Kitabı oku: «Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71»
Heinrich Ziehn
Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an 1870/71
Leben und Leiden
während des Deutsch-Französischen Krieges
Impressum
Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza
Titelbild und Umschlagrückseite: Frei nach dem Original
„Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an 1870/71“,
Gestaltung Harald Rockstuhl
Bisherige Auflagen:
Druckauflagen: 1911 im Eigenverlag des Verfassers.
1. Repintauflage 2013
ISBN 978 - 3-86777 - 607-3, gedruckte Ausgabe
1. E-Bookauflage 2013
ISBN 978 - 3-86777 - 608-0, E-Book [ePUb]
Satz: Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza
Hervorhebungen von Ortsnamen im Text durch Harald Rockstuhl 2013
Der Verlag dankt: Frank Schulte aus Freienbessingen für die Bereitstellung des Originals und der Firma IlmPrint, Digitales Druckzentrum GmbH, Langewiesen
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaber: Harald Rockstuhl
Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.
Lange Brüdergasse 12 in D-99947 Bad Langensalza/Thüringen
Telefon: 03603/81 22 46 Telefax: 03603/81 22 47
Inhalt.
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
1. Mobilmachung
2. Ausmarsch und Aufmarsch
3. Ueber die Grenze, Schlacht bei Wörth
4. Die Verfolgung des Feindes nach Wörth
5. Vorwärtsbewegungen auf Sedan
6. Sedan
7. Auf Gefangenentransport
8. Zum Regiment zurück
9. Operationen zum Schutz der Pariser Armee
10. Schlachten bei Puppry, Orleans, Beauganiy-Cravaut
11. Gegen Le Mans 1871
12. Bei der Kolonne zur Bedeckung
13. Waffenstillstand
14. Vor Paris
Heimkehr
Nachtrag von Harald Rockstuhl
Zeittafel von Harald Rockstuhl
Vorwort.
Die kriegsgeschichtliche Literatur über die Kämpfe des deutsch-französischen Krieges 1870/71 ist außerordentlich reichhaltig. Und nun noch ein neues Werkchen?
Der freundliche Leser möge nicht kriegsgeschichtliche Kritik, Aeußerungen über strategische Aufmärsche oder geschlagene Schlachten in vorliegendem Heftchen erwarten. Nur die Erlebnisse eines einzelnen, damals noch gemeinen Soldaten, werden in ungeschmückter, erzählender Form wiedergegeben. Schon lange hatte ich die Absicht meine Erinnerungen niederzuschreiben, ich tat dies erst jetzt, im 40. Jubiläumsjahre der großen geschichtlichen Ereignisse. Unter Zuhilfenahme der Aufzeichnungen meines Kameraden Albin Hotzler aus Dienstedt, der mit mir bei demselben Truppenteile die großen Kämpfe erlebte, sowie der herausgegebenen Geschichte des Thüringer Ulanenregiments Nr. 6 von Freiherr v. Langermann, wurde es mir leichter gemacht, meine persönlichen Erlebnisse ziemlich genau wiedergeben zu können. Das ursprünglich nur zu mündlichen Vorträgen geschriebene Werkchen gab ich in Druck insbesondere auf Anregung Anderer. Ein eventl. Reinertrag soll Kriegerwaisenhäusern und militärischen Unterstützungskassen zufließen. Wenn aber der freundliche Leser mit einigem Interesse das Werkchen durchliest und wenn in seinem Herzen die Liebe zu Kaiser und Reich, die Wertschätzung unserer deutschen Armee und der Geist soldatischer Kameradschaft tiefer Wurzel schlagen, dann ist dankbar befriedigt
der Verfasser.
1. Mobilmachung.
Es war in der Woche vom 10. Juli 1870 ab, daß in unserem Garnisonstädtchen Langensalza ein größeres Schützenfest gefeiert wurde und infolge des Fremdenandranges daselbst ein ungewohnt reges Leben herrschte. Auch ich hatte Besuch von meinem Bruder und Schwägerin, denen sich meine Braut und spätere Frau angeschlossen hatte. Leider ahnte ich nicht, daß meine Liebesgedanken bald anderen Gefühlen Platz machen sollten.
In Langensalza führten wir schon deshalb ein angenehmes Soldatenleben, weil wir nicht kaserniert waren, sondern zu je 1—3 Mann Bürgerquartiere innehatten und deshalb mit der Bürgerschaft in regem Verkehr standen, weil wir dem Zapfenstreich nicht so streng unterstanden, u. s. f.
In der Zeit des Schützenfestes waren unsere Herren Offiziere zu fast allen Festlichkeiten der Schützen eingeladen, dieser Umstand kam auch uns zu statten und wir nutzten denselben weidlich aus.
Unser Rittmeister von Stockhausen hatte uns für die Tage des Schützenfestes die besseren Sonntagsanzüge belassen, und wir imponierten deshalb hierdurch den Festgästen und unseren Fabrik-Schönen nicht wenig.
Aber schon nach der Abreise meines Besuches lag vom Dienstag ab auf dem Volksfeste ein sonderbarer Druck, man munkelte von politischen Zerwürfnissen zwischen Preußen resp. Norddeutschland und Frankreich, meinte, der Zwist wegen der spanischen Königskrone könne Folgen haben usw. und diese Schwüle vermehrte sich mehr und mehr. Schon am Mittwoch reiste ein Teil der Schützen ab, trotzdem der Festschluß erst am Freitag sein sollte; am Donnerstag sprach man schon von geheimen Befehlen zur Einleitung der Mobilmachung des 7., 8. und 11. Armeekorps ganz offen.
Wenn der 19. Juli der Tag der offiziellen Kriegserklärung geworden ist, so hatte ich doch schon in diesen Tagen die Auffassung, daß man sich auf den Krieg vorbereitete, alle die gewissenhaften Inspektionen von Pferden, Waffen und Zaumzeug deuteten darauf hin.
Daß uns jungen, frischen Ulanen dabei das Herz natürlich höher schlug und wir die uns gegebene Freiheit weidlich nutzten, beweist folgender Vorfall: Am Mittwoch Abend saßen wir noch 20—30 Mann in einer von andern Gästen leeren Laubhütte auf dem Festplatz, natürlich in Aussicht auf das bevorstehende Feldzugsvergnügen tüchtig trinkend, daß der Tisch schwamm. Da kein aufwischender Kellner vorhanden war, nahm eben der Kamerad Steuding den schönen roten Aufschlag seines Ulankaärmels in die Hand und wischte mit diesem Dienstkleid frischweg die Sauce des Tisches auf. Im Augenblick sah durch die Eingangsöffnung das Gesicht unseres nicht immer liebenswürdigen „Vetters“ herein mit der Frage, was ist denn hier um 11 Uhr eigentlich noch los? und prompt erwidert Steuding: „Da wird eben gesoffen, Herr Wachtmeister.“ Nur der Mobilmachungsrummel hat es wohl vergessen lassen, daß Freund Steuding nicht strengen Arrest und sonstige Bestrafung büßen mußte, denn bei der Abgabe der Sonntagsanzüge flog auch sein Rock auf denselben Haufen wie die andern.
Am Sonnabend, den 16. Juli, kam die Entscheidung. Wir waren um 7 Uhr auf dem Schloßhof angetreten, um aus den Kammerbeständen marschmäßiges Gepäck (d. i. Mantel, Packtaschen, Futtersack usw.) zu empfangen, da am Montag ein größerer Uebungsmarsch (jedenfalls nicht ohne Grund) gemacht werden sollte.
Mit schnellen Schritten, gerötetem Gesicht und hintenaus gerückter Mütze erschien unser Rittmeister, sofort mit lauter Stimme „stillgestanden“ kommandierend, uns, die wir erwartungsvoll wie die Säulen standen, die Mobilmachungsordre für das Regiment vorlas und am Schlusse ein Hurra auf Sr. Majestät den König, welchem wir alle dienten, ausbrachte. Wie feurig dieses klang, ist nicht zu beschreiben.
Vom Augenblick an begann nun eine ganz andere Tätigkeit, Alle bereits empfangenen Sachen wurden auf Haufen geworfen, dafür die funkelneue Uniform der Kriegsgarnitur, welche jedem einzelnen Mann bereits vorher verpaßt ist, ausgegeben, Sättel, Zaumzeug und andere Gepäckteile genau nachgesehen und durch neue ersetzt, Waffen zum Kriegsgebrauch hergerichtet, die Pferde vollständig neu beschlagen, alles auf das sorgfältigste.
Daß wir hierbei in der freudigsten Stimmung waren, dafür ist Beweis, daß von den 10 Talern welche mein Bruder mir 8 Tage vorher überließ, nach wenig Tagen nichts mehr zu sehen war.
Es kamen nach ein paar Tagen schon Reserven, zuerst 25 Mann mit Pferden der als „Ersatzschwadron“ zu Haus bleibenden 2. Eskadron, wofür einige kränkelnde Mannschaften und nicht kriegsbrauchbare Pferde sowie die jungen Remonten an dieselbe abgegeben wurden. Dann erschienen die Königsurlauber, sodann Reservisten, welche zum Lanzendienst ausgebildete Kurhessische Husaren wären, während die gerade eine Uebung durchmachenden Gardeulanen sogleich dableiben mußten und zuletzt auch alle aus Frankreich ausgewiesenen Reservisten, soweit dieselben Ulanen waren. Diese Letzteren haben uns später, weil sie der französischen Sprache mächtig waren, sehr gute Dienste getan.
Nach 3 Tagen gingen verschiedene Pferdeaushebungskommandos ab, je 1 Offizier und za. 6 Mann stark. Ich wurde mit für Apolda bezw. Camburg bestimmt. Wir mußten das Gepäck im Futtersack mit uns nehmen, um für den Fall, daß das Regiment vor unserer Rückkunft abgerückt wäre, per Bahn nachfolgen zu können.
Als wir am Dienstag, den 19. Juli abfuhren, traf ich in Gotha am Bahnhof meinen Vater, welcher mich noch einmal besuchen wollte. Er fuhr nun wieder mit mir bis Vieselbach zurück und daß mir beim Abschied von ihm und als ich auf der Weiterfahrt meinen Heimatort, vielleicht zum letztenmal, liegen sah, Tränen in den Augen standen, dessen brauche ich mich wohl nicht zu schämen.
In Apolda war alles in Aufregung, da auch dort die Reservisten zu den Fahnen abgingen. Die Stadt gab denselben am Abend ein Abschiedsessen, und wir waren dazu eingeladen. Frei essend, frei trinkend, als Gäste hochgeehrt, begleiteten wir mit der Bewohnerschaft nachts 2 Uhr mit Musik 200 Reservisten zur Bahn.
Schon am Nachmittag hatten mich, als ich mit einem Bekannten das bekannte Lokal „Die Zwecke“ betrat, einige anwesende Fabrikherren mit Essen und 1 Flasche Wein traktiert, was ich natürlich alles dankend annahm. In Bezug auf Gastfreundschaft gibt es eben nur ein Apolda, das habe ich später noch mehrmals erfahren.
Am folgenden Tage hatten wir in Apolda 60 Stück Pferde auszuheben, 24 für Artillerie nach Cassel, 20 für das Bataillon Jena, die übrigen für Weimar und Eisenach.
Da der Pferdebestand des ganzen Bezirks zur Stelle war und nicht jedes Tier gemustert werden konnte, gab mir der Leutnant v. Langermann den Auftrag, die Reihen durchzugehen und nur die voraussichtlich tauglichen Pferde vorführen zu lassen; Hierbei fielen mir ein paar wunderschöne Apfelschimmel auf, dieselben hatten, wie ich später erfuhr, dem Bürgermeister Pfeiffer in Lachstedt gehört, dessen Sohn mit mir zusammen diente und einer meiner besten Freunde war. Wenn der Mann bei den Pferden doch nur etwas gesagt hätte, ich hätte ohne große Bedenken die Tiere gewiß stehen lassen, so aber kamen die Schimmel nach Jena und haben dort den „Pflasterkasten“ gezogen, den Sohn aber haben die tückischen Franctireurs in Illieres erschossen, hart für den mir persönlich bekannten Vater.
Leider habe ich an Apolda auch eine recht unangenehme Erinnerung. Es war aus Versehen für Artillerie ein Pferd ausgehoben worden, welches hinten keine Eisen hatte und zwar darum, weil es sich nicht beschlagen ließ. Ein unbeschlagenes Pferd durfte es aber nicht geben, und so gab mir mein Leutnant den Auftrag, mit unserm Hufschmied in einer Schmiede dem Tiere Eisen zu geben, Leichter gesagt als getan. Wir haben das rabiate Tier zwar gezwungen, leider trat mich dasselbe so auf die große Zehe, daß dieselbe lange sehr entzündet war und ich um ein Haar nicht mit ausrücken konnte, es ist mir auch erst za. 4 Wochen danach der Nagel abgegangen, nachdem ich anfangs oft vor Schmerz die Zähne zusammengebissen hatte.
Am Nachmittag desselben Tages mußte ich mit dem Einjährigen Schilling die 20 Pferde nach Jena abliefern. Wir beiden hatten uns Sättel geborgt und ritten. Für den Transport der Tiere aber mußte uns die Stadt Apolda 6 Leute stellen, und das waren Fabrikarbeiter ohne jede Pferdekenntnis, dabei erschienen sie in Plüschschuhen und waren stark angeheitert. Nun wurde es heiter! Wir hatten je 3 Pferde zusammengekoppelt und setzten auf das Sattelpferd den Mann (alle wollten nämlich reiten) hinauf. Kaum zur Stadt hinaus, purzelte natürlich der eine hüben, der andere drüben herunter und wir hatten Mühe, die Tiere, welche ins Feld schwenkten, wieder einzufangen. Nun mußten wir freilich die Leute anrasseln und zu Fuß laufen lassen, zuletzt aber ritten doch alle wieder.
In Jena standen vor der „Rose“ eine Anzahl Studenten, welche wir nach der Wohnung des Batallionskommandeurs fragten. Ohne weiteres führten uns dieselben im Zuge dahin, nahmen uns nach Erledigung unserer Pflichten wieder mit zur „Rose“, und trotz ziemlicher Zeche waren wir doch zahlfreie Gäste der Herren.
Da ich beim Bataillon mehrere Bekannte hatte, war es nicht auffällig, daß, als wir mit den Pferden an der zum Brotempfang stehenden 10. Kompagnie vorbeizogen, aus dem Glied mein Cousin, „der Utz“ aus Utzberg, heraussprang, mich anrufend: „Aber Freund! wie kommst denn du hierher.“ Dann hat es Urlaub gegeben, und mit noch mehreren Freunden haben wir den Abend verbracht, bis wir in von der Stadt Jena zur Verfügung gestellten Landauern 3 Uhr Nachts wieder nach Apolda kamen.
Am Abend des 21. kamen wir beide, der Einjährige und ich, wieder nach Langensalza zurück und bat ich am andern Morgen den Wachtmeister himmelhoch, mich wegen meines Fußes nicht ins Lazarett zu schicken, weil ich sonst dableiben müsse, und er hat es auch vermittelt, indem ich in den paar Tagen möglichst vom Dienst befreit wurde.
Da für den 25. Juli das Einladen in die Bahn vorgesehen war, sollte am Sonntag, den 24. Juli 1 Uhr mittags die Eskadron kriegsmäßig auf dem Exerzierplatz vor dem Kommandeur des Regimentes, Major von Knobloch, stehen.
Leider passierte hierbei das erste Unglück. 24 vom Wagen oder Pflug entnommene „Bauernpferde“ wurden gesattelt und gepackt auf dem Sammelplatz vorgeführt, daneben der bestimmte Mann in voller Kriegsausrüstung und an derselben natürlich alles rasselnd und klirrend. Zwei Mann mußten nun das vor Angst zitternde Tier halten und der unglückliche Mann, welchem ein ebenso unglückliches Tier zugeteilt war, sollte vorsichtig versuchen aufzusitzen. Hierbei ging ein Pferd mit dem Reiter ab in das Feld hinein, über die Eisenbahn hinweg und wieder zurück, raste nach za. 1/4 Stunde an der Schwadron nochmals vorbei und rannte sich schließlich an einem Gebäude den Schädel ein, so daß es tot zusammenbrach.
Darob allgemeines Entsetzen, ein Vorgeschmack des Krieges.
Auf dem Exerzierplatz unter Begleitung der ganzen Einwohnerschaft angekommen, hielt der Regimentskommandeur eine feurige Ansprache, ermahnend zur Tapferkeit, zur moralisch gesitteten Haltung usw.
Den Abend benutzten die meisten noch zum Abschiednehmen von Bekannten oder auch vom Liebchen. Andere, und hierzu gehörte ich, schrieben Abschiedsbriefe an die Angehörigen, wußte doch keiner, ob er je die Seinen wiedersehen würde. Das dabei mancher Briefbogen naß wurde, ist wohl nur zu natürlich.
2. Ausmarsch und Aufmarsch.
Am 25. Juli, mittags 12 Uhr, wurde die Eskadron aus den Ställen gezogen und rangiert. Ich ritt wie immer, weil ich in der Garnison dem kleinen Schwadronschor als Hoboist angehörte, mit an der Spitze. Dann ging’s durch die Stadt hindurch mit dem Marsch: „Muß ich denn zum Städtle hinaus“, nach dem Bahnhof.
Dabei zeigte es sich aber so recht, wie lieb die Bewohner von Langensalza „ihre Ulanen“ hatten. War das ein Hochrufen, ein Hutschwenken, ein Rufen nach Wiederkommen, jedem von uns schlug das Herz höher. Zugleich aber muß es auch rühmend erwähnt werden, daß die Stadt uns später mehrfach mit Liebesgaben bedacht hat, die wir, derselben recht bedürftig, dankbar verzehrten, wogegen unsere Landeskinder uns vergessen zu haben schienen, obwohl fast der III. Teil des Regimentes Weimaraner waren.
Das „Einschiffen“ am Bahnhof war recht schwierig, denn die meisten Pferde waren störrisch und mußten mit Gewalt in die Wagen gebracht werden. In unserm Zug sollte nach der Berechnung 11/2 Eskadron untergebracht werden, das stimmte aber schon nicht, denn als die Maschinen unter dem Jubel der anwesenden Menschenmasse das Abfahrtsignal gaben, würgten die beiden uns trotz allen Pustens nur ca. 1 Kilometer weit, dann mußte ein Teil Wagen auf der Strecke stehen bleiben, um von einer Maschine bis Ballstedt bezügl. Gotha nachgeholt zu werden.
Die ganze Fahrt war eine reine Triumphfahrt, da erst sahen wir, was für ein Geist das deutsche Volk beseelte. Wie wetteiferte das Volk in Ehrenbezeichnungen für diejenigen, die in strotzender Jugendfrische begeistert hinauszogen in den Kampf für des Reiches Ehre. In Gotha standen die Gymnasiasten am Bahnhof, uns allen Bier und Brötchen überreichend (ein großer Teil unseres Regiments bestand aus Gothanern). In Meerholz gab es Zigarren in Fülle und vollends am Rhein, hier standen an jedem Bahnhof große Fässer mit Wein, und wir brauchten nur mit den Kochgeschirren hineinzuschöpfen. Der Effekt war, daß wir zuletzt zumeist total betrunken waren und von der Fahrt in der letzten Nacht nicht mehr viel wußten.
Da wir der aufzustellenden III. Armee (Südarmee) unter dem Oberbefehl des Kronprinzen, „Unserm Fritz“, zugeteilt waren, zu welcher das 5. und 11. preußische Armeekorps, die Bayern, Württemberger und Badenser gehörten, war unser Ziel zunächst Landau in der bayrischen Pfalz, nahe der Grenze.
Im freien Felde, 3 Uhr früh am 27. Juli, bei totaler Finsternis, ohne Licht und ohne Ausladerampe, unter Zuhilfenahme von allerhand Materialien, geschah das Ausladen. Es durfte irgend welcher Lärm nicht gemacht werden. Nachdem wir glücklich unsere Pferde und Gepäck auf einem anliegenden Kleestück untergebracht hatten, wurde unter denkbar erschwerenden Umständen gesattelt, auch wurde von hier aus sofort eine Patrouille nach der Grenze zu abgeschickt (Gefr. Läpp).
Als wir uns dem ca. 1 Stunde entfernten Dorfe Essingen, unserm zugewiesenen Quartier, bei Tagesanbruch nahten, wurden wir von der gut bayrischen Bevölkerung mit hellem Jubel begrüßt und in die Quartiere geleitet.
Der Schulze des Ortes, bei welchem wir zu dritt einquartiert waren, trug uns, nachdem die Pferde besorgt, sofort ein tüchtiges Frühstück auf und erzählte hierbei, in welcher Angst die Grenzbevölkerung bis jetzt gewesen sei. Zwölf Tage seien vorüber seit der Kriegserklärung und noch kein Preuße habe sich sehen lassen, blos die Bayern ständen in Friedensstärke an der Grenze entlang.
Die Bevölkerung sei deshalb in der Erinnerung der schweren Zeiten, welche die Pfalz durch die Franzosen erduldet hatte, in begreiflicher Aufregung, man verliere schon das Vertrauen zu den Preußen usw.
Wir konnten den guten Mann nur beruhigen mit der Aussicht, daß in 24 Stunden das ganze 11. Armeekorps in Landau sein und es von Preußen wimmeln würde, worauf der Mann nur ein von Herzen gehendes „Nun Gott sei Dank, dann fühlen wir uns sicher!“ ausrufen konnte.
Das schöne Frühstück aber hat er uns noch in die Packtaschen stecken müssen, denn im Augenblik ertönte bei strömendem Regen das Signal „Alarm“. Wir natürlich glaubten, die Franzosen ständen schon vorm Orte und sputeten uns natürlich nicht wenig.
Aber es war anders.
Bei weiter strömendem Regen ritten wir aus dem Orte hinaus nach dem za. 2 Stunden entfernten Landstädtchen Zeiskamm, wo sich außer anderen Truppen am andern Tage das ganze Regiment zusammenfand.
Am 29. Juli mittags erschien Se. Königl. Hoheit der Kronprinz, um Quartier hier zu nehmen. Der liebenswürdige hohe Herr ritt vor seinem Stabe her, die kurze Holzpfeife rauchend; wir natürlich, gerade mit Pferdeputzen beschäftigt, eilten an die Straße. Ich stand mit Kamerad Zimmermann dort, welcher in der Hand seine hübsche geschnitzte Tabakspfeife hielt. Da mit einemmale kommt der Kronprinz auf uns zu geritten und redet Zimmermann liebenswürdig an: „Hast eine recht schöne Pfeife mein Sohn, hast du dich aber auch mit Tabak vorgesehen?“ Prompte Antwort: „Zu Befehl, Königl. Hoheit.“ Esel wir, sagten wir uns hintennach, hätten wir doch nein gesagt, ich glaube, der Kronprinz hätte uns von seinem Vorrat etwas zukommen lassen.
Im Nebengehöft ist ein Mann der 3. Eskadron damit beschäftigt, seinen rostigen Säbel zu putzen, indem er denselben in der bekannten Weise zwischen Brust und eine Wand stemmt, mit einem Putzlappen tüchtig wienernd. „Unser Fritz“ sieht ihm unbemerkt ein Weilchen zu und ruft ihn an: „Jetzt ist Krieg mein Sohn, da ist putzen so sehr nötig nicht.“ Freilich hat es uns nichts geholfen, wenn wir uns später gern einmal auf dieses Wort berufen mochten. So zog er seine Straße weiter.
Am Abend kommt ein großer Wagen mit Bier im Orte an und hält in den Anlagen vor der Wohnung Sr. Königl. Hoheit. Wir alle, des billigen Weines überdrüssig, schnell dahin, um ein Glas Bier zu bekommen.
Der Kronprinz, auf dem Balkon des Hauses stehend, sieht dies, schickt seinen Adjutant herunter, läßt den ganzen Vorrat kaufen und schenkt ihn uns als Abendtrunk mit der Aufforderung, zu singen. Das war natürlich einmal ein gern gehörter Befehl. Bekannt ist, daß die Frau des Hauses in dieser Nacht einen Sohn gebar, bei welchem der Kronprinz Patenstelle angenommen hat. Als er später schwer krank auf der unfernen Mainau lag, besuchte ihn der Junge und gab auf die Frage, was er einmal werden wolle prompt Antwort: „Soldat, wie mein Herr Pate.“
Bei Zeiskamm sollte Exerzieren stattfinden, damit sich Mann und Pferd an die Kriegsformation gewöhnen konnten. Als wir am 29. Juli auf die dazu bestimmten Wiesen kamen, ließ Rittmeister von Stockhausen die Eskadion in Zügen auflösen und gab den Zugführern auf, die zugekommenen rohen Ackerpferde erst in ruhigem Schritt an das Glied zu gewöhnen und erst später in einen langsamen Trab überzugehen.
Unser Führer, Premierleutnant Fleischer, einer der damals bekanntesten Herrenreiter, war jedoch anderer Ansicht, Kaum 100 Schritt geritten, kommandierte er „Trab“ und weitere 100 Schritt „Galopp marsch“ und in vollem Sausen ging es das lange Wiesenried hinauf, sonderbarerweise die Bauernpferde, wir hatten 6 im Glied, alle mit. Nun aber kam der Rittmeister nachgesprengt und verwies seinem untergebenen Zugführer „dieses Rasen“ ganz ernstlich. Dieser aber entgegnete schnell: „Jetzt, Herr Rittmeister, ist Krieg, da müssen die Pferde Galopp gehen lernen, nicht Schritt.“ Und dann gings in demselben Tempo an den Ausgangspunkt zurück.
Lange dauerte die Exerziererei aber nicht, denn schon am 31. Juli, als wir eben aus dem Gottesdienst kamen, wurde gesattelt und wir rückten unter vielen Glück- und Segenswünschen der Bevölkerung ab in die Gegend um Annweiler, einem schönen Bergstädtchen.
Im Orte Flemmingen hatten wir nächste Nacht noch einmal Quartier unter Dach bis 3 Uhr früh, wo dann allarmiert wurde. Dann aber, als die Truppen immer dichter kamen und die Krisis näher heranrückte, haben wir 14 Nächte hintereinander unter freiem Himmel auf der bloßen Erde gelegen, sind noch dazu alle Nächte naß geworden bis auf die Haut. Gar mancher junge Soldat holte sich dabei zum mindesten eine Krankheit, und vorbei war mit einemmale der ganze Jubel, der Ernst des Krieges zeigte sich bald in stärkster Form. Aber auch das Pferdematerial litt in dieser Zeit fürchterlich.
Die schmucken neuen Uniformen wurden schon in dieser Zeit schmutzige Lappen, die Pferde abgetriebene Klepper. Dieses vorweg.
Am 2. August trat die 4 Kavalieriedivision als gesonderter Truppenteil zusammen. Kommandeur war Sr. Königl. Hoheit Prinz Albrecht, (Vater) zum Unterschied von Prinz Albrecht (Sohn). Ersterer war der jüngere Bruder vom damaligen König Wilhelm.
Zur Division gehörte:
8. Kav. Brigade (schwere Brigade), Kürassierregiment Nr. 5 und Ulanenregiment Nr. 10. 9. Kav. Brigade (Ulanen-Brigade) Ulanen-Regiment Nr. 1 und Ulanen-Regiment Nr. 6. 10. Kav. Brigade (leichte Brigade), 2. Leibhusaren-Regiment (schwarze) Nr. 2 und Dragoner-Regiment Nr. 5. 2 Batterien reitende Artillerie, Train, Sanität und Fuhrpark.
Am 2. August wurde nach der Grenze zu die erste Feldwache ausgestellt. An diesem Tage verbreitete sich das Gerücht, Bayern wolle entweder neutral bleiben oder sich, um mehr zu erreichen, mit Frankreich verbünden. Da traten uns vor Wut die Tränen in die Augen, wären in diesem Augenblick bayrische Soldaten da gewesen, wer weiß was geschehen. Gott sei Dank, wir wurden recht bald eines besseren belehrt.
Um 7 Uhr abends wurde die Feldwache eingezogen, und das Regiment marschierte nach dem Orte Dannheim, wo biwakiert wurde. Das erste Biwak, nachts der erste Regen. Wir erfuhren an diesem Abend noch vom 1. Gefecht bei Saarbrücken.
Am Abend dieses Tages besuchte das Regiment der Herzog von Gotha. Derselbe ließ alle seine Landeskinder heraustreten und widmete ihnen einige warme Worte. Dann bekamen sie zusammen ein Faß Bier gespendet, und wir mußten wehmütig zusehen.
Den 3. August blieben wir auf derselben Stelle liegen und wurden wieder tüchtig naß. Glücklicherweise war es am Tage immer sonnig.