkunst und ich muss sagen: Alle Achtung! Selbst die fast unübertroffenen indianischen Prärievölker Nordamerikas könnten noch einiges von den Kosaken lernen. Natürlich musste ich auch ein Kosakenpferd zwischen meine Schenkel nehmen. Mit einem Dampfer fuhr ich dann den Don so weit hinauf, bis dahin, wo er sich etwa auf sechzig Kilometer der Wolga nähert. Hier stieg ich aus und erreichte in östlicher Richtung die Kreisstadt Zarizyn an der Wolga. Nach dem Städtchen Sarepta, das südlich von Zarizyn liegt und 1765 von den deutschen Herrnhutern gegründet wurde, kam ich leider nicht, denn ich hatte Gelegenheit, mit einem Dampfer die Wolga aufwärtszufahren; mein nächstes Ziel war ja eigentlich Moskau.

Mittwoch, 29. Juli 1863:3

Das freundliche, an der Wolga liegende Subzow lag hinter mir, und die Troika, deren ich mich bediente, flog auf der Straße nach Moskau hin. Als wir an einem Gasthaus vorbeikamen, hielten wir an und legten eine Reisepause ein. Auf meine Frage, wem das Pferd gehöre, das neben der Tür stand, antwortete mir der Wirt, dass der Besitzer ein Rittmeister von Semenoff sei, der nach dem Flüsschen gegangen sei. Vielleicht war es mein Dresdener Bekannter und ich konnte ihn hier treffen. Ich folgte dem schmalen Pfad, der sich durch die Wiese schlängelte, bis in die Büsche, zwischen denen er sich bald verlief. Als ich ein höhnisches Lachen hörte, blieb ich stehen. Es mussten da zwei Personen beisammen sein, die höchstens zwanzig Schritte vor mir standen. Auf einem kleinen Umweg durch die Sträucher gelangte ich in ihren Rücken. Den Rittmeister kannte ich nicht, und der andere Mann musste erst kürzlich einem russischen Gefängnis entwischt sein, wie ich vernahm. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Beide planten irgendein Verbrechen. Sie wollten sich heute Abend nochmals mit einer Frau namens Wanda in einem Garten bei den Eichen treffen. Ich hatte zwei Verbrecher belauscht. Diese Angelegenheit ging mich etwas an, da der Offizier den Namen meines Freundes trug.

In Moskau stieg ich im Hotel Petershof ab. Die Familie Semenoff wohnte in derselben Straße. Ich schickte meine Karte hin, und kaum war der Bote wieder zurück, so hörte ich eilige Schritte und Iwan trat ein. Natürlich musste ich in seinem Haus, einem Palast, wohnen und er stellte mich dann sofort seiner Mutter vor. Später lud er mich zum Billardspiel ein, an dem auch die Gesellschafterin seiner Mutter teilnehmen würde. Ich stand am Fenster. Unten lenkte ein Reiter nach dem Tor. Es war der Dragonerrittmeister, den ich belauscht hatte. Er hieß Kasimir und war der Vetter von Iwan, doch der wollte von diesem nicht viel wissen. Da trat die Gesellschafterin ein, Fräulein Wanda Smirnoff. Es war Schreck, der sie so fürchterlich erbleichen ließ, als sie mich erblickte. Die ‚stille, ernste, fromme‘ Gesellschafterin war Adele Treskow, eine ‚alte Bekannte‘.

Meine Bekanntschaft mit Adele ‚von‘ Treskow lag schon einige Zeit zurück. Ich lernte sie in einem Bahnhof im Ruhrgebiet kennen, wo sie ebenso wie ich den Zug nach Düsseldorf verpasst hatte. Da wir noch lange Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges hatten, suchten wir ein Kaffeehaus auf, wo wir beide Klavier spielten. Dort gesellte sich ein Mann zu uns, der sich als ‚Assessor Max Lannerfeld‘ vorstellte und die ‚Sängerin Adele von Treskow‘ von Berlin her kannte. Außerdem war noch ein reicher Viehhändler aus Köln da. Obwohl ich kein Spieler bin, ließ ich mich auf ein Kartenspiel mit finanziellem Einsatz ein. Ich aber wusste sofort, woran ich war; ich hatte es mit Gaunern zu tun. Ich gewann einige Male und verlor dann einmal. So hielt ich fest, bis vierzig Taler lagen. Da griff ich in die Tasche und zog drei Fünfzigtalernoten heraus. Das war mein Reisegeld, im Augenblick mein ganzes Vermögen. Ich sagte, dass ich diese Summe zusätzlich setzen würde, wenn ich jetzt gewänne. Und ich gewann. Dann strich ich das Geld ein. Es kam zu einem Wortgefecht, wobei sie verrieten, dass sie mich absichtlich hatten gewinnen lassen, um dann meinen erhöhten Einsatz zu kassieren. Ich verließ den Raum und meldete dem Wirt, dass verbotenes ‚Kümmelblättchen‘ gespielt worden war. Als einige Kellner in das Zimmer traten, war das Trio durch das Fenster entflohen. – Es war einige Monate später. Ich war wieder daheim in Dresden und gerade unverhofft von einer Reise zurückgekommen. Ich muss bemerken, dass ich mich damals für kurze Zeit als Redakteur hatte anstellen lassen. Mein Zimmer befand sich an meiner Arbeitsstelle. Da sah ich im Setzersaal noch Licht und hörte auch das Geräusch einer Handpresse. Als ich in den Raum trat, stand vor mir der ‚Herr Assessor Max Lannerfeld‘. Er hatte sich Passmuster gedruckt, die trotz der Unzulänglichkeit der alten Presse scharf ausgefallen waren. Die Polizei erschien und bemächtigte sich des Gefangenen. Die Untersuchung ergab, dass der Herr Assessor ein polnischer Schriftsetzer war, der längere Zeit in Berlin gearbeitet hatte. Später war er mit seiner Freundin, einer geborenen Polin, auf Reisen gegangen. Die ‚Sängerin‘ wurde nicht aufgefunden. Der Herr Assessor wurde zu einer längeren Haft verurteilt.4

Zurück nach Moskau: Iwan Semenoff führte mich später in den Garten. Dabei konnte ich feststellen, dass dies der Ort war, wo das vereinbarte Stelldichein der beiden Verbrecher stattfinden sollte. Iwan befand sich an diesem Abend mit seiner Mutter im Theater. Noch vor Mitternacht begab ich mich leise in den Garten. Es mochte drei Viertel nach zwölf sein, als ich leichte Schritte vernahm, und wirklich erkannte ich in der Nahenden die Gesellschafterin. Kaum eine Minute später erschien eine männliche Gestalt. Seit ich diese Wanda erkannt hatte, wusste ich auch, wer er war: der frühere angebliche Assessor. Sie unterhielten sich über mich, konnten dann aber nicht weitersprechen, denn der Rittmeister kam. Ich erlauschte, dass man am folgenden Tag, wenn Iwan mit seiner Mutter das Haus verlassen hatte, einen Juwelier mit seinen kostbarsten Stücken in die Villa bestellt habe, um ihn auszurauben und dann mit der Beute zu verschwinden.

Donnerstag, 30. Juli 1863:

Am Morgen war es mein erstes, Iwan davon Mitteilung zu machen. Er erstarrte vor Erstaunen. Dann eilten wir auf das Polizeiamt. Iwan kannte einen der höheren Polizeibeamten, zu dem ich ihn begleitete. Dieser hörte unserem Bericht aufmerksam zu und nickte dann. Er kannte den Assessor, einen Polen namens Mieloslaw, ein höchst gefährlicher Mensch, der kürzlich erst aus dem Gefängnis entsprungen war. Mit mehreren verkleideten Polizeibeamten kehrten wir zu Iwans Palast zurück und beobachteten ihn unbemerkt. Eine Viertelstunde verging; da kam eine Droschke herbei und hielt vor dem Gittertor. Ein einzelner Herr stieg aus; er trug einen winzigen Koffer. Es war der Juwelier Schikawiersky. Kurze Zeit darauf verschwanden die verkleideten Polizisten im Eingang des Palastes. Wir gingen mit hinein und drangen mit den Polizisten in die Räume. Im Zimmer stand der frühere Schriftsetzer in der Livree des Hauses; etwas weiter vor ihm befand sich Wanda, als Baroneska verkleidet. In der Hand hielt sie bereits den kleinen Koffer. Auf dem Stuhl lag mehr, als er saß, der Juwelier. Er war gewürgt worden. Die Steine, die geraubt werden sollten, hatten einen Wert von mehreren hunderttausend Rubel. Mieloslaw wurde gefesselt. Ebenso erging es seiner Gehilfin.

Freitag, 31. Juli 1863:

Am Nachmittag kam die Kunde, dass der Rittmeister in der hochflutigen Moskwa ertrunken sei.

Mittwoch, 7. August 1863:

Ich blieb mehrere Tage Gast von Iwan Semenoff und seiner Mutter. Er zeigte mir die Schönheiten Moskaus, die ich allein nie in dieser großen Weltstadt gefunden hätte. Besonders der Kreml hatte es mir angetan. An der Beerdigung des Rittmeisters nahm ich nicht teil. Mieloslaw wurde mit seiner Gehilfin auf Lebenszeit nach Sibirien verbannt. Heute ist der Tag des Abschieds von Moskau und den gastfreundlichen Semenoffs. Ich werde über Minsk und Warschau in meine Heimat zurückkehren.

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