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In dieser Situation begann der selbst für die Programmverantwortlichen überraschende Aufstieg des Radios oder besser: der Radios. Diese hießen mal Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR), mal Bayerischer Rundfunk (BR), Hessischer Rundfunk (HR), Radio Bremen (RB), Südwestfunk (SWF) oder Süddeutscher Rundfunk (SDR).

Die knappen Sendefrequenzen führten nach 1945 dazu, dass der Nachkriegshörfunk als öffentlich-rechtliches Medium (in Länderverantwortung) entstand. Während Zeitungen und Zeitschriften auf dem Markt um Käufer und Leser konkurrieren mussten, war der Hörfunk marktunabhängig gesichert: Er brauchte Gebührenzahler – Hörer waren erst in zweiter Linie wichtig. Auch das Nachkriegsradio war im elektrischen Bereich konkurrenzlos, Akustik ein ausreichendes Alleinstellungsmerkmal. Und wieder standen die »Kulturwerte«, die »Kulturwerte der einzelnen Landschaften« (Halefeldt 1999, 213) im Zentrum der Programmphilosophien; hinzu kamen Information, Unterhaltung und Bildung als neue Hörfunkaufgaben.

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Merksatz

Das Radio war auch nach 1945 ein Monopolmedium, doch nun lagen die Kulturlandschaften brach. In dieser Situation wurde der neue öffentlich-rechtliche Hörfunk zum viel gehörten kulturellen Leitmedium. Bis dann der Wirtschaftsboom, die neuentwickelten Zeitschriften und das Fernsehen die Prioritäten der Hörer verschoben.

Kulturelles Leitmedium

Wie in den Vorkriegsjahren gab es (für den durchschnittlichen Hörer) auch nach 1945 nur einen »Heimatsender« oder Haussender und der entwickelte sich (anders als noch in den Weimarer Jahren) rasch und selbst für die Programmverantwortlichen überraschend auch zu einem kulturellen Leitmedium. Man sprach von der »Blütezeit des Hörfunks«, den »fünfzehn großen Radio-Jahren von 1947 bis 1962« (Jenke 1997, 109). Der Hörfunk wurde ein »Kulturfaktor«, ein »kultureller Hausaltar« (Adolf Grimme), er schien in der Gutenberg-Galaxis angekommen zu sein. Dort, wo die »Dichter und Denker herrschen« (Bolz 2007, 13). Die legendären Hörspiele von Wolfgang Borchert (Drauβen vor der Tür, 1947) oder Günter Eich leiteten diese Periode der Radiokultur ein. Das Hörspiel hatte seine Blütezeit; die Nachtprogramme und Abendstudios brachten kulturelle (und vor allem vom Papier verlesene) Weltdeutungen und erreichten fünf bis zehn Prozent der Hörer. Und der SWF ließ seit 1947 in seiner Professoren- und Vortragssendung Aula die geistige Elite zu Wort kommen.

Doch noch populärer als die Philosophen und Dichter waren die Krimis und die – nach amerikanischem Vorbild serialisierten – wöchentlichen Familienserien (Die Familie Hesselbach), die Fußballübertragungen (Weltmeisterschaft 1954), die »Bunten Abende«, die Quizshows mit Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff. Seit 1945 wurde etwa in der Rundschau aus dem Hessenland (HR) über regionale Entwicklungen berichtet – die Informationssendung entwickelte sich rasch zu einer der populärsten Reihensendungen; das Echo des Tages (NWDR) informierte seit 1946 im Westen und Norden über aktuelles Zeitgeschehen. Auch die Nachrichtennutzung wuchs: Während unmittelbar nach dem Krieg fast 40 Prozent der Hörer politische Sendungen grundsätzlich ausschalteten, vertrauten bald zwei Drittel der Hörer den Hörfunknachrichten eher als denen der privat organisierten Presse. Nachrichten und Kommentar waren nach angelsächsischer Tradition getrennt. 1948 führte |20◄ ►21| Radio Bremen als erster Sender wieder die Funkwerbung ein, andere Anstalten folgten rasch – um kulturelle Aufgaben zu erfüllen. 1950 gründeten die öffentlich-rechtlichen Sender mit der »Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands« (ARD) eine Art Dachverband und etablierten 1959 mit der Musik bis zum frühen Morgen ein erstes, reguläres gemeinsames Nachtprogramm. 1952 gab es über zehn Millionen angemeldete Radiogeräte, 1959 waren es schon über 15,5 Millionen Die Radionutzungszeiten waren enorm: In den 1950er-Jahren wurde – mit den damaligen empirischen Möglichkeiten gemessen – durchschnittlich zwei bis drei Stunden Radio täglich gehört, »Dauerhören« aber war die Ausnahme.

Merksatz

Das Mittelwellenradio war bis 1949 ein Monopolmedium. Die technische Neuentwicklung Ultrakurzwelle führte zu neuartigen Hörfunkprogrammen und ermöglichte den Hörern erstmals, zwischen verschiedenen Programmen zu wählen. Langsam entstand eine dezente öffentlich-rechtliche Binnenkonkurrenz.

Mittelwelle und Ultrakurzwelle

Es war die technologische Innovation Ultrakurzwelle, die erstmals wirkliche akustische Auswahl möglich machte. Die UKW-Ära begann 1949 und führte dazu, dass aus dem einen Mittelwellenprogramm für lange Zeit das Leitprogramm, das »erste Programm« wurde, neben dem sich langsam neue UKW-Programme positionieren konnten. 1951 ermöglichten erst acht Prozent der Geräte überhaupt den UKW-Empfang, 1959 waren es 79 Prozent – und es dauerte noch bis in die 1960er-Jahre, bis etwa der WDR auch sein »Erstes« auf UKW umstellte. Die Umstellung auf UKW verlief je nach Region und Sender unterschiedlich schnell.

UKW ermöglichte nicht nur neue Angebote; die UKW-Reichweiten waren geringer als die MW-Reichweiten und führten deshalb zur Verstärkung der Regionalität. Da die Übertragungsqualität aber besser war, machten sie auch eine Musikalisierung der Programme sinnvoll. Welche einschneidenden Folgen die neue Technik (auf Dauer) hatte, lässt sich deutlich am Norden Deutschlands illustrieren: hier sendeten Hamburg und Köln ein gemeinsames Mittelwellenprogramm. Die Einführung von UKW machte zwei weitere Angebote möglich. 1950 entstanden UKW-West sowie die »Welle der Freude« UKW-Nord. Mit diesen »zweiten Programmen«|21◄ ►22| begann die quasi interne akustische und rein öffentlich-rechtliche (Binnen-)Konkurrenz um die Hörer. Die Hörer konnten erstmals bewusst auswählen. Dabei entwickelten sich spezifische – bis heute sichtbare – Nord-Süd-Besonderheiten: Im Norden wurden die »zweiten« Programme musikalisch-populär, im Süden hingegen »kulturell anspruchsvoll« (Kursawe 2004, 33) ausgerichtet. 1958 gab es bundesweit etwa zwei Programme – theoretisch wenigstens, denn bis zum flächendeckenden Empfang beider Programme dauerte es noch Jahre. Und im Norden gab es seit 1956 sogar ein »Drittes«, ein rein kulturelles (Abend-)Programm. Auch diese neu gegründeten Programme waren formal vor allem Fortschreibungen der traditionellen »Kästchen«- oder Mischprogramme: »Weder in der Programmkonzeption noch in der Ausgestaltung der einzelnen Sendungen brachten die Fünfziger Jahre viel Neues oder gar Umwälzendes« (Halefeldt 1999, 216). Dennoch lag die Hördauer während der 1950er-Jahre zwischen zwei und drei Stunden. 1956 beschrieb der Wiener Philosoph Günther Anders den modernen Rundfunknutzer als »Massen-Eremiten«, der, räumlich getrennt, millionenfach »das gleiche Ohrenfutter« erhielt (Anders 1980, 102).

Das Neue brachte wiederum die Technik: 1956 kamen erste mobile Kofferradios auf den Markt und verbreiteten sich rapide, parallel eroberten die Autoradios (nicht zuletzt japanischer Herkunft) den Markt. Hören war nicht mehr auf einzelne (Wohn-)Räume beschränkt, es wurde entgrenzt und war – prinzipiell – überall möglich. Radiohören sollte sich nach 1960 deutlich vom Radiohören der 1950er-Jahre unterscheiden.

Als wirkliche Konkurrenz entwickelte sich seit den 1950er-Jahren ein neues, ebenso flüchtiges, monopolistisches, öffentlich-rechtliches, aber nun akustisch-visuelles Medium: das Fernsehen. Es begann am 25. Dezember 1952 in Hamburg mit einem zweistündigen Programm und positionierte sich dort, wo das Radio traditionell besonders stark war: am Abend. Auch der TV-Auftrag war als »Dienst an der deutschen und an der europäischen Kultur« (Eckert 1961, 239) kulturorientiert definiert, was Folgen hatte: Während in den reinen Mittelwellenzeiten zwischen 19 und 21 Uhr noch bis zu 50 Prozent der Hörer ihre MW-Radiogeräte einschalteten, Konzerte, Bunte Abende, Hörspiele, Musik, Serien oder die neuen Quizsendungen hörten, erreichte der Hörfunk schon 1963 – das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) war gerade erst gestartet – samstags die 20-Prozent-Marke nicht mehr. Die Hörer bevorzugten das Fernsehen, zumal hier auch Radiohits adaptiert wurden. Schon 1957 hatte SDR-Hörfunkdirektor Peter Kehm für zwei »gegensätzliche« Hörfunkprogramme am Abend plädiert, ein »Bildungsprogramm« und ein Unterhaltungsprogramm – erfolglos.

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Merksatz

1952 startete mit dem Fernsehen die wirkliche Konkurrenz für den kulturorientierten und konkurrenzfreien Hörfunk. Das zweisinnige, audiovisuelle Fernsehen konzentrierte sich gerade auf die Zeiten, in denen das Radio traditionell am erfolgreichsten war: auf den Abend. Schleichend beendete es um 1960 ein Hörfunkzeitalter.

ARD (TV) und ZDF entführten den öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen ihre Hörer eher beiläufig und still: Als die noch neue Medienforschung erstmals die Hörerentwicklung präsentierte, führte das im alten »Leitmedium« Hörfunk zu einem »Schock« (Halefeldt 1999, 217) und dann zu langwierigen Neuorientierungsprozessen. Zumal die Militärsender AFN und BFBS, dann Radio Luxemburg (seit 1957) und diverse Piratensender (1960er-Jahre) mit musikorientierten, internationalen Rock-, Pop- und Schlagerangeboten gerade die – erstmals als eigene Zielgruppe auftretenden – jüngeren Hörer ansprachen und in die öffentlich-rechtliche Hörfunklandschaft regelrecht »einbrachen« (Henning Wicht); freilich ohne deren Dominanz ernsthaft zu gefährden.

Vom Kulturträger zum Dienstleistungsbetrieb

Der regionale Charakter des Hörfunks macht jahresgenaue Periodisierungen schwierig. Die meisten Programme sendeten auch in den 1960er-Jahren strukturell unverändert weiter, doch inselartig etablierten sich neue Radioformen. Um 1960 endete das alte »Hörfunkzeitalter« (Kursawe 2004, 31). Die Medienangebote explodierten zwischen 1960 und 1990 um den Faktor 40 (= 4.000 Prozent) (Merten 1994, 154), allein der HR steigerte sein Radioangebot von 9.000 Stunden (1960) auf 17.500 Stunden (1971). Auf dem Pressemarkt entwickelten sich Spiegel und Stern zu trendprägenden (investigativen) Qualitätsmedien, die Jugendzeitschrift Bravo erreichte riesige Auflagen, Bild (1952 gegründet), Quick, Bunte oder die Radiozeitschrift Hör Zu boomten, eine einzigartige »Mediatisierung der Wahrnehmung« (Knut Hickethier) begann. Und im kleinen Saarland setzte der – erst seit 1957 zur ARD gehörende – Saarländische Rundfunk mit seinem Mittelwellenprogramm Europawelle Saar 1964 erstmals in Deutschland neue, nichtkulturelle Radiostandards: 70 Prozent Musik, Autofahrersendungen, magazinisierte Information, fast ganztägige Streuwerbung.

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Spätestens seit Mitte der 1960er-Jahre wurde aus dem »Kulturträger der Nation« langsam ein »Dienstleistungsbetrieb mit kulturellen Aufgaben« (Jäger 1982, 63). Einige Sender strahlten inzwischen drei Programme aus (Durchschnitt 1968: 1,8), aber diese waren nur dezent gegeneinander differenziert; sie waren nach dem »Kästchenprinzip« aufgebaut und wurden von einheitlichen Fachredaktionen beliefert; die Nachrichtenredaktion etwa lieferte die Nachrichten für verschiedene Wellen.

Merksatz

1965 wurden die ersten Magazine ausgestrahlt. Sie waren Singularitäten in »Kästchenprogrammen« – doch mit ihrer Mischung aus »informieren, aufklären, unterhalten« (La Roche 1993, 183) enorm erfolgreich. Bald wurden Magazine zur prägenden, vor allem unterhaltenden Sendeform.

Unter den Stichworten »Aktualisierung, Typisierung, Personalisierung und Spezialisierung« (Henning Wicht) wurde in den 1960er-Jahren das Profil der einzelnen Wellen stärker betont und gegeneinander abgegrenzt. Das erste Programm (auf MW) galt etwa beim WDR als »politisches Leitprogramm« und blieb formal ein traditionelles Misch- oder »Kästchenprogramm«; das zweite Programm (auf UKW) setzte nun stärker auf Musik, definierte sich neu als »Informationsprogramm« und begründete neue, großflächige und mehrstündige Magazine. 1965 wurde das Mittagsmagazin (12:00 bis 15:30 Uhr) eingeführt, 1967 folgte das Morgenmagazin – WDR 2 setzte also gerade auf die noch nicht vom Fernsehen besetzten Zeiten. Beide Magazine waren nicht nur enorm erfolgreich, sie veränderten auch den Sprechstil der Informationssendungen vom gelesenen Wort hin zur frei gesprochenen Sprache. Moderatoren »präsentierten« nun die Themen und die konnten aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Musik kommen. Für Kulturinteressierte gründete der WDR 1963 das neue dritte Programm – ein Zielgruppenprogramm.

Die Neupositionierungen des Hörfunks waren von Sender zu Sender, von Region zu Region verschieden. In Süddeutschland blieben die ersten Programme Leitprogramme, die zweiten Programme (UKW) wurden zu Kulturwellen positioniert, der HR startete 1964 ein Programm für Gastarbeiter. Nachrichten wurden langsam deutschlandweit zu einem annähernd stündlichen Angebot ausgebaut. Mauerbau, Kuba-Krise und Kennedy steigerten das Interesse an politischen Informationen. Und im Fernsehen wurde 1967 die Farbe eingeführt.

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Stereophonie, Musik, Jugend

Seit 1963 verbesserte sich die technische Qualität des Radios enorm: In Berlin wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) die erste Stereosendung ausgestrahlt und fortan wurden in langjährigen Prozessen (fast) alle Wellen umgestellt: 1978 sendete der gesamte WDR-Hörfunk stereophon; andere folgten erst in den 1980er-Jahren. Die Stereophonie führte in der Hörspielszene zu einer rapiden Neuorientierung, sie erst machte das »Neue Hörspiel« möglich. Vor allem aber erlangte der Hörfunk durch Stereo die Qualität der industriell hergestellten Schallplatten und so die (subkulturell) Platten kaufende und nutzende Jugend. Popsendungen wurden nun auch für die bisher auf Schlager, Oper, Operette und Orchester fixierten öffentlich-rechtlichen Sender ein »Must«. Seit Mitte der 1960er-Jahre stieg die Zahl der Jugend- und Popsendungen: Für junge Leute (WDR 1964), Hallo Twens (SR 1965), Teens-Twens-Top-Time (HR 1966), Panoptikum (WDR 1968), Der 5-Uhr-Club (NDR 1969), Pop Shop (SWF 1970). Eine musikalische Angloamerikanisierung des Programms begann; und eine neue Mischung von Pop und Politik wurde populär, die – jenseits der tradierten Zeitfunkangebote wie Echo des Tages oder Umschau am Abend (NDR) – zu heftigen Konflikten führen sollte.

In den 1970er-Jahren entstanden erstmals eigenständige Service- und Begleitprogramme, die sich nicht mehr primär an den bewusst zuhörenden, häuslichen Hörer richteten. Die technischen Voraussetzungen für diese neuen Programmformen bildeten die boomenden Auto- und Kofferradios. Den Anfang machten die Autofahrer- und Servicewellen Bayern 3 (1971) und hr3 (1972) – teilweise in Kooperation mit dem österreichischen Ö3. Diese neuen Wellen waren Neugründungen, sie setzten auf Nachrichten jede Stunde, Verkehrsmeldungen und Service, auf Industrietonträger und auf Werbung. »Unsere Servicewelle hr3 trägt sich durch die eingebaute Werbung selber«, so HR-Hörfunkdirektor Henning Wicht 1974 – und damit zu öffentlich-rechtlichen Monopolzeiten. Der Anteil der Information stieg seit der Etablierung der Servicewellen, die Definition von Information freilich war »spektakulär« (Kursawe 353) erweitert. Die neuen Programme waren durchlässig konzipiert, aktuelle Informationen konnten jederzeit eingebaut werden und die Moderationen waren live. Parallel zu den neuen Wellen entstand 1972 mit der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (ag.ma) eine neue demoskopische Institution zur Messung des Radiokonsums – zunächst vor allem für die Werbetreibenden.

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Merksatz

Seit den 1960er-Jahren stieg der Stellenwert von Jugendsendungen, Popmusik, Service und Zielgruppenprogrammen (Autofahrer). Angloamerikanische Radioformen und Musiken wurden in die öffentlich-rechtlichen Angebote eingebaut und konnten rasch Zuschauermehrheiten binden. Autofahrer-, Service- und Popwellen drängten tradiertere Radiowellen und -formen in den Hintergrund.

Siegeszug der Servicewellen

Die Servicewellen veränderten die Situation in den Sendern rapide, weil sie den traditionellen »ersten Programmen« mit ihrem engen (politischen) Informationsbegriff rapide die Hörer entzogen. 1975 startete der Südwestfunk mit SWF 3 erstmals ein neues Vollprogramm, das ganz gezielt auf Rock- und Popmusik setzte, umgangssprachlichere Moderationsstile bevorzugte, das neue Radiogenre Comedy etablierte und Berichte, Reportagen oder Statements zwar jederzeit sendete, aber auf fünf Minuten beschränkte; zur Programmphilosophie gehörten die Orientierung am nebenbei hörenden Gebührenzahler, der ständige Wandel und die bewusste Distanz zum herkömmlichen politischen Journalismus. SWF 3 setzte einen »völlig neuen Trend« (Hans-Peter Stockinger), dem bald auch Südfunk 3 (1979), Bayern 3 oder hr3 (1981) folgen sollten; in abgewandelter Form entwickelten sich dann auch NDR 2 oder – die inzwischen populärste und auf Magazine setzende WDR-Welle – WDR 2 (1980) in Rock- und Popwellen. Die frühen Magazinprogramme gaben noch nicht an, wann Interessantes, Wichtiges oder Sensationelles gesendet wurde, die Magazinstrukturen waren zunächst offen und der Hörer musste entsprechend lange – und zeitökonomisch sinnvoll, d.h. nebenbei – »zuhören«.

Die Radionutzung stieg in den 1970er-Jahren durch die Servicewellen wieder an, nach der Blütezeit des Radios in den 1950er-Jahren kam es nun zu einer – vielfach als »trügerisch« wahrgenommenen – »Renaissance des Hörfunks« als dauergenutztes Begleitmedium. Anfang der 1980er-Jahre lag das Radio als »Faktor der öffentlichen Meinungsbildung« weit hinter Tageszeitungen, Zeitschriften und Fernsehen; er sei »nur noch gering zu veranschlagen«, so Hansjörg Bessler 1981.

Die öffentlich-rechtlichen Radioangebote wurden seit 1923 durch Rundfunkgebühren finanziert, die seit 1924 konstant bei zwei Mark monatlich lagen. Die Finanzgeschichte des Hörfunks ist noch nicht |26◄ ►27| geschrieben: Doch seit Mitte der 1960er-Jahre war der Radiomarkt gesättigt, die Ausgaben überstiegen die Einnahmen der Sender, die Werbung wurde zur Finanzierung der Programme immer wichtiger. 1970 entschied dann die Politik erstmals, die Gebühren auf 2,50 DM anzuheben. Rasch folgten 1974 (3,00 DM), 1979 (3,80 DM) und 1983 (5,05 DM) weitere Erhöhungen. Parallel versuchte die (genehmigende) Politik ihren Einfluss in den Sendern auszuweiten.

Bereits Ende der 1940er-Jahre gab es »Rotfunk«-Vorwürfe gegen öffentlich-rechtliche Sender, die wegen ihrer Monopolstellung (politische) Meinungsvielfalt binnenplural, d.h. in den Redaktionen und im Programm herstellen mussten. In den 1970er-Jahren verstärkte sich dieser politische Druck; 1981 wurde die ehemalige »Leitwelle« NDR 1 in eine Hamburger, eine schleswig-holsteinische sowie ein niedersächsische Landeswelle aufgespaltet und damit die Macht der Abteilung »Politik« radikal reduziert (Krug 2009).

Die Zahl der Programme stieg seit Anfang der 1980er-Jahre durch Regionalisierung; der Hörfunk betrat ein Terrain, auf dem die Presse dominierte. Den Trend hatte 1980 der Saarländische Rundfunk mit der Saarlandwelle ausgelöst, einer Kombination aus regionaler Berichterstattung und (Schlager-)Musik für die ältere Generation. Dann folgten der NDR mit seinen Landeswellen (1981), WDR 4 (1984), hr4 (1986), S 4 Baden-Württemberg (1991) oder der MDR (1992) mit zunächst sehr unterschiedlichen Ausrichtungen und folgereichen Konsequenzen: Die Mischprogramme (erste Programme) verloren Hörer, die Service- und Popwellen (zweite bzw. dritte Programme), die neuen, schlagernahen und musikreichen Regionalwellen (vierte Programme) wurden die publikumsstärksten öffentlich-rechtlichen Radios. Beim HR etwa schalteten »gegenwärtig« 300.000 Hörer täglich hr1 ein, 80.000 die Kulturwelle hr2, aber jeweils knapp eine Million hr3 und hr4 (Dussel 2004, 226).

Das Fernsehen führte in den 1960er-Jahren zum Umbau des öffentlich-rechtlichen Hörfunks und zur Stärkung von Begleitwellen. Um 1985 schwächelte auch das Fernsehen: Die TV-Nutzung lag bei 2 Stunden und 10 Minuten täglich, das Radio aber blieb 2 Stunden und 34 Minuten eingeschaltet. Die Zahl der ARD-Sender erhöhte sich von 23 (1971) auf 28 (1985), aber die Situation war regional sehr unterschiedlich.

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Merksatz

Seit Mitte der 1980er-Jahre veränderte sich die deutsche Radiolandschaft tiefgreifend. Aus dem rein öffentlich-rechtlichen Hörfunksystem wurde ein duales, länderspezifisch geprägtes System, in dem primär gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche und werbefinanzierte private Hörfunkanbieter agieren konnten. Die Zahl neuer Sender explodierte. Und sogar eine dritte Säule kam hinzu: die nichtkommerziellen Sender und Offenen Kanäle.

Das duale System

Es war ein Neubeginn in Etappen. Während das duale System beim Fernsehen 1984 sehr breit startete, ging es beim Hörfunk langsam und regional zu. Seit 1985 sendeten in München zwar einige private Anbieter »Stadtradios« und seit April 1986 sendeten in Rheinland-Pfalz vier Vorgänger von RPR, doch die öffentlich-rechtliche Monopolperiode im Hörfunk wurde erst am 1. Juli 1986 mit dem ersten landesweiten Privatprogramm Radio Schleswig-Holstein (RSH) beendet. Die technische Voraussetzung für diesen Systemwechsel war, dass das UKW-Frequenzband jenseits der »100« frei wurde und neue Nutzungen erzwang. Bis 1986 hatte es zwar binnenstrukturelle Konkurrenzen zwischen einzelnen ARD-Sendern (etwa WDR 2 und WDR 1) und zwischen ARD-Wellen (etwa SWF 3 und hr3) gegeben, nun gab es Konkurrenz zwischen zwei Rundfunkkonzeptionen, der öffentlich-rechtlichen und der privat-kommerziellen. Wobei öffentlich-rechtlich inzwischen für die Hörer mehrheitlich vor allem hieß: Service- und Rock- und Popwellen sowie schlagernahe Landeswellen. Und dann juristisch: »Grundversorgung«.

Radio Schleswig-Holstein (RSH) folgten in kurzen Abständen Radio Hamburg (1986), radio ffn (1987), Radio Hundert,6 (1987), Antenne Bayern (1988), OK Radio (1988), Radio FFH (1989), Radio Salü (1989) oder PSR (1992). Die neuen Privatwellen wurden von großen Verlagshäusern wie Axel Springer, Heinrich Bauer, Georg von Holtzbrinck, Bertelsmann, Hubert Burda Media, Oschmann, WAZ oder von Verlegerzusammenschlüssen wie »Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland« veranstaltet. Die lange währende, durch rare Frequenzen verursachte Arbeitsteilung zwischen Hörfunk und Printmedien wurde beim Radio hinfällig, ökonomisch hinfällig. Denn die Verleger wollten im Hörfunk nicht publizistisch tätig werden wie in ihren Zeitungen, sondern Werbung verkaufen. Ihr Paradigma war: auch Radioprogramme sind Waren, und so kam es zwischen|28◄ ►29| öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern gerade dort zu heftigen Konkurrenzen, wo Werbung geschaltet wurde. NDR 2, WDR 2, Bayern 3, hr3, SWF 3 waren von den Privatradios am stärksten betroffen. 6,3 Millionen Hörer hatte WDR 2 1978, 1998 waren es noch 2,8 Millionen; NDR 2 rutschte von 5,3 Millionen auf 1,9 Millionen.

Die Einführung des dualen Systems verstärkte die regionalen Strukturen des Radios. In Bayern und Nordrhein-Westfalen (NRW) wurden neben landesweiten auch (bzw. nur) lokale Wellen zugelassen und so stieg hier das numerische Angebot rapide. In NRW gab es bald 46 Lokalstationen, in Bayern 53 Lokalsender. Die Geschichten der Privatradios sind weitgehend ungeschrieben: Man distanzierte sich von den Nachrichten zur vollen Stunde (RSH) und den Magazinformen, baute auf populäre Musik zwischen Pop und Schlager, auf Werbung und lockere Ansprache. Erst langsam setzten die privaten Sender bewusst auf Formatierung und Marktforschung. Formatierung hieß hier vor allem: Ausrichtung des Programms an der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen und an einem möglichst populären Musikformat, in Deutschland vor allem an Adult Contemporary (AC) und Contemporary Hit Radio (CHR). Bis 1998 erreichten diese privaten Programme einen sensationellen Marktanteil von 44 Prozent.

Kaum zählbar blieb dagegen die Resonanz der alternativen, nichtkommerziellen Radios (wie etwa das Freiburger Radio Dreyeckland, 1988) und der heute etwa 60 Offenen Kanäle (z. B. OK Berlin, 1985) und Bürgerradios mit ihrem »Schlangenprinzip«, d.h. der Ausstrahlung von Sendungen nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung durch die (gesellschaftlichen) Macher. Doch trotz der neuen Angebote und trotz der Ausweitung des zerstreuten, zappenden Fernsehkonsums mittels Fernbedienung in den 1980er-Jahren: Der – einmal gefundene und geliebte – akustische Hintergrund wurde nur selten gewechselt. Rund 1,3 Programme, mehr nutzte ein durchschnittlicher Hörer auch im neuen dualen System nicht, zappen, switschen, Channel-Hopping gehörte nicht zum Radiokonsum.

Ausweitung nach Osten

1989 fiel die Mauer, das DDR-Hörfunksystem wurde abgewickelt. 1992 wurden der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) nach westlichen Vorbildern gegründet, Mecklenburg-Vorpommern schloss sich als viertes Bundesland 1992 dem NDR an. 1994 entstand mit dem Deutschlandradio ein neues nationales Radioangebot. Es wurde dem ZDF zugeordnet, das damit erstmals Fernsehen und Hörfunk verbinden und bimedial agieren konnte. Die beiden |29◄ ►30| Wellen Deutschlandfunk und Deutschlandradio Berlin waren ausdrücklich für die deutsch-deutsche Integration, für Information und Kultur zuständig. Seit 1994 existieren also quasi zwei öffentlich-rechtliche Hörfunksysteme in Deutschland. Und auch die Privaten expandierten in den neuen Ländern mit dem überdurchschnittlichen Radiokonsum: Radio PSR (1992), Radio Brocken (1992), Radio SAW (1992), Antenne Thüringen (1992), Antenne MV (1993) oder BB Radio (1993).

Merksatz

Jugendradios waren die Neuentdeckung der 1990er-Jahre. Formatierte Musikwellen mit geringem Wortanteil sollten die Jugend wieder ansprechen und zum öffentlich-rechtlichen Radio zurückführen. Diese Programme entstanden außerhalb der öffentlich-rechtlichen Sendekomplexe, ohne deren Namenskennung und erstmals mehrmedial.

Seit Ende der 1980er-Jahre wandte sich die Jugend rapide vom öffentlich-rechtlichen Radio ab und den neuen Privatsendern zu. Was AFN oder Radio Luxemburg in den 1950er- und 1960er-Jahren bewirkten, übernahmen nun die TV-Angebote MTV oder VIVA (1993) sowie private Jugendradios wie OK Radio in Hamburg: sie zogen die 14- bis 19-jährigen Hörer an und führten innerhalb der ARD zu Gegenbewegungen: Anfang der 1990er-Jahre gab es eine neue Gründungswelle. Die Jugendlichen erhielten mit Sputnik (1993), Fritz (1993), N-Joy Radio (1994), Eins Live (1995) oder DASDING (1997) eigene Wellen oder »Fachgeschäfte« (Krug 2000, 47). Die Namen der Mutterhäuser waren aus den Wellennamen verschwunden, der Musikanteil lag um die 80 Prozent und der Trend ging zu Infotainment-Nachrichten. Die Jugendangebote wurden sogar außerhalb der etablierten Häuser angesiedelt und neu strukturiert. Reine Wellenredaktionen, keine Fachredaktionen für Politik oder Kultur, machten die mehr oder weniger digital produzierten Jugendprogramme. Dieses Modell wurde später auch auf die anderen Wellen ausgeweitet. Parallel wurde über die Konvergenz, die Annäherung von öffentlich-rechtlichem und privatem System auf Programmebene diskutiert.

Eigenständige Wort- und Infowellen

Ursprünglich wurden alle Inhalte von einem einzigen Programm ausgestrahlt, dann wurden die (gestiegenen) Inhalte auf mehrere Radioprogramme aufgeteilt und zielgruppengenauer ausgestrahlt. Die immer stärkere|30◄ ►31| musikalische Profilierung einzelner Wellen gegeneinander und die Orientierung an Durchhörbarkeit und Dauerhören führten Ende der 1980er-Jahre dazu, die Inhalte als »Stopset«, ja als Ausschaltfaktor zu interpretieren und auf separate, »gehobene« Programme zu konzentrieren. 1989 startete der NDR das gehobene Wort- und Einschaltprogramm NDR 4, wenig später folgte der WDR mit WDR 5 (1991). Parallel dazu entstanden die ersten wort- und nachrichtenformatierten, nicht mehr magazinorientierten Infowellen: 1991 wurde mit einem Etat von etwa zehn Millionen D-Mark B5 aktuell gegründet, dann folgten MDR Info (1992), Info Radio (1995), NDR Info (1998) oder hr info (2004). Bei den neuen Infowellen waren ganze Sendetage durch Stundenuhren formatiert und in 15- oder 20-Minuten-Einheiten getaktet. Diese Inforadios orientierten sich an der Berichterstattung des Fernsehsenders CNN über den Golfkrieg (1990) und waren vor allem in Großstädten erfolgreich. Sie erreichten etwa in Hamburg oder Berlin Marktanteile zwischen fünf und acht Prozent (2007). Die Inforadios gehörten zu den ersten Hörfunkwellen, die nicht nur über UKW ausgestrahlt wurden. SWR.cont.ra – die Abkürzung steht für Content Radio – wurde 2002 gegründet, um die Akzeptanz für digitales Radio zu verbessern; die Welle war vor allem übers Internet zu hören. Die redaktionellen, noch rein auditiven Strukturen der Nachrichtenradios werden gegenwärtig umgestellt. Das Berliner Inforadio produziert sein Programm in einem Newsroom mit mehrmedialer Ausrichtung; bei NDR Info wurde ein mehrmedial anbietender Reporterpool angesiedelt, der ausschließlich neue Themen recherchieren soll. Der Trend geht zur trimedialen Nachrichten- und »News«-Arbeit. Die reine UKW-Zeit geht ihrem Ende entgegen. Radio, Internet und Fernsehen wachsen auch in den Produktionsstrukturen zusammen.

Merksatz

Der Hörfunk startete 1923 als Einschalt- und Kulturradio. 80 Jahre später waren aus dem Kulturradio regionale Kultur- und vor allem Klassikwellen geworden, die weniger als fünf Prozent der Hörer erreichten. Sie begriffen sich als Begleitwellen und waren formatiert.

Seit 1956 gibt es in Deutschland eigenständige Kulturprogramme. Spätestens seit den 1990er-Jahren wurden diese Einschaltprogramme – als letzter Programmtyp – mehr und mehr formatiert und in musikorientierte Klassikwellen umgewandelt. Die Kulturwellen definierten sich am entschiedensten als Einschaltprogramme in der alten Werk- und »Kästchentradition«|31◄ ►32| und profitierten am längsten von einer »fürsorglichen Vernachlässigung« (Paul Nolte), die sie quotenfrei und gut finanziert wirken ließ. Die Formatierung der Kulturwellen war deshalb ein »besonders schwieriges Unterfangen« (Halefeldt 1999, 224) und führte bei Bayern 2, hr2 kultur, SR 2 Kulturradio, SWR 2 oder WDR 3 zu beständigen Neupositionierungen und zu heftigen Auseinandersetzungen um die am forciertesten formatierten Klassikwellen MDR Figaro, kulturradio vom rbb oder NDR Kultur. Hier wurde Klassik im Stil der »Top 40« eingesetzt. Nur die abendlichen Sendestrecken blieben – wie in den Anfängen – von Formatierung weitgehend frei. Eine kulturaffinere Formatierung des Kulturprogramms wählte 2005 das nationale Deutschlandradio Kultur. Es positionierte ein Radiofeuilleton, das Kultur und Stundenuhr, Wort und musikalische Neuheiten stundenweise zusammenband.

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