Kitabı oku: «Sprachen lernen in der Pubertät», sayfa 5

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2.2.5 Zwischenfazit

Anhand der Ausführungen zu Jugendsprachen konnte gezeigt werden, dass Sprache für Heranwachsende eine hohe Relevanz besitzt. Studien zur Erforschung des Mediennutzungsverhaltens belegen, dass Jugendliche MedienMedien, -rezeption, -nutzung überwiegend für Kommunikations- und Vernetzungszwecke nutzen. Kommunikation, besonders die mit Gleichaltrigen, spielt eine große Rolle im Leben von Jugendlichen. Dabei wird Sprache zum Ausdruck der Identität und Zugehörigkeit sowie zur Abgrenzung genutzt. Vor diesem Hintergrund wird besser nachvollziehbar, warum manche Heranwachsende Hemmungen zeigen, vor der Klasse in einer Fremdsprache zu sprechen und warum manche zu einer verdeutschten AusspracheAussprache im Fremdsprachenunterricht neigen (vgl. 3.2.1).

Eine Bewusstmachung der Attraktivität von Fremdsprachenkenntnissen, die in den Augen Jugendlicher im Besonderen darin bestehen kann, auch mit jungen Menschen kommunizieren zu können, die kein Deutsch sprechen, kann die Bereitschaft zum Fremdsprachenlernen im Jugendalter erhöhen. Für Englisch liegen die Argumente des Nutzwertes für grenzüberschreitende, oftmals medial vermittelte Kommunikation besonders klar auf der Hand, zumal Englisch auch die Sprache des Internets ist.

Einen Ansatzpunkt zur Erhöhung der Bereitschaft, sich der Fremdsprache nicht zu verschließen, kann das im Feld von popular culture verortete Thema „Jugendsprachen“ bilden, denn, wie gesagt, Jugendsprachen sind kein auf Deutschland beschränktes Phänomen, sondern z.B. auch in englischen Zielsprachenländern zu finden. Die Bewusstwerdung darüber, dass auch englischsprachige Jugendliche eigene Sprechweisen entwickeln, ein Betrachten einiger sprachlicher Merkmale, wie z.B. Wortkürzungen im Englischen (bro für brother) oder „metaphorischer Bedeutungen: epic (gewaltig, super, z.B. an epic fail)“ (Hutz 2014: 47, kursiv durch die Herausgeber) kann für die jugendlichen Sprachenlerner interessant sein, sie zum Nachdenken über Sprache, sprachliche Identitätsbildung und Sprachenvielfalt anregen.1

Ausgewählte Literaturhinweise

Bildungshaus Schulbuchverlage (Hrsg.) (2014). Praxis Englisch. Popular culture. Explored and embraced. (Themenheft)

Marossek, D. (2016). Kommst du Bahnhof oder hast du Auto? Warum wir reden, wie wir neuerdings reden. Berlin: Hanser.

Wiese, H. (2012). Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht. München: Beck.

2.3 Schweigen und Verweigerung: Innere Emigration

In diesem Abschnitt soll es nicht um allgemeine SchulmüdigkeitSchulmüdigkeit oder Schulverweigerung bzw. deren Konsequenzen gehen. Vielmehr gilt es, die zielgruppenorientierte sprachlernrelevante Kommunikation zu beleuchten, die sich altersgemäß zu verändern beginnt. Die präpubertäre kindliche Bereitschaft, nahezu jeder kommunikativen Herausforderung aufgeschlossen zu begegnen, weicht in der Regel dem eher passiven jugendlichen Kommunikationsverhalten. In der Schule wird dieser Wandel im unterrichtlichen Gesprächsverhalten deutlich. Auch im Fremdsprachenunterricht bildet sich dann ab, was Eltern zuhause vielfach erleben: Mangelnde oder eher konfrontative Kommunikationsbereitschaft. Für Jugendliche in der PubertätPubertät werden die gleichaltrigen Freunde als Gesprächspartner immer wichtiger. Dennoch versuchen Eltern wie Lehrkräfte herauszufinden, wie es den Schützlingen geht, was sie umtreibt, wie sie denken, was sie tun.

2.3.1 Sprachlicher Rückzug

Eine Art pubertätsbezogener, aber eigentlich völlig harmloser Mutismus (vgl. Margraf/Müller-Spahn 2009: 1616) ist die Folge: Jugendliche schweigen in der Regel oft gegenüber Erwachsenen, wenn durch „Ausfragen“ Druck erzeugt wird. Diese eher schwache Form des selektiven Mutismus als klinische Diagnose bezeichnet eine psychogen-neurotische SprechverweigerungSprechverweigerung gegenüber bestimmten Personen oder ist in bestimmten Situationen als Zeichen einer reflektorischen Abwehrhaltung zu deuten. Diese eigentlich klinische Ausprägung ist in der PubertätPubertät nicht krankhaft, sondern vielmehr normal. In der Familie und der peergroup, also im vertrauten Bereich, wird dagegen in der Regel gesprochen. Die Grundhaltung dabei ist die einer aktiven Verweigerung als Zeichen des Protests, um sich einer Anforderung zu entziehen oder auch, um die AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Dem sprachlichen Rückzug folgt auch oft ein gedanklicher, die partielle und situative IntrovertiertheitIntrovertiertheit führt zu einer Art „innerer Emigration“, der Flucht durch z.B. Tagträumen in die eigene Gedanken- und Vorstellungswelt.

Kommunikation ist ein grundlegendes Element für eine gute Erziehung allgemein und sprachliche Erziehung im Speziellen. Sie muss aufrechterhalten werden, auch wenn dies scheinbar recht einseitig verläuft.

2.3.2 Gelungene Kommunikation

Eine Grundvoraussetzung für funktionierende Gespräche zwischen Eltern und Jugendlichen bzw. Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ist dann gegeben, wenn Letztere echtes Interesse spüren. „Wie war es denn heute in der Schule?“ mag von echtem Interesse für Eltern sein, aus Sicht Pubertierender handelt es sich vornehmlich um eine Kontrollfrage.

Für echte Kommunikation ist gerade die PubertätPubertät ein Prüfstein – Jugendliche im Alter zwischen dreizehn und sechzehn Jahren sind in ihrer Akzeptanz oder Ablehnung der Kommunikation mit erwachsenen BezugspersonenBezugspersonen ehrlich und dynamisch. Die Reaktionen auf nicht gelungene Kommunikation ist bekannt: Augenverdrehen, Aufstöhnen, beredtes Schweigen oder kurze verbale, hörbar desillusionierte Äußerungen begleiten oder beenden Monologe der erwachsenen Bezugspersonen.

Einladend zuzuhören und persönlich relevant zu fragen sind erste einfache Mittel, um das Schweigen zu vermeiden bzw. zu beenden. Der englischsprachige Smalltalk mit einfachen, zugewandten Fragen nach der Befindlichkeit und dem aktuellen Stand der Dinge bei Themen wie Hobbys etc. bietet unverbindliche Redeanlässe. Er entspricht in gewisser Weise dem sokratischen Gespräch, das von der Kenntnis des Gegenübers ausgeht und einem echten Interesse an ihm.

2.3.3 Zurück vom Rückzug

Eine fremdsprachliche Unterrichtsführung in der PubertätPubertät vermeidet das statische Question & Answer-Ritual von Wissensfragen. Sie regt vielmehr durch relevante und interessante, problemorientierte, offene Fragestellungen Interesse und MotivationMotivation an, fremdsprachliche PerformanzPerformanz zu zeigen (vgl. Kap. 5). Kollaborative, kooperative und partizipative Aufgabenformate fördern dabei zusätzlich den Austausch in der peergroup. Gezieltes Begleiten und leitendes Nachfragen regen zum eigenen Denken an. Kommunikation wird zu einem wechselseitigen Austausch und einem echten Dialog, wenn beide Kommunikationspartner am Gespräch teilnehmen, gemeinsam nachdenken und sich eine Meinung bilden können.

Abb. 11

Schweigen und Verweigerung

2.3.4 Zwischenfazit

Um eine gelungene Kommunikation müssen sich alle an ihr Beteiligten bemühen. Zwischen Jugendlichen in der PubertätPubertät und Erwachsenen können und dürfen dies keine Gespräche mit hierarchischer Schieflage mehr sein, sondern gleichberechtigte und relevante. Das echte Interesse am Gegenüber entsteht, wenn beide Partner profitieren, Monologe sind kontraproduktiv.

Ausgewählte Literaturhinweise

Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt.

Schulz von Thun, F. (2004). Klarkommen mit sich selbst und anderen: Kommunikation und soziale Kompetenz. Reden, Aufsätze, Dialoge. Reinbek: Rowohlt.

Schulz von Thun, F. (2011). Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differenzielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt. (Die Originalausgabe erschien erstmals 1989.)

3. Zugänge und Entwicklungspotenziale
3.1 Musik

Eine Auseinandersetzung mit dem Sprachenlernen im Jugendalter sollte das Thema „Musik“ keinesfalls ausklammern. Zum einen nimmt musikbezogenes Handeln eine wichtige Rolle in der Alltagsgestaltung und -bewältigung von vielen Jugendlichen ein, sodass sich Pädagoginnen und Pädagogen mit Musik als einem Einflussfaktor auf die EntwicklungEntwicklung sowie mit der Rolle von Musik in Lehr-, Lern- und Erziehungskontexten auseinandersetzen sollten. Beim Einsatz von Musik im Unterricht gilt es u.a., auch immer wieder sensibel abzuwägen, inwieweit einer Pädagogisierung und Didaktisierung von Jugendkulturen bzw. deren Musik zuzustimmen ist (vgl. Kautny 2011: 39). Für den Sprachunterricht ist die Frage nach möglichen unterrichtlichen Funktionen von Musik in besonderer Weise interessant, denn zwischen Sprache und Musik gibt es verbindende Merkmale und so wundert es nicht, dass sich auch im Gehirn besonders bei der Musik- und der Sprachproduktion gewisse Übereinstimmungen zeigen, auf die später noch genauer eingegangen wird.

In der Fachliteratur wird Musik im Jugendalter vor allem als Mittel zur Individuation, zur Abgrenzung einerseits sowie zur Affirmation der Zugehörigkeit zu einer bestimmten peergroup andererseits beschrieben. Diese Funktionen von Musik lassen sich um einen für das unterrichtliche Handeln relevanten Teilaspekt erweitern: Musik sei, so Hartung (2010) unter Bezugnahme auf eine Studie bei Zehn- bis 17-Jährigen zum familiären Musikverhalten, nicht nur ein Mittel zur persönlichen Distinktion und zur Abgrenzung u.a. von den Eltern, sondern durch Musik finde auch gemeinsames, mitunter generationsübergreifendes Erleben statt. Musik stifte Atmosphäre und könne Situationen abfedern, die als unangenehm erlebt werden. Musik stelle Nähe her und stoße über den Austausch zu unterschiedlichen MusikpräferenzenMusikpräferenz Prozesse intersubjektiver Verständigung an. Auch im schulischen Kontext ist vorstellbar, dass z.B. das Staunen über den MusikgeschmackMusikgeschmack der Lehrkraft, die in den Englischunterricht anstelle eines in der aktuellen Jugendkultur verankerten Musikstücks einen Hit aus der eigenen Jugendzeit mitbringt, Anlass zum Austausch gibt. Dies wiederum kann dazu beitragen, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden, die von großer Bedeutung für die Lernatmosphäre und den Lernerfolg ist (vgl. Hattie 2009, Sambanis 2013: 44ff.), zu stabilisieren und einer drohenden Beziehungslosigkeit (vgl. Largo/Czernin 2011: 293, Sambanis 2013: 75) zwischen der Lehrkraft und ihren pubertierenden und mitunter opportunierenden Schülerinnen und Schülern entgegenzuwirken.

3.1.1 MusikgeschmackMusikgeschmack, Musik und EmotionenEmotionen

Durch die für viele Heranwachsende besondere Bedeutung von Musik in der PubertätPubertät entsteht der Eindruck, dass sich der MusikgeschmackMusikgeschmack in dieser Schwellenphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter erst auspräge. In der Tat bilden sich individuelle musikalische Präferenzen dann noch weiter aus, aber die bereits vorher gesammelten Musikerfahrungen wirken auf diesen Prozess der Präferenzbildung ein. Für Musik gilt nämlich, was auch auf andere Vorlieben und Abneigungen zutrifft: Menschen mögen das, was sie kennen und was ihnen vertraut ist. Tatsächlich ändert sich in diesem Sinne auch am Musikgeschmack in den Teenagerjahren weniger, als man denkt.

Eine in den 1990ern durchgeführte Längsschnittstudie zur EntwicklungEntwicklung des MusikgeschmacksMusikgeschmack und des MusikerlebensMusikerleben, -erlebnisse im Jugendalter (Behne 2009) gibt Hinweise darauf, dass sich der Musikgeschmack schon mit zwölf Jahren weitgehend stabilisiert hat. Außerdem gibt es Unterschiede, was die individuell beigemessene Relevanz und das Ausmaß des Musikkonsums von Heranwachsenden angeht. Diese stehen u.a. mit den jeweils gewählten Sozialisationsräumen in Verbindung: Manche Jugendliche fühlen sich Jugendkulturen zugehörig, in denen Musik eine große Rolle spielt. Andere tendieren zu Szenen mit nicht-musikalischer, stattdessen z.B. sportlicher Ausrichtung (vgl. Behne 2009). Freizeitaktivitäten und Szene-Orientierung sind einige der Faktoren, die den Musikgeschmack, das Musikerleben und die Rolle von Musik im Alltag von Jugendlichen mitbestimmen. Hinzu kommt die jeweilige Problembelastung des Heranwachsenden. In der von Behne (2009) referierten Studie zeigte sich eine besonders „hohe Korrelation zwischen Problembelastung und der Intensität des Musikerlebens“ (ohne Seitenangabe), die den Verfasser zu dem Schluss veranlasst: „je mehr Probleme, desto intensiver das Musikerleben!“ (ebd.). Im Alter zwischen 14 und 17 entwickelten die an der Studie teilnehmenden Jugendlichen, besonders die Mädchen, ein „zunehmend differenziertes System der selbsttherapeutischen Benutzung von Musik“ (ebd.). Sie setzten Musik zur Emotionsregulation ein (vgl. Juslin 2009: 139), was auf den engen Zusammenhang zwischen Musik und EmotionenEmotionen verweist. Aktuelle Daten zur MediennutzungMedien, -rezeption, -nutzung von Jugendlichen belegen die hohe Relevanz von Musikkonsum im Alltag: Das Hören von Musik sei „die zweitwichtigste Medientätigkeit für die Zwölf- bis 19-Jährigen [gemessen im Jahr 2015]“ und mehr als die Hälfte der Jugendlichen hört täglich Radio (mpfs 2015: 20).

Durch Musik, die aufgrund individueller Präferenzen als angenehm empfunden wird, werden im Gehirn Netzwerke einschließlich des körpereigenen BelohnungssystemsBelohnung, Belohnungssystem aktiviert. Dabei gilt: „Familiarity with the music tends to induce stronger emotional responses“ (Juslin 2009: 135). Musikerfahrung führt zu Vertrautheit und wirkt als verbindender Faktor zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und MusikpräferenzMusikpräferenz, auf die überdies kulturelle Einflüsse und das soziale Umfeld einwirken (vgl. Lamont/Greasley 2009: 163). Korrelationen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Musikpräferenz wurden z.B. in folgender Hinsicht gefunden:

Preference for highly arousing music such as heavy metal, rock, dance and rap correlates with high levels of resting arousal and sensation-seeking […] highly intuitive people showed a greater preference for classical, jazz, soul and folk music. (Lamont/Greasley 2009: 162)

Das BelohnungssystemBelohnung, Belohnungssystem, auch mesolimbisches dopaminerges System genannt, der „Ort der Belohnung durch hirneigene Opiate sowie der „Inaussichtstellung“ von Belohnung“ (Roth 2010: 59), wird so lange durch bestimmte Nervenzellen gehemmt, bis ein Impuls, z.B. die Lieblingsmusik (Blood/Zatorre 2001, Altenmüller et al. 2007), zur Freisetzung des Neurotransmitters DopaminDopamin führt (vgl. 1.2.3). Außer Musik können das auch andere Auslöser bewirken, nämlich u.a. Drogen (Kandel et al. 2000: 1010) einschließlich Alkohol (Spear/Varlinskaya, 2005)1, Schokolade (Small et al. 2001), Sportwagen (Erk et al. 2002), Blickkontakt mit einer attraktiven Person (Kampe et al. 2001) oder, für den schulischen Kontext besser geeignet als manche andere dopaminergen Reize, ein freundliches Wort (Haman/Mao 2002, vgl. Sambanis 2013: 49ff.). Durch die Aktivierung o.g. Netzwerke kann sich Musik, besonders die jeweilige Lieblingsmusik, in mehrfacher Hinsicht günstig auswirken. Forscher berichten von „[…] effects in reducing pain, anxietyAngst/ anxiety, Angsterkrankungen and agitated behaviour“ (Lamont/Greasly 2009: 164), wobei besonders die Möglichkeit zur Reduzierung von Angst, Zappeligkeit und Unruhe für den schulischen Unterricht relevant erscheint.

Im Gehirn wirken verschiedene Neuromodulatoren auf unterschiedliche Weise, wobei DopaminDopamin für Antrieb, Neugier und Belohnungserwartung sorgt (vgl. Roth 2010: 59). Das durch Dopamin vermittelte gute GefühlGefühle begünstigt die Lernbereitschaft, indem es zu Neugier führt, zu positiven Erwartungen und MotivationMotivation. In der PubertätPubertät reagiert das BelohnungssystemBelohnung, Belohnungssystem (vgl. 1.2) im Gehirn jedoch etwas schwerfälliger als früher, es ist „unsensibler für den Einfluss von Dopamin“ (Evers et al. 2016). Die Reaktionen auf Dinge, die eigentlich Freude und Begeisterung hervorrufen müssten, fallen oftmals gedämpft und verhalten aus (vgl. 3.3.1). Das erklärt, warum TeenagerTeenager mitunter antriebslos oder desinteressiert wirken, und es ist ein wertvoller Hinweis für Lehrkräfte: Man muss sich nicht grämen, wenn sich Begeisterung nicht gerade in euphorischem Ausmaß manifestiert. Die Verhaltenheit liegt an der Veränderung der Sensibilität für Dopamin. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Mechanismen des Belohnungssystems bei Heranwachsenden abgeschaltet wären.

Bei der Herstellung von Lernbereitschaft spielt neben dem dopaminergen System auch das noradrenerge System eine Rolle, denn NoradrenalinNoradrenalin, ebenfalls ein Neuromodulator, erhöht „die allgemeine AufmerksamkeitAufmerksamkeit […] (leichter Erwartungsstress)“ (Roth 2010: 65). Schließlich trägt auch AcetylcholinAcetylcholin, also die Aktivierung des cholinergen Systems durch das Herstellen von gezielter Aufmerksamkeit und KonzentrationKonzentration zur Lernbereitschaft bei.

Musik aktiviert nicht nur das BelohnungssystemBelohnung, Belohnungssystem, das, wie eben kurz gezeigt wurde, in emotionaler Hinsicht und für die Herstellung von Lernbereitschaft eine wertvolle Funktion erfüllt, sondern u.a. auch den HippocampusHippocampus, eine für das Lernen überaus relevante Hirnstruktur. Der Hippocampus ist zugleich Neuigkeitsdetektor, d.h. er reagiert auf Novitäten und Abwechslung auch in der Unterrichtsgestaltung und er ist „Organisator des deklarativen […] Gedächtnisses (episodisches Gedächtnis, Faktengedächtnis, Vertrautheitsgedächtnis)“ (Roth 2010: 58). Im Hippocampus sind emotionale Informationen repräsentiert (zu EmotionenEmotionen vgl. 3.3). Bei der Verarbeitung von Musik kommt dem Hippocampus eine Art vermittelnde Funktion zu, die es ermöglicht, dass Musik entspannend wirkt und als Gemeinschaftserlebnis wahrgenommen werden kann:

[…] die GefühleGefühle beruhen nicht allein auf der Reaktion des BelohnungssystemsBelohnung, Belohnungssystem. […] Da der HippocampusHippocampus wiederum eng mit dem Hypothalamus im Mittelhirn verknüpft ist, sorgt Musik zudem für Entspannung: Der Hypothalamus reguliert Stresshormone wie CortisolCortisol und schüttet den Botenstoff OxytozinOxytozin aus, der die zwischenmenschliche Bindung fördert. (Bernard 2015: 43)

Der HippocampusHippocampus, der für die Gedächtnisbildung wichtig ist, als Ortsgedächtnis fungiert und, wie gesagt, auf Neues anspricht, bildet die zentrale Struktur des limbischen Systems (vgl. 1.2.3). Das limbische System erfüllt zwei wichtige Aufgaben: Es verarbeitet EmotionenEmotionen und Informationen (vgl. Markowitsch 2002: 22). Im limbischen System existieren mehrere Schaltkreise, die eine „emotive Selektion“ (ebd.), d.h. einen sofortigen und überaus raschen gefühlsbezogenen Eingangscheck aller eingehenden Informationen leisten. Auf diese Weise beeinflussen Emotionen Lernprozesse von der ersten Sekunde an (vgl. 3.3). Im Zuge der emotiven Selektion wird sofort sondiert, ob die weitere Auseinandersetzung mit eingehenden Informationen, im Unterricht also z.B. die Befassung mit einer Aufgabe, lohnend erscheint und zwar im Sinne möglicher Frustrationsvermeidung oder, besser noch, in Form von erwarteten positiven Emotionen und Belohnungserleben durch Bewältigungs-, SelbstwirksamkeitSelbstwirksamkeits- und Erfolgserlebnisse.

Durch verschiedene Studien, teils mit bildgebenden Verfahren, konnte gezeigt werden, dass positive EmotionenEmotionen Lernprozesse nachhaltig stützen (vgl. Sambanis 2013: 25ff.). Des Weiteren ist sowohl durch Erfahrung als auch empirisch belegt, dass Musik positive Emotionen hervorrufen kann. Auf welchen Verarbeitungsmechanismen diese emotionale Reaktion beruht, wurde im Vorausgegangenen skizziert.

Musik kann starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Starke EmotionenEmotionen können das Lernen und den Aufbau von Gedächtnisinformationen fördern. (Jäncke 2008: 235)

Interessanterweise ist noch nicht abschließend geklärt, warum selbst traurige Musik zu angenehmen, oftmals kathartischen emotionalen Reaktionen führt, während andere traurige Stimuli seltener als angenehm und emotional in positiver Weise berührend empfunden werden (vgl. Koelsch 2014). In dieser Hinsicht werden seit einigen Jahren folgende Aspekte erforscht und diskutiert: „[…] whether there are uniquely musical emotions, and what the relationship is between perceived and induced emotions“ (Juslin 2009: 138). Weitere Erkenntnisse auf diesem Gebiet werden, gerade im Hinblick auf die Bedeutung von Musik im Jugendalter und dann auch hinsichtlich des oben erwähnten selbsttherapeutischen Einsatzes von Musik, mit Spannung erwartet.

Zusammenfassend lässt sich zur Verbindung von Musik und EmotionenEmotionen festhalten, dass Musik das BelohnungssystemBelohnung, Belohnungssystem aktivieren kann. Dies führt neben positiven Emotionen zu dem Wunsch, das erlebte angenehme GefühlGefühle, die dazugehörige (Lern-)Situation wieder erleben zu können. Durch Emotionen werden eingehende Informationen bedeutsam. Emotional bewegende Momente führen dazu, dass die Situation und die mit ihr verbundenen Inhalte letztlich oftmals besser erinnert werden, auch wenn sie nur einmal erlebt wurden. Während das Gehirn beim Lernen ansonsten zumeist auf zahlreiche Wiederholungen, am besten möglichst vielfältige, angewiesen ist, schreiben sich Ereignisse mit hohem emotionalem Gehalt sofort ins Gedächtnis ein. Positive Emotionen können auf diese Weise als Lernbeschleuniger wirken, da die Erinnerung an positiv erlebte Situationen gerne angestoßen wird und sich dadurch auch die zur Situation gehörenden Inhalte immer weiter verfestigen. Ein interessanter Zusammenhang, der für die Unterrichtsgestaltung insgesamt und den Einsatz angenehmer musikbasierter Stimulation nicht unwichtig erscheint.

Mittels Regulation des Stresshormonlevels kann durch Musik Entspannung herbeigeführt werden. Außerdem führt die Freisetzung von OxytozinOxytozin, einem Neurotransmitter, der das soziale Bindungsverhalten beeinflusst, dazu, dass gemeinsame MusikerlebnisseMusikerleben, -erlebnisse Gruppenzugehörigkeitsgefühle entstehen lassen bzw. stärken. Auf diese Weise bringt Musik Menschen dazu, sich zu synchronisieren und sich als Teil der Gruppe wahrzunehmen – ein gerade für Jugendliche wichtiger Aspekt.

Nachdem beleuchtet wurde, auf welche Weise Musik EmotionenEmotionen hervorrufen kann, soll im Folgenden geklärt werden, wie das Gehirn mit sprachlichen und wie es mit musikalischen Informationen umgeht und ob es hierbei Ähnlichkeiten gibt.