Kitabı oku: «Herausforderung Migration»
Titelseite
Hans Winkler
Herausforderung
Migration
Leykam
Der große Exodus
Große Wanderungsströme von Flüchtlingen und Migranten ziehen über die Kontinente und branden an die Küsten und Grenzen Europas. Allein im größeren Umkreis von Europa sind rund zwanzig Millionen Menschen unterwegs. Dabei sind jene nicht mitgezählt, die in ihren eigenen Ländern geblieben sind oder als EU-Bürger innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit für Arbeitnehmer genießen.
Die Migrationen werden noch stärker werden. In Afrika lebt heute eine Milliarde Menschen, Europa hat 733 Millionen Einwohner. Schon 2050, wenn die heutigen Kinder und Schüler im besten Erwachsenenalter sind, werden zwei Milliarden vorwiegend junge Afrikaner nur noch rund 690 Millionen eher älteren Europäern gegenüberstehen. Zur demographischen Explosion kommen wirtschaftliche Ineffektivität, korrupte und undemokratische Regime, eine fragile Staatlichkeit, im schlimmsten Fall „failed states“.
Der riesige Raum der arabisch-islamischen Zivilisation von Libyen bis zum Horn von Afrika und vom Nahen Osten bis nach Afghanistan ist in Aufruhr geraten. Die Krise, die auch durch westliche Interventionen mitverursacht wurde, entlädt sich in bisher kaum vorstellbarem Terror und mörderischen Bürgerkriegen. Die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffene Staatenwelt ist zusammengebrochen. Die relativ säkularen und toleranten Regime im Irak und in Syrien wurden Opfer äußerer Intervention und des islamischen Fundamentalismus.
Der von Afrika und dem „größeren Nahen Osten“ ausgehende Migrations- und Flüchtlingsstrom löst in Europa Sorgen und Ängste aus, die es bei früheren Fluchtbewegungen nicht gegeben hat. Der Grund dafür liegt darin, dass etwa während der Jugoslawien-Kriege der Neunziger Jahre die Menge der Flüchtlinge begrenzt und die Zahlen überschaubar waren. Jetzt dagegen erscheint die Zahl potenzieller Migranten unübersehbar und unvorstellbar. Durch Bilder von Zeltstädten mitten in Österreich wird dieser Eindruck noch verstärkt. Die Migration ist zur größten Herausforderung für die Stabilität der westlichen Industriestaaten geworden, auf die die Politik keine Antwort weiß.
Migration ist für Einzelne und ganze Bevölkerungen die Reaktion auf wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Druck oder auch auf persönliche Bedrohung durch Krieg und Verfolgung. Migranten suchen dem zu entkommen und darin auch eine Chance zu ergreifen. Das haben erst die modernen Kommunikations- und Verkehrsmittel in diesem Maß möglich gemacht. Die Perspektivlosigkeit in der Heimat und dagegen das leuchtende Bild vom Leben im „Westen“ bzw. Norden werden durch die Erzählungen und Bilder schon Vorausgegangener per Mobiltelefon bewusst. Ihre Attraktion ist stärker als die Abschreckungswirkung von Fernsehbildern über eine Schiffskatastrophe im Mittelmeer, zumal meistens nicht die „ganze“ Geschichte über das Leben im Gastland erzählt wird.
Die westlichen Industriestaaten brauchen Zuwanderung, um ihr demographisches Defizit auszugleichen und ihre industrielle Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Sie haben daher migrationspolitische Muster geschaffen, die auf eine strikte Kontrolle von Zuwanderung zielen. Es gibt strenge Visa-Bestimmungen und Einreisebeschränkungen für Personen, die nicht jene beruflichen Qualifikationen haben, die am Arbeitsmarkt der aufnehmenden Länder nachgefragt werden. Um Qualifizierte herrscht dagegen eine Konkurrenz. Damit kommen die Staaten in ein Dilemma, das ein Kommentator so formulierte: „Die, die wir brauchen, kommen nicht und die, die kommen, brauchen wir nicht“.
Die EU-Politik kann Migrationsbewegungen nur in begrenztem Ausmaß beeinflussen. Arbeitsmobilität innerhalb der EU gehört zu den berühmten vier Grundfreiheiten. Familienzusammenführung oder auch Aufnahme von Flüchtlingen sind durch internationales Recht abgesichert. Wer sich auf den Weg nach Europa macht, möchte vor allem in einen westlichen europäischen Staat gelangen, wobei Österreich von der Anreise aus dem Osten als „erstes EU-Land des einstigen Westens“ gesehen wird und durch sein Sozialsystem eine besonders verlockende und begehrte Destination ist. Die Menschen haben dann den Eindruck, „im Westen“ mit all seinen Möglichkeiten angekommen zu sein.
Der angesehene britische Migrationsforscher Paul Collier weist in diesem Zusammenhang auf eine Diskrepanz hin. Migranten kommen häufig aus Ländern mit kaum funktionierenden staatlichen Einrichtungen und „dysfunktionalen Sozialmodellen“. Ein erfolgreiches Sozialmodell sei eine Kombination aus Institutionen, Normen, Regeln und Organisationsformen, zu deren Funktionieren alle Beteiligten beitragen müssen. Migranten, die von zuhause kein Vertrauen in die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen mitbringen, hätten es häufig auch nicht in die des Gastlandes.
Als typisches Beispiel für diese kulturelle Differenz können die Besetzer der Votivkirche in Wien vor einigen Jahren gelten. Sie glaubten, ein Gespräch eines Abgesandten mit dem Bundespräsidenten oder der Innenministerin erzwingen zu können, die mit einem Federstrich alle ihre Wünsche erfüllen und alle Probleme aus der Welt schaffen würden. Dass ein Minister in einem Rechtsstaat an die Gesetze gebunden ist, konnten sie sich nicht vorstellen.
Dennoch sind „irreguläre“ Wanderungen nicht gänzlich zu verhindern, wie die illegalen Grenzübertritte und Aufenthalte z.B. in den USA oder in der EU beweisen. Ökonomisch prosperierende Regionen ziehen weiterhin Menschen an und zwar nicht nur wegen der erhofften Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, sondern auch wegen der lockenden Sozialleistungen, mit denen Immigranten rechnen dürfen. Und wer vor Krieg, Verfolgung und Lebensbedrohung flieht, lässt sich auch von Grenzsperren und rechtlichen Hindernissen kaum abhalten.
Welt in Bewegung
59,5 Millionen Menschen befinden sich laut dem letzten UNHCR-Bericht „Global Trends 2014“ weltweit auf der Flucht. Von ihnen gelten 16,7 Millionen nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Das bedeutet einen Rekordzuwachs von 8,3 Millionen Menschen innerhalb eines einzigen Jahres und zugleich die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Etwa 19,5 Millionen davon waren Flüchtlinge, die ins Ausland gehen mussten, 38,2 Millionen galten als Binnenvertriebene, 1,8 Millionen waren Asylsuchende.
Erstmals seit 30 Jahren war Syrien mit 11,6 Millionen Flüchtlingen das Herkunftsland Nummer eins. Es folgten Afghanistan (2,59 Mio.) und Somalia (1,1 Mio.), der Sudan (666.000) und der Südsudan (616.200) sowie Eritrea, die Demokratische Republik Kongo, und Myanmar (Burma) und der Irak.
Die Türkei ist mit 1,59 Millionen Flüchtlingen zum größten Aufnahmeland der Welt geworden, gefolgt von Pakistan, dem Libanon, dem Iran und Äthiopien. Gemessen an der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder, erbrachte Äthiopien im Jahr 2014 die größte Anstrengung bei der Aufnahme von Flüchtlingen, gefolgt von Pakistan, Tschad, Uganda und Kenia. Insgesamt nahmen die 48 ärmsten Länder der Welt („Least Developed Countries“) 25% der Flüchtlinge weltweit auf.
Wenn man die Bevölkerungszahl nimmt, hatten 2014 folgende Länder laut UNHCR die höchste Flüchtlingsquote (Anzahl der Flüchtlinge pro 1.000 Einwohner):
Libanon | 232 |
Jordanien | 87 |
Nauru | 39 |
Tschad | 34 |
Dschibuti | 23 |
Südsudan | 21 |
Türkei | 21 |
Mauretanien | 19 |
Schweden | 15 |
Malta | 14 |
Die Zahl der weltweit durch UNHCR registrierten Flüchtlinge übersteigt die Zahl der in den Industriestaaten eingebrachten Asylanträge bei weitem. In Österreich lebten zum Jahresende 2013 fast 79.000 Asylsuchende, Flüchtlinge und Staatenlose. Mit 55.589 Flüchtlingen lag Österreich in der Liste der Staaten mit der größten Flüchtlingsbevölkerung auf Platz 37.
Die Migration aus Afrika und die Fluchtbewegungen aus den Unruheherden im Nahen und Mittleren Osten sind nicht die einzigen Wanderungsbewegungen auf der Welt. Der Exodus aus mittelamerikanischen Ländern und Mexiko in Richtung der Vereinigten Staaten geht ungebrochen weiter. 2014 haben die Grenzbehörden der USA an der Grenze zu Mexiko 470.000 illegale Einwanderer aufgegriffen und wieder zurückgeschickt. 70.000 davon waren unbegleitete Minderjährige. Viele Migranten haben es schon mehrere Male versucht, in die USA zu kommen, andere waren nach längeren illegalem Aufenthalt wieder abgeschoben worden. Für die rund 11 Millionen Lateinamerikaner, die ohne Aufenthaltstitel in den USA leben, wird ein Weg zur Legalisierung gesucht, es wurde aber noch keine politische Einigung zwischen den beiden Parteien einerseits und Union und Bundesstaaten andererseits erzielt.
Neun von zehn Flüchtlingen leben in Entwicklungsländern, sie sind lediglich in ein Nachbarland geflohen. Der weit größere Teil – 2014 waren es 38 Millionen – sind jedoch sogenannte Binnenvertriebene (Internally Displaced Persons – IDP). Sie verlassen ihren Heimatort, bleiben aber innerhalb der Grenzen ihres eigenen Staates. Die größte Zahl davon gibt es in Syrien und Kolumbien. Aber auch mitten in Europa gibt es Binnenflüchtlinge: Kaum beachtet sind die 646.500 Menschen, die in der Ukraine in der Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes ihre Heimat verlassen mussten.
Da Binnenvertriebene – anders als Flüchtlinge – nicht durch internationale Abkommen geschützt sind, befinden sie sich oft in sehr ähnlichen Situationen wie Flüchtlinge und haben einen ähnlichen Hilfsbedarf. Insgesamt kümmert sich das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR um 35,6 Millionen Menschen. Dazu zählen Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge, Asylbewerber, Rückkehrer und Staatenlose.
Das Schicksal der aus Myanmar (Burma) geflohenen oder vertriebenen Angehörigen der muslimischen Minderheit der Rohingya hat die weltweite Aufmerksamkeit auf die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen in Asien gelenkt. Laut einem UNO-Bericht sind die Rohingya die am „meisten verfolgte Minderheit“. Die noch 1,3 Millionen Menschen im mehrheitlich buddhistischen Myanmar leben an der Grenze zu Bangladesch. Die frühere Militärdiktatur hat ihnen die Staatsbürgerschaft mit der Begründung entzogen, sie seien aus Bangladesch eingewandert und eigentlich Bengalen. Angeblich haben in den letzten Jahrzehnten bereits 1,5 Millionen Rohingya das Land in Richtung der wohlhabenden Nachbarländer vor allem Malaysia und Thailand verlassen.
Australien verfolgt eine rigorose Politik zur Eindämmung des Schlepperunwesens und zur Verhinderung von illegaler Immigration. Die Regierung in Canberra hat Abkommen mit Kambodscha und Papua-Neuguinea abgeschlossen, die bereit sind, gegen Bezahlung Flüchtlinge und Migranten auf ihrem Territorium anzusiedeln. Ausgelegt ist das Abkommen auf vier Jahre, es sieht finanzielle Leistungen der australischen Regierung in Höhe von 28 Millionen Euro vor. Im Juni ist der erste Transport von Nauru nach Kambodscha abgegangen. Es hatten sich aber nur vier Personen dazu bereit erklärt. Die Mehrheit hofft immer noch, letztendlich doch in Australien zu landen und bleiben zu dürfen.
Migranten, die nicht nach Indonesien zurückgebracht werden können, wo die Schlepper mit ihnen gestartet sind, werden in Lager im Inselstaat Nauru und auf Neuguinea gebracht. Ein Plan, in Indonesien Fischerboote in großer Zahl aufzukaufen und dadurch den Schleppern ihre Transportmittel zu nehmen, wurde wieder fallengelassen, weil es in einem Land mit tausenden von Inseln einfach zu viele Boote gibt.
Australien hat auch eine große Kampagne mit Plakaten, Filmen und Zeitungsanzeigen in den Herkunftsländern von Migranten gestartet, um die Menschen davon abzuhalten, überhaupt nach Australien aufzubrechen. Dass Australien Schlepper dafür bezahlt, dass sie mit ihrer menschlichen Fracht wieder nach Indonesien zurückfahren, ist nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert worden. Mit den drastischen Methoden der geheimen „operation sovereign borders“ ist es Australien gelungen, die illegale Immigration weitgehend zum Erliegen zu bringen.
Krieg, Vertreibung, Armut sind nicht die einzigen Ursachen, die Menschen dazu zwingen, aus Wohnung und Heimat zu fliehen und sie oft dauerhaft aufzugeben. Allein im Jahr 2012 mussten rund 25 Millionen nach Naturkatastrophen ihren Wohnsitz verlassen. In Nigeria, Pakistan, Indien, China und auf den Philippinen verursachten die in dem Jahr besonders heftige Regenzeit und der Monsun verheerende Überschwemmungen, die Millionen zur Flucht zwangen. In Ostasien kamen schwere Taifune dazu.
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