Kitabı oku: «Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung», sayfa 4
1. Aktives Tun, insbesondere die Beteiligung an Gremienentscheidungen
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Findet der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit Anwendung auf das aktive Tun, wird auf dieser Grundlage die Zurechnung eines straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevanten Erfolges auf sämtliche Mitglieder eines Leitungsorgans vorgenommen. Sofern der Vorwurf an ein außerhalb des Abstimmungsverhaltens liegendes Tun anknüpft, ergeben sich im Prinzip keine Probleme, da die Zurechnung in diesem Fall auf das konkrete Ausführungsverhalten gestützt werden kann.[10] Allerdings vollziehen die in der Leitungsebene eines Unternehmens angesiedelten Personen im Regelfall nicht selbst die rechtsgutsschädigende Handlung, sondern wirken lediglich an Entscheidungen eines Gremiums mit, die erst über ihre Umsetzung durch hierarchisch untergeordnete Mitarbeiter in die eigentliche Rechtsgutsverletzung münden. Die Leitungspersonen können dabei den Inhalt des ihnen in der Regel als Vorlage zukommenden Gremienbeschlusses nur als Ganzes zustimmen oder ablehnen und nicht individuell beeinflussen.[11] Was die Abstimmungsregeln anbelangt, reichen nach den Bestimmungen der einschlägigen Gesetze oder Satzungen üblicherweise bloße Mehrheitsbeschlüsse aus. Selbst dort, wo das Gesetz wie im Falle des Vorstands einer Aktiengesellschaft in § 77 Abs. 1 S. 1 AktG eine einstimmige Entscheidung des Kollegialorgans verlangt, sind zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen, da Unternehmen anderenfalls de facto handlungsunfähig wären.
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Können Unternehmen nur über Kollegialentscheidungen einen gemeinsamen Willensentschluss bilden und betätigen, ergibt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein konkretes Abstimmungsverhalten zu individueller Schuld oder Vorwerfbarkeit führt. Obwohl die Willensbildung und -betätigung durch das Leitungsorgan als Ganzes erfolgt, muss der Erfolg einem innerhalb dieses Gremiums angesiedelten und an der Abstimmung beteiligten Individuum zugerechnet werden, sofern man das dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zugrunde liegende Konzept individueller Schuld oder Vorwerfbarkeit nicht komplett verabschieden will. Demgegenüber bildet die bloße Zugehörigkeit zu einem Gremium ebenso wenig wie die mit der Teilnahme an der Abstimmung herbeigeführte Beschlussfähigkeit eine ausreichende Grundlage für die Zurechnung.[12]
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Die zentrale Entscheidung BGHSt 37, 106 ff. bezog sich zwar auf die Unterlassungshaftung, kann aber in gleicher Weise im Hinblick auf das aktive Tun Geltung beanspruchen. Für die Einordnung des Verhaltens ist nicht auf den Abstimmungsakt selbst abzustellen. Aufgrund des mit einer Zustimmung verbundenen Energieeinsatzes würde aus einer naturalistischen Sichtweise regelmäßig ein aktives Tun vorliegen; im Übrigen hinge die Einordnung des Verhaltens von der Formulierung der Vorlagefrage ab. Es kommt stattdessen darauf an, ob das durch das Leitungsorgan beschlossene Verhalten normativ als aktives Tun oder Unterlassen zu werten ist und der Beschluss somit in ein aktives Tun oder Unterlassen einmündet.[13] Eine solche Betrachtungsweise rechtfertigt sich daraus, dass das Beschluss- und anschließende Ausführungsverhalten wertungsmäßig eine Einheit bilden und das Ausführungsverhalten nur Folge des Beschlussverhaltens ist.
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Unter Zurechnungsaspekten steht im Zentrum vor allem die Frage, ob das individuelle Abstimmungsverhalten für einen Erfolg kausal geworden ist oder nicht. Auf dem Boden der Äquivalenztheorie bzw. der condicio sine qua non-Formel ist kausal jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[14]
An diesem Punkt sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden.
a) Beschlussfassung nur einstimmig möglich
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Sofern eine einstimmige Beschlussfassung gefordert ist, ist die Kausalität zwischen dem zustimmenden Votum und dem Erfolg gegeben, weil mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen als jeweils eigenständige Bedingungen in ihrem Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen (sog. kumulative Kausalität).[15] Überdies ist die objektive Zurechnung zu bejahen, da mit dem durch das Positivvotum herbeigeführten einstimmigen Beschluss eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wird, die sich im späteren Erfolg realisiert.
b) Beschlussfassung erfolgt mit einer Mehrheit von einer Stimme
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Sofern eine Mehrheitsentscheidung betroffen ist, liegt bei einer Mehrheit von nur einer Stimme ebenfalls kumulative Kausalität vor, da das Positivvotum nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[16] Die objektive Zurechnung ist gleichfalls möglich, da sich das durch die in den Mehrheitsbeschluss einmündende Stimme geschaffene rechtlich missbilligte Risiko im Erfolg realisiert.
c) Beschlussfassung mit einer Mehrheit von mindestens zwei Stimmen
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Die Kausalität wird zum Problem, wenn ein Beschluss mit einer – soliden – Mehrheit von mindestens zwei Stimmen ergeht. Wendet man die condicio sine qua non-Formel an, könnte jeder positiv Votierende darauf verweisen, bei Hinwegdenken seiner Stimme wäre der Erfolg angesichts der Stimmenmehrheit ohnehin eingetreten. Hiergegen wird vorgebracht, dass ein solcher Verweis mit den Prämissen der Formel nicht im Einklang stehe: Denn mit dem Hinwegdenken des Positivvotums sei immer ein Hinzudenken von Gegenstimmen oder Enthaltungen verbunden; stelle man allein auf den Wirkmechanismus der Stimmabgabe ab, sei also Kausalität gegeben.[17] Allerdings wird bei Hinwegdenken einer Bedingung stets eine Welt ohne diese Bedingung hinzugedacht,[18] weshalb das Argument am Ende nicht überzeugt. Die Kausalität kann ebenso wenig mit dem Hinweis auf die konkrete Gestalt des Erfolges angenommen werden, obwohl das Mehrheitsbild bei Hinwegdenken der Einzelstimme modifiziert würde: Denn der für die Kausalitätsfrage maßgebliche Erfolg ist nicht das modifizierte Abstimmungsergebnis, sondern die Schädigung des Rechtsguts; das Gesamtvotum bildet nur einen Zwischenerfolg.[19] Hierfür ist die überzählige Stimme nicht notwendig und kann deshalb entsprechend den Grundsätzen der condicio sine qua non-Formel durchaus hinweggedacht werden.
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Gleichwohl wird bei einer soliden Mehrheit ganz überwiegend Kausalität angenommen. Dies ist schon deswegen einleuchtend, weil ansonsten ungeachtet eines Positivvotums und Mehrheitsbeschlusses niemand für den Erfolg kausal verantwortlich wäre. Über die Begründung besteht jedoch keine Einigkeit.
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Teilweise wird auch in diesem Zusammenhang von kumulativer Kausalität ausgegangen, da nicht die einzelne Stimme, sondern erst das Zusammenwirken mit den anderen Stimmen den Erfolg herbeiführe.[20] Allerdings besteht ein zentraler Unterschied zu den klassischen Fällen kumulativer Kausalität, in denen etwa zwei Täter unabhängig voneinander eine für sich genommen nicht ausreichende Menge Gift in das Glas des Opfers schütten, das dann an der Addition der Giftmengen stirbt. Anders als in diesem Beispiel – der Tod tritt erst als Folge der Kumulation der Tatbeiträge ein – kommt es bei solider Mehrheit gerade nicht auf die einzelne Stimme an,[21] zumal die Votierenden nicht unabhängig voneinander handeln.
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Andere ziehen die Figur der alternativen Kausalität heran, bei der mehrere unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen zeitgleich wirken, die für sich bereits den Erfolg herbeigeführt hätten.[22] Wenn unabhängig voneinander zwei Täter eine jeweils tödlich wirkende Giftmenge in das Glas des Opfers schütten, könnte sich bei Anwendung der condicio sine qua non-Formel jeder von ihnen darauf berufen, dass der Tod des Opfers wegen der Giftmenge des anderen eingetreten wäre. Um einen solchen Einwand abzuschneiden, wird die gängige condicio sine qua non-Formel in der Weise abgewandelt, dass von mehreren Bedingungen, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, jede für den Erfolg ursächlich ist.[23] Eine vordergründige Parallele zur Kausalität bei soliden Mehrheitsentscheidungen ist gegeben, da sich jeder Positivvotierende auf die weiteren Positivvoten berufen könnte. Ein zentraler Unterschied zu klassischen Fällen alternativer Kausalität liegt jedoch darin, dass jede Stimme für sich genommen nicht genügt, um den Erfolg herbeizuführen.[24] Im Übrigen handeln die Abstimmenden auch nicht unabhängig voneinander.[25]
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Soweit die Problematik über ein Zusammenspiel hinreichender und notwendiger Bedingungen gelöst werden soll,[26] ist einzuwenden, dass ein plausibles Kausalurteil ausscheidet, solange das konkrete Zusammenspiel dieser formallogisch unterschiedlichen Bedingungsarten unklar bleibt.[27] Ebenso sind Ansätze abzulehnen, welche Überlegungen der alternativen und kumulativen Kausalität kombinieren, indem für die mehrheitsbeschaffenden Stimmen von kumulativer und für die darüber hinaus reichenden Stimmen von alternativer Kausalität ausgegangen wird.[28] Denn hier lassen sich bezogen auf beide Formen der Kausalität jene Einwände vorbringen, die gegen die ausschließliche Verwendung dieser Kausalitätsformen sprechen. Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hilft nicht weiter, nach der Kausalität vorliegt, wenn zwischen der Handlung und dem Erfolg ein nach bekannten Naturgesetzen erklärbarer Zusammenhang besteht und die konkrete Handlung deshalb im konkreten Erfolg wirksam wurde.[29] Zwar ist das Positivvotum im Erfolg wirksam geworden, jedoch wird der Umstand ausgeblendet, dass bei solider Mehrheit eben jener Stimmenüberschuss vorliegt und es auf diese Stimme gar nicht ankam – das Grundproblem bleibt bestehen. Ein Rückgriff auf die Risikoerhöhungslehre scheidet gleichfalls aus,[30] da der Rekurs auf die durch die Stimmabgabe bewirkte Risikoerhöhung die Bejahung eines Kausalzusammenhanges voraussetzt. Anders wäre es, wenn man auf das Erfordernis der Kausalität komplett verzichtet und allein die durch das Positivvotum herbeigeführte Risikoerhöhung die Zurechnung tragen soll; dies läuft freilich de facto auf bloße Verdachtsstrafen hinaus, so dass die generell gegen die Risikoerhöhungslehre sprechenden Kritikpunkte wie die Aushöhlung des in dubio pro reo Grundsatzes sowie die Uminterpretation von Verletzungs- in Gefährdungsdelikte nur umso stärkeres Gewicht bekommen.
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Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, auf § 25 Abs. 2 StGB zurückzugreifen und jedem der Zustimmenden die Stimme der anderen zuzurechnen; Kausalität ist dann zwischen der durch das solide Mehrheitsvotum begründeten Gesamttat und dem Taterfolg gegeben.[31] Dem Gebot individueller Zurechnung wird dadurch Rechnung getragen, dass an die in dem soliden Mehrheitsvotum enthaltene einzelne Stimmabgabe angeknüpft wird. Akzeptiert man ferner die Figur einer fahrlässigen Mittäterschaft,[32] kann die Vorschrift auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitstaten angewendet werden. Dennoch wird kritisiert, der Rekurs auf § 25 Abs. 2 StGB enthalte einen Zirkelschluss, da Mittäterschaft die Erbringung eines kausalen Tatbeitrages voraussetze und diese Kausalität gerade zweifelhaft sei.[33] Die Kausalität muss aber allein, und dies verkennt gerade der Einwand, zwischen der durch das solide Mehrheitsvotum begründeten Gesamttat und dem Erfolg, nicht aber zwischen der in der Gesamttat enthaltenen Einzelstimme und dem Erfolg bestehen.[34] Denn die eigentliche Pointe der Mittäterschaft liegt darin, dass die Beteiligten die Tat „gemeinschaftlich“ begehen und ihre Tatbeiträge in jene „Gesamttat“ eingehen, die ihnen in toto zugerechnet wird. Eine Besonderheit bei Gremienentscheidungen besteht freilich: Die beiden für eine Mittäterschaft zentralen Voraussetzungen – die gemeinsame Tatausführung und der gemeinsame Tatplan – fallen im Akt des Beschließens zusammen, was aber nicht entscheidend gegen die Konstruktion spricht.[35] Die Kausalität des Einzelbeitrages ist dabei aus einer ex ante-Perspektive zu bestimmen: Auf der Grundlage des gemeinsamen Tatentschlusses muss der Beitrag für das Gelingen der Tat prospektiv von zentraler Bedeutung sein.[36] Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es angesichts der soliden Stimmenmehrheit gar nicht auf die Einzelstimme ankam, war jedenfalls im Zeitpunkt der Abstimmung die abgegebene Stimme für das Gelingen der Tat wesentlich. Über § 25 Abs. 2 StGB wird schließlich auch keine Kausalität Unbeteiligter begründet, indem im Anschluss an die Behauptung der Mittäterschaft eine Zurechnung der Kausalbeiträge der anderen sein Kausalwerden begründen sollen.[37] Denn die Zurechnung darf von vornherein nur auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes stattfinden.[38]
d) Geheime Stimmabgabe
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Ein Sonderproblem ergibt sich bei geheimen Abstimmungen, indem die Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB im Hinblick auf das Erfordernis eines gemeinsamen Tatplanes zweifelhaft wird. Ohne die Möglichkeit zur Kommunikation bestehe – so das Argument – kein gemeinsamer Tatplan, der der eigentlichen Tatausführung in Gestalt der Beschlussfassung vorausgehe.[39] Ein solches Vorausgehen wird im Regelfall der Mittäterschaft zwar anzunehmen sein, es ist für deren Annahme aber keineswegs konstitutiv.[40] Dass die Dogmatik der Mittäterschaft wesentlich offener ist, wird belegt durch die zumindest vor Tatvollendung nach allgemeiner Ansicht bestehende Möglichkeit einer sukzessiven Mittäterschaft, die man sich in vielen Fällen auch nicht als Ergebnis eines vorab verbalisierten Tatplanes vorzustellen hat.[41] Dann aber ist es unproblematisch, wenn Tatplan und -ausführung im Akt der geheimen Stimmabgabe zusammenfallen.[42] Für die hier relevante Problematik kann von einem gemeinsamen Tatplan jedenfalls in der Form ausgegangen werden, als allen Abstimmenden bewusst ist, bei ausreichender Mehrheit „gemeinschaftlich“ (vgl. § 25 Abs. 2 StGB) eine entsprechende und in der Folge auch umgesetzte Entscheidung herbeizuführen.[43]
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Diese Grundsätze gelten jedoch nur bei einem einhelligen Positivvotum. Fehlt es hieran, ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass jeder potentielle Zurechnungsadressat eine Gegenstimme abgegeben hat.[44] Dies mag insbesondere unbefriedigend sein, wenn Gegenstimmen gezielt zur Verschleierung eines positiven Gesamtvotums eingesetzt werden oder es zu konspirativ abgestimmten Verhaltensweisen kommt, kann aber an der grundsätzlichen Geltung des Zweifelssatzes nichts ändern.
e) Gegenstimme
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Soweit ein Mitglied des Kollegialorgans erfolglos gegen eine auf rechtswidriges Verhalten abzielende Beschlussvorlage stimmt, ist ihm der Beschluss nicht zuzurechnen, da alles andere auf eine mit dem Konzept von Schuld und Vorwerfbarkeit unvereinbare Kollektivzurechnung hinausliefe.[45] Die Haftung kann insbesondere nicht auf die Mitwirkung an der Abstimmung selbst sowie die damit herbeigeführte Beschlussfähigkeit des Gremiums gestützt werden (siehe Rn. 25 ff.). In diesem Sinne argumentierte in der Vergangenheit allerdings das OLG Stuttgart:
[OLG Stuttgart MDR 1981, 163, 164]
„(...) denn für Kollektiventscheidungen ist kennzeichnend, dass im Zweifel – also unter Berücksichtigung des Grundsatzes von in dubio pro reo – die Einzelstimme sich immer wegdenken ließe, ohne dass der Erfolg entfiele. Doch würde damit wiederum das Wesen der Kollektiventscheidung verfehlt; denn bei diesem Entscheidungsverfahren begibt sich der einzelne in der Regel gerade der Möglichkeit, dass seine Stimme allein etwas bewirkt: Er will zwar mitentscheiden, sich jedoch gegebenenfalls der Mehrheitsentscheidung unterwerfen“.[46]
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Stellt man richtigerweise allein auf das Abstimmungsverhalten ab, wird deutlich, dass der Negativvotierende den Boden der Mittäterschaft verlässt oder gar nicht erst betritt, weshalb eine auf ihn bezogene Zurechnung des rechtswidrigen Beschlusses als Gesamttat ausscheidet: Es fehlt sowohl an einem gemeinsamen Tatplan als auch an einer gemeinsamen Tatausführung, weil die Gegenstimme die Nichtidentifizierung des Betreffenden mit der Gesamttat deutlich macht.[47]
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Ist der Erfolg dem Negativvotierenden unter Referenz auf die Abstimmung nicht zurechenbar, gilt anderes für die Frage, ob ein Verhalten jenseits des Beschlusses einen Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Haftung bildet.[48] Ist dies der Fall, kann auch ihm der Erfolg zugerechnet werden, jedoch eben nicht aufgrund der Teilnahme an der Abstimmung, sondern wegen eines anderen Verhaltens, das insbesondere im Falle eines Unterlassens in der Verletzung einer Erfolgsabwendungspflicht bestehen kann. Es reicht daher nicht aus, in dem Kollegialorgan lediglich eine Gegenstimme abzugeben, um sich auf diese Weise von jedweder mittäterschaftlichen Haftung zu dispensieren. Stattdessen muss der Betreffende entsprechend den in BGHSt 37, 106 ff. aufgestellten Grundsätzen alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, was konkret auf eine Gegenvorstellung und Information des Aufsichtsrates hinauslaufen kann. Die Frage, ob über die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen hinaus weitere Schritte ergriffen werden müssen – etwa die Stellung einer Strafanzeige oder die Information der Öffentlichkeit – ist zu verneinen.[49] Aus Verteidigungssicht kommt es darauf an, deutlich zu machen, wo die rechtlichen Grenzen einer auf die Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bezogenen Pflicht verlaufen, zumal jede darüber hinausgehende Aktivität gegenüber Polizei bzw. Staatsanwaltschaft oder gar der Öffentlichkeit zumindest mit zivilrechtlichen Risiken verbunden ist.
f) Stimmenthaltungen
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Soweit sich das Mitglied des Kollegialorgans der Stimme enthält, kann ihm der Erfolg nicht zugerechnet werden, obwohl eine Stimmenthaltung de facto wie eine Zustimmung wirkt. Haftungsbegründend ist abermals nicht die Abstimmungsteilnahme sowie die dadurch herbeigeführte Beschlussfähigkeit des Gremiums, sondern das konkrete Abstimmungsverhalten.[50]
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Teilweise wird jedoch Kausalität angenommen, wenn der Beschluss durch Ablehnung der Beschlussvorlage hätte abgewendet werden können.[51] Dies läuft wenig überzeugend darauf hinaus, die Stimmenthaltung als ein Unterlassen aufzufassen, was eine den realen Gegebenheiten widersprechende Umdeutung des Geschehens darstellt. In diesem Sinne hatte der BGH in BGH JZ 2006, 560, 564 die Kausalität einer Stimmenthaltung für den Erfolg bejaht und darauf gestützt, dass sie objektiv und subjektiv einer Zustimmung gleichgestanden habe; das sich der Stimme enthaltende Mitglied habe durch die Teilnahme an der Abstimmung überhaupt erst die Beschlussfähigkeit des Kollegialorgans und die Wirksamkeit der Beschlüsse begründet:
[BGH JZ 2006, 560, 564]
„(...) nach den Feststellungen wusste der Angeklagte Z bei seinen Stimmabgaben, dass sich F und A bereits auf die Zuerkennung der Anerkennungsprämien verständigt hatten und dass die Beschlüsse – unabhängig von seinem eigenen Abstimmungsverhalten – mit seiner Teilnahme an den Beschlussfassungen wirksam würden. Ebendies wollte er auch erreichen, weil er mit deren Inhalt nach den Urteilsfeststellungen einverstanden war. Damit hat er durch seine Stimmenthaltungen vorsätzlich die Wirksamkeit der Beschlüsse herbeigeführt, so dass ihm das Landgericht die Mehrheitsentscheidungen des Präsidiums zu Recht als Mittäter zugerechnet hat. (...) Entgegen der Meinung der Verteidigung kann sich Z nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beschlüsse wären mit demselben Ergebnis zustande gekommen, wenn er mit ʼNeinʼ gestimmt hätte; denn dieser Einwand lässt den den Sachverhalt prägenden, für die rechtliche Einordnung wesentlichen Umstand unberücksichtigt: Die Stimmenthaltung des Z entsprach hier objektiv und subjektiv im Ergebnis einer ʼJa-Stimmeʼ (...)“.[52]
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Sofern diese Ausführungen nicht in der Weise zu interpretieren sind, dass der BGH an sich auf ein außerhalb der Abstimmung liegendes Verhalten des sich Enthaltenden abstellt,[53] wird hier die bloße Gesinnung zum maßgeblichen Kriterium in der Entscheidung über die Frage der Strafbarkeit.[54] Letztlich stellt die Begründung eine dem Konzept von individueller Schuld und Vorwerfbarkeit zuwiderlaufende Kollektivzurechnung dar. Insbesondere scheidet § 25 Abs. 2 StGB als Grundlage der Zurechnung aus, da es an einem gemeinsamen Tatplan und einer gemeinsamen Tatausführung fehlt. Im Falle einer Stimmenthaltung kann nicht von einem gemeinsamen Tatplan zwischen dem sich Enthaltenden und den übrigen Mitgliedern des Kollegialorgans ausgegangen werden. Denn er identifiziert sich nicht mit der durch den gemeinsamen Tatplan und der gemeinsamen Tatausführung begründeten Gesamttat. Im Gegenteil: Die Stimmenthaltung macht deutlich, dass er den Beschluss nicht mitträgt.[55]