Kitabı oku: «Grenzgänger»
Grenzgänger
1 Titel Seite
2 Bildernachweis:
3 Vorwort
4 Einleitung
5 Anreise (17.07.2018): Von Hof nach Raitschin
6 Tag 1 (18.07.2018): Von Raitschin zur Juchhöh
7 Tag 2 (19.07.2018): Von Juchhöh bis Nordhalben
8 Tag 3 (20.07.2018): Von Nordhalben nach Tettau
9 Tag 4 (21.07.18): Von Tettau nach Sonneberg.
10 Tag 5 (22.07.2018): Von Sonneberg nach Eisfeld.
11 Tag 6 (23.07.2018): Von Eisfeld nach Einöd
12 Tag 7 (24.07.2018): Von Einöd nach Rieth
13 Tag 8 (25.05.2018): Von Rieth nach Irmelshausen
14 Titel
15 Titel - 1
16 Titel - 2
17 Titel - 3
18 Titel - 4
19 Titel - 5
20 Titel - 6
21 Titel - 7
22 Titel - 8
23 Tag 19 (05.08.2018): Heilbad Heiligenstadt
24 Tag 20 (06.08.2018): Heilbad Heiligenstadt
25 Titel - 9
26 Titel - 10
27 Titel - 11
28 Tag 24 (10.08.2018): Von Sickenberg nach Bremke
29 Titel - 12
30 Tag 27 (13.08.2018): Von Bremke nach Duderstadt
31 Titel - 13
32 Titel - 14
33 Tag 30 (16.08.2018): Von Zorge nach Schierke
34 Titel - 15
35 Titel - 16
36 Titel - 17
37 Titel - 18
38 Tag 36 (22.08.2018): Von Oebisfelde nach Salzwedel
39 Titel - 19
40 Titel - 20
41 Tag 39 (25.08.18): Von Gorleben nach Hitzacker
42 Tag 40 (26.08.2018): Von Hitzacker nach Zarrentin
43 Tag 41 (27.08.2018): Von Zarrentin nach Ratzeburg
44 Tag 42 (28.08.2018): Von Ratzeburg nach Dassow
45 Titel - 21
46 Anhang
47 Titel - 22
48 Anhang 2: Grenzmuseen (Auswahl)
49 Anhang 3: Linkliste (Auswahl)
50 Titel - 23
51 Titel - 24
52 Titel - 25
53 erlebnis-gruenes-band.html)
54 Titel - 26
55 Titel - 27
56 Titel - 28
57 Titel - 29
58 (www.erinnerungslandschaften-am-gruenen-band.de)
59 Titel - 30
60 Titel - 31
61 Titel - 32
62 Titel - 33
63 Titel - 34
64 (hdg.de/lemo/kapitel/deutsche-einheit.html)
65 Titel - 35
66 Titel - 36
67 Anhang 4: Literaturliste (Auswahl)
68 Titel - 37
69 Titel - 38
70 Titel - 39
71 Titel - 40
72 Titel - 41
73 Titel - 42
74 Titel - 43
75 Titel - 44
76 Titel - 45
77 Titel - 46
78 Titel - 47
79 Titel - 48
80 Danksagung
81 Über den Autor
Titel Seite


Hober Verlag
Heinrich Pingel
Grenzgänger
Mit dem E-Bike 1.500 km auf dem Grünen Band
Eine lebensgeschichtliche Reise
von Ost nach West und zurück
Mit 128 Farbfotos und 5 Skizzen
Mit einem Vorwort von
Dr. Liana Geidezis (BUND)
Hober Verlag
Hamburger Straße 6
32760 Detmold
Bildernachweis:
Sämtliche Fotos, soweit keine andere Angaben
vorliegen, sind vom Autor gemacht worden.
Druck:
WmD GmbH
71522 Backnang
Copyright:
Hober Verlag 2019

| InhaltsverzeichnisVorwort Dr. Liana Geidezis (BUND) | |
| Einleitung | |
| Anreise: Von Hof nach Raitschin | |
| Tag 1: Von Raitschin nach Juchhöh | |
| Tag 2: Von Juchhöh nach Nordhalben | |
| Tag 3: Von Nordhalben nach Tettau | |
| Tag 4: Von Tettau nach Sonneberg | |
| Tag 5: Von Sonneberg nach Eisfeld | |
| Tag 6: Von Eisfeld nach Einöd | |
| Tag 7: Von Einöd nach Rieth | |
| Tag 8: Von Rieth nach Irmelshausen | |
| Tag 9: Von Irmelshausen nach Weimarschmieden | |
| Tag 10: Von Weimarschmieden nach Hilders | |
| Tag 11: Von Hilders über Tann, Kleinfischbach zurück nach Hilders | |
| Tag 12: Hilders | |
| Tag 13: Von Hilders nach Philippsthal | |
| Tag 14: Von Philippsthal nach Berka/Werra | |
| Tag 15: Von Berka/Werra nach Creuzburg | |
| Tag 16: Von Creuzburg nach Großburschla | |
| Tag 17: Von Großburschla nach Heilbad Heiligenstadt | |
| Tag 18: Heilbad Heiligenstadt | |
| Tag 19: Heilbad Heiligenstadt | |
| Tag 20: Heilbad Heiligenstadt | |
| Tag 21: Von Heilbad Heiligenstadt nach Beuren und zurück. | |
| Tag 22: Von Heilbad Heiligenstadt nach Röhrig und zurück. | |
| Tag 23: Von Heilbad Heiligenstadt nach Sickenberg | |
| Tag 24: Von Sickenberg nach Bremke | |
| Tag 25: Bremke | |
| Tag 26: Bremke | |
| Tag 27: Von Bremke nach Duderstadt | |
| Tag 28: Von Duderstadt nach Osterhagen | |
| Tag 29: Von Osterhagen nach Zorge im Harz | |
| Tag 30: Von Zorge im Harz nach Schierke | |
| Tag 31: Von Schierke über den Brocken nach Stapelburg | |
| Tag 32: Stapelburg | |
| Tag 33: Stapelburg | |
| Tag 34: Von Stapelburg nach Schöningen | |
| Tag 35: Von Schöningen nach Oebisfelde | |
| Tag 36: Von Oebisfelde nach Salzwedel | |
| Tag 37: Von Salzwedel nach Binde/Arendsee | |
| Tag 38: Von Binde/Arendsee nach Gorleben | |
| Tag 39: Von Gorleben nach Hitzacker | |
| Tag 40: Von Hitzacker nach Zarrentin | |
| Tag 41: Von Zarrentin nach Ratzeburg | |
| Tag 42: Von Ratzeburg nach Dassow | |
| Tag 43: Von Dassow nach Priwall / Travemünde (Ostsee) – Ende Anhang 1: Zeittafel deutsch-deutsche Grenze (Auswahl) Anhang 2: Grenzmuseen (Auswahl)Anhang 3: Linkliste (Auswahl)Anhang 4: Literaturliste (Auswahl)Anhang 5: Zeitungsbericht Volksstimme (18.06.2019)Danksagung |
Vorwort
Das Grüne Band entlang der einstigen innerdeutschen Grenze bietet auf 1.393 Kilometern eine große Vielzahl von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Es ist der einzige existierende länderübergreifende Lebensraumverbund in Deutschland und ein lebendiges Denkmal an die überwundene deutsche Teilung, ein Mahnmal an die Opfer dieser grausamen Grenze. Es verbindet Ost und West und lädt zur Begegnung ein: Zum Erfahren und Begreifen unserer gemeinsamen Geschichte und unseres gemeinsamen Naturerbes.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) engagiert sich seit 1989 federführend für den Schutz des innerdeutschen Grünen Bandes: Bereits eineinhalb Jahrzehnte vor der Grenzöffnung hatten junge Ehrenamtliche des BUND im bayerisch-südthüringischen Raum mit der Datensammlung über die Arten im Grenzstreifen begonnen. Auch den Naturschützern auf der Ostseite war der Naturreichtum des Grenzbereichs schon früh bewusst. Doch sie konnten, anders als ihre westdeutschen Kolleg*innen, nicht direkt bis an die Grenzanlagen.
Aber die Natur hat schon damals über Grenzen hinweg verbunden: Über Briefwechsel wurde ausgetauscht, welche Vögel man beobachtet hatte und welche Flugbewegungen es gab. Als dann 1989 die Grenze fiel, ergriff der BUND sofort die Gelegenheit und lud Natur- und Umweltschützer aus Ost und West zum ersten gesamtdeutschen Naturschutztreffen ins oberfränkische Hof ein – am 9. Dezember 1989, wenige Wochen nach der Wende. Gekommen sind statt der erwarteten 20 Naturschützer fast 400 aus der ganzen DDR! Außer Frage stand schon damals, dass der Grenzstreifen naturnah bleiben und zum ökologischen Rückgrat Mitteleuropas werden müsse. So verabschiedete die Versammlung die erste Resolution zum Grünen Band Deutschland und hob das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt aus der Taufe. Festgehalten wurde hier die Schutzidee, der vom heutigen BUND-Artenschutzreferenten Kai Frobel geprägte Name „Grünes Band“ und dass die naturschutzfachlichen Forderungen „keine nachträgliche Rechtfertigung der Grenze“ sind.
Seit dieser Zeit nimmt sich der BUND des Grünen Bands federführend an, in Zusammenarbeit mit vielen Partnern: Bundes- und Länderbehörden, Kommunen, Kreisen, Verbänden und Stiftungen, Landwirten sowie zahlreichen Aktiven vor Ort. Doch gerade in der Nachwendezeit war das Grüne Band alles andere als ein Selbstläufer! Innerhalb von kurzer Zeit verschwanden auf fast 2.000 Hektar Biotope und Grenzrelikte im Grünen Band und wurden zu Acker umgewandelt. Hinzu kam, dass ab Mitte der 1990er Jahre die Flächen, die im Eigentum der Bundesrepublik lagen, immerhin fast die Hälfte des Grünen Bandes, auf dem freien Grundstücksmarkt verkauft werden konnten. Der BUND forderte damals, diese mit Zweckbestimmung Naturschutz als Teil des Nationalen Naturerbes an die Bundesländer zu übertragen. Es bedurfte 12 Jahre an Hartnäckigkeit, Geduld und Kreativität, bis dies tatsächlich geschah und wurde zu einem Meilenstein für die Sicherung des Grünen Bandes. Im Herbst 2018 konnte ein weiterer großer Erfolg gefeiert werden. Als erstes Bundesland schützte Thüringen seinen gesamten Anteil am Grünen Band (über die Hälfte der Länge des Grünen Bandes Deutschland) zusammenhängend als „Nationales Naturmonument“!
Trotz aller Erfolge bleibt aber noch viel zu tun. Der BUND setzt sich dafür ein, die Lücken im Grünen Band zu schließen und ökologische Quervernetzungen zu entwickeln. Seit fast 20 Jahren kaufen wir – unterstützt durch viele Spender*innen– Flächen (bisher über 1.000 Hektar) an und setzen dort umfangreiche Naturschutzmaßnahmen um. Dies trägt auch dazu bei, das historische Erbe für die kommenden Generationen zu sichern. Nur dort, wo das Grüne Band als Spur in der Landschaft erfahrbar ist, wird die Erinnerung an eines der prägendsten Kapitel der deutschen Geschichte erhalten.
Das Grüne Band lässt uns jedoch auch weit über den nationalen Tellerrand hinausblicken. Denn auch in anderen Regionen Europas richtete sich die Aufmerksamkeit schon früh auf die Schätze der Grenznatur entlang des Eisernen Vorhangs. Aus einzelnen Aktivitäten der anliegenden 24 Staaten wurde 2003 eine gemeinsame europäische Initiative zum Grünen Band geformt. Heute schlängelt sich das Grüne Band Europa von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer und zur Adria. Es steht für grenzübergreifenden Erhalt des gemeinsamen historischen Erbes und ist zu einem einzigartigen Symbol für zukunftsweisenden und internationalen Naturschutz geworden.
Wir freuen uns daher außerordentlich, dass die Lebenslinie Grünes Band für viele Menschen in ganz Europa zur Herzensangelegenheit geworden ist. Viele wandernde Botschafter*innen für die Grüne Band-Idee verbinden auf einmalige Weise Natur und Geschichte und treten mit den Menschen vor Ort am Grünen Band in den Dialog. Auch Dr. Heinrich Pingel macht in diesem Buch die besondere Bedeutung des Grünen Bandes als Begegnungsraum von Menschen mit Menschen und mit der Natur deutlich. Ganz nach dem Motto „Grenzen trennen – Natur verbindet“.
Dr. Liana Geidezis
Leiterin BUND-Fachbereich Grünes Band
Nürnberg, im Juni 2019
Einleitung
Meine Geschichte bewegt mich immer noch. Als ehemaliges DDR-Flüchtlingskind begebe ich mich im Juli 2018 – wenige Monate vor meinem 70. Geburtstag, zehn Jahre nach einer niederschmetternden Diagnose – mit dem E-Bike auf eine Reise in die eigene Vergangenheit entlang des Grünen Bandes, der früheren deutsch-deutschen Grenze. Geboren in Thüringen im katholischen Eichsfeld, als es noch die sowjetische Besatzungszone gab, eingeschult in der jungen DDR und – nach der Flucht mit meinem Vater in den Westen – groß geworden in der Bundesrepublik Deutschland, ziehe ich dabei meine persönliche Bilanz.
Auf der Fahrt vom Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechien durch den Frankenwald, den Thüringer Wald, die Rhön, entlang der Werra, durch das Eichsfeld, über den Harz samt Brocken, an der Elbe und malerischen Seen bis hin zur Ostsee werde ich auf Menschen treffen, die diesseits und jenseits der ehemaligen Grenze gelebt haben bzw. noch oder wieder dort leben. In vielen Gesprächen berichten sie mir aus ihrem Blickwinkel von der jahrzehntelangen Teilung Deutschlands und ihrem Leben an der Zonen- bzw. DDR-Staatsgrenze West. So werden Erfahrungen, Wünsche und Hoffnungen vor und nach 1989 sichtbar und natürlich auch die Enttäuschungen. Was ist nahezu 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der Beseitigung des Stacheldrahts zwischen Ost und West aus den Menschen geworden? Existieren die Mauern und Gräben in den Köpfen immer noch oder schon wieder? Gab es und gibt es unterschiedliche Mentalitäten? Wie gehen die verschiedenen Generationen mit der deutschen Teilung und mit der Wiedervereinigung um?
Diese Fragen beschäftigen mich. Gleichzeitig sind die mehr als 1.500 Kilometer an der früheren Grenze eine Reise in meine eigene Vergangenheit, aber auch ein Blick in Gegenwart und Zukunft. 1956: Trennung von der in der DDR verbliebenen Mutter und den Brüdern. Dann die ersten Jahre in der Bundesrepublik als Zirkuskind. Später die 60er Jahre als Gymnasiast in einer verstaubten niedersächsischen Kleinstadt. Diese Umstände prägen meine Kindheit und Jugend. Die Reisen per Moped und als Tramper quer durch Europa, die Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr, das Studium für das Lehramt, die Arbeit in einer Spedition als Fernfahrer und Lagerarbeiter sowie die politischen Aktivitäten in der zweiten Hälfte der 60er und 70er Jahren lassen mich nach und nach erwachsen werden. In all diesen Jahren halte ich Kontakt zu meiner Verwandtschaft in der DDR und besuche diese, so oft es geht. Nach mehrjährigen Studien- und Forschungsaufenthalten in der Sowjetunion und den USA kehre ich Anfang der 80er Jahre nach Deutschland zurück.
Die folgenden drei Jahrzehnte in einer ostwestfälischen Kleinstadt sind geprägt durch meine Tätigkeit als Pädagoge und Historiker, das Auf und Ab in der Familie, die Verantwortung für drei Kinder, DDR-Besuche bei der Mutter und den Brüdern vor und nach dem Fall der Berliner Mauer, aber auch durch mein Engagement in zahlreichen europäischen Projekten. Nach und nach wächst in mir die Erkenntnis, dass die Verletzungen und Traumata der Kindheit mich einholen. Als ich eine schockierende Diagnose erhalte, die mich eine Zeit lang aus der Bahn wirft, beginne ich mein Leben neu zu ordnen …
Auf meiner Reise entlang der alten innerdeutschen Grenze gelange ich wieder in das thüringische Eichsfeld, wo ich mit den guten wie schlechten Kindheitserinnerungen konfrontiert werde. In meinem Geburtsort Heilbad Heiligenstadt suche ich den Gedenkstein für meinen zu DDR-Zeiten von einem Mitglied der SED-Kreisleitung auf der Jagd erschossenen Großvater. Dort verpflichte ich mich, den genaueren Umständen seines Todes nachzugehen …
Auf dem Weg, einer wochenlangen Fahrradreise durch eine eindrucksvolle Natur, zwischendurch immer wieder konfrontiert mit körperlichen und psychischen Herausforderungen, werden so aus dem Blickwinkel eines ehemaligen Flüchtlingskindes, eines Wanderers zwischen Ost und West, nahezu sieben Jahrzehnte persönlicher und deutsch-deutscher Geschichte gegenwärtig.
Dieses Buch basiert auf dem während der Reise entstandenen Reiseblog www.grenzgaengertour2018.de, in dem der/die Leser/in durch entsprechende Links weitere Informationen erhalten kann.
Nicht zuletzt soll mit der vorliegenden Veröffentlichung angesichts eines immer deutlicher werdenden Klimawandels und jährlich neuer Rekordtemperaturen der Blick auf Möglichkeiten des alternativen, naturnahen Reisens mit dem (Elektro-) Fahrrad, auch im fortgeschrittenen Alter, gelegt werden. Das Buch soll ebenso Interesse an der Durchquerung Deutschlands von Süd nach Nord, an Menschen und Landschaften sowie zeitgeschichtlichen Entwicklungen wecken.
Los geht´s.
Vom Dreiländereck Bayern – Sachsen - Tschechien durch den Frankenwald bis in die Rhön

Anreise (17.07.2018): Von Hof nach Raitschin
km: 1- 19
Endlich!!!
Es kann beginnen. Nach monatelangen Vorbereitungen, dem Studium vieler Bücher über das Grüne Band, die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Der schwere Autounfall mit gebrochenem Brustbein Ende März auf der A 10 bei Berlin war noch einmal ein Wink mit dem Zaunpfahl. Schiebe im 70. Lebensjahr (mehr als sechs Jahrzehnte nach der Flucht mit meinem Vater von Ost nach West) nicht mehr so viel vor dir her, was du vielleicht noch machen, erleben möchtest! Wer weiß, wie lange es dir noch gegönnt ist …
Mit meinem Freund und früheren Kollegen Dors Prokob treffe ich mich morgens um 9 Uhr am Bahnhof in Karlsruhe. Ungläubig schauen wir uns an. Wollen wir es wirklich wagen? Zwei Typen, auf die Siebzig zuschleudernd, begeben sich auf große Fahrt. Standes- und altersgemäß mit dem Elektro-Bike wollen wir zum Startpunkt unserer Radtour: das Grüne Band am Dreiländereck Bayern-Tschechien-Sachsen.
Die Fahrräder kommen hinten auf den Bike-Träger und es kann losgehen. Ein bisschen Abenteuer-Feeling ist auch dabei. Der A 5, A 6 und A 9 folgend, ist unser erstes Ziel heute das bayrische Hof. An der Autobahnkirche Himmelkron legen wir einen Zwischenstopp ein. Ganz ohne spirituelle Unterstützung geht es nun auch nicht. Die Christophorus-Kirche ist ein beeindruckender sakraler Bau, man kommt sich verloren vor, winzig, aber der Blick richtet sich nach oben ….wie so oft, wenn ich eine katholische oder orthodoxe Kirche betrete, zünde ich drei Kerzen an ….und verweile einen Augenblick in Stille …, 1399 Kilometer an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze: das ist ein langer Weg.
Es ist Mittag und schon relativ heiß. Das Auto kommt in den Schatten und wir wenden uns profaneren Dingen zu. Hotel „Opel “ : Leberknödelsuppe und Pfirsich-Maracuja-Torte. Schmeckt alles nicht besonders. Hatten uns mehr davon versprochen. In Hof suchen wir den Bahnhof. In der Bahnhofstraße stellt Dors sein Auto ab, damit er mit dem Zug nach einigen Tagen wieder an den Ausgangspunkt unseres Unternehmens zurückkehren kann. Die Fahrräder, das ganze Gepäck wird abgeladen, auf dem Bürgersteig verstreut …, die Passanten schauen ungläubig zu. Und tatsächlich: Wir bekommen alles in unseren Packtaschen unter. Das Zelt, die Liegematratze und der Schlafsack dürfen natürlich auch nicht fehlen, man weiß ja nie. Ein freundlicher älterer Herr kommt gerade von einem Nachmittag mit Flüchtlingskindern und fragt uns, wohin wir denn wollen. Gaststätte „Eisteich“, antworte ich. Diese Gaststätte ist unser erstes Ziel, denn sie repräsentiert den Anfang von Allem. Hier ist der Ausgangspunkt des Grünen Bandes (www.bund.net/gruenes-band). Hier haben sich Anfang Dezember 1989 Naturschützer aus Ost und West auf Einladung des BUND-Aktivisten und promovierten Geoökologen Kai Frobel getroffen und das Grüne Band aus der Taufe gehoben. 28 Umweltschützer aus der DDR wurden eingeladen, ca. 400 Naturschützer aus Ost und West kamen. Unglaublich, wie groß muss die Begeisterung kurz nach dem Fall der Mauer und der Öffnung der Grenzen gewesen sein?
Das Grüne Band, eine Erinnerungslandschaft im wahrsten Sinne des Wortes, für die Besucher, vor allem aber für mich, ehemaliger Flücht-lingsjunge aus dem thüringischen Eichsfeld. Für jeden etwas: eine Kombination vor allem aus oft noch unzerstörter Natur, aber auch als Denkmal der deutschen Teilung. Die von Tschechien bis an die Ostsee verlaufende Trennungslinie, die mehr als 40 Jahre Bestand hatte und die sich im November/Dezember 1989 im Nu auflöste, unvorstellbar in den langen Jahrzehnten der deutschen Teilung.
Unsere ersten Kilometer mit dem Fahrrad, alles etwas ungewohnt. Kurz darauf stehen wir vor der geschlossenen Gaststätte: Hier soll alles angefangen haben? Irgendwie unwahr. Ich komme mir verloren vor. Angesichts der Bedeutung des Grünen Bandes, der Grenze zwischen Ost und West, ist hier alles etwas unspektakulär. Nach dieser ersten, leichten Enttäuschung kann es nun endlich losgehen: Entlang der Saale fahren wir über Landstraßen nach Regnitzlosau, dann weiter nach Raitschin.

Hof: Gaststätte „Eisteich“ – Gründungsort des Grünen Bandes
Ich denke mir bei all dem Gepäck: Fahrrad und Beladung werden wohl sicherlich 45 bis 50 Kilo haben: Ein Glück, dass ich ein E-Bike habe. Dors dagegen: „ Das hätte ich noch mit einem guten Rad gepackt, auch ohne eine ‚Elektroschlampe‘ zu sein .“ Nach knapp 20 Kilometern und zweistündiger Fahrt kommen wir im `Gasthof Raitschin´ an und sind positiv überrascht.
Nach dem Duschen geht‘s in den Biergarten. Im Gegensatz zu Ostwestfalen setzen sich noch andere Gäste an den Tisch dazu. Eine stattliche Dame, die sich mit ihrem Mann und einem weiteren Gast zu uns an den großen Tisch gesetzt hat, ist in Schwesendorf, wenige Kilometer von Raitschin entfernt und direkt an der früheren Grenze liegend, geboren. Im Prinzip ohne Vater groß geworden, erzählt sie von ihrem beruflichen Werdegang. Die 72-Jährige war früher Gold-Malerin in der Porzellan-Industrie bei der Fa. Hutschenreuther in Selb. Sie hat sich, so erzählt sie stolz, als erste Frau in den sechziger Jahren in einem traditionellen Männerberuf behauptet. Eine aktive Gewerkschafterin und Betriebsrätin, ein sehr sozialer und kommunikativer Mensch. Ihr Mann, ein paar Jahre älter, bleibt recht still.
Wir diskutieren über die Grenze, wie es früher vor 1989 war und wie es heute ist. „ Wir haben heute ein gutes Verhältnis zwischen den Bayern und Sachsen. “ Eheschließungen zwischen Ost und West seien keine Ausnahme. Zugezogene aus der ehemaligen DDR vollkommen integriert. So vergeht der Abend wie im Fluge, ein paar Gläser Williams Christ Birne lösen die Zungen … Werden wir noch andere Menschen treffen, die uns so bereitwillig Auskunft über ihr Leben an der früheren Zonengrenze bzw. DDR-Staatsgrenze West geben werden? Kann es vielleicht sein, dass Menschen in Ost und West die Geschichte der deutschen Teilung, die Ereignisse des Jahres 1989 und vor allem der Nachwendezeit heute, nach drei Jahrzehnten, unterschiedlich bewerten?
