Kitabı oku: «Chronik eines Weltläufers», sayfa 5
Mittwoch, 5. Oktober 1864:
Mitternacht war schon einige Zeit vorüber, als ich wieder bei den fünfen eintraf. Der Tornado hatte sie Gott sei Dank verschont. Sie erzählten mir, dass ein Schattenbild am Himmel erschienen sei, in dem sie den Geist des Llano Estacado zu sehen glaubten. Kurz bevor ich ankam, bildete eine fremdartige Lichterscheinung einen gewaltigen Halbkreis am südlichen Himmel. Da, wo der Bogen dieses Halbkreises links auf dem Himmelsrand lag, tauchte jetzt plötzlich die Gestalt eines riesigen Reiters auf. Das Pferd war schwarz, der Reiter weiß. Er hatte die Gestalt eines Büffels. Man sah ganz deutlich den Kopf mit den beiden Hörnern, den Nacken mit der struppigen, halblangen Mähne, die hinterherflatterte. Die Gestalt verschwand so plötzlich, wie sie erschienen war, und der Lichtschein verblasste wieder. Als ich mich noch mit meinen Kameraden unterhielt, wurde er plötzlich wieder heller und lief wie an einer Funken sprühenden Lunte immer weiter nach Westen. Ganz links, da, wo das Bild begann, kam ein Reiter aus dem Dunkel hervor, derselbe von vorhin, mit einem Büffelfell bekleidet, aber in verkehrter Stellung, mit dem Kopf nach unten. Da ließ sich ein zweiter Reiter sehen, der dem ersten nachjagte. Hinter der letzterwähnten Gestalt folgten jetzt noch fünf oder sechs Reiter. Gewiss war der vorderste Reiter der sogenannte Geist des Llano Estacado, der von den anderen verfolgt wurde. Wir mussten ihm zu Hilfe kommen, weshalb wir den Gestalten entgegenritten. Nach etwa zwanzig Minuten sahen wir mehrere dunkle Punkte auf uns zukommen, die sich gegen den feurigen Hintergrund abzeichneten. Wir stiegen von den Pferden und duckten uns in einer Sandmulde. Der erste Reiter trug den Schädel eines weißen Büffels auf dem Kopf, von wo das zottige Fell weit über die Kruppe des Pferdes herunterhing. Sein Gesicht steckte so tief im Schädel, dass es nicht zu erkennen war. Ich rief ihm zu, dass ich Old Shatterhand sei und ihn beschützen wolle. Er bedankte sich, ritt aber weiter. Als die zweite Gestalt herankam, holte ich sie mit dem Lasso aus dem Sattel. Die anderen ‚Llanogeier‘ wurden von meinen Kameraden durch Schüsse auseinandergetrieben. Es war Stewart, der ‚Kavallerie-Offizier‘, den ich gefangen hatte, und Eisenherz erkannte in ihm den Mann, der seinem Vater in den Leib geschossen hatte, woran der Häuptling gestorben war. Eisenherz wollte mit ihm kämpfen, wobei beide nur mit einem Messer bewaffnet auf ihren Pferden davonritten. Nach einiger Zeit kam Eisenherz zurück, das Pferd seines Feindes am Zügel führend. An seinem Gürtel hing ein frischer Skalp. Danach richteten wir uns für ein kurzes Nachtlager ein.
Freitag, 7. Oktober 1864:
Wir waren seit zwei Tagen nach Süden durch den Llano Estacado unterwegs. Wir folgten einer tief in den weichen Sand getretenen Fährte, und zwar der Spur der Wüstengeier, die vor der Karawane herritten, um die Pfähle auszureißen und in falscher Richtung wieder in den Sand zu stecken. Da tauchte vor uns ein Reiter auf, ein einzelner Mann. Es war Bloody-Fox, ein kaum dem Knabenalter entwachsener Jüngling. Er bat uns um schnelle Hilfe für einen Zug von Auswanderern, meist Deutschen, die höchstwahrscheinlich noch heute Nacht von den ‚Geiern‘ überfallen werden sollten. Während wir weiter ritten, erzählte er uns, dass er auf über dreißig ‚Geier‘ gestoßen sei, wovon er zwei erschossen habe. Er gestand mir, dass er der ‚Avenging-ghost‘, der ‚Geist des Llano Estacado‘ sei und uns später mit in sein ‚Geisternest‘ nehmen wolle, das er bisher immer geheim gehalten habe. Eben als die Sonne unterging, erreichten wir die Wagenfährte, der wir nun gerade nach Süden folgten. Als wir ungefähr eine Stunde geritten waren, erblickten wir im Mondlicht eine Wagenburg. Man hatte die Wagen so zusammengeschoben, dass kein Reiter hindurchkonnte. Ein Mann kam herbei und lehnte sich über die Deichsel. Es war Tobias Preisegott Burton, der angebliche Mormonenmissionar. Er floh aus der Wagenburg und wir ließen ihn reiten, denn eine Verfolgung in der Nacht war fast aussichtslos. Der Anführer der Auswanderer, die alle Deutsche waren, erzählte uns, dass sie wahrscheinlich von ihrem Führer, jenem angeblichen Mormonen, in die Irre geleitet worden seien und kein Wasser mehr für sich und die Zugochsen gehabt hätten, weil ihre Wasserfässer angebohrt wurden. Nach kurzer Zeit stand ein Reitertrupp vor der Wagenburg. Zu meinem Erstaunen war es Winnetou mit Vater und Sohn Baumann, die ihn auf seine Einladung hin bei den Mescaleros besucht hatten, sowie vier fremde Männer und zwanzig Komantschen. Die Wagenburg wurde erweitert, und die Komantschen verteilten ihr Fleisch und auch das Wasser, das sie mit sich führten, unter die Auswanderer. Winnetou erzählte mir, dass er, als er mit den beiden Baumanns durch den Llano Estacado geritten war, vier Westmänner und zwei Mexikaner getroffen hatte und die Komantschen zu ihnen gestoßen seien. Die beiden Mexikaner waren geflohen, als sie von den Komantschen als ‚Llanogeier‘ enttarnt wurden. Daraufhin ritt man ihnen nach und stieß dabei auf das Lager der ‚Geier‘, in dem sich aber niemand mehr befand, doch man war deren Spuren gefolgt und hatte nach Einbruch des Abends den Platz, wo die Wüstengeier lagerten, entdeckt. Sie machten einen Bogen um das Lager der ‚Geier‘ und folgten im spärlichen Mondlicht Burtons Spur zurück, bis sie an die Wagenburg kamen. Wir beschlossen, dass Bloody-Fox sofort mit zehn Komantschen zu seinem ‚Geisternest‘ aufbrechen sollte, um die ‚Geier‘, die wir dort hintreiben wollten, in Empfang zu nehmen. Dann herrschte tiefe Ruhe rundumher.
Samstag, 8. Oktober 1964:
So verging die Nacht. Langsam wurde es heller, und nun sahen wir die Pfahlmänner zu Pferd im Galopp herankommen. Über dreißig Schüsse krachten. Die Schar der Angreifer bildete augenblicklich einen wirren Haufen. Tote und Verwundete stürzten von den Pferden. Die herrenlos gewordenen Tiere rannten weiter. Die anderen wurden von ihren Reitern zurückgerissen und jagten fliehend nach Süden. Ihrer waren freilich kaum noch über zehn. Ein Teil der Verfolger, mit Winnetou an der Spitze, ritt ostwärts, um dann nach Süden einzulenken und den Fliehenden den Weg dorthin zu verlegen, damit sie gezwungen seien, zwischen den beiden Kaktusfeldern einzubiegen. Ich eilte mit den anderen im Trab nach Süden, hinter den Wüstenräubern her. Nur Davy und Jemmy ritten eilig nach Südwesten, wo sie eine Kaktusfläche in Brand stecken sollten. Jahrelang hatten die papierdürren Kaktusreste dagelegen. Das gab einen Stoff wie Zunder. Die aufsteigende Hitze erzeugte einen Luftstrom, der immer stärker wurde und sich gar zum Wind erhob. Die Luft war glühend heiß; der Sand schien zu brennen. Droben begannen Blitze durch die Wolken zu zucken. Einzelne Tropfen fielen, dann mehr und immer mehr. Und jetzt regnete es wirklich, stärker, immer stärker, bis es schließlich goss wie bei einem tropischen Gewitter. Ich war überzeugt, dass die Auswanderer alle verfügbaren Gefäße herbeiholten, um sie sich füllen zu lassen, und die fast verschmachteten Ochsen wieder Leben bekamen. Von den gejagten ‚Geiern‘ waren nur noch drei übrig, von denen zwei an Eisenherz vorübermussten. Er erkannte sie, die bei der Ermordung seines Vaters beteiligt gewesen waren. Zwei Schüsse, und sie stürzten von den Pferden. Indessen jagte Bloody-Fox den Anführer Burton vor sich her bis vor die Hütte. Dort brach das Pferd des Räubers zusammen und Burton flog aus dem Sattel. Seine Augen blickten starr und gläsern, er hatte sich den Hals gebrochen. Bloody-Fox aber hatte in dem Toten den Mörder seiner Eltern erkannt. Jetzt kamen auch wir herbeigestürmt, während Fox sein Pferd bestieg und zurückritt, um sein zuvor verlorenes Büffelfell aufzunehmen und es wieder über Kopf und Schulter zu hängen. Alle, außer mir, waren ungemein erstaunt, als sie Bloody-Fox nunmehr in dem weißen Fell erblickten und in ihm den sagenhaften Geist des Llano erkannten. Auch Bob war mit in das ‚Geisternest‘ gekommen. Da kam eine Schwarze auf ihn zu, die ‚Haushälterin‘ von Bloody-Fox, und sprach mit ihm. Dann fielen sich beide in die Arme, denn es stellte sich heraus, dass Bob ihr Sohn war, der als Sklavenkind von Tennessee nach Kentucky verkauft worden war. Hier hatte er endlich seine Mutter Sanna wiedergefunden, die er immer gesucht hatte. Die Geier waren besiegt, und die Auswanderer wurden herbeigeholt. Bloody-Fox war der Held des Tages. Er musste seinen seltsamen Lebenslauf ausführlich erzählen, und er sprach den festen Entschluss aus, für immer hierzubleiben, um den Llano von den ‚Geiern‘ rein zu halten. Sanna und Bob erklärten, ihn nicht verlassen zu wollen.
Sonntag, 16. Oktober 1864:
Die Komantschen und die vier anderen Männer brachen schon nach zwei Tagen auf. Wir anderen aber blieben gut eine Woche als Gast bei Bloody-Fox. Hobble-Frank wollte mit den beiden Baumanns wieder zum Haus des ‚Bärenjägers‘; der Dicke Jemmy und der Lange Davy hatten andere Pläne. Die Auswanderer wollten nach Arizona hinüber. Winnetou und ich würden sie bis an den Rio Pecos begleiten,7 dann wollten wir nochmals hinauf zu den Schoschonen, die uns im Sommer zur Herbstbüffeljagd eingeladen hatten. Als wir uns von Bloody-Fox verabschiedeten, mussten wir ihm versprechen, ihn unbedingt zu besuchen, falls wir wieder in den Llano Estacado kämen.
Dienstag, 29. November 1864:
Bei den Schoschonen waren wir auch mit Amos Sannel, einem alten biederen Pelzjäger zusammen gewesen, der ein ganz seltenes Gewehr aus der Werkstatt von ‚Ralling, Shelbyville, Tenn.‘ besaß. Er hatte in die beiden Backen des Schlosses Blumen ätzen lassen, deren Staubfäden rechts am Lauf ein A und links ein S bildeten.8
Dienstag, 31. Januar 1865:9
Danach war ich mit Winnetou über das Gebirge und trotz der späten Jahreszeit quer durch ganz Wyoming bis nach Fort Niobrara in Nebraska geritten, wo uns der Winter überraschte. In Fort Niobrara wurden wir leider vollständig eingeschneit, und wir sahen uns gezwungen, den ganzen Dezember und Januar in dieser Einsamkeit zu bleiben. Es gab nur zwei Personen, mit denen wir uns zuweilen unterhielten. Das waren die Brüder Burning aus Moberly in Missouri, die in den Black Hills glücklich nach Gold gegraben hatten und sich jetzt mit dem Ertrag ihrer schweren Arbeit auf dem Heimweg befanden. Außerdem hatte sich noch allerhand Volk im Fort zusammengefunden, lauter zweifelhafte Existenzen, mit denen die Burnings nicht verkehrten. Am rohesten betrugen sich zwei Kerls, die Grinder und Slack hießen. Das ständige Wort Grinders war „Ich will gleich erblinden“, während sein Kumpan die Lästerung „Gott soll mich wahnsinnig machen“ im Munde führte. Zu erwähnen sind noch zwei Indianer, die der Schneesturm nach dem Fort getrieben hatte. Sie behaupteten, dem Stamm der Caddo ananzugehören, waren aber wahrscheinlich Ausgestoßene, die nicht einmal Waffen hatten, denn sie waren von den Sioux ausgeraubt worden. Sie wollten nach Kansas hinunter und schnitzten sich Pfeile und Bogen, um nicht unterwegs hungern zu müssen.
Dienstag, 7. Februar 1865:
Anfang Februar trat plötzlich milde Witterung mit Tauwetter und dann Regen ein. Der Schnee verschwand, und wir konnten nun daran denken, unseren Ritt fortzusetzen. Zuerst brachen die beiden Indianer auf, zu Fuß natürlich. Zwei Tage später ritten die Brüder Burning fort, denen am nächsten Tag Grinder und Slack folgten.
Mittwoch, 8. Februar 1865:
Als erfahrene Westmänner warteten wir noch einen Tag, um zu erfahren, ob die milde Witterung beständig sei; dann brachen auch wir auf. In dem weichen Boden sahen wir ganz deutlich die Spuren derer, die Fort Niobrara vor uns verlassen hatten. Sie alle schienen ohne Ausnahme, so wie auch wir, nach Fort Hillock zu wollen.
Sonntag, 12. Februar 1865:
Die Spuren hielten sich beisammen, und wir folgten ihnen über den Loup-Fork hinüber. Von da aus konnte man Fort Hillock nach einem kurzen Tagesritt erreichen. Da es aber jetzt schon über Mittag war, konnten wir nicht vor morgen Vormittag dort eintreffen. Diese Nacht verbrachten wir am Gebüsch eines kleinen Nebenflüsschens des Loup-Fork.
Montag, 13. Februar 1865:
Sobald es im Osten nur einigermaßen zu grauen begann, saßen wir auf und ritten weiter. Wir ritten einem Buschwerk zu, um dessen Ecke die Spuren bogen. Da lagen die Burnings bei der Asche eines ausgegangenen Feuers in einer großen Blutlache. Wir durften uns nicht bei den Leichen aufhalten, sondern wir mussten den Mördern folgen, die ihren Opfern Gold und Gewehre abgenommen hatten und dann mit den zwei erbeuteten Pferden fortgeritten waren. Es konnten nur Grinder und Slack gewesen sein, die diese Bluttat vollbracht hatten. Ihre Fährte führte genau in Richtung auf Fort Hillock zu. Nach vielleicht einer halben Stunde sahen wir, dass die Reiter angehalten hatten. Von dieser Stelle an teilte sich die eine vierpferdige Spur in zwei zweipferdige Fährten. Die Mörder hatten die armen Roten hier eingeholt und ihnen die Pferde geschenkt, um den Verdacht von sich ab und auf sie zu lenken. Darum hatten sie ihre Opfer auch nicht erschossen, sondern erstochen, weil die Caddo-Indianer keine Gewehre, sondern nur Pfeile, Bogen und Messer besaßen. Während wir hierauf weiterjagten, sahen wir am Horizont vor uns eine Reiterschar auftauchen, die uns entgegenkam. Es waren Kavalleristen, die in ihrer Mitte die beiden Caddo-Indianer gefesselt mit sich führten. Ich erläuterte dem kommandierenden Offizier die Situation und erklärte die beiden Indianer für unschuldig. Er schien mir zu glauben, denn er wählte sechs Mann aus, die mit den mitgebrachten Spaten zum Ausheben von Gräbern weiterreiten mussten; dann nahm er uns mit den beiden Gefesselten in die Mitte, um nach dem Fort zurückzukehren. Der Kommandant des Forts erkannte mich sofort, doch ich bat ihn, meinen Namen der Sioux wegen nicht zu nennen. Er hatte mich gesehen, als ich 1861 vor meiner Rückkehr nach St. Louis bei Mutter Thick in Jefferson City eingekehrt war. Als wir mit dem Kommandanten allein waren, erzählte ich ihm ausführlich, was wir den Mord an den beiden Goldgräbern betreffend festgestellt hatten. Als Grinder und Slack eintrafen, wurden sie von den Soldaten in Gewahrsam genommen. Später wurden die Mitglieder des Gerichthofes zusammengerufen, der aus den Offizieren und drei Unteroffizieren bestand. Winnetou und ich hatten als Zeugen beizuwohnen und auch die Caddo-Indianer mussten erscheinen. Es gelang nicht, die Verbrecher zum Eingeständnis ihrer Tat zu bringen. Deshalb wurde vereinbart, dass sie sich mit Winnetou und mir auf einen Messerzweikampf in einem dunkeln Schuppen einlassen würden. Da wurde es ganz plötzlich außerordentlich kalt, so kalt, dass es durch Mark und Bein zu gehen schien, und kurz darauf begann ein hohles, dumpfes Brausen pausenlos über das Dach zu gehen. Es war ein Blizzard, wie der furchtbare Schneesturm im Westen des Mississippi heißt. Der Boden zitterte unter uns; der Schuppen prasselte; er neigte sich nach rechts, nach links, worauf der hintere Teil krachend zusammenbrach. Und jetzt trat die Ruhe ebenso plötzlich ein, wie der Sturm plötzlich gekommen war. Unter den Trümmern der eingestürzten Schuppenhälfte arbeitete sich eine Gestalt hervor, die mit lautem Gebrüll von dannen lief; es war Slack. Grinder lag zwischen zerbrochenen Brettern unter einem Balken, der ihm fast die Brust eindrückte. Ein Brett war mit der scharfen Kante quer über sein Gesicht gefallen und hatte ihm beide Augen ausgeschlagen. Wir suchten nach dem verschwundenen Slack und fanden ihn wahnsinnig an der Plankenumzäunung. Grinder blind und Slack wahnsinnig. Ganz so, wie sie es in ihrem Unglauben und ihrer Frechheit von Gott gefordert hatten!
Dienstag, 14. Februar 1865:
Sonderbarerweise trat nach dem schlimmen Tag wieder mildes Wetter ein, das uns die Fortsetzung unseres Ritts erlaubte. Grinder und Slack blieben als Schwerverletzte auf dem Fort zurück. Der Kommandant versprach uns, den Angehörigen der ermordeten Brüder Burning die acht Beutel Gold mit dem vollen Inhalt zuzustellen.
Montag, 20. Februar 1865:
Die beiden Caddo-Indianer konnten uns begleiten. Wir brachten sie an den vereinigten Platte-Fluss, wo sie von uns schieden, uns ihrer immerwährenden Dankbarkeit dafür versichernd, dass wir sie vom unverdienten Tod des Erhängens gerettet hatten. Mit Winnetou ritt ich weiter, denn wir wollten hinunter zu den Mescalero-Apatschen an den Rio Pecos.
April 1865:
Unser Ritt nach Süden zu den Mescaleros führte uns durch den Llano Estacado, wo wir zuerst in Helmer’s Home Station machten und dann mehrere Tage in der Wüsten-Oase bei Bloody-Fox blieben. Bob und seiner Mutter ging es prächtig und beide waren glücklich, sich gefunden zu haben. Beim Abschied mussten wir versprechen, immer wieder zur Oase zu kommen, wenn wir durch den Llano kämen. Ohne Zwischenfälle erreichten wir das Pueblo am Rio Pecos, wo ich noch einige Zeit bleiben wollte, bevor ich in meine Heimat aufbrach.
Mittwoch, 24. Mai 1865:
Heute am späten Nachmittag bin ich in Galveston angekommen. Der Bürgerkrieg ist zu Ende und die Verhältnisse im ehemaligen konföderierten Staat Texas beginnen sich zu normalisieren. Ursprünglich wollte ich nach New Orleans, weil ich hoffte, von dort aus am ehesten ein Schiff nach Europa zu finden. Doch der Weg hatte mich hinunter an den texanischen Teil des Golfs von Mexiko geführt und so versuchte ich erst einmal hier mein Glück. Mein Pferd hatte ich auf dem Festland in einem Mietsstall untergebracht. Es war nicht mein treuer Hatatitla, sondern ein Falbe, den ich von den Mescaleros mitgebracht hatte. Ich schlenderte auf den Hafen der Stadt zu, von der ich wusste, dass der Seeräuber Lafitte hier ehemals eine Niederlassung hatte, die aber 1821 von Lieutenant Kearny zerstört worden war. Die heutige Stadt Galveston wurde 1837 gegründet und ich schätze sie jetzt auf mehr als zehntausend Einwohner. Sie liegt auf der lang gestreckten Küsteninsel am Eingang in die Bay von Galveston und war bis zum Beginn des Bürgerkrieges die wichtigste Seestadt von Texas. Im Hafen sah ich neben den US-Kriegsschiffen eine flotte Bark am Kai liegen. Mich interessierte dieses Segelschiff, das bestimmt nicht für alle Ewigkeit hier liegen würde, und deshalb begab ich mich dorthin. Als ich über das Fallreep zum Schiff wollte, wurde ich von einem Maat angesprochen. Ich fragte höflich, was das für ein Schiff wäre, worauf er sagte, dass dies ein nordamerikanischer Frachtensegler sei, der dem Kapitän Frick Turnerstick gehöre. Als ich wissen wollte, ob dieser an Bord sei, erhielt ich zur Antwort, er befinde sich bei der militärischen Hafenverwaltung, um eine Auslaufgenehmigung zu erhalten. Das war Musik in meinen Ohren. Ich machte mich auf und traf den Kapitän tatsächlich beim Hafenkommandanten, zu dem ich hingeführt worden war. Natürlich musste ich mich vorher ausweisen und meinen Wunsch vortragen. Ich erfuhr, dass Turnerstick in einer guten Stunde den Hafen verlassen wollte, bevor es zu dunkel wurde. Selbstverständlich würde er mich mitnehmen, wenn ich mich innerhalb dieser Frist auf seinem Schiff einfände. Ich eilte deshalb zurück zum Mietstall, um meinen Lasso und die Sachen zu holen, die ich in meiner Satteltasche untergebracht hatte. Den Falben samt Sattel konnte ich gegen ‚Greenback‘-Dollars, wie man das US-Papiergeld nannte, verkaufen. Kaum war ich an Bord, so wurden auch schon die Anker gelichtet. Da ich der Besatzung im Weg war, durfte ich mir das Auslaufmanöver nicht mit ansehen und musste in meiner Kajüte verschwinden. Für mich war jedenfalls die Hauptsache, dass ich mich auf dem Weg in die Heimat befand.
6. ERSTE SÜDAMERIKA-REISE (1865)
Donnerstag, 25. Mai 1865:1
Als ich heute Morgen meine Kajüte verließ, glitt unser Schiff bei strahlendem Sonnenschein durch den Golf von Mexiko. Die Ernüchterung kam etwas später beim Frühstück mit Kapitän Frick Turnerstick: Als ich ihn fragte, welchen Hafen wir in Nordamerika anlaufen würden, antwortete er mir lachend, dass er eben erst New York verlassen hätte, einen kleinen Umweg nach Galveston gemacht habe, um einen Teil seiner Fracht abzuladen und neue aufzunehmen, und wir uns jetzt auf der Fahrt nach Buenos Aires in den La-Plata-Staaten befänden. Mir blieb das Frühstück fast im Halse stecken. Wir hatten gestern Abend beide versäumt, uns gegenseitig zu informieren, wohin wir eigentlich wollten. Nach dem ersten Schock fand ich mich damit ab, dieses Schicksal nicht mehr wenden zu können.
Freitag, 16. Juni 1865:
Kapitän Frick Turnerstick, ein echter friesischer Seebär, hatte lange Jahre im Dienst eines New Yorker Reeders gestanden und deshalb seinen allerdings seltsamen deutschen Namen Drechslerstock in das englische Turnerstick verwandelt. Er hatte sich gar manche amerikanische Gewohnheit angeeignet, war aber im Grunde dennoch ein Deutscher vom reinsten Wasser geblieben. Inzwischen hatte er sich selbständig gemacht und war sein eigener Reeder. Er war in allen Meeren bekannt als ein tüchtiger, kühner, gewandter und erfahrener Schiffsführer, der außerdem die höchst lobenswerte Eigenschaft besaß, dass er sich stets bemühte, seinen Untergebenen mehr ein freundlich besorgter Vater als ein strenger Vorgesetzter zu sein. Darum hatte er stets nur zuverlässige und tüchtige Mannen an Bord, die ihn liebten und achteten.2 – Das alles erfuhr ich im Laufe unserer Fahrt durch die Karibik und in den südlichen Atlantik. Und ich kann sagen, dass wir beide ganz gute Freunde wurden. Turnersticks Bark, die den trefflichen Namen ‚The Wind‘ trug, flog bei kräftiger Brise nur so über das Wasser. Selbst bei Seiten- oder Gegenwind verstand es die Mannschaft, das Schiff auf gutem Kurs zu halten. – Als wir am Kap Polonio vorbei und an Montevideo vorüber in die meerbusenartige Mündung des Rio de la Plata kamen, strich uns von dort ein warmer Spätherbstwind entgegen. Noch im Laufe dieses Tages warfen wir an der Boca de Riachuelo y Ensenada unseren Anker, denn Buenos Aires hat keinen eigentlichen Hafen, sondern nur eine Reede, die überdies häufigen Windstößen ausgesetzt ist. Turnerstick und ich gingen zur Hafenbehörde; er um sein Schiff anzumelden, damit er einen Teil seiner Ladung löschen konnte, und ich, um mich als Durchgangsreisender auszuweisen.
Sonntag, 18. Juni 1865:
Turnerstick bestand darauf, dass ich mir kein neues Quartier suche, sondern die Zeit, bis ich ein Schiff nach Europa fände, auf seiner Bark bliebe. Natürlich nahm ich sein Angebot dankend an.
Buenos Aires war Hauptstadt der Provinz gleichen Namens, die zur Argentinischen Konföderation gehörte, und lag am rechten Ufer des hier über 75 Kilometer breiten, aber seichten La-Plata-Flusses. Die Stadt war recht hübsch gebaut, in regelmäßige Vierecke eingeteilt, hatte breite, sich rechtwinklig schneidende Straßen mit einstöckigen Häusern und wurde durch eine Zitadelle und mehrere Forts verteidigt. Sie war 1535 von Pedro de Mendoza gegründet, doch schon 1539 von Indios zerstört und dann 1580 neu aufgebaut worden. Ab 1630 war sie Bischofssitz, von 1776 bis 1816 Hauptstadt des Vizekönigreichs La Plata, dann der Vereinigten Staaten des Rio de la Plata und seit 1862 die der Argentinischen Konföderation.
Ich hatte mich laufend erkundigt, wann ein Schiff nach Europa in See stechen würde, doch es bestand vorerst keine Aussicht. Turnerstick hatte inzwischen einen Teil seiner Ladung gelöscht und eine kleinere aufgenommen, die für Kapstadt in Südafrika bestimmt war. Seine Restladung musste er um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien bringen. Er fragte mich, ob ich mit ihm fahren wolle, doch ich lehnte ab, da es mich nach Hause zog.
Mittwoch, 21. Juni 1865:
Am Sonntagabend verließ ich die mir inzwischen so vertraute Bark und bezog ein Quartier in der Nähe der Reede. Der Abschied von dem lieben Frick Turnerstick, den ich ins Herz geschlossen hatte, und seiner Mannschaft fiel mir nicht leicht, aber irgendwann musste es ja so weit sein. Als ich am Montagmorgen zur Boca de Riachuelo y Ensenada blickte, war der Platz leer, an dem ‚The Wind‘ geankert hatte. Irgendwie fühlte ich mich jetzt ein bisschen einsam. Meine tägliche Nachfrage nach einem Schiff gen Europa schien vergebens zu sein, obwohl laufend welche hier ein- und ausliefen, doch ihre Ziele lagen alle woanders. In der letzten Nacht, als ich einmal wach wurde und nicht gleich wieder einschlafen konnte, kam mir der Gedanke: Warum eigentlich nach Hause fahren, wo ich doch schon einmal hier in Südamerika war? Ich könnte ja quer durch den Kontinent reisen, die Pampa und die Kordilleren kennenlernen, um dann von Chile aus die Heimat zu erreichen. Im Grunde brauchte ich nur ein gutes Pferd und eine einigermaßen brauchbare Landkarte.
Montag, 25. September 1865:
Es war schon Frühjahr auf dieser südlichen Erdhalbkugel, als ich endlich die Hafenstadt Valparaiso in Chile erreichte. Über dreizehn anstrengende Wochen lagen hinter mir. Am 27. Juni war ich in Buenos Aires aufgebrochen. Es war schon gegen Ende des südamerikanischen Herbstes und ein gewagtes Unterfangen, in den bevorstehenden Winter hineinzureiten, zumal mir das Land vollkommen fremd war. Ein robustes, ausdauerndes Pferd brachte mich hinaus in das weite Hinterland der Hauptstadt, in die Pampa, was in der Indiosprache ungefähr mit ‚baumlose Ebene‘ zu übersetzen ist. Es ist ein fruchtbares Land, meist Weiden, auf denen es riesige Viehherden, Rinder, Pferde und Schafe, gibt. Ich sah oft Gauchos, berittene Hirten, die große Herden durch die Weidegebiete trieben. Sie gehörten meistens zu einer ‚Estanzia‘, einem Herrensitz der Großgrundbesitzer. Die wenigen Kleinstädte, durch die ich kam, zeigten in ihrer Anlage oft ein Viereckmuster mit einer baumumsäumten ‚Plaza‘, mit Kirchen und Verwaltungsgebäuden. Nahe dem Rio Salado wurde die Gegend hügeliger und die ersten Ausläufer der Kordilleren tauchten schon mit weißen Spitzen im Norden auf. Bei Mendoza begannen die sogenannten Trocken-Anden, ein Gebiet, das ursprünglich von Chile her erschlossen worden war und erst 1776 zum Vizekönigreich La Plata kam. Beim Übergang über die Kordilleren war man in der Nähe der höchsten Gipfel, die teilweise bis an die siebentausend Meter reichten. Es war ein anstrengender Ritt mitten im Winter, doch glücklicherweise mussten keine hohen Pässe überwunden werden, denn die Anden sind so von Tälern durchzogen, dass manche Flüsse, die nach Osten fließen, im Westteil des Gebirges entspringen und umgekehrt. Im Großen und Ganzen war es doch eine recht strapaziöse Reise für mich. Ich war zwar ermüdet, aber innerlich sehr zufrieden, als ich mich der Hafenstadt Valparaiso näherte, die an der Valparaiso-Bai des Stillen Ozeans und am Fuß und auf den Abhängen einer kahlen Hügelkette liegt. Gerne hätte ich bei meiner Reise noch einen Abstecher zur Hauptstadt Santiago gemacht, aber das wäre doch ein zu bedeutender Umweg gewesen. Mein treues Pferd, das mich redlich quer durch den Kontinent getragen hatte, konnte ich natürlich auf meinem weiteren Weg nicht mitnehmen. Deshalb suchte ich einen Pferdehändler auf, der mir wesentlich mehr für das Tier bezahlte, als es mich in Argentinien gekostet hatte. Hier in Valparaiso, dem bedeutendsten See- und Handelsplatz an der südamerikanischen Westküste, hoffte ich, eine Fahrgelegenheit nach Europa zu finden, egal ob um Kap Hoorn oder quer durch den Stillen Ozean. Die Hauptsache war, meine finanziellen Mittel reichten aus, die Schiffspassage zu bezahlen.