Kitabı oku: «Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung», sayfa 6

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bb) Konstellationen eines fehlenden Strafbarkeitsdefizits bei der Ausführungsperson

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Sofern es an einem Strafbarkeitsdefizit fehlt, können anstelle normativer allein empirische Gegebenheiten einer Leitungsperson die Tatherrschaft vermitteln. Allerdings sind durch Rechtsprechung und Dogmatik Fallgruppen herausgearbeitet worden, bei denen trotz eines volldeliktisch handelnden Vordermannes mittelbare Täterschaft angenommen wurde. Im Kern geht es um die Frage, ob das allgemeine Verantwortungsprinzip, nach dem bei vollständiger strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Vordermannes eine zusätzliche täterschaftliche Beteiligung ausscheidet, aufgrund eines besonderen Autonomiedefizits des unmittelbar Handelnden überlagert wird.[5] Zu berücksichtigen ist der dann einsetzende Ausnahmecharakter von der grundsätzlichen Regel, dass eine mittelbare Täterschaft ein Strafbarkeitsdefizit des Vordermannes voraussetzt. In Unternehmenszusammenhängen kommen vor allem die Konstellationen des Ausnutzens eines vermeidbaren Verbotsirrtums, eines Irrtums über den konkreten Handlungssinn, der Einsatz von unterhalb der Schwelle des § 35 StGB liegenden Zwanges sowie die Tatausführung unter Ausnutzung organisatorischer Machtapparate in Betracht.

(1) Vermeidbarer Verbots- oder Erlaubnisirrtum

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Sofern die auf Leitungsebene angesiedelte Person bei der auf untergeordneter Hierarchieebene angesiedelten Person einen vermeidbaren Verbots- oder Erlaubnisirrtum hervorruft oder ausnutzt,[6] bestehen prinzipiell keine Bedenken gegenüber der Annahme einer strafrechtlichen Haftung als mittelbarer Täter.

Beispiel:

GmbH-Geschäftsführer X weist den leichtgäubigen Mitarbeiter Y an, toxische Substanzen in einen Fluss einzuleiten, da sich das Unternehmen angesichts einer prekären wirtschaftlichen Lage keine teure Entsorgung leisten kann und die Einleitung deshalb ausnahmsweise rechtlich zulässig sei. – Strafbarkeit des X nach §§ 326 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB durch Y als in einem vermeidbaren Erlaubnisirrtum handelndes Werkzeug, welches das Nichtvorliegen der Voraussetzungen eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne des § 34 StGB hätte erkennen und demnach den Irrtum vermeiden können. Obwohl ein potentielles Unrechtsbewusstsein für eine strafrechtliche Haftung genügt (vgl. § 17 StGB), ist nicht zu verkennen, dass die Tatherrschaft de facto bei der auf Leitungsebene angesiedelten Person liegt. Denn für die Steuerung des Tatmittlers ist es unerheblich, ob das Unrechtsbewusstsein vermeidbar oder unvermeidbar fehlt; in beiden Konstellationen kann der Hintermann die Tat nach seinem Willen ablaufen lassen oder hemmen, weshalb er als Zentral- und nicht als Randfigur des Geschehens anzusehen ist.[7]

(2) Irrtum über den konkreten Handlungssinn

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Ebenfalls problematisch sind Konstellationen des Irrtums über den konkreten Handlungssinn.[8] Dies kann der Fall sein beim Hervorrufen oder Ausnutzen eines graduellen Tatbestandsirrtums, bei dem der Vordermann zwar die tatbestandliche Relevanz, nicht aber die Intensität der Tatbestandsverwirklichung erfasst.

Beispiel:

GmbH-Geschäftsführer X erteilt Mitarbeiter Y die Anweisung, eine bestimmte Flüssigkeit in einem Fluss zu entsorgen und erklärt, dass die Menge nur in vergleichsweise geringem Umfang toxisch sei, tatsächlich handelt es sich um eine hochtoxische Substanz. - Strafbarkeit des X nach §§ 326 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB? Obwohl der Irrtum über die Intensität der Rechtsgutsverletzung zu einem Ungleichgewicht zwischen Vorder- und Hintermann führt, kann dem Hintermann keine Tatherrschaft zugeschrieben werden, da der Vordermann die tatbestandliche Dimension seines Verhaltens erfasst und volldeliktisch handelt. Überdies dürfte es kaum möglich sein, zwischen erheblichen und unerheblichen Unrechtssteigerungen in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB genügenden Weise zu differenzieren.[9] Anderes mag gelten, wenn ein Irrtum über das Vorliegen eines Qualifikationsmerkmals hervorgerufen oder ausgenutzt wird, da die Tatherrschaft des Hintermannes hier normativ begründet werden kann und jedenfalls im Hinblick auf die tatbestandlich vertypte Qualifikation das Verantwortungsprinzip nicht gilt.[10]

(3) Zwang unterhalb der Schwelle des § 35 StGB

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Teilweise wird bei Ausübung eines unterhalb der Schwelle des § 35 StGB liegenden Zwanges mittelbare Täterschaft angenommen.[11]

Beispiel:

GmbH-Geschäftsführer X drängt den zunächst widerstrebenden Mitarbeiter Y dazu, eine toxische Substanz in einem Fluss zu entsorgen, indem er ihm mit Kündigung droht. - Y ist weder nach § 34 StGB gerechtfertigt noch nach § 35 StGB entschuldigt, da sub specie § 34 StGB das geschützte das beeinträchtigte Interesse nicht wesentlich überwiegt bzw. die Entsorgung ein unangemessenes Mittel der Gefahrabwendung darstellt; sub specie § 35 StGB ist schon kein notstandsfähiges Rechtsgut betroffen. Hier scheidet nach h.M. eine mittelbare Täterschaft aus, da der Hintermann trotz der manifesten oder latenten Nötigung keine Tatherrschaft innehat und die Nötigung unterhalb der Schwelle des § 35 StGB liegt, womit das Verantwortungsprinzip in vollem Maße zur Geltung gelangt.[12] Aus dem Kreis der abschließend in § 35 StGB aufgeführten Rechtsgüter ist abzuleiten, dass der Genötigte einem solchen Nötigungszwang standzuhalten hat, da anderenfalls das Verantwortlichkeitsprinzip verabschiedet wäre.

(4) Tatausführung unter Ausnutzung organisatorischer Machtapparate

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Geht es um die Begehung von Straftaten in Unternehmenszusammenhängen, rückt die Fallgruppe des Ausnutzens organisatorischer Machtapparate ins Zentrum weiterer Überlegungen. Sie war von Roxin entwickelt worden,[13] um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von „Schreibtischtätern“ des NS-Regimes adäquat zu erfassen, was insbesondere über die Anstiftung nicht möglich schien: Zwar sieht § 26 StGB für Anstifter und Haupttäter dieselbe Strafe vor, jedoch blendet der Rückgriff auf eine Teilnahmefigur aus, dass bei einer Tatausführung unter Ausnutzung organisatorischer Machtapparate nicht der Vorder-, sondern der Hintermann die Zentralfigur des Geschehens ist. Dazu passt der die Teilnahme beherrschende Akzessorietätsgedanke nicht, nach dem sich das Unrecht der Teilnahme aus dem Unrecht der Haupttat ableitet.

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Hinter der Konstruktion steht die Überlegung, dass man einen volldeliktisch handelnden Vordermann nicht allein durch Täuschung und Zwang, sondern auch durch Einbindung in einen Machtapparat steuern kann, weil dessen Struktur und Mitglieder die Begehung einer angeordneten Straftat mit großer Sicherheit gewährleisten. Ein Hintermann kann sich Organisationsstrukturen und Rahmenbedingungen zunutze machen, die dann in die Tatbegehung einmünden.[14] Allerdings besteht wegen der besonderen Suggestivkraft der Konstruktion die Gefahr, dass sie über Gebühr ausgedehnt und damit konturenlos wird.

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Roxin hat folgende Voraussetzungen für die Annahme von Organisationsherrschaft benannt:[15] Erstens kommt es auf die Anordnungsgewalt des Befehlsgebers in einem hierarchisch strukturierten Apparat an; zweitens muss sich der Apparat in der Weise vom Recht gelöst haben, dass er eine Gegenwelt zur sonstigen Rechtsgesellschaft bildet und das im Apparat angesiedelte Individuum davon ausgehen kann, es habe bei Begehung einer Straftat keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten; drittens bedarf es einer Fungibilität des unmittelbar Ausführenden, von der auszugehen ist, wenn er beliebig austauschbar und die Ausführung der Anordnung unabhängig von der Individualität des Ausführenden gesichert ist; viertens muss durch die Zugehörigkeit zu der Organisation eine erhöhte Tatbereitschaft des Ausführenden gegeben sein.[16]

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Die Rechtsprechung hält diese Rechtsfigur nicht nur für staatliches Unrecht oder organisierte Kriminalität, sondern auch für Wirtschaftsunternehmen anwendbar, indem sie allein auf die Anordnungsgewalt des Befehlsgebers in einem hierarchisch strukturierten Machtapparat sowie die besondere organisationsspezifische Tatbereitschaft abhebt. Maßgeblich sei vor allem die Ausnutzung regelhafter Abläufe in einer hierarchisch gegliederten Organisation mit dem Ziel, auf diese Weise die erstrebte Tatbestandsverwirklichung zu erreichen:

[BGHSt 40, 218, 232 ff]

„Es gibt aber Fallgruppen, bei denen trotz eines uneingeschränkt verantwortlich handelnden Tatmittlers der Beitrag des Hintermannes nahezu automatisch zu der von diesem Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirklichung führt. Solches kann vorliegen, wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Derartige Rahmenbedingungen mit regelhaften Abläufen kommen insbesondere bei staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen und bei Befehlshierarchien in Betracht. Handelt in einem solchen Fall der Hintermann in Kenntnis dieser Umstände, nutzt er insbesondere auch die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen aus, und will der Hintermann den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns, ist er Täter in der Form mittelbarer Täterschaft. Er besitzt die Tatherrschaft. Er beherrscht das Geschehen tatsächlich weit mehr, als dies bei anderen Fallgruppen erforderlich ist, bei denen mittelbare Täterschaft ohne Bedenken angenommen wird, etwa bei Einsatz eines uneingeschränkt verantwortlichen Werkzeugs, das lediglich mangels einer besonderen persönlichen Pflichtenstellung oder mangels einer besonderen, vom Tatbestand verlangten Absicht nicht Täter sein kann. Auch bei Einsatz irrender oder schuldunfähiger Werkzeuge sind Fallgestaltungen häufig, bei denen der mittelbare Täter den Erfolgseintritt weit weniger in der Hand hat als bei Fällen der beschriebenen Art. Der Hintermann hat in Fällen der hier zu entscheidenden Art auch den umfassenden Willen zur Tatherrschaft, wenn er weiß, dass die vom Tatmittler noch zu treffende, aber durch die Rahmenbedingungen vorgegebene Entscheidung gegen das Recht kein Hindernis bei der Verwirklichung des von ihm gewollten Erfolgs darstellt. Den Hintermann in solchen Fällen nicht als Täter zu behandeln, würde dem objektiven Gewicht seines Tatbeitrags nicht gerecht, zumal häufig die Verantwortlichkeit mit größerem Abstand zum Tatort nicht ab-, sondern zunimmt. Eine so verstandene mittelbare Täterschaft wird nicht nur beim Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse, sondern auch in Fällen mafiaähnlich organisierten Verbrechens in Betracht kommen, bei denen der räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand zwischen der die Befehle verantwortenden Organisationsspitze und den unmittelbar Handelnden gegen arbeitsteilige Mittäterschaft spricht. Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen“.[17]

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Indes ist einer solchen, die Tatherrschaft einer in der Leitungsebene angesiedelten Person allein auf ihre Anordnungsgewalt und das Ausnutzen regelhafter Abläufe stützenden Rechtsprechung, entgegenzutreten, da sie den Anwendungsbereich der Rechtsfigur überdehnt. Es wirkt bereits verstörend, Machtapparate eines rechtsgelösten Staates oder einer rechtsgelösten Organisation mit einem Unternehmen gleichzusetzen, da die Reduktion dieser dogmatischen Konstruktion auf die Aspekte der Anordnungsgewalt und des Ausnutzens regelhafter Abläufe dazu führt, dass jede gebotene Differenzierung zwischen unterschiedlichen Entitäten ausbleibt. Dabei wird der Begriff der Tatherrschaft bei organisatorischen Machtapparaten nur über die Gesamtheit der von Roxin herausgearbeiteten vier Voraussetzungen operationalisierbar, die dann die empirischen Gegebenheiten von Tatherrschaft kennzeichnen. Zwar ist zuzugestehen, dass die Merkmale der Anordnungsgewalt und einer regelhafte Abläufe auslösenden Organisationsstruktur alles andere als irrelevant sind, da anderenfalls Tatherrschaft von vornherein nicht denkbar ist. Die Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit setzt stets ein Mindestmaß an Anordnungsgewalt und, jedenfalls ab einer gewissen Größe des Unternehmens, auch die Installation regelhafter Abläufe voraus. Indes ist mit diesen beiden Aspekten kein abschließendes Urteil über die Tatherrschaft gesprochen, da sie zwar notwendige, aber keine hinreichende Bedingungen darstellen. Tatherrschaft im Sinne des vom Vorsatz umfassten In-den-Händen-Haltens des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs setzt demnach mehr voraus, womit die beiden weiteren Kriterien der Rechtslosgelöstheit des Apparates sowie Fungibilität des Vordermannes in das Blickfeld geraten.

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Das Kriterium der Rechtsgelöstheit findet seinen tieferen Sinn darin, dass angesichts der durch den organisatorischen Machtapparat vollzogenen Lösung von jeglicher Rechtsbindung auf den Vordermann keinerlei die Ausführung der rechtswidrigen Tat zuwider laufende Motive einwirken. Vielmehr ist er allein der auf die Verwirklichung der Straftat gerichteten Anweisung ausgesetzt und kann ihr nicht zuwiderhandeln, weshalb die Durchbrechung des Verantwortungsprinzips und die Annahme von Tatherrschaft des Hintermannes angezeigt ist. Anders als bei staatlichen Machtapparaten oder mafiösen Strukturen ist dies bei Unternehmen nicht anzunehmen, da insoweit immer auch auf strafrechtsgemäßes Verhalten zielende Gegenmotivationen bestehen. Denn Unternehmen können trotz etwaiger Normverstöße nur operieren, wenn sie jedenfalls im Grundsatz die Bindung an die Rechtsordnung akzeptieren; anderenfalls würde man mit ihnen etwa keine Verträge schließen. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass die Unternehmenswirklichkeit zunehmend durch heterarchische anstelle hierarchischer Organisationsformen geprägt ist und schon deswegen stets alternative – konkret: auf Legalität abzielende – Gegenmotivationen existieren.[18] Überdies wird die Unternehmenswirklichkeit ubiquitär und intensiv durch Compliance bestimmt, durch die sich Unternehmen zur Beachtung der Verbote und Gebote des (Straf-)Rechts verpflichten. Insofern tritt neben die Existenz der (straf-)rechtlichen Verbote und Gebote die Existenz von darauf bezogenen Compliance-Vorgaben, womit deutliche Gegenmotive vorhanden sind, welcher einer Tatherrschaft des Hintermannes entgegenstehen und durchgreifende Zweifel begründen, ob die Leitungsebene Straftaten nach ihrem Willen beliebig ablaufen lassen oder hemmen kann.

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Fehlt es damit an der Rechtsgelöstheit als einer zentralen Voraussetzung für die Annahme von Tatherrschaft, folgt daraus zugleich die fehlende Fungibilität der Mitarbeiter, die trotz Einbindung in die Unternehmensorganisation nicht darauf reduziert sind, ein gleichsam mechanisches „Rädchen im Getriebe des Machtapparates“ zu sein.[19] Der tiefere Grund für das von Roxin propagierte Kriterium der Fungibilität liegt darin, dass erst die Austauschbarkeit des unmittelbar Handelnden die Tatherrschaft des Hintermannes begründet und die Durchbrechung des Verantwortungsprinzips legitimiert. Im Hinblick auf die Tatherrschaft kommt es erneut darauf an, ob die Unternehmensleitung durch Anweisungen beliebig Straftaten ablaufen lassen oder hemmen kann. Dies ist gerade nicht der Fall, sondern von den Mitarbeitern kann und muss eine sich an die Vorgaben des (Straf-)Rechts haltende Vorgehensweise erwartet werden; rechtswidrige Anweisungen dürfen notfalls nicht befolgt werden.[20] Fungibilität wäre nur gegeben, wenn es gar nicht mehr auf eine individuelle Entscheidung des Vordermannes ankäme, der rechtswidrigen Anweisung zu folgen, weil stets davon auszugehen wäre, dass er einer solchen Anweisung Folge leistet. Derart „mechanisch“ funktionieren moderne Unternehmen und ihre Mitarbeiter jedoch gerade im Hinblick auf heterarchische Organisationsformen und Compliance nicht.[21]

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Das weitere vom BGH vorgebrachte Argument, der Hintermann nutze „die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden aus, den Tatbestand zu erfüllen“, und wolle „den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns“, erscheint vor diesem Hintergrund ungereimt.[22] Auch wenn der Eingliederung in die Unternehmensorganisation eine kriminogene Wirkung zukommen kann (siehe Rn. 6 ff.), trägt dies für sich genommen nicht notwendig eine solche normative Folgerung. Ebenso wenig überzeugt die letztlich auf die subjektive Theorie zurückgehende Aussage, die Unternehmensleitung habe die Tat des Vordermannes als eigene gewollt.[23] Abgesehen davon, dass hierdurch auf ein sich objektiv manifestierendes Lenkungselement der Tatherrschaft verzichtet wird, löst eine solche Sichtweise die Beteiligungsdogmatik von jeglichem Tatbestandsbezug.[24] Hinter dieser Rechtsprechung steht (auch) unausgesprochen eine praktische Erwägung des Inhalts, dass auf den konkreten und prozessual schwierigen Nachweis der Gut- oder Bösgläubigkeit des Vordermannes verzichtet wird, die für eine normativ fundierte Tatherrschaft der Leitungsperson konstitutiv wäre.[25] Praktische Nachweisschwierigkeiten sind jedoch selten ein probates Instrument für die Beantwortung dogmatischer Fragestellungen.

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Letztlich läuft die Rechtsprechung darauf hinaus, den auf der Leitungsebene tätigen Personen nicht mehr das Handeln einzelner, sondern sämtlicher Mitarbeiter zuzurechnen, die auf untergeordneten Hierarchieebenen angesiedelt und in die Organisationsstruktur regelhafter Abläufe eingebunden sind. Dann aber geht es nicht mehr um die Zurechnung individueller Handlungen, sondern stattdessen wird das Unternehmenswirken im Ganzen der Leitungsebene zugeordnet, was mit dem Konzept individueller Schuld kaum in Einklang zu bringen ist.[26] Bezeichnenderweise verwendet der BGH in den letzten Jahren vermehrt den Begriff des Organisationsdelikts,[27] der den Kollektivcharakter der Unternehmenskriminalität unterstreichen soll. Aus dogmatischer Sicht stellt sich die Frage, ob sich hinter dem durch die Rechtsprechung immer wieder verwendeten Begriff des „Unternehmenshandelns“[28] nicht letztlich eine eigenständige Form der Täterschaft – Schünemann spricht von einem das gesamte bisherige Strafrechtssystem revolutionierenden „neuen Handlungsbegriff“ bzw. einen „systemischen Handlungsbegriff“ – verbirgt.[29] Oder geht es um eine Form der unmittelbaren Täterschaft, bei der lediglich die Voraussetzungen präzisiert werden, unter denen der Zurechnungszusammenhang nicht durch das Dazwischentreten Dritter in Gestalt der auf untergeordneten Hierarchieebenen angesiedelten Mitarbeiter unterbrochen wird?[30]

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Aus Verteidigungssicht wird man bei aller Kritik mit diesen vergröberten Zurechnungsmodellen zu rechnen haben, weshalb es entscheidend darauf ankommt herauszuarbeiten, ob die konkrete Handlung des auf untergeordneter Hierarchieebene angesiedelten Mitarbeiters tatsächlich Ausdruck der regelmäßigen Organisationsabläufe ist bzw. eine entsprechende Vorstellung von diesen Abläufen auf der Leitungsebene existiert. Im Übrigen wird es von zentraler Bedeutung für jede Verteidigung sein, immer wieder auf dem Gebot individueller Zurechnung zu insistieren und Argumente vorzutragen, die der in der Rechtsprechung angelegten Durchbrechung des Verantwortungsprinzips entgegenstehen. Abgesehen davon trägt letztlich die Strafjustiz die Begründungslast dafür, weshalb trotz volldeliktisch handelnden Vordermannes eine Zurechnung erfolgen soll. Begründungsbedürftig ist damit in erster Linie die Durchbrechung eines allgemeinen Haftungsprinzips und weniger das Festhalten an einem Prinzip.

b) Konstruktion über die Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB

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Angesichts der Schwierigkeiten, eine Zurechnung über die mittelbare Täterschaft zu begründen, sind die Grundsätze der Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB zu erwägen, obwohl eine solche auf Gleichordnung basierende Konstruktion an sich nicht dem stärkeren Verantwortungsanteil des Hintermannes gerecht wird.[31] Allerdings wird hierbei die für diese Beteiligungsform zentrale Voraussetzung der gemeinsamen Tatausführung der Sache nach inhaltlich völlig entleert: Der Vorstandsvorsitzende einer weltweit tätigen Aktiengesellschaft führt eine Tat nicht „gemeinsam“ mit auf unteren Hierarchieebenen angesiedelten Mitarbeitern aus, es sei denn – aber das wäre eine eklatante Ausnahmekonstellation – es kommt zu einem konkreten Zusammenwirken.[32] Die weitere Voraussetzung des gemeinsamen Tatplanes ist ebenso wenig gegeben, da eine im Unternehmen installierte Anweisungskette etwas anderes ist als ein gemeinsamer Tatplan, der die einverständliche Avisierung eines deliktischen Gesamtprojekts unter Gleichen darstellt.[33] Teilweise wird sogar auf das Erfordernis eines gemeinsamen Tatplanes verzichtet, da die Zugehörigkeit zum Unternehmen eine objektive Bindung herstelle, die über die aus einer Absprache resultierende subjektive Bindung hinausgehe.[34] Dass derartige Bindungseffekte existieren, ändert jedoch nichts daran, dass das die Mittäterschaft kennzeichnende Zusammenwirken stets auf ein konkretes deliktisches Projekt bezogen sein muss. Ob eine gemeinsame Tatausführung vorliegt, kann im Übrigen nur beantwortet werden, wenn man weiß, welches deliktische Projekt gemeinsam geplant war; die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Mittäterschaft sind demnach ineinander verwoben. Der Verzicht auf einen gemeinsamen Tatplan führt schließlich dazu, dass die strafrechtliche Haftung entgrenzt wird und ein Exzess kaum noch denkbar ist, da prinzipiell jede Tat Folge der Einbindung sein kann.

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