Kitabı oku: «König Ludwig II. hatte einen Vogel ...», sayfa 2

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»Ein Goldfasan unter Haushühnern!«

Von Geld keine Ahnung, von der Welt nichts gesehen,

aber mit 18 Jahren König von Bayern

Als Ludwig II. am 10. März 1864 das Sterbezimmer seines Vaters Max verließ, verneigten sich die Hofbeamten und einer sprach ihn erstmals mit »Majestät« an. Er soll von dieser Anrede so erschrocken sein, dass er kreidebleich einige Sekunden stehenblieb. Hochaufgeschossen, schlank, bleich und mit dunkelsamtenen Augen schritt er hinter dem Sarg, und im Staatsrat leistete er »schön und herrlich in seiner Jugend Glanz« den traditionellen Königseid. Alle waren sich einig, mit Ludwig den liebenswürdigsten aller Monarchen bekommen zu haben, dessen »Herz rein und unverdorben sei«. Umgeben von den mausgrauen VIP’s der Residenzstadt München, den aufgepuderten Hofdamen und dauergrinsenden Promis seiner Zeit schritt der 18-Jährige Ludwig II. einher »wie ein Goldfasan unter Haushühnern!« Schöner konnte Graf Eulenburg die Präsenz des jungen Königs in München nicht beschreiben. Ludwig stürzte sich in den ersten Monaten nach der Thronbesteigung mit großem Eifer in seine neue Aufgabe, wälzte Berge von Akten, konsultierte seine Minister, gab Audienzen und ließ sich von erfahrenen Beamten beraten. Zwar hatte er eine Gymnasialausbildung hinter sich, einige Universitätskenntnisse in Staatsrecht, aber in Wirtschafts- und Finanzfragen war er überhaupt nicht bewandert. Ebenso hatte er keine Ahnung im Umgang mit dem Militär. Andere Länder hatte er nie bereist, seine Menschenkenntnis war gleich Null und wirkliche Personen seines Vertrauens waren weit und breit nicht zu sehen.

Meuternde Minister wurden sofort entlassen

Dem Ministerium seines Vaters, das ja noch in Amt und Würden war, kam der scheinbar schüchterne und unerfahrene Jüngling gerade recht: Man verständigte sich schnell untereinander, wie man den Willen des jungen Königs brechen und sich in nichts von ihm dreinreden lassen könnte. Doch sie hatten sich verrechnet: Ludwig sprach von »bürokratischer Meuterei« und warf sofort zwei Minister aus dem Amt. Freiherr von Schrenk wurde zur Demission gezwungen. Sie hatten sich im jungen Hupfer mit der Krone erst mal alle getäuscht: König Ludwig II. zeigte, wer Herr im Hause Wittelsbach ist.

Ludwig begegnet seinem »Gott und Erlöser«

War der Rausschmiss der Minister sein erster Streich, so folgte gleich der zweite, die Erfüllung seines sehnlichsten Kinderwunsches, Richard Wagner, dem Schöpfer des Lohengrins, dem Komponisten dieser überirdisch berauschenden Klänge persönlich zu begegnen. »Thränen des Entzückens« hatte er als 15-Jähriger beim ersten Besuch des Lohengrins vergossen, im Jahr darauf berauschte er sich im Tannhäuser und angeblich hatte sein »Gott und Erlöser«, wie er später Wagner bezeichnete, noch gewaltigere Werke in Arbeit: Tristan und Isolde, Götterdämmerung, Walküre. Ludwig ließ sich von Sekretär Pfistermeister sämtliche Münchner Fremdenlisten vorlegen, ohne aber zu sagen, wen er denn suche. Dann bekam Pfistermeister den königlichen Befehl, Richard Wagner aufzustöbern. Als Zeichen seiner Liebe sollte er einen goldenen Ring mit einem Rubin überreichen und den genialen Lohengrin-Schöpfer auf der Stelle zum König bringen. Das war aber gar nicht so einfach: Wagner war im März 1864 total überschuldet aus Wien geflohen, wo gerade sein Hausrat bis auf mehrere Kisten Champagner gepfändet wurde, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass dem armen Schlucker so viel Schampus gehört. Erst tauchte er in Zürich unter, dann versteckte er sich in Stuttgart. Bei seinem ehemaligen Kapellmeister Karl Eckert bekam er was zu Essen, denn selbst dafür fehlte das Geld. »Ich bin am Ende«, schrieb er auf einen Zettel und spielte mit Selbstmordgedanken.


Ludwigs Kabinettssekretär Staatsrat Franz von Pfistermeister (1820–1912) stöberte Richard Wagner in Stuttgart auf und brachte ihn zum König.

Tränen himmlischster Rührung

Am Abend des 2. Mai meldete sich bei ihm Franz von Pfistermeister, der Sekretär des Königs. Wagner ließ sich verleugnen, weil er an einen Trick seiner Gläubiger dachte, um ihn zu pfänden. Dann folgte ein Gespräch unter vier Augen, bei dem ihm Pfistermeister einen goldenen Ring mit einem großen roten Rubin als Zeichen der Liebe des Königs überreichte und tief ergriffen schrieb Wagner an Ludwig II.: »Theurer huldvoller König! Diese Thränen himmlischster Rührung sende ich Ihnen, um Ihnen zu sagen, dass nun die Wunder der Poesie wie eine göttliche Wirklichkeit in mein armes, liebebedürftiges Leben getreten sind! Und dieses Leben, sein letztes Dichten und Tönen gehört nun Ihnen, mein gnadenreicher junger König: verfügen Sie darüber als über Ihr Eigenthum! In höchstem Entzücken, treu und wahr Ihr Unterthan Richard Wagner«.

Am Vormittag des 4. Mai 1864 standen sich dann in der Münchner Residenz der 18-Jährige König und der 51-Jährge Richard Wagner erstmals Aug in Auge gegenüber. Sein »Ein und All«, »Wonne des Lebens«, »erhabener, göttlicher Freund«, »höchstes Gut! Alles!« wie er ihn danach bezeichnete, war leibhaftig in sein Leben getreten. Nach der Audienz schrieb Wagner an die Schriftstellerin Eliza Wille: »Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, dass ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen.« In über 600 Briefen tauschten sich der König und sein Komponist im Laufe ihres Lebens in den unterschiedlichsten Stimmungen und Lebenssituationen aus. Der Ton, mit dem sich beide von nun an begegneten, ist ungewöhnlich, einmalig, enthusiastisch, überschwenglich und nur durch die Einzigartigkeit des Zusammentreffens zweier so außergewöhnlicher Persönlichkeiten erklärbar.



Erster Brief Richard Wagners an Ludwig II. aus Stuttgart, wo ihn Pfistermeister gefunden hatte.

So begannen Ludwigs Briefe in der Regel mit:

»Mein theurer Freund!«

»Mein geliebter Freund!«

»Geliebter, einziger Freund!«

»Geliebter, Heiliger!«

»Innig geliebter, über Alles theurer Freund!«

»Heiß Geliebter! Mein Einziger!«

»Ein und All! Inbegriff meiner Seligkeit!«

»Mein Einziger! Wonne meines Lebens!«

»Mein Feund! Mein Geliebter!«

»Urquell des Lebenslichtes!«

»Einziger! Herr meines Lebens!«

»Großer, unvergleichlicher, über Alles, Alles theurer Freund!«


Richard Wagner, 1864 von Franz Hanfstaengl fotografiert.


»O mein herrlicher, himmlischer Freund!« Wagner und Ludwig als Kitschpostkarte um 1900.

Als wäre er das Echo seines königlichen Bewunderers, begannen Wagners Briefe an Ludwig II. meist so:

»Theurer huldvoller König-!«

»Mein geliebter, theurer König!«

»Mein erhabener, innig geliebter König!«

»Mein stets huldvoller König!«

»Mein inniggeliebter, wundervoller Freund!«

»Mein holder, wunderbarster Freund!«

»Mein wunderbar gütiger Freund!«

»Geliebtester Mensch! Edler holder Freund!«

»Mein Theurer, unermesslich Gütiger, Schöner!«

»O mein herrlicher, himmlischer Freund!«

»Mein lieber, theurer Wunderfreund!«

»Mein hochgeliebter, angebeteter König und Freund!«

Vor der Unterschrift folgten glühende Schwüre bis in den Tod:

»Ihr Freund Ludwig König v. Bayern«

»In ewiger Liebe«

»Ihr bis in den Tod getreuer, glückseliger Ludwig«

»Bis in den Tod!«

»Heiland, der mich beseligt!«

»Heil Dir Du mein Ein und All!«

»Ewig Sein treuer Ludwig«

»Heiliger Freund, beselige mich!«

»Ihr für Sie glühender Ludwig«

»Ihr Eigen Ludwig«

Und als »Knecht und Erlöster« grüßte Richard Wagner seinen König:

»Ihr Unterthan Richard Wagner«

»Eurer Majestät getreuester Unterthan«

»Sein treueigener Unterthan und tiefbeglückter Freund«

»Treu und ewig sein Eigen«

»Bis in den Tod getreu«

»Ihr Eigen, Ihr Erlöster!«

»In ewiger Liebe und Treue«

»In ewiger Liebe und Treue bis in den Tod!«

»Treu und liebend!«

»Ihr treuer Knecht«

»Ihr treues Eigen!«

»Ihr Doppel-Eigen!«

Richard Wagner und die Münchner Schweinehunde

Chaotische Uraufführung von »Tristan und Isolde«

»Ein und All, Inbegriff meiner Seligkeit!«, »Wonne des Lebens!«, »Heißgeliebter, Angebeteter, Herr meines Lebens!«, »Heiland, der mich beseligt!« So begannen von jetzt an die Briefe König Ludwigs II. an Richard Wagner. Und dem von Gläubigern gejagten Komponisten erteilte sein »Ein und All« den königlichen Befehl, den Ring des Nibelungen zu vollenden, Kosten spielen keine Rolle! Stararchitekt Gottfried Semper bekam den Auftrag, auf dem Isarhochufer neben dem Maximilianeum ein kolossales Wagner-Festspielhaus zu bauen. Die Münchner schüttelten den Kopf: Für diesen arroganten Sachsen mit seinen unverständlichen Opern mit unseren Steuergeldern ein eigenes Theater bauen?

Frau des Tristan-Dirigenten bekam Tochter »Isolde« von Richard Wagner!

Aber es kam noch schlimmer: Die Uraufführung von »Tristan und Isolde« stand bevor. Am gleichen Tag, an dem der Dirigent Hans von Bülow die erste Probe leitete, gebar dessen Frau Cosima ein Mädchen, das auf den Namen »Isolde« getauft wurde: Der Vater war aber nicht ihr Ehemann von Bülow sondern Richard Wagner!


Wagner als Schlittschuhläufer auf dünnem Münchner Eis: 1865 brach er ein und fiel in Ungnade.


Während ihr Mann die Tristan Uraufführung dirigierte, bekam Cosima von Bülow eine Tochter von Richard Wagner, die natürlich »Isolde« getauft wurde.


Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld als »Tristan« und »Isolde« in der Uraufführung.


Plakat der Uraufführung von »Tristan und Isolde« 1865 im Münchner Nationaltheater

Der Dirigent warf daraufhin die vordersten Stuhlreihen aus dem Zuschauerraum, weil angeblich die Bühne mehr Platz brauchte: »Was macht’s, ob ein paar Schweinhunde mehr oder weniger im Parkett sitzen!«, zitierte ihn eine Münchner Zeitung und die Premieren-Promis waren entsetzt. Nach der Generalprobe war die »Isolde« Malvina Schnorr-Carolsfeld so heiser, dass die Uraufführung abgesagt werden musste. München brodelte: »Tristan und Isolde unaufführbar?«, oder: »Wagner in Ungnade beim König?« Doch am 10. Juni 1865 ging die »unaufführbare Oper« mit Riesenerfolg zum ersten Mal über die Bühne. Das Publikum war ergriffen, Wagner trat Hand in Hand mit den Sängern beim Schlussapplaus auf die Bühne und Ludwig verneigte sich in der Königsloge huldvoll vor den Künstlern. »Dies war der Höhepunkt, von nun an nur noch Leiden«, notierte Wagner danach in sein Tagebuch.

Wagners gescheiterter Sturz der Minister »Pfi und Pfo«

Dem künstlerischen folgte ein menschlicher Höhepunkt: Im November 1865 wohnten beide eine Woche in Hohenschwangau, fuhren vierspännig durchs Herbstlaub und Wagner weckte den König mit Lohengrin-Posaunen vom Schlossturm. Aber die Idylle trügt: Wagner hatte in München inzwischen mehr Feinde und Neider als Bewunderer. Das viel zu teure Festspielhaus, der aufwendige Lebensstil, die kostenlose Villa, das g’schlamperte Verhältnis mit Cosima und seine hochnäsige Art – die Münchner konnten mit ihm einfach nix anfangen!




Ludwig II. und Richard Wagner waren ein gefundenes Fressen für die Karikaturisten: Die jaulenden »Münchner Schweinehunde«, denen man die Promi-Stuhlreihen genommen hatte, Wagners unglaubliche Honorarforderungen und ein wütender König vor leerem Geldschrank.

Doch Richard Wagner begann nun den Bogen zu überspannen. Die Schwierigkeiten, die sich bezüglich seiner Festspielhauspläne, seines aufwendigen Lebensstils und seiner Bezahlung durch den König ergeben hatten, glaubte er jetzt politisch mit einem Sturz seiner Hauptgegner, der Minister »Pfi und Pfo« überwinden zu können, gemeint waren dabei Franz von Pfistermeister und Ludwig von der Pfordten. Die Umsturzgerüchte waren ein gefundenes Fressen für die Münchner Presse: »Eure Majestät stehen auf einem verhängnisvollen Scheideweg« – was nichts anderes hieß als: Richard Wagner oder der König. Eine Art Bürgerinitiative forderte mit 4000 Unterschriften die Entfernung des arroganten und unverschämt teuren Komponisten aus der Stadt. Wie aufgewühlt der König war, sieht man schon daran, dass er erstmals seine Mutter um Rat fragte, dann seinen Vetter Carl, den Erzbischof, die Professoren der Universität und auch sein gesamtes Kabinett. Alle waren gegen Wagner, und Ludwig hatte keine andere Wahl: Wagner wurde der königliche Befehl überbracht, München zu verlassen: Am 10. Dezember 1865 um 5 Uhr früh stieg Richard Wagner mit seinem Hund »Peps« in den Zug in Richtung Schweiz.

Eklat bei Meistersinger-Premiere

»Ich juble vor himmlischem Entzücken, ich rase vor Wonne«, ließ der König zwei Jahre später Richard Wagner wissen, als im März 1867 die Luft in München wieder rein war für ein Wiedersehen anlässlich der Meistersinger-Uraufführung. »O bleiben Sie nun da, Angebeteter, für den einzig ich lebe, mit dem ich sterbe. O Tag des Heiles! Wonnezeit!« Doch die »Wonnezeit« trat nicht ein, beide stritten sich um Sängerbesetzungen und Aufführungsdetails und die Festspielhauspläne waren am Widerstand der Münchner endgültig gescheitert. Bei der Uraufführung der »Meistersinger« am 21. Juni 1868 kam es dann zum Eklat, aber nicht zwischen dem König und Wagner, sondern zwischen dem Publikum und dem König: Ludwig ging schon länger allen Promis und Blaublütigen aus dem Weg, so auch bei der Uraufführung der Meistersinger im Nationaltheater: In der Königsloge saß er alleine an der Seite von Richard Wagner und verschwand nach jedem Akt hinter einem Vorhang. Dafür schickte er Wagner vor an die Brüstung der Loge und befahl ihm, sich an seiner Stelle dem Publikum zu zeigen.


Wie in dieser Karikatur versteckte sich Ludwig II. bei der Meistersinger-Premiere hinter Richard Wagner.

Die Premieren-Promis waren wie gelähmt, dieser unverschämte Richard Wagner nimmt jetzt auch schon die Stelle des Königs ein! Obwohl Ludwigs überschäumende Verherrlichung Richard Wagners im Laufe der Jahre abgeklungen war, ließ der König sein »Ein und All« in dessen Finanzproblemen nicht im Stich. Auch in das Festspielhaus, das jetzt in Bayreuth gebaut wurde, steckte er gewaltige Geldsummen und war auch bei der Eröffnung dabei. Das Verhältnis Ludwig II. und Richard Wagner war eine einzigartige Beziehung zwischen Macht und Geld, von Musik-Genie und menschlicher Größe, und beide lebten ihrer Zeit weit voraus: Wäre das Festspielhaus wie geplant in München gebaut worden: Millionengewinne hätte die Stadt mit ihrer Gastronomie alljährlich eingefahren. Und Gerd Käfer wäre nicht der einzige geblieben, der in den 70er Jahren jedes Jahr an Richard Wagners Geburtstag an seinem Denkmal neben dem Prinzregentheater einen Kranz niederlegte, weil in Wagners Opern in den Pausen am meisten gegessen und getrunken wurde!


Gerd Käfer 1972 am Richard-Wagner-Denkmal.


Gottfried von Semper zeigt Ludwig II. und Richard Wagner das Modell des Münchner Festspielhauses.

Mit Prinzessin Sophie verlobt und in den Stallburschen Richard Hornig verliebt

Ludwig nach 259 Verlobungstagen:

»Nicht ging das Entsetzliche in Erfüllung:

mein Hochzeitstag sollte heute sein«

»Ein Wittelsbacher liebt die Frauen«, schrieb einmal König Ludwig I., und die Schar seiner Geliebten vor und während seiner Ehe ist kaum aufzuzählen, auch die »Schönheitengalerie« in Schloss Nymphenburg zeigt nur einen Teil seiner Liebschaften. Bei seinem Enkel König Ludwig II. war das ganz anders … Es gibt kein einziges Dokument, das auch nur den leisesten Verdacht aufkommen ließe, Ludwig II. hätte mit einer Frau auch nur die flüchtigste sexuelle Beziehung gehabt. Dafür war Ludwig II. 259 Tage lang mit seiner Cousine Prinzessin Sophie, der Schwester von Kaiserin Elisabeth von Österreich verlobt, mit der es außer flüchtig-steifen Küsschen auf die Stirn der Braut zu keinen näheren Kontakten kam.

Ludwigs seltsame Brautschau

Nachdem Richard Wagner aus München verbannt war, gab es in Ludwigs nächster Umgebung nur noch die hochmusikalische Sophie, mit der er »über R. Wagners merkwürdiges, ergreifendes Geschick« sprechen konnte, die er als »theilnehmende Seele voller Geist« beschrieb, und »deren Los eine gewisse Ähnlichkeit« mit seinem aufweise: »Wir leben in Mitte einer Umgebung, die uns nicht begreift und falsch beurtheilt.« So schickte Ludwig seiner »theilnehmenden Seele« von Schloss Berg ins gegenüberliegende Possenhofen nette Briefchen und brachte bei urplötzlichen Besuchen Blumen und Süßigkeiten mit, »kleine Artigkeiten, die unter Verwandten ganz unauffällig waren«, wie Justizminister von Bomhard schrieb. Doch diese Rendezvous im Geiste Richard Wagners wurden von Sophies Mutter Ludovica misstrauisch beobachtet. Die Wagnerschwärmerei kann doch nicht der einzige Grund sein: Sophie war eine heiratsfähige Prinzessin, bei der so vertraute Besuche eines Junggesellenkönigs für reichlichen Hofklatsch sorgten. Herzogin Ludovica sprach das heikle Thema am 12. August 1866 unverblümt an und Ludwig war geschockt: »Wie schauderhaft mißlungen war mein gestriger Besuch! Der Eindruck, den ich erhielt war für mich ein so fataler, dass ich im ganzen heurigen Sommer nicht wieder hinüberkommen werde!«, schrieb er an Sophie. Ludovica deutete den Rückzieher anders: Vielleich war Ludwig einfach zu schüchtern, um Sophie seine Liebe zu erklären. Das sollte jetzt von Mann zu Mann besprochen werden und so wurde Sophies Bruder Carl Theodor nach Schloss Berg geschickt, doch auch der entdeckte keinerlei königliches Heiratsinteresse. Das war Mutter Ludovica zuviel und sie verbot sofort jeden weiteren Briefwechsel mit ihrer Tochter Sophie.


Das offizielle Verlobungsfoto: Ein glückliches Brautpaar sieht anders aus ...

Blitzverlobung im Morgengrauen

Anfang 1867 wendet sich plötzlich und in atemberaubender Geschwindigkeit das Blatt: Am 19. Januar sahen sich beide auf dem Hofball in der Residenz und zwei Tage darauf, am 21. Januar auf einem Ball im Hotel Bayerischer Hof. Am frühen Morgen des nächsten Tages kam Ludwig zu seiner Mutter und bat sie, bei Tante Ludovica um die Hand ihrer Tochter Sophie anzuhalten! Um 9.00 Uhr früh war dies erledigt und wenige Stunden später bestätigte der König an der Hoftafel seine Verlobung mit Sophie! Abends geleitet er sie in der Oper Arm in Arm aus der Herzogsloge in die Königsloge und jetzt wusste auch ganz München: König Ludwig II. wird heiraten! Um 22.00 Uhr erfuhr per Telegramm auch Richard Wagner die frohe Botschaft etwas verschlüsselt in Figuren aus Wagners Opern »Meistersinger« und »Siegfried«: »Dem theuren Sachs theilt Walther selig mit, dass Siegfried seine Brünnhilde fand«.

Ludwigs Flucht von Sophie zu Maria Stuart

Doch Ludwigs Begeisterung für die Blitz-Verlobung war genauso blitzartig wieder dahin: »Als man dem König nun vorträgt, dass das für das Land freudige Ereignis dem Landtag mitgeteilt, Deputationen empfangen, Festlichkeiten aller Art veranstaltet werden müssten«, meinte der König: »Jetzt schon? Ich dachte, das hätte noch Zeit …«. Ludwig verbat sich »Einzelbeglückwünschungen« und ergriff schon beim ersten gemeinsamen Hofball die Flucht. Das gesamte diplomatische Corps hatte sich in der Residenz versammelt um die künftige bayerische Königin zu sehen. »Der König erschien gegen neun Uhr und führte die Frau des Hauses zu einer Quadrille; neben ihm tanzte seine Braut an der Hand des österreichischen Gesandten«, wie die »Neuesten Nachrichten« meldeten. Ludwig hatte seine Cheveaulegers-Uniform angelegt, seine Braut erschien ganz in den Landesfarben Weiß und Blau. Der Bräutigam begrüßte artig Brautmutter Ludovica und Brautvater Herzog Max, aber dann war für ihn der Verlobungsball gelaufen: »Er schritt mitten im Gewühl der Gäste« nur eine Stunde später gegen 22.00 Uhr auf Justizminister Eduard von Bomhard zu, »fragte nach der Uhr und weiter, ob er wohl noch vor Ende des Stückes – ein Drama von Schiller – ins Theater kommen werde«. Bomhard erinnerte sich weiter, dass er den König darauf aufmerksam machte, »dass aller Augen auf ihn gerichtet seien, und was man von mir denke, wenn ich vor ihm stehend auf die Uhr sähe: ›Er würde sich vor mich stellen‹. Er tat so, und ich konnte unbemerkt die Uhr ziehen und ihm sagen, dass er wohl noch einen Teil des Stückes sehen könne, aber ob es wohl der hohen Braut wegen angehe, dass er jetzt schon das Fest verlasse? Er grüßte mich kurz, und bald darauf hieß es: ›der König ist fort‹. Ob er sich von der Braut wirklich nicht verabschiedet hat, wie von den erstaunten Gästen behauptet wurde, weiß ich nicht.«


Steif und förmlich: Ludwig II. als unglücklich Verlobter von Prinzessin Sophie.

»Lieber spring ich in den Alpsee«

Wenig später saß Ludwig in der Königsloge des Hoftheaters und erlebte gerade noch, wie Maria Stuart aufs Schafott geführt wird. Im Schutze des Schlussapplauses verließ er das Theater und fuhr mit Hofsekretär Lorenz Düfflipp hinaus nach Schloss Berg, weit weg von dieser »unseligen Stadt«. Düfflipp erinnerte sich später, dass er plötzlich ohne Zusammenhang sagte: »Lieber spring ich in den Alpsee … lieber in den Alpsee«. Die Münchner bekamen von dem seltsamen Verlobungspaar natürlich noch weniger zu sehen als die Gäste auf dem Verlobungsball: »Es zeigte sich selten auf der Straße, im Theater bei Festen«. Ludwig ließ keine Gelegenheit aus, um aus seinem ungeliebten München und seiner Bräutigamrolle zu entfliehen: Mit seinem Bruder Otto verschwand er für längere Zeit nach Eisenach, dann wiederum waren die Osterfeiertage ein willkommener Anlass, sich für längere Zeit unsichtbar zu machen: Zusammen mit seiner Mutter wollte er ausgedehnte Ausflüge in Italien machen, bei denen sie auch den Großvater Ludwig I. in Rom besuchen könnten, »so daß die Abwesenheit des Königs voraussichtlich sechs Wochen betragen wird«, wie die Neuesten Nachrichten am 8. April 1867 den Münchnern meldeten.


Richard Hornig durfte sich in der Signatur Ludwigs II. in dessen Tagebuch verewigen, als Zeichen »nie voneinander zu lassen bis zum Tode«.


Ludwigs erste große Männer-Liebe: Richard Hornig

Dann kam der verhängnisvolle 6. Mai 1867, über den Ludwig II. noch fünf Jahre später in einem Brief an seinen königlichen Stallmeister Richard Hornig schwärmte, »daß wir uns an jenem seligen 6ten Maitag 1867 kennen lernten, um uns nie mehr zu trennen, und nie von einander zu lassen bis zum Tode«. Richard Hornig war vier Jahre älter als Ludwig, hatte strahlend blaue Augen und blonde gewellte Haare, war ein sportlicher Reiter und schwärmte wie Ludwig über Richard Wagners Lohengrin. Im Herbst 1866 begleitet er den König bei einer Rundreise durch die fränkischen Provinzen und war seit dem Frühjahr 1867 sein ständiger Begleiter bei den Ausritten des Königs am Starnberger See. Doch jetzt hatte es zwischen dem frischverlobten König und Richard Hornig so gefunkt, dass sie »nie mehr voneinander lassen« wollten »bis zum Tode« und als Zeichen ihrer Verbundenheit schrieben beide ihre Vornamen ineinander verschnörkelt in Ludwigs geheimes Tagebuch. Richard wurde sein Privatsekretär, verwaltete die gesamte Korrespondenz und damit er immer in seiner Nähe in Schloss Berg sein konnte, schenkte ihm der König eine feudale Villa im nahegegenen Assmanshausen.


Zu jedem neuen Hochzeitstermin wurde eine neue Münze geprägt: 25. August, 12. Oktober, 28. November 1867.


Links: Eine »Königin Sophie von Bayern« gab’s nur auf dem Papier, »Die Vermählung Ihrer Majestäten« fand nur auf den Erinnerungsblättern statt.

»Er liebt mich nicht, er spielt nur mit mir!«

Spätestens jetzt scheint Ludwig bewusst geworden zu sein, dass eine Ehe mit Prinzessin Sophie zur Katastrophe für beide werden würde.

Nach außen hin bewahrte er aber immer noch den Anschein eines besorgten Bräutigams und ließ die Hochzeitsvorbereitungen auf vollen Touren weiterlaufen. In der Münchner Residenz wurden die Hofgartenzimmer für die künftige Königin renoviert und Gedenkblätter an die Königshochzeit gedruckt. Die Silber-Medaillen mit dem Doppelportrait von Ludwig und Sophie mussten allerdings mehrmals geprägt werden, weil Ludwig alle paar Wochen den Hochzeitstermin verschob. Einmal donnerte in einer Testfahrt sogar die nagelneue goldene Hochzeitskutsche für eine Million Gulden durch die Innenstadt. Die Hochzeitsvorbereitungen verschlangen so viel Geld, dass man sie später als Grund anführte, das Wagner-Festspielhaus nicht finanzieren zu können. Bei einem anderen merkwürdigen »Probelauf« fiel seine Verlobte allerdings in Ohnmacht: »Eines Abends erschien er von einem Herrn begleitet, der die Krone der Königin aus der Schatzkammer mitgebracht hatte. Der König setzte sie ihr auf. Nach dem Weggehen fiel sie ihrer Hofdame, der Baronin Sternbach weinend um den Hals: ›Er liebt mich nicht, er spielt nur mit mir!‹«, wie Gottfried Böhm schrieb.


Die Königinnenkrone, vorne, mit der Ludwig II. eine »Probekrönung« inszenierte.

»Ich habe mich übereilt«

Auch den Münchnern blieben die seltsamen Hochzeitsvorbereitungen nicht verborgen »und in der Tat kursierte bald der Ausspruch ›Ich habe mich übereilt!‹«, wie ein Zeitgenosse schrieb. Ludwig hatte sich aber nicht nur »übereilt«, sondern längst erkannt, kein Eheleben mit einer Frau führen zu können. Diese Erkenntnis lastete »wie eine Alp« auf ihm, »folterte« ihn »fürchterlich, verfolgte ihn wie eine ›lebensgefährliche Krankheit‹«, wie er am 19. Oktober Richard Wagner gestand. »Wenn ich nun alle Vorbereitungen zur Hochzeit treffen ließ (mit) dir darüber redete und schrieb, sie hinausschob und doch nicht aufgeben wollte, so geschah dies durchaus nicht um Dich anzuführen … o nein, hintergehen wollte ich Dich nicht, ich handelte im festen Glauben, es würde alles zu einem befriedigenden Ende führen«, gestand er später seiner Braut.

»Sophie abgeschrieben«

Nach einem Ultimatum von Sophies Vater Herzog Max war der Leidensdruck so groß geworden, dass Ludwig II. am 7. Oktober endlich zu einer Entscheidung fähig geworden war: »Sophie abgeschrieben, das düstere Bild verweht, nach Freiheit verlange ich, nach Freiheit dürstet mich, nach Aufleben von qualvoller Alp«, schrieb er in Hohenschwangau in sein Tagebuch. Und an Richard Wagner: »Nun ist mir so wohl zu Muthe, ich atme wieder frei auf, erwache wie aus einem düsteren Traum und nun, da der innere Friede, der so lange mich geflohen hatte, wieder eingezogen ist in meine Seele, nahe ich wieder dem Freunde. O nun ist Alles wieder gut! Wie erstanden, genesen nach lebensgefährlicher Krankheit fühle ich mich!« Der alte Fuchs Richard Wagner hatte es schon früh geahnt, und jetzt hatte es sich bestätigt: Ludwig II. liebt Männer und keine Frauen.

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