Kitabı oku: «Fromme Industrie», sayfa 8

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Die amerikanischen Filialen

Im Frühling 1853 sandte die Firma Benziger den zwanzigjährigen Adelrich B.-Koch in die USA, um dort eine Filiale zu errichten. Was bewegte die damaligen Geschäftsinhaber, Adelrichs Vater Nikolaus B.-Benziger I und dessen Bruder Josef Karl B.-Meyer, die selbst ihr Leben lang nie einen Fuss auf amerikanische Erde gesetzt hatten, zu diesem Schritt? Weshalb wurden die ersten Filialgeschäfte gerade im weit entfernten New York errichtet und nicht in Paris, Wien, Rom oder London, oder noch naheliegender in einer deutschen Bischofsstadt wie Köln, Regensburg oder Freiburg?

Die Expansion der Firma Benziger über den Atlantik wird verständlich, wenn wir sie in den Kontext der europäischen Auswanderungsgeschichte einbetten. Rund fünfzig Millionen Europäer wanderten zwischen 1850 und 1950 nach Nordamerika aus, davon rund fünf Millionen Deutsche und eine halbe Million Schweizer.253 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Mehrheit der europäischen Auswanderer Protestanten. Um die Jahrhundertmitte änderte sich das Verhältnis. Nun waren es Massen von Katholiken aus Irland, aber auch aus dem heutigen Deutschland, Polen und einigen Ländern Osteuropas, die vor allem in die USA auswanderten.254 Die Auswanderungsbewegung verlief wellenförmig. In Zeiten landwirtschaftlicher Versorgungsengpässe, etwa nach dem «Jahr ohne Sommer» 1816 bis 1819, während der Kartoffelpest 1847 bis 1854 oder nach der Agrarkrise zwischen 1878 und 1884, verliessen besonders viele Menschen ihre europäische Heimat in Richtung überseeischer Destinationen.255

Die Gründung der ersten Filiale in den USA im Jahr 1853 fiel also in die Endphase einer Reihe von Jahren mit erhöhten Auswanderungszahlen. Die Firma Benziger folgte den europäischen Auswanderern quasi über den Atlantik und versuchte, unter ihnen einen neuen Absatzmarkt für ihre Firma zu schaffen. Es ist denn auch kein Zufall, dass die Firma Benziger ihre ersten Filialen in New York, Cincinnati und St. Louis errichtete, wo grosse katholische und insbesondere deutschsprachige katholische Gemeinschaften bestanden.256

Das lokale Umfeld in Einsiedeln begünstigte dabei den Schritt über den Atlantik. Der Bezirk Einsiedeln war schweizweit eine jener Regionen mit den höchsten Auswandererraten. Zwischen 1850 und 1900 wanderten rund 2000 Einsiedler in die USA aus. Man kann davon ausgehen, dass sich in Einsiedeln bereits in der ersten Jahrhunderthälfte eine «Migrationskultur» in die USA herausgebildet hatte.257 Der Entscheid zur Filialgründung in den USA war eng mit dieser bereits bestehenden Tradition der Einsiedler Amerikawanderung verbunden.258

Die Anfänge der amerikanischen Filialen bis 1860

Mit dem amerikanischen Markt kam die Firma Benziger zum ersten Mal um 1830 in Kontakt, über Auswanderer aus der Region Einsiedeln. Die Familiengeschichte erwähnt insbesondere Franz Joseph Schönbächler, der «ein feuriger Patriot und Freiheitsmann» und «eifriger Lobpreiser des Landes Washingtons und seiner Freiheiten» gewesen sein soll. Schönbächler wanderte Anfang der 1830er-Jahre in die USA aus und liess sich in Louisville, Kentucky, nieder, wo er zusammen mit seiner Frau «eine kleine Handlung» mit Waren aus dem Benziger Verlag betrieb, die er direkt aus Einsiedeln importierte. Schon früher aber soll die Firma Benziger Beziehungen zu Schweizer Auswanderern in Philadelphia und Cincinnati gepflegt haben, die ebenfalls Verlagsware aus Einsiedeln in die USA importierten.

Die frühen Kontakte in die USA erscheinen insgesamt etwas zufällig und wenig koordiniert. Die eigentliche Vorarbeit für die späteren Filialen begann erst mit der Entsendung von Louis Meyer, einem engen Vertrauten der Familie Benziger. Meyer, geboren im französischen Lothringen, kam als junger Mann nach Einsiedeln und war lange Jahre Hauslehrer im Hause Benziger und Schreibkraft im Verlagsgeschäft. Angesteckt vom allgemeinen «Auswanderungsfieber» reiste Meyer 1837, von der Verlegerfamilie ermutigt und von der Firma finanziell unterstützt, zunächst nach Philadelphia und später nach Cincinnati, wo er einen Buchladen mit katholischer Literatur eröffnete. In dieser Zeit scheinen sich die Geschäftsbeziehungen nach Amerika verstetigt zu haben. Die Firma Benziger stand in regem Austausch zu einigen Pfarreien und Missionen, vor allem im Mittleren Westen der USA und insbesondere mit dem Jesuitenorden, der sich intensiv mit der Bildung der Immigrantenbevölkerung beschäftigte. Für die Zeit zwischen 1843 und 1849 sind mehrere umfangreiche Bestellaufträge von Büchern, Bildern, Rosenkränzen und Devotionalien überliefert, die Jesuiten in St. Louis, Missouri, bei Benziger in Einsiedeln tätigten.259

Louis Meyer ging in den folgenden Jahren verschiedene geschäftliche Verbindungen mit deutschen, schweizerischen und französischen Handelsleuten ein. Zwischen 1841 und 1849 sind drei Reisen nach Einsiedeln überliefert. 1850 verkaufte Meyer sein Geschäft an Joseph Nurre (1819–1895) aus Westfalen und seinen Schwager mit dem Nachnamen Kreuzburg, die es unter dem Namen Kreuzburg & Nurre weiterführten. Die Firma Benziger, der Meyer ebenfalls ein Kaufangebot unterbreitet hatte, wollte das Geschäft damals noch nicht auf eigene Rechnung übernehmen mit dem Argument, kein Familienmitglied zur Leitung des Geschäfts in den USA entbehren zu können. Drei Jahre später kam es schliesslich doch noch zu einem Handelsvertrag zwischen Meyer und der Firma Benziger. 1853 wurde in New York das Filialgeschäft «Gebrüder Benziger und Louis Meyer» gegründet. Die Leitung musste sich Meyer mit dem damals erst zwanzigjährigen Adelrich B.-Koch teilen. Nach dem Tod von Louis Meyer zwei Jahre später ging das Filialgeschäft ganz in den Besitz der Firma Benziger über. Im Jahr 1857 wurde Adelrich B.-Koch als Leiter des Filialgeschäfts von seinem vier Jahre jüngeren Cousin J. N. Adelrich B.-von Sarnthein abgelöst. 1860 wurde diesem Louis B.-Mächler, der jüngste Bruder von Adelrich B.-Koch, zur Seite gestellt. Im selben Jahr übernahm die Firma Benziger Kreuzburg & Nurre, das damals einzige grössere Konkurrenzunternehmen im Bereich des deutschsprachigen katholischen Buchhandels in den USA, und errichtete eine zweite Filiale in Cincinnati. Für ein knappes Jahrzehnt hatte die Firma Benziger in den USA – unter dem Namen «Benziger Brothers» – eine Monopolstellung inne.260

Das amerikanische Geschäftsmodell

Der Handel mit katholischer Ware war in den USA ein zunehmend lohnendes Geschäft. Noch 1820 lebten auf dem Gebiet der damaligen USA weniger als 200 000 Katholiken. Im Zuge vor allem der irischen und der deutschen Einwanderung erhöhte sich ihre Zahl bis 1850 auf rund 1,6 Millionen. Im Jahr 1860 lebten allein in New York 400 000 Katholiken. Bis 1900 stieg die Zahl der Katholiken – nun vermehrt auch Italiener, Osteuropäer, Frankokanadier und Mexikaner – landesweit auf über zwölf Millionen.261 Auch das Netz der katholischen Pfarreien – die Kerninstitutionen im amerikanischen Katholizismus –, die vor allem in ländlichen Gebieten für viele Immigranten sozial eine enorm wichtige und integrative Rolle spielten, wurde immer dichter.262 Kurz: Die potenzielle Käuferschaft der Verlagsprodukte in den USA wurde zahlreicher, der Markt grösser.

Die katholische Kirche in den USA war im 19. Jahrhundert hauptsächlich eine Kirche von Immigranten. Verschiedene Studien über die europäische Auswanderungsgeschichte im 19. Jahrhundert haben gezeigt, dass die Wanderung von der Alten in die Neue Welt selten zu einer «Entwurzelung» der Menschen führte, sondern, dass sie häufig ihre heimatliche Lebensform in die neue Heimat «verpflanzten». Zu dieser «Verpflanzung» gehörten wie selbstverständlich auch kirchliche Strukturen und der Bau von Kirchen.263

Religion und Nation gingen dabei Hand in Hand. Dies zeigt sich etwa bei den Pfarreien, die in der Regel nach ethnisch-nationalen Kriterien beziehungsweise nach Sprachgruppen organisiert waren. Es gab deutsche, irische, polnische, tschechische Pfarreien und andere mehr. Dasselbe Phänomen lässt sich auch innerhalb der katholischen Literatur beobachten. So entstanden neben den älteren amerikanischen Verlagshäusern auch Häuser, die sich gezielt auf die spirituellen Bedürfnisse der irischen, polnischen, tschechischen oder deutschen Bevölkerung ausrichteten. Die katholischen Verlage waren dabei ein integraler Bestandteil eines konfessionellen Bildungsnetzwerks, zu dem nicht nur Schulen und Colleges gehörten, sondern auch Klöster und Missionsstationen, Lesezirkel, Pfarreibibliotheken, Sommercamps für Jugendliche und religiöse Sodalitäten. Die Förderung «guter», edukativer Lektüre war ein Kernanliegen innerhalb dieser Zirkel.264

Im Falle der Benziger Brothers dürfen wir davon ausgehen, dass auch die Tausenden von schweizerischen, österreichischen und deutschen Wohltätigkeits-, Unterstützungs-, Gesangs-, Sport- und Freizeitvereinen, die im 19. Jahrhundert entstanden und teilweise auch Bibliotheken unterhielten, dem Absatz förderlich waren. Über die Position der Benziger Brothers in diesen Netzwerken lässt sich allerdings wenig Konkretes sagen. Es scheint ihnen aber mühelos gelungen zu sein, ihre privilegierte soziale Stellung der Herkunftsregion in den USA zu reproduzieren. Die hohe soziale Stellung äusserte sich in verschiedenen Ehrenämtern. J. N. Adelrich B.-von Sarnthein beispielsweise wurde 1864 vom Schweizer Bundesrat zum ersten Konsul von Cincinnati ernannt. Sein Cousin Louis B.-Mächler war Mitglied im elitären «Catholic Club» in New York, Vizepräsident des katholischen St.Raphaelhilfswerks sowie Mitbegründer des «Leo House», einer karitativen Einrichtung für deutschsprachige Einwanderer, und einer Sparkasse auf Long Island. Nikolaus B.-Benziger II war 1891 in New York Gastreferent an der Feier zum 600-jährigen Bestehen der Schweiz.265

Die Filiale in New York konzentrierte sich zunächst auf den Import von Verlagswaren, die im Mutterhaus in Einsiedeln hergestellt wurden, in erster Linie Gebetbücher. 1860 wurde in Cincinnati eine fabrikmässig betriebene Buchbinderei eingerichtet, die im Jahr 1871 nach New York verlegt wurde. Mit allen amerikanischen Filialgeschäften verbunden waren jeweils einer oder mehrere «Stores» für Bücher; verkauft wurden aber auch Andachtsbilder, Devotionalien und Kirchenornamente.

Die Firma war bestrebt, ihre Verlagswaren durch hohe Auflagenzahlen möglichst billig zu halten und so auch ärmere Haushalte zu erreichen. Die billigsten religiösen Statuen im Angebot, rund sechs Zentimeter kleine Marien- und Josefdarstellungen aus Biskuitporzellan, kosteten gerade mal vier Cents.266 Auch bei den Gebetbüchern legte man grossen Wert auf tiefe Preise. «In der grossen Auflage liegt der Verlegernutzen», schrieb das Mutterhaus im Mai 1866 nach Amerika.267 Vor allem «kleine Gebetbüchlein» mit «volksthümlicher Richtung» sollten in den USA gefördert und «wissenschaftliche, politische oder grössere Werke, die nur Ehre aber keinen Nutzen bringen» strikt ignoriert werden.268

Der Gebetbücherhandel bildete auch in den USA das beständigste Fundament der Firma.269 Die amerikanischen Geschäfte begnügten sich allerdings nicht mit dem Import von in Einsiedeln produzierter Verlagsware. Finanziell weit «glänzigere Erfolge», wie es in den Quellen heisst, brachte ihnen der Bilder-so-wie vor allem der Paramenten- und Kirchenornamentenhandel.270 Schon bald hatte man nämlich mit dem Import von religiösen Statuen, Kelchen, Kreuzen, Gemälden, Altarbildern, Kronleuchtern, Kirchenfenstern und anderem begonnen. In Verlagsanzeigen wurden etwa auch diverse Fahnen und Flaggen für Kirchen und Schulen sowie Plaketten, Auszeichnungen und Schärpen speziell für Vereine angepriesen. Die Kirchenfenster importierte die Firma von der Mayer’schen Hofkunstanstalt in Wien, später von der Königlichen Bayerischen Hofglasmalerei F. X. Zettler in München. Die von Benziger vertriebenen Kirchenfenster zierten, wenn man der Verlagswerbung Glauben schenkt, Kirchen in den ganzen USA, von Boston bis Texas.271 Die religiösen Statuen stammten zunächst auch von Mayer, später von der Pariser Firma Froc, Robert & Co., mit der die Firma Benziger 1885 einen Exklusivvertrag für die USA abschloss.272 Die Textilien für die Paramente importierte man zumeist aus Frankreich, häufig von Handelsunternehmen in Lyon. Die weitere Verarbeitung erfolgte in den USA, zunächst in Heimarbeit und später in fabrikmässigem Betrieb. Die Kirchenornamente, welche die Firma Benziger in den USA im Angebot hatten, stammten teilweise ebenfalls aus Europa. 1864 übernahm die Firma in New York ein kleines Fabrikationsgeschäft für Monstranzen, Messkelche und Ziborien und betrieb ein eigenes Atelier. Später stellte das Atelier auch religiöse Medaillen und ab etwa 1890 auch Kruzifixe, Kandelaber, Lampen, Kronleuchter und ähnliche Artikel in Metall für Kirchen her. 1894 bezog die Firma in Brooklyn ein eigenes Fabrikgebäude mit einer eigenen Giesserei, wo die verschiedenen technischen Betriebe – die Fabrikation von Kirchenornamenten, die Buchbinderei, die Paramentenstickerei – zusammengeführt wurden. Mit ihren Fabrikaten erhielten sie mehrere Auszeichnungen, so etwa das Ehrendiplom und die goldene Medaille für ihre Kirchenornamente an der Vatikanischen Ausstellung 1888 in Rom oder das Diplom für die «beste Arbeit im Produziren von Kirchenornamenten in Gold, Silber und platinirt und strengem Festhalten an correctem kirchlichem Styl». Im selben Jahr folgte der Ehrentitel «Päpstliches Institut für christliche Kunst».273

Daneben wurde der Bücher- und Zeitschriftenverlag kontinuierlich erweitert. Englische Literatur löste die deutsche ab den 1870er-Jahren zunehmend ab. Der französische Verlag wurde in den 1890er-Jahren völlig aufgegeben. Herausgegeben wurden Schulbücher, Betrachtungsbücher, Katechismen, biblische Geschichten, ab 1872 eine speziell für katholische Schulen geschriebene Serie deutscher Lesebücher, ab 1874 eine erfolgreiche Serie englischer Schulbücher von Richard Gilmour (1824–1891), dem Bischof von Cleveland. In den 1880er-Jahren folgte die Schullesebücherreihe «Catholic National Readers». Hinzu kamen Bücher speziell für Geistliche sowie populäre religiöse Bücher aller Art. Bei den periodischen Schriften zu erwähnen sind in erster Linie das traditionsreiche Blatt «Der Wahrheitsfreund» (ab 1837), das ab 1866 von der Firma Benziger verlegt wurde, der Kalender «Cincinnatier Hinkende Bote» (1862–1906) sowie das Jahrbuch «Catholic Home Annual» (ab 1884). Bereits ab den 1850er-Jahren wurde der «Einsiedler Kalender», der erfolgreichste deutschsprachige Volkskalender seiner Zeit, in einer gezielt auf den amerikanischen Markt angepassten Version in den USA vertrieben. Die Auflage in Amerika betrug bereits nach wenigen Jahren mehr als 50 000 Exemplare.274 Etwas weniger Erfolg beschieden war der Familienzeitschrift «Alte und Neue Welt», die 1866 in den USA und ein Jahr später in Europa lanciert wurde. Die Zeitschrift erreichte insgesamt zwar eine Auflagenzahl von über 70 000 Exemplaren, in den USA stieg die Zahl der verkauften Exemplare aber nie über einige Tausend.

Noch in den 1890er-Jahren galt die Firma Benziger als eines der führenden katholischen Verlagshäuser in den USA.275 Die Zeiten, in denen man von einer Monopolstellung innerhalb des deutsch-amerikanischen Katholizismus profitieren konnte, waren allerdings längst vorbei. Konkurrenzfirmen wie Pustet (ab 1868 in Cincinnati und New York), Herder (ab 1873 in St.Louis) und andere errichteten ebenfalls Filialgeschäfte in den USA. Jay Dolan zählte für die 1890er-Jahre allein in New York insgesamt 68 Verlagshäuser, die katholische Bücher, Zeitschriften und Bilder herausgaben.276 Auch Handelspartner wie die Mayer’sche Kunstanstalt (ab 1888 in New York) nahmen den Vertrieb ihrer Waren in den USA zunehmend in die eigenen Hände.

1897 lösten sich die amerikanischen Benziger-Filialen organisatorisch vom europäischen Mutterhaus. Der Kontakt zwischen den beiden Firmen, die über Verträge miteinander verbunden blieben, und zwischen den Besitzerfamilien brach allerdings nie vollständig ab. Die kirchliche Kunst als Massenprodukt, wie sie Benziger herstellte, war in den USA ab den 1920er-Jahren immer weniger gefragt.277 Im Bereich der katholischen Literatur, Schulbücher und Katechismen behielt die Firma aber eine führende Stellung. Bücher aus dem amerikanischen Benziger Verlag fanden im 20. Jahrhundert via europäische Verlagshäuser als Übersetzungen den Weg zurück nach Europa.278 Die vierte Generation der Verleger aus der Familie Benziger in den USA verkaufte den Verlag 1969 an die Verlagsgruppe Crowell Collier Macmillan.279 Es folgten die Verlegung des Firmensitzes nach Kalifornien und später weitere Übernahmen. Der Name lebt heute im auf katholische Schulliteratur spezialisierten Verlagshaus RCL Benziger mit Sitz in Cincinnati fort.280

Die Bedeutung der amerikanischen Filialen

In den Familien- und Jubiläumsschriften heisst es gelegentlich, die Firma Benziger habe mit ihren amerikanischen Filialen in erster Linie einen Beitrag zur «Kulturvermittlung» leisten wollen. Die deutschsprachigen Auswanderer sollten in der Neuen Welt weiterhin mit ihrer Herkunftsgesellschaft und dem europäischen Katholizismus in Verbindung bleiben. Die Quellen schweigen sich über eine solche «Kulturmission» weitgehend aus. Dafür treten andere Deutungen in den Vordergrund. Die Firma Benziger befand sich in einem intensiven Konkurrenzkampf mit ähnlich positionierten Firmen vor allem in Deutschland, aber auch in Frankreich, der Schweiz und anderen Ländern Europas. Um ihre Verlagswaren möglichst preiswert anbieten zu können, waren sie auf hohe Auflagen und einen entsprechend ausgelasteten Maschinenpark in ihrer Verlagsanstalt angewiesen. Die Wirtschaftswissenschaften sprechen in diesem Zusammenhang von «positiven Skaleneffekten». Die USA garantierten einen über Jahrzehnte wachsenden Markt. Die Firma Benziger konnte sich mit der vergleichsweise frühen Erschliessung dieses Markts als «first mover» einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.281 Die amerikanischen Filialen unterhielten im 19. Jahrhundert denn auch keine eigenen technischen Betriebe. Wir «müssen zur Basis resp. Hauptbedingung unseres Consenses machen, dass Sie von allen technischen Richtungen (Setzerei, Druckerei etc.) noch sehr lange fern bleiben. In America ist dieser selbsteigene Betrieb nicht so nöthig wie in einem Bergdorf», schrieb die Verlagsleitung im Sommer 1870 nach New York.282 Alle grösseren Druckaufträge liessen die Filialen in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens fast ausschliesslich im Mutterhaus in Einsiedeln ausführen.

Die Verleger erhofften sich von den Filialen eine stabilisierende Wirkung in Krisenzeiten. Vergangene Krisenjahre mit stockendem Absatz – beispielsweise 1816/17 und die späten 1840er-Jahre – waren im Gedächtnis haften geblieben. Vor allem aber fürchtete man Kriege, die den Absatz in Deutschland zum Erliegen bringen und die Arbeitsplätze in Einsiedeln gefährden könnten. Im Frühling 1869 schrieb die Verlagsleitung in Einsiedeln nach New York: «Ein jedes Geschäft sollte aber in seinen Entwicklungen nie so weit gehen das andere auch mit in bedeutenden Anspruch zu nehmen; damit Kriegs- u. Handelsstockungsfälle nie beide Plätze auf einmal übereilen, sondern dann vielmehr das eine dem andern helfen kann.»283 Und wenige Jahre später hiess es in einem anderen Brief: «Vergessen Sie nie: Wir sind u. bleiben ein u. dieselben hier u. dort u. können den Segen beider Welten brauchen u. wollen uns über die Breite unserer Bemühungen nicht misstimmen lassen.»284 Gelegenheiten, sich als solidarisch zu beweisen, gab es mit dem amerikanischen Sezessionskrieg (1861–1865), dem Deutschen Krieg (1866) und dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) reichlich.

Die Gründung der amerikanischen Filialen beruhte also auf einer inneren Logik der Firmenexpansionsstrategie und nicht auf religiösem Zelotismus oder einer wie auch immer gearteten «Kulturmission». Im direkten Umfeld der Firma trugen die Filialgründungen letztlich aber doch zu einer transkontinentalen Kulturvermittlung bei. Vielen Auswanderern aus der Zentralschweiz war die Firma Benziger eine willkommene «Brücke» über den Atlantik.285 Die Firma Benziger stellte Wechsel aus, vermittelte Landsleuten Kontakte in den USA und war eine Anlaufstelle für verschiedenste Anliegen von Immigranten aus Einsiedeln und der Zentralschweiz. So betrieben beispielsweise Einsiedler Einwanderer an verschiedenen Orten in New York und im Mittleren Westen auch kleinere Buchhandlungen, die von Benziger mit Krediten und Verlagswaren unterstützt wurden.286

Die Firma lässt sich als eine Art Informationskanal begreifen und trug in ihrem Umfeld dazu bei, einen transkontinentalen sozialen Raum zu schaffen. Sie exportierte Verlagswaren nach Amerika, importierte aber auch ein «Stück Amerika» nach Europa. In Amerika lernten die Verleger etwa Modelle rationeller Arbeitsteilung in den Fabriken kennen, die sie in Einsiedeln, zuerst in der Buchbinderei, in Anwendung brachten. Für die Arbeiterschaft in Einsiedeln lag die deutschsprachige «New Yorker Staatszeitung» sowie die «New York Times» zur Lektüre bereit.287 Die Firma Benziger publizierte auch Handbücher speziell für deutschsprachige katholische Amerika-Auswanderer, die neben einer Auswahl von Gebeten und Andachtsübungen umfangreiche Informationen zu Reisezeit, Währung, Landkauf und Verdienstmöglichkeiten in Amerika enthielten.288

Im Jahr 1854, fast gleichzeitig wie die Firma Benziger, gründete auch das Kloster Einsiedeln in Spencer County im südlichen Indiana eine Niederlassung. Sie wurde nach dem Eremitenmönch Meinrad (797–861) – der Gründerfigur Einsiedelns – benannt. Das Kloster lag in einer Gegend, in der sich in den Jahrzehnten zuvor zahlreiche deutsche Katholiken angesiedelt hatten. Eingefädelt hatte die Gründung Josef Kundek (1810–1857), gebürtiger Kroate und Generalvikar der Diözese Vincennes (heute Erzbistum Indianapolis) in Indiana, der Abt Heinrich Schmid während eines persönlichen Besuchs in Einsiedeln von diesem Unterfangen überzeugen konnte. Von St. Meinrad aus erfolgten mit der Zeit weitere Klostergründungen in den Staaten Arkansas (1878), Louisiana (1889), Illinois (1933), South Dakota (1950) und Kalifornien (1958). Die Firma Benziger stand mit St. Meinrad und insbesondere mit Martin Marty (1834–1896) aus Schwyz, dem ersten Abt von St. Meinrad und späteren Bischof von St. Cloud, in regem Kontakt.289

Auch als sich andere Innerschweizer Klostergemeinschaften in den USA ansiedelten – das Benediktinerkloster Engelberg OW ab 1873, das Benediktinerinnenkloster Maria Rickenbach NW ab 1874 (beide in Missouri), war die Firma Benziger in verschiedenen Funktionen beteiligt. Sie empfing die Amerikareisenden in New York, vermittelte Kontakte zur Politik und hohen Geistlichkeit, versorgte die von den Mönchen und Schwestern gegründeten Schulen mit Büchern und stattete die neu gebauten Kirchen mit religiöser Kunst aus.290

Altruismus und Kalkül lassen sich bei solchen «Freundschaftsdiensten» nicht immer auseinanderhalten. Kurz vor der Abreise der ersten Engelberger Mönche in die USA im Frühling 1873 schrieb Adelrich B.-Koch an seinen Cousin Adelrich B.-von Sarnthein in New York: «In wenigen Wochen […] erhalten Sie Besuch von 2 Patres Benediktinern aus Engelberg P. Frowin Conrad und P. Adelhelm, die nach America auswandern eine Filiale […] zu stiften. Abt Marty […] hat den Gedanken zur Reise gefördert. P. Frowin Conrad ist der Bruder des Einsiedler Pater Ignaz Conrad [später erster Abt der Abtei Subiaco in Arkansas], Latein Prof. u. besonders Protektor und Lehrer von Nicolaus u. Carli [zwei Neffen von Adelrich B.-Koch, damals an der Stiftsschule Einsiedeln]. […] Erstens ist die ganze Familie Conrad sehr achtenswerth u. mir nahestehend, wichtiger: ist P. Frowin sehr fähig, beliebt, gewandt […] u. wird sonder Zweifel bald Abt u. ist mir sehr gewogen. Wenn wir uns so weit durch beste familiale u. geschäftlich freundliche Aufnahme warm empfehlen, thun wir es mit Herz u. mit Berufung, aus Gewogenheit u. um diese Schöpfung von Anfang an sich geneigt zu machen.»291

Nicht alle Bekannten durften mit einer «familialen Aufnahme» rechnen. Ein paar Jahre früher hiess es über einige ehemalige Angestellte in Einsiedeln, die beabsichtigten, in die USA auszuwandern: «Lasst sie zappeln u. stellt sie nicht an. Vielleicht einige Jahre unter fremden Leuten macht den beiden die Einsiedler-Prinzipale besser erscheinen, als wenn man nichts sah u. nur stets unsere neidische Wirthshaus- u. Beamten-Schimpfereien einathmete.»292 Der soziale Raum über den Atlantik hinweg hatte für einige Auswanderer auch seine Kehrseite, insofern in ihm auch Konfliktverhältnisse und soziale Randständigkeit reproduziert werden konnten.

Die Filialgründungen folgten der Logik des Markts, ein missionarischer Eifer ist in den Quellen aber nicht greifbar. Halten wir deshalb zum Schluss fest: Religiosität spielt sich nie in einem luftleeren Raum ab, sondern muss im Wechselspiel mit Wirtschaft und Gesellschaft betrachtet werden. Mit ihrem von rationalen, kapitalistischen Strategien geprägten verlegerischen Wirken trug die Firma Benziger dazu bei, den Katholizismus in den USA zu etablieren, auch wenn dies nicht die primäre intrinsische Motivation für den Schritt nach Amerika gewesen sein mag. Verlagshäuser wie Benziger haben Millionen von Katholiken und Tausende von Pfarreien, Kirchen, Vereinen, Schulen und Bibliotheken mit den für die religiöse Andacht und Erziehung nötigen materiellen Kulturgütern versorgt. Kapitalistisches Handeln und religiöse Überzeugung schlossen sich dabei keineswegs aus. Dass in der überlieferten Geschäftskorrespondenz konkrete, zahlengetriebene Massnahmen gegenüber Reflexionen über religiöse Gesinnungen bei Weitem überwiegen, liegt in der Natur der Sache. Der Firma Benziger und ihren Verlegern war eine klare katholische Gesinnung so tief inkulturiert, dass sie sich darüber in ihrer Korrespondenz nicht auszutauschen brauchten.

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