Kitabı oku: «Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen», sayfa 5

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Hey Leute, ich hab ein klitze-kleines problemchen …! Habe letzten Freitag (HESSEN) mein Thema für meine Präsentation in Mathe bekommen … bin eine absolute (ALSO WIRKLICH ABSOLUTE) niete in mathe und mir wurde von meinem lehrer empfohlen eine präsentation zu halten, weil ich dort mehr raus holen könnte als beim schriftlichen … naja wie auch immer, mein Thema ist: BERECHNUNG VON ABSTÄNDEN ZWISCHEN GEOMETRISCHEN OBJEKTEN IN DEN BEREICHEN DER ANALYSIS UND LINEARE ALGEBRA Aufgabenstellung: 1. Stellen Sie anschaulich und rechnerisch die Berechnung von Abständen zwischen geometrischen Objekten in der räumlichen Geometrie dar. Berücksichtigen Sie dabei auch Kugeln. 2. Man kann das »Abstandsproblem« auch als Extremwertaufgabe auffassen und mit Mitteln der Analysis lösen. Verdeutlichen Sie dies an konkreten Beispielen. 3. Präsentieren Sie eine anwendungsbezogene Aufgabe zum Abstandsproblem und stellen Sie beide Lösungsmethoden gegenüber. PUH! Also ich hab kein Plan was mein Lehrer da eigentlich von mir will, er hat mir stichpunkte gesagt wie zb die Hessesche Normalenform, oder abstand von sonne zu erde, oder abstand von zwei flugzeugen etc. … was haltet ihr so von dem thema? machbar? oder eher nicht? könntet ihr mir evtl auch ein paar stichpunkte dazu sagen die euch einfallen? Und wie ist das eigentlich im Kolloquium? weichen die fragen stark vom eigentlichen Thema ab? Also sollte ich zu anderen themen auch was wissen? oder reicht es wenn ich mich in meinem eigenen Thema perfekt auskenne? Vielen, vielen Dank schon mal im vorraus,

lg Tara

Bei derart außerhalb der Schule vorbereiteten Präsentationen kann im ersten Teil der Prüfung kaum etwas schieflaufen, da entsprechend den vorgegebenen Beurteilungskriterien es hier weniger auf den Inhalt als vielmehr auf die methodisch-technische Gestaltung der Präsentation und auf weitere fachunabhängige Kompetenzen ankommt: Strukturierung der Präsentation, sachgerechter Einsatz der Medien, Qualität der audiovisuellen Unterstützung, Präzision und logische Nachvollziehbarkeit der Darstellung, kommunikative Fähigkeiten sowie Reflexion über die gewählte Präsentationsmethode lauten die Beurteilungskriterien nicht nur in Hamburg. Hat der Schüler flüssig gesprochen? Hat er sein Publikum auch angesehen? Hat er nicht von den Folien abgelesen? Hat er anspruchsvolle Grafiken entwickelt? Hat er Literatur und Bildquellen richtig angegeben? Auch mit der Bewertung der Qualität und dem Umfang der fachlichen Information dürfte der Schüler zumindest im ersten Teil der Prüfung kaum Probleme haben, sei das mathematische Unverständnis auch noch so groß. Er ist ja genau in dieses Thema genauestens eingewiesen worden und darf sicherlich auch Karteikarten für den Vortrag nutzen, auf denen er sich fachliche Notizen gemacht hat oder hat machen lassen. Die Lehrer, die ja genau wissen, dass der vortragende Schüler oft von Dingen redet, von denen er in der Vergangenheit kaum etwas verstanden hatte, fühlen sich in vielen Fällen regelrecht vorgeführt. Aufgrund der Kriterien der Notenvergabe in diesen Präsentationsprüfungen kann kaum jemand schlechter beurteilt werden als mit einem »Befriedigend« oder »Gut«, selbst wenn die Lehrer entgegen den Vorschriften mögliche inhaltliche Mängel im Kolloquium stärker gewichten sollten als die Präsentation selbst. Diese Form der mündlichen Präsentationsprüfung im Fach Mathematik, die sich bei Schülern mit mathematisch allergrößten Defiziten zwingend aufdrängt, scheint gerade dazu eingeführt worden zu sein, die Klippe einer ansonsten erforderlichen mündlichen Abiturprüfung mit für den Prüfling meist unangenehmem Ablauf und schlechtem Resultat erfolgreich zu umschiffen. Die Prüflinge ihrerseits, sich ihrer mangelhaften Leistungen in Mathematik bewusst, können es denn auch kaum fassen, wenn sie am Ende der Prüfung die mehr oder weniger gute Note mitgeteilt bekommen, und posten auf Facebook, sie hätten das Gefühl, sie befänden sich in einem Paralleluniversum.27

Die Präsentationsprüfung erfreut sich aber auch in den anderen Fächern zunehmender Beliebtheit. Zusammen mit der ebenfalls in immer mehr Bundesländern eingeführten »Besonderen Lernleistung« lassen sich damit unliebsame Noten in der Qualifikationsphase schönen und vor allem die Abiturnotenschnitte relativ problemlos verbessern. Warum sollten sie sich diese Chance entgehen lassen? Dass es auch Schulen und Lehrer gibt, die derartige Verfahren sehr zurückhaltend anwenden, soll nicht unerwähnt bleiben. Nicht nur für die Mathematik muss allerdings die Frage erlaubt sein, wem diese Vorgehensweise nützen soll. Auch die Argumentation, die meisten Abiturienten würden keinesfalls Mathematik studieren, verkennt völlig, dass außer in den Sprachen nahezu alle anderen Fachbereiche an den Hochschulen grundlegende mathematische Kenntnisse für die Aufnahme eines Studiums voraussetzen. Betrogen sind bei derartigen Taschenspielertricks letztendlich alle: Die Schüler, die sich ihrer defizitären fachlichen Kenntnisse durchaus bewusst sind; die Eltern, weil sie glauben, dass ihre Kinder gut für ein Studium oder einen Beruf vorbereitet sind; die Lehrer, denen die Defizite ihrer Schüler genau bekannt sind; die Hochschulen, die glauben, exzellente Abiturienten zu bekommen, und Brückenkurse anbieten müssen, um die Folgen dieser fragwürdigen Maßnahmen einigermaßen ausgleichen zu können; und letztlich die Öffentlichkeit, die mit faulen Statistiken geblendet wird, von der sozialen Gerechtigkeit dieser Prüfungen ganz zu schweigen.

»Über sieben Brücken mußt Du gehn«

Wenn die Befürworter dieser Form des kompetenzmodellierten Mathematikunterrichts nun gebetsmühlenartig behaupten, gerade durch die Verwendung dieser Aufgabenformate hätte eine »weitere Verbreitung und Vertiefung der mathematischen Bildung in unserem Land stattgefunden«28, so müsste die sich ja in der Praxis eindeutig nachweisen lassen. Die ständig besser werdenden Noten geben im Rahmen des den Schulen verordneten Notendumpings jedenfalls keinen Aufschluss darüber. Wenn der kompetenzorientierte Unterricht mit den hochgelobten mathematischen Modellierungsaufgaben wirklich so segensreich wirkte wie behauptet, müssten die Abiturienten ja im Vergleich zu früher mit deutlich besseren Mathematikkenntnissen ausgestattet sein, und es müsste eine Freude für die Hochschulen sein, mit derart kompetenten Abiturienten weiter arbeiten zu dürfen. Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Die Folgen dieser mehr als fragwürdigen Entwicklung bekommen seit einigen Jahren die Hochschulen und insbesondere die Universitäten deutlich zu spüren. Alle Tests an Studierenden der MINT-Fächer in den letzten Jahren belegen das Scheitern dieser Art von Kompetenzorientierung. Betrachtet man sich die dortige Entwicklung, wird man automatisch an den alten Titel der DDR-Band Karat erinnert: »Über sieben Brücken mußt Du gehn«. Am besten überzeugt man sich davon durch einen Blick in das Buch »Mathematische Vor- und Brückenkurse«.29 Hier werden konkrete Testergebnisse genannt mit teils absurd schwachen Resultaten, und es ist auch von der »totalen Abhängigkeit vom Taschenrechner selbst bei einfachsten Rechnungen« die Rede. Dabei berücksichtigen diese Ergebnisse noch nicht einmal den derzeitigen Einsatz grafikfähiger Taschenrechner, in dessen Folge es zu einem weiteren Verlust grundlegender mathematischer Kenntnisse kommen dürfte.

Eine völlig übertriebene und teilweise mehr als unsinnige Anwendungsorientierung in den Modellierungsaufgaben und der Zwang, hohe Abiturientenquoten generieren zu müssen, haben dazu geführt, dass die Kohärenz zwischen Schule und Hochschule weitgehend nicht mehr vorhanden ist. Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit, die vor Jahren einmal die entscheidenden Kriterien gerade des Unterrichts in der Oberstufe waren, haben sich in Luft aufgelöst, sie tauchen nicht einmal mehr als Leitziele in den entsprechenden Kerncurricula auf. Infolgedessen stellen die Hochschulen immer größere Defizite längst nicht nur in Mathematik bei den Studienanfängern fest.

Anstatt nun die Notbremse eines derart verfehlten kompetenzorientierten Unterrichts zu ziehen, gibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung jährlich Millionenbeträge in zweistelliger Höhe aus Steuergeldern für Nachhilfeveranstaltungen an den Hochschulen aus, um die teilweise exorbitant hohen Durchfallquoten in nahezu allen mathematiklastigen Fachbereichen wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen. Um die Abbrecherquote zu reduzieren, werden politische Forderungen nach Absenkung der Anforderungen auch an den Hochschulen immer lauter. In Nordrhein-Westfalen werden Durchfallquoten über 20 Prozent nicht mehr geduldet, ansonsten droht den Hochschulen Ungemach. Um das Ziel zu erreichen, werden die Hochschulen mit Kopfgeldprämien von bis zu 4000 Euro für die Studierenden korrumpiert, die in der Regelstudienzeit zum Abschluss gebracht werden. Das zusätzliche Geld ist in den klammen Hochschulen höchst willkommen, und der Widerstand gegen derartige Maßregelungen hält sich entsprechend in Grenzen. Die Verschiebung grundlegender Fachinhalte als Voraussetzung eines Studiums aus dem schulischen in den Hochschulbereich dürfte deren Streben nach internationaler Wettbewerbsfähigkeit immer stärker entgegenlaufen, von der angestrebten Exzellenz ganz zu schweigen. Brückenkurse an Hochschulen mit Stoff der Mittel- und Oberstufe einzurichten ist der bildungspolitische Offenbarungseid einer verfehlten Kompetenzorientierung und erheblich teurer, als wenn man eine fachlich fundierte Mittel- und Oberstufenmathematik in den Schulen betreiben würde. Schließlich stellt das Abitur immer noch eine Hochschulzugangsberechtigung dar, und es gilt, deren Qualität zu sichern, ansonsten sollte man sich möglichst schnell von ihr verabschieden.

Auch der Hinweis, es habe immer schon Brückenkurse gegeben, ist sicherlich richtig, aber längst nicht in dem flächendeckenden Ausmaß und nicht auf Mittelstufenniveau oder sogar darunter. Und das betrifft auch Fachbereiche wie Informatik, Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, Chemie, Physik sowie viele anwendungsorientierte Studiengänge an Fachhochschulen, die Mathematik als Voraussetzung für den entsprechenden Studiengang einfordern.

Der Teil der Fachdidaktik, aus dessen Feder diese Konzepte stammen, läuft sicherlich gut gemeint irgendwelchen Idealvorstellungen von Mathematikunterricht hinterher. Man will ein schönes Haus und ein noch schöneres Dach bauen. Leider zieht man nicht in Betracht, dass es dafür zuerst einmal eines Fundaments bedarf. »A roof without walls« kennzeichnet diese Vorgehensweise mehr als deutlich.30 Mit der Realität eines fachlich fundierten Mathematikunterrichts und entsprechend gestalteter Zentralabiturarbeiten haben diese Vorstellungen kaum noch etwas zu tun. Mit Kompetenzen modellieren kann nur jemand, der dafür das grundlegende Wissen als Basis besitzt. Alles andere ist nichts als heiße Luft. Das alles sind harte Fakten, die eben nicht zu der üblichen Phraseologie der Kompetenzorientierung passen wollen. Vor dem Scherbenhaufen einer Illusion zu stehen ist gewiss wenig angenehm.

Das Schaf Dolly, Ozon-Männchen, Designerklamotten und Geheimbünde

Woher stammen nun diese Aufgabenformate, in denen in erster Linie Lesekompetenz abverlangt wird, und welcher Sinn oder Unsinn steckt dahinter? Um diese Fragen beantworten zu können, ist ein Blick in die nähere Vergangenheit erforderlich. In der PISA-Studie aus dem Jahr 2000 – an der Schreibweise lässt sich unschwer erkennen, dass dies nichts mit der schönen Stadt Pisa in Italien zu tun hat – wurden den schulischen Leistungen deutscher Schüler zum Entsetzen der Politiker keine Bestnoten erteilt. Das Programme for International Student Assessment hatte sich zur Aufgabe gemacht, die Kompetenzen von 15-Jährigen in den OECD-Ländern zu testen und exakt zu vermessen. Während die meisten anderen beteiligten Länder ihre Rankingplätze ohne große Aufregung zur Kenntnis nahmen oder ignorierten – nicht nur in den USA ist die Studie bis heute weitgehend unbekannt und erregte keinerlei größeres Presseecho –, rief PISA in den deutschsprachigen Ländern eine Art bildungspolitisches Erdbeben der Stärke neun auf der nach oben offenen Richterskala hervor. In einer für den deutschsprachigen Raum charakteristisch hektischen Betriebsamkeit wurde das gesamte bisherige Bildungswesen Schule in Frage gestellt. Es galt, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer deutlichen Korrektur führen sollten. Mittelmaß ist auch für unsere österreichischen Freunde ein wahres Schreckgespenst. Die »Klieme-Expertise« wurde in den darauffolgenden Jahren im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstellt. 2003 erschien das fast 300 Seiten umfassende Gesamtwerk1, aus dem 2004 die Bildungsstandards auf den Weg gebracht wurden. Die Schuldigen waren dort auch gleich ausgemacht. Die bisher gültigen Lehrpläne müssten komplett von ihren fachlichen Vorgaben entsorgt werden, mit ihnen sei nur totes Wissen gepaukt worden, was die Schüler nicht einmal hätten anwenden können, wie die PISA-Studie belege. Vernetztes, kumulatives Lernen und Denken sollten in sinnstiftenden, kontextbezogenen und auf Alltagsvorstellungen der Schüler beruhenden Zusammenhängen aufgebaut werden. Anstatt an dem bisherigen Input in Form von Fachinhalten sollten alle neuen Lernprozesse sich an ihrem Output orientieren. Nicht mehr Fachinhalte, sondern in Form von Kompetenzanforderungen formulierte Bildungsstandards sollten Deutschland im Ranking wieder nach oben führen. Zusätzlich komme dem Erwerb fachunabhängiger Schlüsselkompetenzen eine bedeutsame Rolle zu.

Keinesfalls überraschenderweise haben an der Erstellung der neuen Konzepte Teile der empirischen Bildungsforschung federführend mitgewirkt, die schon an den TIMS-Studien in den neunziger Jahren und an den PISA-Studien selbst maßgeblich beteiligt waren und es bis heute sind. Die empirische Bildungsforschung hat daher seit der Jahrtausendwende einen bislang nicht für möglich gehaltenen kometenhaften Aufstieg vollzogen, denn sie betreibt das Geschäft der Politikberatung mit ebenso großem Erfolg. Die Einführung des PISA-Konzepts der OECD in das deutsche Bildungssystem wurde überraschenderweise ohne jede demokratische Legitimation und unter geschickter Ausschaltung einer zu erwartenden breit angelegten Diskussion im Rahmen einer soft governance vollzogen. Kritiker wurden erfolgreich als Ewiggestrige oder Querulanten abgetan. Ein Diskurs über die neuen Konzepte wurde ebenso erfolgreich verhindert mit der lapidaren Begründung, das Konzept sei schließlich alternativlos und basiere auf einer internationalen State-of-the-Art-Forschung. Mit dem »Alles aus einer Hand«-Konzept haben sich die Beteiligten auf Jahrzehnte hinaus nicht nur hohe Drittmitteleinkommen gesichert, sondern auch den weiteren Einfluss auf die Politik, die sich freiwillig in die babylonische Gefangenschaft der empirischen Bildungsforschung begeben hat.

Um das neue Konzept der Kompetenzorientierung nachvollziehen zu können, schauen wir uns zuerst einmal eine PISA-Aufgabe aus dem Jahr 2003 an, die zu den wenigen gehört, die vom PISA-Konsortium für die Öffentlichkeit freigegeben wurden. Um PISA-Aufgaben und deren Konstruktion besser verstehen zu können, gilt es zu berücksichtigen, dass rund 70 Prozent der PISA-Testaufgaben Multiple-Choice-Aufgaben sind. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da schon in den TIMS-Studien der neunziger Jahre die Amerikaner federführend in der Konzeption solcher Tests waren, mit denen die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse von Schülern der beteiligten Nationen erhoben werden sollten. Damals hatten sich Teile der empirischen Bildungsforschung in Deutschland, die noch in ihrem Dornröschenschlaf verweilte und erst mit PISA wachgeküsst wurde, der US-amerikanischen Konsortialführung angeschlossen. Multiple-Choice-Tests besitzen gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, dass die Antworten in statistischen Verfahren besser und eindeutiger ausgewertet werden können. Dies ist offensichtlich, da es ungleich schwerer ist, ganze Satzkonstruktionen angemessen zu bewerten oder gar einer bestimmten Kompetenzstufe zuzuordnen. Für eine erfolgreiche Lösung einer Multiple-Choice-Aufgabe kommt es auf bestimmte Techniken an, die man anwendet, vor allem dann, wenn man die Antwort nicht weiß oder sich unsicher ist. Das kennen wir von Günther Jauchs Sendung »Wer wird Millionär«, in der das Ausschlussprinzip auch bei fehlendem Wissen einen gewissen Erfolg verspricht.

Um die Aktualität und den Lebensbezug von Schülern berücksichtigen zu können, hat man 2003 eine Aufgabe zum Schaf Dolly entwickelt, das nach seiner Schöpfung im Jahre 1996 in der Öffentlichkeit größte Aufmerksamkeit erregte, da es ein geklontes Schaf war. Der Schüler erhält einen ausführlichen Text, den er genau lesen muss, da hier die Informationen gegeben werden, mit denen die Fragen in weiten Teilen korrekt zu beantworten sind. Auf die Bedeutung des genauen Lesens wird der Schüler fast in jeder PISA-Aufgabe erneut hingewiesen. Der den Schülern vorgelegte Text zum Schaf Dolly lautet wie folgt:2

Lies den folgenden Zeitungsartikel und beantworte die anschließenden Fragen.

Ein Kopierapparat für Lebewesen?

Hätte es Wahlen zum Tier des Jahres 1997 gegeben, wäre Dolly ohne Zweifel der sichere Sieger gewesen. Dolly ist das schottische Schaf, das Sie auf dem Foto sehen können. Dolly ist allerdings kein gewöhnliches Schaf. Sie ist ein Klon eines anderen Schafs. Ein Klon bedeutet: eine Kopie. Klonen heißt kopieren »von einem einzigen Original«. Es ist Wissenschaftlern gelungen, ein Schaf (Dolly) zu erschaffen, das mit einem Schaf identisch ist, das als

»Original« ausgewählt worden war. Es war der schottische Wissenschaftler Ian Wilmut, der die »Kopiermaschine« für Schafe entworfen hat. Er nahm ein sehr kleines Stück vom Euter eines erwachsenen Schafs (Schaf 1). Diesem kleinen Stück hat er den Zellkern entnommen, den er in eine Eizelle eines zweiten (weiblichen) Schafs (Schaf 2) eingepflanzt hat. Zunächst entfernte er aber aus dieser Eizelle das ganze Material, das Eigenschaften von Schaf 2 in einem aus dieser Eizelle entstehenden Lamm bestimmt

hätte. Ian Wilmut implantierte die manipulierte Eizelle von Schaf 2 in ein weiteres (weibliches) Schaf (Schaf 3). Schaf 3 wurde trächtig und gebar ein Lämmchen: Dolly. Manche Naturwissenschaftler glauben, dass es in wenigen Jahren möglich sein wird, auch Menschen zu klonen. Doch viele Regierungen haben bereits beschlossen, das Klonen von Menschen gesetzlich zu verbieten.

Soweit der Text. Frage 1 lautet nun:

Mit welchem Schaf ist Dolly identisch?

A) Schaf 1 B) Schaf 2 C) Schaf 3 D) Dollys Vater 3

Da der Prüfling – wie vielleicht der Leser auch – möglicherweise den Text erst einmal nur oberflächlich gelesen hat, bleibt dennoch zuerst einmal nichts anderes übrig, als den Text noch einmal in bezug auf die Fragestellung genau zu lesen und mögliche Hinweise zu finden, mit denen die Frage zu beantworten ist. Die Frage zielt ja nicht darauf ab, biologische Sachverhalte zu reproduzieren oder auch deren Verständnis nachzuweisen. Schon beim ersten Durchlesen ist uns aufgefallen, dass der vorgegebene Text mehr als seltsam und ungewöhnlich formuliert ist. Außerdem verwendet er didaktisch reduzierte Inhaltsbeschreibungen in Form einer Alltagssprache. Grundsätzlich kann man gegen eine Vereinfachung komplizierter sachlicher Zusammenhänge keine Einwände erheben, wenn diese das Kriterium der Sachlichkeit und vor allem der Richtigkeit berücksichtigen. Vom »Original« ist die Rede, sowie von drei unterschiedlichen weiteren Schafen, mit denen irgendetwas gemacht wurde, vom schottischen Wissenschaftler Ian Wilmut, sowie von einem »sehr kleinen Stück«, was immer das heißen mag. Ob die Aufgabe aus dem angloamerikanischen Bereich stammt, möglicherweise von der weltweit größten Testfirma ETS in Princeton/USA konzipiert wurde, ob es sich um eine schwerfällige Übersetzung handelt, oder ob der Text in Deutschland erstellt wurde, können wir nicht beurteilen. Dazu gibt es keinerlei Angaben. Es scheint aber ein durchgängiges Prinzip aller PISA-Aufgaben zu sein, dass in den Aufgaben mit Ablenkern, sogenannten Distraktoren, gearbeitet wird. Deren Funktion kann man am Beispiel des Ostereiersuchens leicht verständlich machen. Versteckt man die Ostereier ohne große Mühe hinter dem Fernseher, unter dem Sofa, auf dem Schrank oder unter dem Tisch, wird der Suchende diese alsbald finden. Versteckt man diese aber im Wäscheschrank zwischen den Handtüchern, der Bettwäsche, unter Mülltonnen oder auch im Garten hinter einem Baum, sind die Ostereier erheblich schwieriger zu finden. In jedem Fall bleiben es Ostereier, und es werden keine Dinosauriereier daraus, wenn man sie denn gefunden hat.

Zur Beantwortung der Frage müssen wir uns also im Text auf die Spur der dort vorgegebenen oder angedeuteten Antwort machen. Entgegen der hier abgedruckten PISA-Aufgabe enthalten die Originalaufgaben immer eine strikte Aufgliederung nach mit Ziffern bezeichneten Zeilen, da in vielen Fragen auf bestimmte Zeilen ausdrücklich hingewiesen wird. Wir müssen nun zuerst einmal das Wichtige vom Unwichtigen trennen. Wichtig ist wohl in jedem Fall folgender Satz: Es ist Wissenschaftlern gelungen, ein Schaf (Dolly) zu erschaffen, das mit einem Schaf identisch ist, das als »Original« ausgewählt worden war. Der nächste Satz: Es war der schottische Wissenschaftler Ian Wilmut, der die »Kopiermaschine« für Schafe entworfen hat,4 ist wohl eindeutig ein Ablenker, denn er hat mit der Beantwortung der Frage 1 nichts zu tun. Richtiggestellt werden muss, dass Ian Wilmut die Ergebnisse zwar 1997 in der hochangesehenen Zeitschrift »Nature« veröffentlichte und über ein Jahrzehnt alle wissenschaftlichen Preise, Ehrungen und finanziellen Ressourcen entgegennahm, er aber Dolly gar nicht geklont hatte, sondern sein Kollege Keith Campbell. Er hätte als Erstautor genannt werden müssen. 2003 war dies allerdings nur in Insiderkreisen bekannt. Wegen der Analogie zur Herkunft der Spenderzellen aus dem Schafseuter mit der üppigen Oberweite der amerikanischen Country-Sängerin Dolly Parton erhielt das geklonte Schaf den Namen Dolly. Noch um die Jahrtausendwende regte sich niemand darüber auf, selbst die ungefragte Sängerin nicht. Heutzutage hätte der Bannstrahl der Genderforschung die namensgebenden Wissenschaftler wegen dieses patriarchalischen Frevels sofort aus ihren Ämtern katapultiert.

Kommen wir nun zum nächsten Satz, der die Lösung enthalten könnte: Er nahm ein sehr kleines Stück vom Euter eines erwachsenen Schafs (Schaf 1).5 Nach den weiteren im Text vorkommenden Schafen ist nicht gefragt, die können wir als reine Ablenker vernachlässigen. Also kreuzen wir Schaf 1 als die richtige Lösung an. Sie wird mit Code 1 für »Richtig« und dem Zahlenwert 494 im Rahmen der Ermittlung der von PISA verwendeten Kompetenzstufen belegt. Die Leistung des Schülers wird unter diesem Code nun wie folgt beschrieben:6

Code 1 : 494. Dies ist eine Multiple-Choice-Aufgabe, die testet, inwieweit die Schülerinnen und Schüler den Prozess des Klonens verstehen. Der Text enthält eine ausführliche Beschreibung hierzu, und die Schülerinnen und Schüler müssen diesen Text aufmerksam lesen, um die erforderlichen Informationen zu entnehmen. Sie müssen wissen, dass der Zellkern das Material enthält, das die Eigenschaften der Abkömmlinge bestimmt.

Wir haben also mittels reiner Textanalyse und der Anwendung des Ausschlussprinzips das richtige Ergebnis herausgefunden und bekommen zugestanden, dass wir den Prozess des Klonens verstanden haben. Das ist nun mehr als übertrieben und bietet einen ersten kritischen Hinweis auf die bei PISA verwendete Art der Kompetenzvermessung, mit der wir uns an anderer Stelle noch einmal genauer beschäftigen müssen. Verstehen muss der Schüler zum Auffinden der richtigen Antwort erst einmal nichts und schon gar nicht den komplizierten Prozess des Klonens, der schon im vorgegebenen Text einer didaktischen Infantilisierung zum Opfer gefallen ist. Wissen müssen wir auch nichts, da die Informationen ja im Text vorgegeben werden. Im zweiten Satz der Bewertung der Schülerleistung wird ausdrücklich bestätigt, dass der Text aufmerksam zu lesen ist, um die erforderlichen Informationen zu entnehmen. Die Schüler müssen auch nicht wissen, dass der Zellkern das Material enthält, das die Eigenschaften der Abkömmlinge bestimmt, wie in den weiteren Zeilen der Bewertung behauptet wird. Danach wird überhaupt nicht gefragt. Lesekompetenz, Cleverness und das Umgehen mit solchen Testverfahren führen hier unabhängig von Wissen und Verstehen zur richtigen Lösung. Da es vier Antwortmöglichkeiten gibt, erreicht man selbst durch einfaches Ankreuzen irgendeiner der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auch ohne Lesen des Textes mit einer 25-prozentigen Wahrscheinlichkeit die richtige Lösung.

Kommen wir nun zur Frage 2:7

In Zeile 16 wird der Teil, der vom Euter verwendet wurde, als ein

»sehr kleines Stück« bezeichnet. Du kannst dem Artikel entnehmen, was mit dem »sehr kleinen Stück« gemeint ist. Dieses »sehr kleine Stück« ist

A) eine Zelle B) ein Gen C) ein Zellkern D) ein Chromosom.

Interessanterweise ist im Text und in der Fragestellung von »einem kleinen Stück« die Rede. Selbst unter der Berücksichtigung, dass hier 15-Jährige befragt werden, sollte in den Fächern die Fachsprache so weit gediehen sein, dass derartige unspezifische Bezeichnungen vom Schüler zugunsten einer Fachsprache nicht mehr verwendet werden. Wenn man den Text und die Fragestellung nur schnell überfliegt, um seine biologische Integrität nicht zu verlieren, müsste B eigentlich die richtige Antwort sein. Denn das kleinste Stück dieser vier angebotenen Fachbegriffe ist sicherlich ein Gen, es ist ja nach dem »sehr kleinen Stück« gefragt, und da sind wir uns ganz sicher, dass dies das Gen ist. Alle bisher auf die Fragestellung angesprochenen Kolleginnen und Kollegen aus der Genetik haben dies beim schnellen Durchlesen ebenfalls als die richtige Antwort identifiziert. Bei PISA ist es aber die falsche! Das verwundert erst einmal, ist aber bei näherer Betrachtung leicht nachzuvollziehen, da beim wiederholten und genauen Anschauen der Fragestellung es ja gar nicht darum geht, das »sehr kleine Stück« im Vergleich der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zu identifizieren, sondern darum, was denn in der Zeile 16 des seltsam formulierten Textes damit gemeint ist. Darauf wird explizit hingewiesen.

Es wird schnell klar, dass hier keine biologische Frage beantwortet werden soll, sondern dass der Prüfling in der Zeile 16 auf Ostereiersuche gehen soll, damit er nachvollziehen kann, was der Autor dieser Aufgabe denn mit dem »sehr kleinen Stück« gemeint hat. Und dort steht explizit geschrieben: Er nahm ein sehr kleines Stück vom Euter eines erwachsenen Schafs (Schaf 1). Diesem kleinen Stück hat er den Zellkern entnommen.8 Wenn Keith Campbell also diesem »sehr kleinen Stück« den Zellkern entnommen hat, ist die Antwortalternative C der reine Unfug, denn einem Zellkern kann man ja wohl nicht einen Zellkern entnehmen. Auch muss dieses sehr kleine Stück ganz offensichtlich größer als der Zellkern selbst sein, und da bleibt nur noch die Zelle als Antwort übrig. Gen und Chromosom scheiden als Antwort ebenfalls aus, denn dass ein Gen oder auch ein Chromosom kleiner als eine Zelle ist, dürfte sich auch am Ende der Mittelstufe schon herumgesprochen haben. Unabhängig davon, ob man dies nun weiß, ob man es irgendwo gehört hat, ob es im Biologieunterricht thematisiert wurde oder ob es dem Alltagswissen entstammt, lässt sich die Antwort durch die bewährte Technik des Ausschlussprinzips auch so lösen. Hier zeigen sich konkrete Analogien zu den Zentralabituraufgaben. War es bei der Streifenhörnchen-Aufgabe eher unwahrscheinlich, dass die Eicheln die Streifenhörnchen fressen oder die See-Elefanten die Weißen Haie oder Schwertwale, ist auch hier mit »Zelle« die richtige Antwort offensichtlich. Interessant ist auch die nachfolgende Bewertung und Zuordnung auf der Kompetenzskala: Code I (572). Die korrekte Antwort ist Option A. Dies ist eine Multiple-Choice Aufgabe, bei der die Schülerinnen und Schüler Verständnis der Struktur von Zellen unter Beweis stellen müssen.9

Zuerst muss grundsätzlich bezweifelt werden, dass man mit Hilfe von Multiple-Choice-Verfahren das Verstehen einer Sache unter Beweis stellen kann. Mittlerweile kursieren im Netz vielfältige Angebote für Studierende, wie man bei derartigen Tests allein durch die Verwendung bestimmter Strategien trotz akuter Ahnungslosigkeit erfolgreich abschneiden kann.10 Unsere strategische Vorgehensweise hat deutlich gezeigt, dass die in der PISA-Aufgabe verwendete Multiple-Choice-Aufgabe keinesfalls das Verständnis der Struktur von Zellen nachweist. Überraschenderweise erhält diese Aufgabe mit 572 Punkten einen deutlich über dem Mittelwert von 500 liegenden hohen Schwierigkeitsgrad zugewiesen, da in den entsprechenden Pretests wohl die Mehrheit der Schüler diese Aufgabe falsch löste. Dies ist leicht erklärt, denn auch wir hatten auf die Schnelle eine im Sinne des Fragenstellers falsche Antwort angekreuzt. Ähnlich wie bei den TIMSS-Aufgaben hat auch hier der Schüler nur wenige Minuten Zeit, den Text zu lesen und sein Kreuz zu setzen. Die vier Antwortmöglichkeiten gaukeln nicht nur dem Schüler vor, dass hier das kleinste Stück der vier angegebenen Möglichkeiten angekreuzt werden soll. Vor allem gute Schüler, die an dieser Stelle sich freuen, dass sie ihr Wissen über biologische Fachbegriffe und deren Inhalte in Form einer aufzustellenden Reihe der Größe nach einordnen können, werden hier vorgeführt, wie die Kollegen auch. Es geht nicht um biologische Inhalte, sondern um das, was in Zeile 16 steht. Diese Formen der Aufgabenstellung erinnern stark an das Klippertsche Methodentraining, das schon in den neunziger Jahren viele Schulen heimsuchte. Denn dass man mit welchen Methoden auch immer nicht das Verständnis beispielsweise für das erfolgreiche Lösen einer Analysis-Aufgabe oder einer quadratischen Gleichung erreichen kann, ist nicht nur offensichtlich, sondern wurde mittlerweile auch empirisch belegt.

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22 aralık 2023
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ISBN:
9783866744974
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