Kitabı oku: «Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch», sayfa 3
Das 7. Kapitel: Simplicius wird in einer armen Herberg freundlich traktiert
Wasgestalten mir wieder zu mir selbst geholfen worden, weiß ich nicht, aber dieses wohl, dass der Alte meinen Kopf in seinem Schoß, und vorn meine Juppen geöffnet gehabt, als ich mich wieder erholete; da ich den Einsiedler so nahe bei mir sah, fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir im selben Augenblick das Herz aus dem Leib hätte reißen wollen. Er aber sagte: »Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts, sei zufrieden« etc. je mehr er mich aber tröstete, und mir liebkoste, je mehr ich schrie: »O du frißt mich! O du frißt mich! du bist der Wolf, und willst mich fressen.« »Ei ja wohl nein, mein Sohn«, sagte er, »sei zufrieden, ich freß dich nicht.« Dies Gefecht währete lang, bis ich mich endlich so weit ließ weisen, mit ihm in seine Hütten zu gehen, darin war die Armut selbst Hofmeisterin, der Hunger Koch, und der Mangel Küchenmeister, da wurde mein Magen mit einem Gemüs und Trunk Wassers gelabt, und mein Gemüt, so ganz verwirret war, durch des Alten tröstliche Freundlichkeit wieder aufgericht und zurecht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch die Anreizung des süßen Schlafes leicht betören, der Natur solche Schuldigkeit abzulegen. Der Einsiedel merkte meine Notdurft, darum ließ er mir den Platz allein in seiner Hütten, weil nur einer darin liegen konnte; ohngefähr um Mitternacht erwachte ich wieder, und hörete ihn folgendes Lied singen, welches ich hernach auch gelernet:
Komm Trost der Nacht, o Nachtigall,
Laß deine Stimm mit Freudenschall
Aufs lieblichste erklingen.
Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,
Weil andre Vöglein schlafen sein,
Und nicht mehr mögen singen:
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Ob schon ist hin der Sonnenschein,
Und wir im Finstern müssen sein,
So können wir doch singen
Von Gottes Güt und seiner Macht,
Weil uns kann hindern keine Nacht,
Sein Lob zu vollenbringen.
Drum dein Stimmlein
Laß erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Echo, der wilde Widerhall,
Will sein bei diesem Freudenschall,
Und lässet sich auch hören;
Verweist uns alle Müdigkeit,
Der wir ergeben allezeit,
Lehrt uns den Schlaf betören.
Drum dein Stimmlein etc.
Die Sterne, so am Himmel stehn,
Lassen sich zum Lob Gottes sehn,
Und tun ihm Ehr beweisen;
Auch die Eul die nicht singen kann,
Zeigt doch mit ihrem Heulen an,
Dass sie Gott auch tu preisen.
Drum dein Stimmlein etc.
Nur her mein liebstes Vögelein,
Wir wollen nicht die Fäulsten sein,
Und schlafend liegen bleiben,
Sondern bis dass die Morgenröt
Erfreuet diese Wälder öd,
Im Lob Gottes vertreiben.
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig, als wenn die Nachtigall sowohl als die Eul und Echo mit eingestimmt hätten, und wenn ich den Morgenstern jemals gehört, oder dessen Melodei auf meiner Sackpfeifen aufzumachen vermocht, so wäre ich aus der Hütten gewischt, meine Karten mit einzuwerfen, weil mich diese Harmonia so lieblich zu sein bedünkte, aber ich entschlief, und erwachte nicht wieder, bis wohl in den Tag hinein, da der Einsiedel vor mir stund, und sagte: »Auf Kleiner, ich will dir Essen geben, und alsdann den Weg durch den Wald weisen, damit du wieder zu den Leuten, und noch vor Nacht in das nächste Dorf kommest.« Ich fragte ihn: »Was sind das für Dinger, Leuten und Dorf?« Er sagte: »Bist du denn niemalen in keinem Dorf gewesen, und weißt auch nicht, was Leut oder Menschen sind?« »Nein«, sagte ich, »nirgends als hier bin ich gewesen, aber sag mir doch, was sind Leut, Menschen und Dorf?« »Behüt Gott«, antwortet' der Einsiedel, »bist du närrisch oder gescheit?« »Nein«, sagte ich, »meiner Meuder und meines Knans Bub bin ich, und nicht der Närrisch oder der Gescheit.« Der Einsiedel verwundert' sich mit Seufzen und Bekreuzigung, und sagte: »Wohl liebes Kind, ich bin gehalten, dich um Gottes willen besser zu unterrichten.« Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden wie folgend Kapitel ausweiset.
Das 8. Kapitel: Wie Simplicius durch hohe Reden seine Vortrefflichkeit zu erkennen gibt
Einsiedel: Wie heißest du?
Simplicius: Ich heiße Bub.
Eins.: Ich sehe wohl, dass du kein Mägdlein bist, wie hat dir aber dein Vater und Mutter gerufen?
Simpl.: Ich habe keinen Vater oder Mutter gehabt.
Eins.: Wer hat dir denn das Hemd geben?
Simpl.: Ei mein Meuder.
Eins.: Wie heißet' dich denn dein Meuder?
Simpl.: Sie hat mich Bub geheißen, auch Schelm, ungeschickter Tölpel und Galgenvogel.
Eins.: Wer ist denn deiner Mutter Mann gewesen?
Simpl.: Niemand.
Eins.: Bei wem hat denn dein Meuder des Nachts geschlafen?
Simpl.: Bei meinem Knan.
Eins.: Wie hat dich denn dein Knan geheißen?
Simpl.: Er hat mich auch Bub genennet.
Eins.: Wie hieß aber dein Knan?
Simpl.: Er heißt Knan.
Eins.: Wie hat ihm aber dein Meuder gerufen?
Simpl.: Knan, und auch Meister.
Eins.: Hat sie ihn niemals anders genennet?
Simpl.: Ja, sie hat.
Eins.: Wie denn?
Simpl.: Rülp, grober Bengel, volle Sau, und noch wohl anders, wenn sie haderte.
Eins.: Du bist wohl ein unwissender Tropf, dass du weder deiner Eltern noch deinen eignen Namen nicht weißt!
Simpl.: Eia, weißt dus doch auch nicht.
Eins.: Kannst du auch beten?
Simpl.: Nein, unser Ann und mein Meuder haben als das Bett gemacht.
Eins.: Ich frage nicht hiernach, sondern ob du das Vaterunser kannst?
Simpl.: Ja ich.
Eins.: Nun so sprichs denn.
Simpl.: Unser lieber Vater, der du bist Himmel, heiliget werde Nam, zu kommes d'Reich, dein Will scheh Himmel ad Erden, gib uns Schuld, als wir unsern Schuldigern geba, führ uns nicht in kein böß Versucha, sondern erlös uns von dem Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Ama.
Eins.: Bist du nie in die Kirchen gangen?
Simpl.: Ja, ich kann wacker steigen, und hab als ein ganzen Busem voll Kirschen gebrochen.
Eins.: Ich sage nicht von Kirschen, sondern von der Kirchen.
Simpl.: Haha, Kriechen; gelt es sind so kleine Pfläumlein? Gelt du?
Eins.: Ach dass Gott walte, weißt du nichts von unserm Herr Gott?
Simpl.: Ja, er ist daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Helgen, mein Meuder hat ihn von der Kürbe mitgebracht, und hingekleibt.
Eins.: Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was für eine große Gnad und Wohltat es ist, wem du deine Erkenntnis mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch sei, dem du solche nicht gibst: Ach Herr verleihe nur deinen heiligen Namen also zu ehren, dass ich würdig werde, um diese hohe Gnad so eifrig zu danken, als freigebig du gewesen, mir solche zu verleihen: Höre du Simpl (denn anders kann ich dich nicht nennen) wenn du das Vaterunser betest, so musst du also sprechen: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Nam, zukomme uns dein Reich, dein Will geschehe auf Erden wie im Himmel, unser täglich Brot gib uns heut, und -
Simpl.: Gelt du, auch Käs dazu?
Eins.: Ach liebes Kind, schweige und lerne, solches ist dir viel nötiger als Käs, du bist wohl ungeschickt, wie dein Meuder gesagt hat, solchen Buben wie du bist, stehet nicht an, einem alten Mann in die Red zu fallen, sondern zu schweigen, zuzuhören und zu lernen, wüßte ich nur, wo deine Eltern wohneten, so wollte ich dich gerne wieder hinbringen, und sie zugleich lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.
Simpl.: Ich weiß nicht, wo ich hin soll - unser Haus ist verbrennet, und mein Meuder hinweggelaufen, und wieder kommen mit dem Ursele, und mein Knan auch, und unser Magd ist krank gewesen, und ist im Stall gelegen.
Eins.: Wer hat denn das Haus verbrennt?
Simpl.: Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die sind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner, dieselben Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, und da bin ich auch weggelaufen, und da ist danach das Haus verbrennt gewesen.
Eins.: Wo war denn dein Knan?
Simpl.: Ha, die eisernen Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unser alte Geiß die Füß geleckt, da hat mein Knan lachen müssen, und hat denselben eisernen Mannen viel Weißpfennig geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerichte Dinger, und hübsche Schnür voll weißer Kügelein.
Eins.: Wann ist dies geschehen?
Simpl.: Ei wie ich der Schaf hab hüten sollen, sie haben mir auch mein Sackpfeif wollen nehmen.
Eins.: Wann hast du der Schaf sollen hüten?
Simpl.: Ei hörst dus nicht, da die eisernen Männer kommen sind, und danach hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst würden mich die Krieger mitnehmen, sie hat aber die eisernen Männer gemeiner, und da sein ich weggelaufen, und sein hieher kommen.
Eins.: Wo hinaus willst du aber jetzt?
Simpl.: Ich weiß weger nit, ich will bei dir hier bleiben.
Eins.: Dich hier zu behalten, ist weder mein noch dein Gelegenheit, iß, alsdann will ich dich wieder zu Leuten führen.
Simpl.: Ei so sag mir denn auch, was Leut für Dinger sind?
Eins.: Leut sind Menschen wie ich und du, dein Knan, dein Meuder und euer Ann sind Menschen, und wenn deren viel beieinander sind, so werden sie Leut genennt.
Simpl.: Haha.
Eins.: Nun geh und iß.
Dies war unser Diskurs, unter welchem mich der Einsiedel oft mit den allertiefsten Seufzern anschauete, nicht weiß ich, ob es darum geschah, weil er ein so groß Mitleiden mit meiner Einfalt und Unwissenheit hatte, oder aus der Ursach, die ich erst über etliche Jahr hernach erfuhr.
Das 9. Kapitel: Simplicius wird aus einer Bestia zu einem Christenmenschen
Ich fing an zu essen und hörete auf zu papplen, welches nicht länger währete, als bis ich nach Notdurft gefuttert hatte, und mich der Alte fortgehen hieß: Da suchte ich die allerzartesten Worte hervor, die mir mein bäurische Grobheit immermehr eingeben konnte, welche alle dahin gingen, den Einsiedel zu bewegen, dass er mich bei sich behielte: Ob es ihm nun zwar beschwerlich gefallen, meine verdrießliche Gegenwart zu gedulden, so hat er jedoch beschlossen, mich bei sich zu leiden, mehr, dass er mich in der christlichen Religion unterrichtete, als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen, seine größte Sorg war, mein zarte Jugend dürfte eine solche harte Art zu leben in die Länge nit ausharren mögen.
Eine Zeit von ungefähr drei Wochen war mein Probierjahr, in welcher eben S. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag, also dass ich mich auch in deren Profession gebrauchen ließ, ich hielt mich so wohl, dass der Einsiedel ein sonderliches Gefallen an mir hatte, nicht zwar der Arbeit halber, so ich zuvor zu vollbringen gewohnet war, sondern weil er sah, dass ich ebenso begierig seine Unterweisungen hörete, als geschickt die wachsweiche und zwar noch glatte Tafel meines Herzens solche zu fassen sich erzeigte. Solcher Ursachen halber wurde er auch desto eifriger, mich in allem Guten anzuführen, er machte den Anfang seiner Unterrichtungen vom Fall Luzifers, von dannen kam er in das Paradeis, und als wir mit unsern Eltern daraus verstoßen wurden, passierte er durch das Gesetz Mosis, und lehrete mich vermittelst der zehen Gebot Gottes und ihrer Auslegungen (von denen er sagte, dass sie ein wahre Richtschnur seien, den Willen Gottes zu erkennen, und nach denselben ein heiliges Gott wohlgefälliges Leben anzustellen) die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden, das Gute zu tun, und das Böse zu lassen: Endlich kam er auf das Evangelium, und sagte mir von Christi Geburt, Leiden, Sterben und Auferstehung; zuletzt beschloß ers mit dem jüngsten Tag, und stellet' mir Himmel und Höll vor Augen, und solches alles mit gebührenden Umständen, doch nit mit gar zu überflüssiger Weitläufigkeit, sondern wie ihn dünkte, dass ichs am allerbesten fassen und verstehen möchte; wann er mit einer materia fertig war, hub er ein andere an, und wusste sich bisweilen in aller Geduld nach meinen Fragen so artlich zu regulieren und mit mir zu verfahren, dass er mirs auch nicht besser hätte eingießen können; sein Leben und seine Reden waren mir eine immerwährende Predigt, welche mein Verstand, der eben nicht so gar dumm und hölzern war, vermittels göttlicher Gnad nicht ohn Frucht abgehen ließ, allermaßen ich alles dasjenige, was ein Christ wissen soll, nicht allein in gedachten dreien Wochen gefaßt, sondern auch ein solche Lieb zu dessen Unterricht gewonnen, dass ich des Nachts nicht davor schlafen konnte.
Ich habe seithero der Sach vielmal nachgedacht, und befunden, dass Aristoteles lib. 3. de Anima wohl geschlossen, als er die Seele eines Menschen einer leeren ohnbeschriebenen Tafel verglichen, darauf man allerhand notieren könne, und dass solches alles darum von dem höchsten Schöpfer geschehen sei, damit solche glatte Tafel durch fleißige Impression und Übung gezeichnet, und zur Vollkommenheit und Perfection gebracht werde; dahero denn auch sein Commentator Averroes lib. 2. de Anima (da der Philosophus sagt, der Intellectus sei alls potentia, werde aber nichts in actum gebracht, als durch die scientiam, das ist, es sei des Menschen Verstand allerdings fähig, könne aber nichts ohne fleißige Übung hineingebracht werden) diesen klaren Ausschlag gibt: nämlich, es sei diese scientia oder Übung die Perfection der Seelen, welche für sich selbst überall nichts an sich habe; solches bestätigt Cicero lib. 2. Tuscul. quaest., welcher die Seel des Menschen ohne Lehr, Wissenschaft und Übung einem solchen Feld vergleicht, das zwar von Natur fruchtbar sei, aber wenn man es nicht baue und besame gleichwohl keine Frucht bringe.
Solches alles erwies ich mit meinem eigenen Exempel, denn dass ich alles so bald gefaßt, was mir der fromme Einsiedel vorgehalten, ist daher kommen, weil er die geschlichte Tafel meiner Seelen ganz leer, und ohn einzige zuvor hinein gedruckten Bildnisse gefunden, so etwas anders hineinzubringen hätt hindern mögen; gleichwohl aber ist die pure Einfalt gegen andere Menschen zu rechnen noch immerzu bei mir verblieben, dahero der Einsiedel (weil weder er noch ich meinen rechten Namen gewusst) mich nur Simplicium genennet.
Mithin lernete ich auch beten, und als er meinem steifen Vorsatz, bei ihm zu bleiben, ein Genügen zu tun entschlossen, baueten wir für mich eine Hütten gleich der seinigen, von Holz, Reisern und Erden, fast formiert wie die Musketierer im Feld ihre Zelte, oder besser zu sagen, die Bauten an teils Orten ihre Rübenlöcher haben, zwar so nieder, dass ich kaum aufrecht darin sitzen konnte, mein Bett war von dürrem Laub und Gras, und ebenso groß als die Hütte selbst, so dass ich nit weiß, ob ich dergleichen Wohnung oder Höhlen eine bedeckte Lagerstatt oder eine Hütte nennen soll.
Das 10. Kapitel: Wasgestalten er schreiben und lesen im wilden Wald gelernet
Als ich das erstemal den Einsiedel in der Bibel lesen sah, konnte ich mir nicht einbilden, mit wem er doch ein solch heimlich und meinem Bedünken nach sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sah wohl die Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand, der mit ihm redet', und ob ich zwar nichts vom Lesen und Schreiben gewusst, so merkte ich doch an seinen Augen, dass ers mit etwas in selbigem Buch zu tun hatte: Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches beigelegt, machte ich mich dahinter, schlugs auf, und bekam im ersten Griff das erste Kapitel des Hiobs, und die davorstehende Figur, so ein feiner Holzschnitt und schön illuminiert war, in die Augen; ich fragte dieselbigen Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine Antwort widerfahren wollte, wurde ich ungeduldig, und sagte eben, als der Einsiedel hinter mich schlich: »Ihr kleinen Hudler, habt ihr denn keine Mäuler mehr? habt ihr nicht allererst mit meinem Vater (denn also musste ich den Einsiedel nennen) lang genug schwätzen können? ich sehe wohl, dass ihr auch dem armen Knan seine Schaf heimtreibt, und das Haus angezündet habt, halt, halt, ich will dies Feuer noch wohl löschen«, damit stund ich auf Wasser zu holen, weil mich die Not vorhanden zu sein bedünkte. »Wohin Simplici?« sagt' der Einsiedel, den ich hinter mir nicht wusste. »Ei Vater«, sagte ich, »da sind auch Krieger, die haben Schaf, und wollens wegtreiben, sie habens dem armen Mann genommen, mit dem du erst geredet hast, so brennet sein Haus auch schon lichterloh, und wenn ich nicht bald lösche, so wirds verbrennen«; mit diesen Worten zeigte ich ihm mit dem Finger, was ich sah: »Bleib nur«, sagte der Einsiedel, »es ist noch keine Gefahr vorhanden.« Ich antwortete, meiner Höflichkeit nach: »Bist du denn blind, wehre du, dass sie die Schaf nicht forttreiben, so will ich Wasser holen.« »Ei«, sagte der Einsiedel, »diese Bilder leben nicht, sie sind nur gemacht, uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen«; ich antwortet: »Du hast ja erst mit ihnen geredt, warum wollten sie dann nicht leben?«
Der Einsiedel musste wider seinen Willen und Gewohnheit lachen, und sagte: »Liebes Kind, diese Bilder können nicht reden, was aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen schwarzen Linien sehen, welches man lesen nennet, und wenn ich dergestalt lese, so hältst du dafür, ich rede mit den Bildern, so aber nichts ist.« Ich antwortet: »Wenn ich ein Mensch bin wie du, so müßte ich auch an den schwarzen Zeilen können sehen, was du kannst, wie soll ich mich in dein Gespräch richten? Lieber Vater, berichte mich doch eigentlich, wie ich die Sach verstehen soll?« Darauf sagte er: »Nun wohlan mein Sohn, ich will dich lehren, dass du so wohl als ich mit diesen Bildern wirst reden können, allein wird es Zeit brauchen, in welcher ich Geduld, und du Fleiß anzulegen.« Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf birkene Rinden, nach dem Druck formiert, und als ich die Buchstaben kennete, lernete ich buchstabieren, folgends lesen, und endlich besser schreiben, als es der Einsiedel selber konnte, weil ich alles dem Druck nachmalet.
Das 11. Kapitel: Redet von Essenspeis, Hausrat und andern notwendigen Sachen, die man in diesem zeitlichen Leben haben muss
Zwei Jahr ungefähr, nämlich bis der Einsiedel gestorben, und etwas länger als ein halbes Jahr nach dessen Tod, bin ich in diesem Wald verblieben; derohalben siehet mich für gut an, dem kuriosen Leser, der auch oft das Geringste wissen will, unser Tun, Handel und Wandel, und wie wir unser Leben durchgebracht, zu erzählen.
Unsere Speis war allerhand Gartengewächs, Rüben, Kraut, Bohnen, Erbsen und dergleichen, wir verschmäheten auch keine Buchen, wilden Äpfel, Birn, Kirschen, ja die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm; das Brot, oder besser zu sagen, unsere Kuchen backten wir in heißer Aschen aus zerstoßenem welschen Korn, im Winter fingen wir Vögel mit Sprinken und Stricken, im Frühling und Sommer aber bescherte uns Gott Junge aus den Nestern, wir behalfen uns oft mit Schnecken und Fröschen, so war uns auch mit Reusen und Anglen das Fischen nicht zuwider, indem ohnweit von unserer Wohnung ein fisch- und krebsreicher Bach hinfloß, welches alles unser grob Gemüs hinunter convoyieren musste; wir hatten auf eine Zeit ein junges wildes Schweinlein aufgefangen, welches wir in einen Pferch versperret, mit Eicheln und Buchen auferzogen, gemästet und endlich verzehret, weil mein Einsiedel wusste, dass solches keine Sünde sein könnte, wenn man genießet, was Gott dem ganzen menschlichen Geschlecht zu solchem End erschaffen; Salz brauchten wir wenig, und von Gewürz gar nichts, denn wir durften die Lust zum Trunk nicht erwecken, weil wir keinen Keller hatten, die Notdurft an Salz gab uns ein Pfarrer, der ohngefähr drei Meil Wegs von uns wohnete, von welchem ich noch viel zu sagen habe.
Unsern Hausrat betreffend, dessen war genug vorhanden, denn wir hatten eine Schaufel, eine Haue, eine Axt, ein Beil, und einen eisernen Hafen zum Kochen, welches zwar nicht unser eigen, sondern von obgemeldtem Pfarrer entlehnet war, jeder hatte ein abgenutztes stumpfes Messer, selbige waren unser Eigentum, und sonsten nichts; ferner bedurften wir auch weder Schüsseln, Teller, Löffel, Gabeln, Kessel, Pfannen, Rost, Bratspieß, Salzbüchs noch ander Tisch- und Küchengeschirr, denn unser Hafen war zugleich unser Schüssel, und unsere Hände waren auch unsere Gabeln und Löffel, wollten wir aber trinken, so geschah es durch ein Rohr aus dem Brunnen, oder wir hängten das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute. Von allerhand Gewand, Wollen, Seiden, Baumwollen und Leinen, beides zu Betten, Tischen und Tapezereien hatten wir nichts, als was wir auf dem Leib trugen, weil wir für uns genug zu haben schätzten, wenn wir uns vor Regen und Frost beschützen konnten. Sonsten hielten wir in unserer Haushaltung keine gewisse Regel oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertagen, an welchen wir schon um Mitternacht hinzugehen anfingen, damit wir noch frühe genug, ohne männiglichs Vermerken, in obgemeldten Pfarrherrns Kirche, die etwas vom Dorf abgelegen war, kommen, und dem Gottesdienst abwarten können, in derselben verfügten wir uns auf die zerbrochne Orgel, an welchem Ort wir sowohl auf den Altar als zu der Kanzel sehen konnten. Als ich das erstemal den Pfarrherrn auf dieselbige steigen sah, fragete ich meinen Einsiedel, was er doch in demselben großen Zuber machen wollte? Nach verrichtetem Gottesdienst aber gingen wir ebenso verstohlen wieder heim, als wir hinkommen waren, und nachdem wir mit müdem Leib und Füßen zu unserer Wohnung kamen, aßen wir mit guten Zähnen übel, alsdann brachte der Einsiedel die übrige Zeit zu mit Beten, und mich in gottseligen Dingen zu unterrichten.
An den Werktagen taten wir, was am nötigsten zu tun war, je nachdem sichs fügte, und solches die Zeit des Jahrs und unser Gelegenheit erforderte; einmal arbeiteten wir im Garten, das andermal suchten wir den feisten Grund an schattigen Orten, und aus hohlen Bäumen zusammen, unsern Garten, anstatt des Dungs, damit zu bessern, bald flochten wir Körbe oder Fischreusen, oder machten Brennholz, fischten, oder taten ja so etwas wider den Müßiggang. Und unter allen diesen Geschäften ließ der Einsiedel nicht ab, mich in allem Guten getreulichst zu unterweisen; unterdessen lernete ich in solchem harten Leben Hunger, Durst, Hitz, Kälte und große Arbeit überstehen, und zuvörderst auch Gott erkennen, und wie man ihm rechtschaffen dienen sollte, welches das Vornehmste war. Zwar wollte mich mein getreuer Einsiedel ein mehrers nicht wissen lassen, denn er hielt dafür, es sei einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck zu gelangen, wenn er nur fleißig bete und arbeite, dahero es kommen, ob ich zwar in geistlichen Sachen ziemlich berichtet wurde, mein Christentum wohl verstund, und die teutsche Sprach so schön redete, als wenn sie die Orthographia selbst ausspräche, dass ich dennoch der Einfältigste verblieb; gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solcher elender Tropf in der Welt war, dass man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.