Kitabı oku: «Gott - Offenbarung - Heilswege», sayfa 2

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2. Im Dissens:
Streiten verbindet!

Für die Marginalisierung der Streitkunst im Katalog theologischer Schlüsselqualifikationen gibt es gute Gründe. Vielfach gilt der Streit als Ort der Zwietracht und als Indiz einer Untugend. Wo gestritten wird, geht es zwar sehr lebendig zu. Aber meist wird das Streiten nicht für erstrebens- oder lobenswert gehalten. Der Streit ist oft eine Waffe in der Auseinandersetzung mit Menschen, die man nicht „ausstehen“ kann. Im Streit wird das Missverstehen bewusst aufrechterhalten und gepflegt. Im Streit geht die Saat der Zwietracht auf.

Der Streit ist aber auch ein Medium des Ringens mit jemandem, der Dinge sagt oder tut, die man so nicht „stehen lassen“ kann. Streit ist Zeichen für Leidenschaft und Engagement. Wer streitet, geht in Opposition zu Indifferenz und Apathie.10 Außerdem gilt: Streiten kann auch verbinden – indem man mit vereinten Kräften einen gemeinsamen Gegner bekämpft oder indem man sich (mit ihm) zusammenrauft. Man sucht die Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen, um ihn besser zu verstehen oder selbst besser verstanden zu werden. Wer mit einem anderen streitet, dem ist dieser andere nicht gleichgültig. Der/die Andere ist es wert, dass man mit ihm oder ihr Tacheles redet. Streiten verbindet Menschen, weil ihnen etwas gemeinsam ist – nämlich die Sache, um die gerungen wird. Zwar sieht es oft so aus, als würde der Streit offenbaren, dass die Differenzen zwischen Menschen größer sind als ihre Gemeinsamkeiten. Es kann aber auch vorkommen, dass der Streit lediglich zeigt, wo die Differenzen liegen: nämlich eingelassen in je größere Gemeinsamkeiten. Manchmal bedarf es sogar des Streites, damit herauskommt, dass die Gemeinsamkeiten zahlreicher oder größer sind als die Unterschiede. Allerdings ist ein solcher Fall die Ausnahme. Üblicherweise wird der Streit nicht zur Konsenserzeugung eingesetzt. Häufiger kommt es vor, dass etwas bestritten oder abgestritten wird. Weitaus öfter manifestiert der Streit das Zerbrechen eines Miteinanders und die Leugnung von Gemeinsamkeiten.

Von der Paradoxie des Streites, dass er ebenso konsenserzeugend wie dissensverstärkend wirken kann, wird man in der Theologie rasch eingeholt, wenn man etwa die These vertritt, es sei eine für das Christsein ausschlaggebende Überzeugung, dass es unter den Menschen keine Verschiedenheit gibt, die nicht von einer je größeren Gemeinsamkeit umgriffen wird. Entscheidend christlich sei demnach, das zu benennen, was alle Menschen eint und sie einander gleich macht: ihre Mitgeschöpflichkeit, ihre Gottebenbildlichkeit, ihre Stellung als Adressaten des universalen Heilswillens Gottes. Wer dies für den Kern des Christentums hält, macht bald die Erfahrung, dass die Berechtigung dieser These in Zweifel gezogen wird. Selbst in der theologischen Zunft besteht Uneinigkeit darüber, ob man als die Mitte des Glaubens etwas identifizieren soll, was uneingeschränkt auf alle Menschen zutrifft und nicht bloß für Christen gilt.11 Hier stößt man vielfach auf die Überzeugung, dass die Identität des Christentums zunächst an Alleinstellungsmerkmalen festzumachen ist. Und diese Merkmale seien durch Unterschiede und Unterscheidungen zu ermitteln.12 Das entscheidend Christliche muss demnach etwas sein, was Christen von anderen Religionen und Gemeinschaften unterscheidet, d. h. sie müssen etwas vorweisen können, was anderen fehlt. Nicht-Christen bezweifeln und bestreiten hingegen, dass ihnen etwas Entscheidendes fehlt, wenn und weil sie keine Christen sind. Weil ihnen nichts fehlt, halten sie den christlichen Glauben für überflüssig, entbehrlich, verzichtbar. Wer ihnen etwas aufzeigen will, das allen Menschen gemeinsam ist und sie eint, wird daher nichts Christliches, nichts Religiöses anführen dürfen. Was dabei aus jeglicher Theologie wird, ist leicht absehbar: allenfalls Anthropologie.

Mit den Vertretern beider Auffassungen sucht dieses Buch Streit. Es ist auf eine Auseinandersetzung mit jenen theologischen und philosophischen Positionen aus, die das Besondere und Entscheidende des Christentums im Blick auf die säkulare Kultur oder andere Religionen über eine Hermeneutik des Dissenses und über die Logik des Trennens, Ausscheidens und Ausschließens oder im Gestus des Überbietens sichern wollen und – gepaart mit einem modernitätskritischen Impetus – dabei einen sublimen Fundamentalismus befördern.13 Es sucht ebenso die Konfrontation mit jenen säkularen Positionen, für die ein kulturell intolerantes, moralisch abgewirtschaftetes, politisch korrumpiertes und spirituell erkaltetes Christentum von seinen „Geburtsfehlern“ zeugt. Sie haben unter die Christentumsgeschichte einen Schlussstrich gezogen und hegen keinen Religionsbedarf mehr. Ein abhanden gekommener Glaube hinterlässt bei ihnen keine Leerstelle. Sie vermissen nichts.14 Wem nichts fehlt, hat offensichtlich alles, was nötig ist. Was soll dann noch Religion? Wer braucht ein Nachdenken über etwas, das ihm oder ihr nicht fehlt? Wozu dann auch noch oder überhaupt Theologie?15

Zum Verdacht ihrer eigenen Unerheblichkeit und – schlimmer noch – zum Plädoyer auf die Verzichtbarkeit christlicher Rede von Gott hat die Theologie allerdings selbst beigetragen. Ihr Vielwissertum ist dieser „Wissenschaft vom lieben Gott“ zum Verhängnis geworden.16 Lange Zeit rühmt sie sich, verbindlich Auskunft über Gott geben zu können. Im Rahmen einer Welterklärungstheorie ortet sie ihn als Grund aller Wirklichkeit. Und als solcher garantiert er auch eine Ordnung der Werte und Normen. Die Theologie weiß um Gottes Eigenschaften – ewig, allmächtig, allgegenwärtig, allgütig. Und sie kennt auch seinen bisweilen wechselnden Gemütszustand: zornig, barmherzig, eifernd, geduldig. Die Theologie führt darüber Buch, wann und wem Gott sich offenbart und was er von den Menschen will. Sie katalogisiert, archiviert und dokumentiert präzise, was jemals für Christen verbindlich über Gott gesagt wurde. Aber genau hier beginnen die Probleme. Die überkommene Rede von Gott findet seit geraumer Zeit keine Resonanz mehr.17

Das Echo ist nur noch schwach, wenn beim Nachdenken über die Entstehung der Welt, über die Bedingungen der Erkenntnis und über die Gründe der Moral Gott ins Spiel gebracht wird. Viele Zeitgenossen finden überzeugende Antworten, ohne dass sich dabei der Gedanke an die Existenz Gottes, an seine Allmacht und seine Güte nahelegt. Es geht auch ohne die „Hypothese Gott“. Das Bild eines allmächtigen und guten Gottes will zudem nicht passen zu einer Welt, die seine Schöpfung sein soll und dennoch für viele Geschöpfe ein Ort des Grauens ist.18

Wo die christliche Gottesrede keinen Nachhall mehr findet, spricht sie ins Leere. Was sie behauptet, ist offenkundig nicht mehr von Relevanz. Wie lange aber kann man einen Glauben aufrechterhalten, wenn sich nicht mehr begründen lässt, warum er den Vorzug verdient gegenüber der Maxime säkularer Zeitgenossen, die leben als ob es Gott nicht gäbe („etsi deus non daretur“)? Diese Maxime steht für eine Entwicklung, die vor 200 Jahren begonnen hat. Die kulturellen Plausibilitäten unserer Zeit – der Moderne – stehen im Zeichen der Verpflichtung, sich in Fragen der Wirklichkeitserkenntnis und der Lebensgestaltung nur den Imperativen der (autonomen) Vernunft zu unterstellen. Was in der Welt geschieht, ist aus ihr selbst, aus ihren eigenen Entwicklungsgesetzen und Antriebskräften erklärbar. Weder für das Denken noch für das Tun des Menschen scheint der Gottesgedanke etwas zu bezeichnen, das als unabweisbare Voraussetzung seines Denkens und Handelns angesprochen werden muss. Folgt man dem Anspruch der Aufklärung, dann darf es hierzu auch keine Alternative geben. Oberste Instanz verantwortlicher Lebensführung, zuverlässiger Weltorientierung und unhintergehbarer Erkenntnisbegründung muss die Vernunft in ihrer Autonomie sein. Ihre Autonomie verlangt den Widerspruch gegen die Behauptung, dass die Vernunft nochmals eine Autorität über sich habe, von der sie Wahrheiten entgegenzunehmen habe. In Fragen der Erkenntnis und Gestaltung der Welt gilt es, sich nur den Imperativen der Vernunft zu unterstellen. Was mit den Mitteln der Vernunft zureichend bewältigt werden kann, darf nicht an eine andere Instanz delegiert werden.

Daher steht die Moderne nicht allein im Zeichen der Autonomie der Vernunft, sondern auch im Zeichen des „Gottesverzichts“. Sie vertritt hinsichtlich aller Lebensbereiche und Handlungsfelder des Menschen eine „säkulare Option“.19 Der faktische Lauf der Welt gibt ihr Recht. Er bestätigt kontinuierlich die Annahme von Gottes Nicht-Notwendigkeit zur Erklärung innerweltlicher Abläufe und Sachverhalte. Die Welt ist erklärbar ohne Gott und der Mensch kann menschlich sein ohne Gott. Auf Gott lässt sich verzichten, weil man nicht sieht, was einen Gott, der als moralische, naturwissenschaftliche, politische Arbeitshypothese abdanken musste, von einem Gott unterscheidet, den es gar nicht gibt. Wo, wie und wer Gott sei, wird für eine derart Gott los gewordene Zeit offenkundig zu einer müßigen Frage. Sie scheint nur für die Müßiggänger der Vernunft noch reizvoll zu sein.

Gegen die Bestreitung allen sinnvollen Redens von Gott anzugehen kann wiederum nur im Modus der Bestreitung geschehen. Gegen ein selbstgewisses „so und nicht anders“ der Verfechter und der Verächter des Glaubens an Gott setzt eine Theologie der Bestreitung ein kritisch-konstruktives „nicht so, sondern anders“! Zwar muss auch sie ausgehen von den modernen Verneinungen der innerweltlichen Notwendigkeit Gottes. Aber sie wird ebenso in Abrede stellen müssen, dass man von Gott nur derart angemessen reden kann, dass er zur Erklärung innerweltlicher Probleme oder zur Bewältigung innerweltlicher Verlegenheiten herangezogen wird. Ihre Devise lautet: Es ist Zeit für das Wagnis, Gott mit einer Welt zusammen zu denken, die für sich beansprucht, ohne Gott verstehbar und gestaltbar zu sein. Denn wer heute von Gott reden will, muss zugleich von der Welt sprechen, soll diese Rede nicht geschichts- und kontextlos sein. Heute von Gott zu reden heißt zugleich, von einer Welt zu reden, deren Verfassung und Selbstverständnis es nötig machen, die Welt ohne Gott zu denken.

Wer dieses Wagnis eingeht, begibt sich in eine doppelte Gegenposition – zum einen gegenüber einer theologischen Tradition, die überfrachtet ist mit dem Anspruch, über Gott und seine Notwendigkeit für den Menschen so sehr Bescheid zu wissen, dass sie besserwisserisch auftritt. Sie redet unablässig in Behauptungssätzen von Gottes Nähe, hat aber kein Verständnis für alle Zeitgenossen, die in der Gegenwart nichts mehr von dieser Nähe spüren oder – schlimmer noch – denunziert ihren Zweifel, ihre Anfechtungen, ihren Gottesverlust als Ausdruck mangelnder Glaubensstärke. Das andere „Nein“ gilt einer Auffassung, für die ein Gottesverhältnis nur sinnvoll ist, wenn es dazu verhilft, lebenspraktische Ziele und Zwecke zu erreichen. Friedrich Nietzsche hat den Verdacht geäußert, dass hinter den frommen Einflüsterungen, wie sehr der Mensch einen Gott nötig habe, die Strategie steht, das Göttliche so sehr in die Sicherung des für den Menschen Lebensnotwendigen einzubinden, dass Gott zum Inbegriff des Nützlichen wird und darin seine „raison d’être“ besteht. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur These, dass der religiöse Mensch eigentlich „den Nutzen als die höchste Gottheit verehrt.“20 Auf den Menschen hin gesehen ist ein Glaube, der Gott braucht, ein Ausdruck der Schwäche, „in der der Mensch nicht selbst für seine Lebensbedingungen meint aufkommen zu können und den mächtigen Helfer braucht, der ihm nützlich ist. Auf Gott hin gesehen entlarvt sich der Glaube der Schwachen als Vergöttlichung des Nutzens. … Und Gott kann nichts anderes mehr sein als der, über den nichts Nützlicheres mehr gedacht werden kann.“21 Der „Nutznießer“ dieses Gottes ist der Mensch, so dass sich unweigerlich ein Projektionsverdacht aufdrängt: Gott entspringt dem Nutzenkalkül des Menschen. Er steht für das, wovon der Mensch den größtmöglichen Nutzen ziehen kann.

Kann aber wirklich nichts Größeres gedacht werden als der Gedanke des Nutzens? Gibt es keine andere Logik, in der gedacht werden kann, worüber hinaus Größeres nicht denkbar ist? Müssen wirklich Notwendigkeit und Nützlichkeit der erste oder alleinige Maßstab für das Selbst- und Weltverständnis des Menschen sein? Wenn erst jenseits von Mittel/Zweck-Kalkulationen dasjenige in den Blick kommt, das es wert ist, um seiner selbst willen zu ihm in ein Verhältnis zu treten, wird dann nicht erst in einem solchen Verhältnis dem Menschen aufgehen können, dass er selbst nicht aufgehen muss in einer von funktionalen Notwendigkeiten beherrschten Welt?

2 Vgl. L. HONNEFELDER, Woher kommen wir? Ursprünge der Moderne im Mittelalter, Berlin 2008.

3 Zur Geschichte der Fundamentaltheologie bis ins 20. Jahrhundert siehe M. KNAPP, Die Vernunft des Glaubens. Einführung in die Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 2009, 12–48; Ch. BÖTTIGHEIMER, Lehrbuch der Fundamentaltheologie. Die Rationalität der Gottes-, Offenbarungs- und Kirchenfrage, Freiburg/Basel/Wien 2009, 55–76; H. VERWEYEN, Einführung in die Fundamentaltheologie, Darmstadt 2008, 16–61; W. GEERLINGS/G. LARCHER/J. REIKERSTORFER, Apologetische und fundamentaltheologische Momente und Modelle in der Geschichte, in: HFTh2IV (2000) 217–264.

4 J. WERBICK, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 2000, XV. Werbick hat erstmals die „demonstrationes“ der Fundamentaltheologie als Streitfälle traktiert und somit ein forensisches Element in sie eingebracht. Allerdings wird nicht recht deutlich, welchen Part die Fundamentaltheologie in den verschiedenen Phasen eines Rechtsstreits vom Ermittlungsverfahren bis zum Urteilsspruch spielt: Übernimmt sie die Pflichtverteidigung des angeklagten Glaubens? Ist sie Kronzeugin? Oder Mitangeklagte? Vielleicht aber auch Nebenklägerin? Sitzt sie am Ende auf dem Richterstuhl? Oder versucht sie sich nacheinander in allen Rollen?

5 Als Erstinformation über diese Positionen siehe G. M. HOFF, Die neuen Atheismen. Eine notwendige Provokation, Kevelaer 2009; DERS., Religions-kritik heute, Kevelaer 2004.

6 Zu dieser vor allem von J. ASSMANN, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München/Wien 2003, ausgelösten Debatte siehe S. GRILLMEYER u. a. (Hg.), Eins im Eifer? Monismus, Monotheismus und Gewalt, Würzburg 2010; G. PALMER (Hg.), Fragen nach dem einen Gott, Tübingen 2007; P. WALTER (Hg.), Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott, Freiburg/Basel/Wien 2005.

7 Vgl. hierzu etwa K. WERNER, Geschichte der apologetischen und polemischen Literatur der christlichen Theologie, 5 Bde., Osnabrück 1861–1867.

8 Als eine ironische Anleitung hierzu liest sich die 1864 posthum publizierte Schrift von A. SCHOPENHAUER, Eristische Dialektik. Die Kunst, Recht zu behalten (Neuausgabe: Frankfurt 2009).

9 Vgl. H. WALDENFELS, Kontextuelle Fundamentaltheologie, Paderborn/München/Wien/Zürich 1985, 71–60.

10 Eine eigene literarische Gattung mit unterschiedlichem theologischen Niveau stellt die Dokumentation von Streitgesprächen über Glaubensfragen dar. Vgl. dazu als Auswahl: C. M. MARTINI/U. ECO, Woran glaubt, wer nicht glaubt?, Wien 1998; H. KURZKE/J. WIRION, Unglaubensgespräche. Vom Nutzen und Nachteil der Religion für das Leben, München 22006; J. RATZINGER/P. FLORES D’ARCAIS, Gibt es Gott? Wahrheit, Glaube, Atheismus, Berlin 22009.

11 Dies gilt vor allem dann, wenn man diese Mitte betrachtet als die Schnittmenge all jener Glaubensvorstellungen, die sich im Christentum und ebenso in anderen Religionen finden oder die von allgemein menschlichen bzw. religiösen Erfahrungen her begründet werden können. In diese Richtung deuten etliche Passagen in D. STEINDL-RAST, Credo. Ein Glaube, der alle verbindet, Freiburg/Basel/Wien 2010.

12 Ähnliche Auffassungen finden sich auch bei anderen Religionen und im interreligiösen Gespräch. Vgl. dazu U. TWORUSCHKA (Hg.), Die Weltreligionen und wie sie sich gegenseitig sehen, Darmstadt 2008.

13 Vgl. exemplarisch Th. RUSTER, Glauben macht den Unterschied. Das Credo, München 2010.

14 Vgl. etwa B. MÜLLER, Schlußstrich. Kritik des Christentums, Springe 22004.

15 Vgl. auf dieser Linie H. SCHNÄDELBACH, Religion in der modernen Welt, Frankfurt 2009; DERS., Zur Rehabilitierung des animal rationale, Frankfurt 1992, 157: „Das Nachdenken über das, was man hat – oder zu haben glaubt –, ist Philosophie. Also ist das grundsätzliche, systematische Nachdenken über die Religion Religionsphilosophie. Wenn Sie mich fragen: Theologie bräuchte es nicht zu geben.“

16 Die Fülle des dabei angehäuften Materials bietet auch die Chance, immer wieder Spreu und Weizen zu trennen. Vgl. dazu im Geiste sympathischer Kritik und sanfter Ironie O. KALLSCHEUER, Die Wissenschaft vom Lieben Gott. Eine Theologie für Recht- und Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten, München 22008.

17 Zum Folgenden vgl. ausführlich H.-J. HÖHN, Der fremde Gott. Glaube in postsäkularer Kultur, Würzburg 2008. Zum Ganzen siehe auch die Problemskizze von J. WERBICK, Gottesglaube und Gotteslehre nach dem „Tod Gottes“, in: Ders., Vergewisserungen im interreligiösen Feld, Berlin 2011, 33–59.

18 Vgl. A. BENK, Gott ist nicht gut und nicht gerecht. Zum Gottesbild der Gegenwart, Düsseldorf 2008.

19 Zur Rekonstruktion der höchst vielschichtigen Umsetzung dieser Option siehe Ch. TAYLOR, Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt 2009.

20 F. NIETZSCHE, Die fröhliche Wissenschaft, Aphorismus 84 (KSA 3, 439). Vgl. bereits MEISTER ECKHART, Predigt 16: „Aber manche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, mit denen sie eine Kuh ansehen und wollen Gott lieben wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten’s alle jene Leute, die Gott um äußeren Reichtums oder inneren Trostes willen lieben; die aber lieben Gott nicht recht, sondern sie lieben ihren Eigennutz“ (in: Ders., Deutsche Predigten und Traktate. Hg. v. J. Quint, Zürich 1979, 227).

21 J. WERBICK, Gott verbindlich. Eine theologische Gotteslehre, Freiburg/Basel/Wien 2007, 48.

§ 2 Streitlust:
Theologie im Format des Plädoyers

Auch wer sich in der Kunst der Bestreitung übt, ist dem Ideal der Ausgewogenheit verpflichtet und muss daher ausdrücklich Gegenstimmen zulassen und ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Es geht hier nicht um Rechthaberei, denn wo eine Partei Recht hat, sollte ihr auch Recht gegeben werden – selbst wenn es die Gegenseite ist. Alles andere führt zu überflüssigem Theologengezänk. Darauf ist von Anfang an zu achten. Streit, ja – Streiterei, nein! Aber dennoch lebt die Kunst der Bestreitung davon, dass man engagiert Partei für das eigene Anliegen ergreift. Diesem Engagement entspricht als Diskurs- und Sprachstil das Plädoyer. Wer ein Plädoyer hält, weiß darum, dass eine Sache zur Entscheidung ansteht. Darum wird mit aller Entschiedenheit und Eindeutigkeit vorgetragen, was für einen bestimmten Ausgang des Streites spricht. Das Plädoyer zielt auf einen Konsens, wo noch ein Dissens besteht. Es wirbt für eine Überzeugung, die noch nicht von allen geteilt wird. Es steht am Ende eines Prozesses der Wahrheits- und Rechtsfindung, aber es beansprucht nicht das letzte Wort. Nach der Beweisaufnahme, der Anhörung der miteinander streitenden Parteien, der Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen richtet das Plädoyer einen Appell an Richter und Geschworene, die darüber zu befinden haben, was Recht ist und wer im Recht ist. Ein solches Plädoyer drängt darauf, dass sich seine Adressaten alle Argumente noch einmal durch den Kopf gehen lassen und sich dann ein eigenes Urteil bilden.22 Vorher werden Staatsanwalt und Verteidiger alles in die Waagschale werfen, wovon sie überzeugt sind. Dabei müssen sie alle Register ziehen, an Lebenserfahrung, den abwägenden Verstand und die prüfende Urteilskraft ebenso appellieren wie darauf setzen, dass man sich manche Hinweise auch zu Herzen gehen lassen sollte. Bei einem Plädoyer darf es durchaus temperamentvoll zugehen, an argumentativer Schärfe sollte es ohnehin nie fehlen und pointierte Zuspitzungen sind allemal erlaubt.


Wer ein Plädoyer hält, lässt dies in Sprache und Stil frühzeitig erkennen. Bereits die Grammatik des Vortrages macht deutlich: Hier spricht jemand in der ersten Person Singular. In der Theologie galt dies lange Zeit als unstatthaft. Man argwöhnte, hier wolle sich jemand selbst in den Vordergrund schieben, statt einem Gedanken oder einem Argument Raum zu geben. Wer sich prätentiös als Vordenker ausgibt, schafft ein erstes Indiz dafür, in Wahrheit und Wirklichkeit keiner zu sein. Große Denker erkennt man daran, dass sie hinter ihrem Denken zurücktreten. Sie wollen Nachdenklichkeit erzeugen und dazu beitragen, dass die Angesprochenen ins Nachdenken kommen. Sie setzen darauf, dass die vorgetragenen Gedanken so einleuchtend sind, dass diejenigen, die ins Nachdenken gekommen sind, sie sich am Ende zu eigen machen können. Nicht mit ihrer Persönlichkeit wollen sie imponieren; ihnen geht es vielmehr darum, Bedenkenswertes zu exponieren. Gleichwohl führt kein Weg daran vorbei, dass sich bei einem Plädoyer für die Denkbarkeit des Glaubens auch der Wortführer einer solchen Rede exponieren, d. h. der Nachfrage und Kritik aussetzen muss.

Mit kritischen Nachfragen ist zu rechnen, da bei einem solchen Plädoyer nicht der Glaube, sondern die Vernunft Regie führt. Ihr genügen religiöse Zeugnisse nicht, wenn sie nicht auch denkerisch überzeugen können. Und sie lässt sich nur auf Überzeugungen ein, die sich in Argumentationen übersetzen lassen. Nur was argumentativ vertretbar ist, kann zustimmungsfähig sein. Die Vernunft drängt darauf, dass man sich in der Theologie darüber Gedanken macht, was man unter den Bedingungen der Moderne vernünftigerweise glauben kann.23 Was ist in der Gegenwart glaubwürdig und rational vertretbar als Basis und Kern des christlichen Glaubens? Was ist daran strittig und über welche Inhalte lohnt ein Streit?

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