Kitabı oku: «Mein langer Weg von Schlesien nach Gotha 1933–1950», sayfa 3
Anfangs, vielleicht bis 1934, begannen wir täglich den Unterricht mit einem Morgengebet und mit der ersten Strophe eines Kirchenliedes. Bald wurde das fallengelassen. Anstelle des christlichen Rituals trat ein neues, ein politisches. Zunächst bestand es darin, dass zu Beginn der Woche ein in einem Wechselrahmen an der Wand lesbarer „Wandspruch der Woche“ gemeinsam gelesen und danach entsprechend interpretiert und besprochen wurde. Zum Beispiel: „Es ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber daß ich tätig bin.“ (Friedrich der Große) Also jede Woche ein neuer Spruch, als Autor immer öfter: Adolf Hitler! Eines Tages wurden wir Zeuge, wie man am Eingang zum Schulgrundstück ein Fundament mit Halterung und Fahnenstange montierte. Gar bald wussten wir wozu. Am Anfang der Woche fand nun vor jener Fahnenstange ein „Fahnenappell“ statt. Einer von uns Schülern musste den Wochenspruch laut vorlesen, danach sangen wir gemeinsam ein „politisches Lied“, meistens „Auf hebt unsre Fahnen, in den frischen Morgenwind, lasst sie wehn und mahnen, … “ Dann folgte das Kommando: „Heißt Flagge!“ Und einer musste die Hakenkreuz-Fahne hochziehen. Wir fanden das nicht besonders interessant, zumal das Wetter nicht immer mitspielte. Zeitweise oder im Winter fiel der Appell auch aus.
Eine Steigerung dieses politischen Auftaktes zu Beginn der Woche ergab sich, wenn wir Jungen wie auch die Mädchen zu diesem Appell, zum Beispiel in der so genannten Uniformwoche, am Montag in Hitlerjugend-Uniform erscheinen mussten. Auch unser Otto trat dann in brauner Parteiuniform vor uns. Aber ich meine, dass er sich bei dieser neuen Zeremonie zu Wochenbeginn nicht besonders ins Zeug legte. Er überließ das Ganze eher uns Jungvolk-Funktionären, ließ es abrollen, und korrigierte lediglich, wenn etwas erlahmte. Ich weiß nicht, ob unser Lehrer auf Dauer ein richtiger Nazi geworden ist. Wenn ich daran denke, mit welcher Inbrunst er an einer eigens für dieses Thema hergestellten Wandkarte uns „die Schmach von Versailles“ erklärte, dann stimmte er hier natürlich mit dem Hitler-Programm überein. Seine Parteizugehörigkeit, seine Uniform trug er meines Erachtens mit Zurückhaltung. Mir schien: Das wichtigste Gesinnungsmerkmal an seiner Parteiuniform war sein Eisernes Kreuz I. Klasse! So war er ganz gewiss einer der konservativen Deutschnationalen, deren Partei und Mitgliedschaft im März 1933 dem „Ermächtigungsgesetz“ zugestimmt und die als Treudeutsche oder Preußischdeutsche die Hitlersche Revision der Weltkriegsniederlage sowie Hitlers „Schaffung des Großdeutschen Reiches“ 1938 unterstützt hatten.
Kennzeichnend für seine Grundhaltung, so glaube ich, war sein beliebtes Aufsatzthema: „Was mir mein Vater aus seiner Kriegszeit erzählte“. Meinen Aufsatz unter dieser Überschrift hatte er in einem Elternabend vorgelesen. Wahrscheinlich haben ihm meine kriegsgeschichtlichen Kenntnisse zugesagt.
Seine Beziehung zu mir war normal. Nun ja, als Klassenerster genoss ich sicher sein Vertrauen, auch sein Wohlwollen, aber dass ich auch Jungvolkführer im Dorf war, hat er nicht sonderlich honoriert. Ich glaube, er schätzte mein auffälliges Interesse für Geschichte, meine Belesenheit in Erdkunde und meine lebendige Neugier auf alles, was so um uns herum und anderswo passierte.
Einmal gab es einen Bruch in meiner Schüler-Lehrer-Beziehung. Davon will ich erzählen: Wie schon gesagt, wir waren ja ein Dorf ohne Kirche und ohne Pfarrer, und auch der Friedhof fehlte! Wenn jemand starb, musste er demnach auf dem Friedhof in der 3 km entfernten Kreisstadt beigesetzt werden. Die Leiche, zwei–drei Tage zu Hause gehalten, wurde am Beerdigungstag meist im Hausflur aufgebahrt, dann im Beisein der ganzen Trauergesellschaft per Leichenwagen in die Stadt gefahren und auf dem dortigen Friedhof während einer christlichen Trauerfeier beigesetzt. Vor der Abfahrt des von Pferden gezogenen Leichenwagens spielte vor dem Haus eine dörfliche Trauerkapelle, und ein Begräbnischor sang Trauerlieder. Zu diesem Begräbnischor gehörte ich drei Jahre lang, mit anderen Jungen und Mädchen der Dorfschule, etwa 12 oder14 insgesamt. Unser Lehrer leitete diesen Chor, er übte vorher mit uns, meist nach Unterrichtsende in seinem Wohnzimmer, wo er mit Hilfe des Klaviers uns zu führen gedachte, den „Ton zu halten“. Es waren immer die gleichen Lieder, aber sie mussten wieder in Erinnerung und vor allem wieder auf musikalisches Niveau gebracht werden. Das war langweilig für mich, obwohl ich, zur „zweiten Stimme“ eingeteilt, überprüfende Übungen am ehesten nötig hatte. Immerhin, als zweite Stimme erhielt ich 35 Pfennig für eine Beerdigung, die Sänger der ersten Stimme bekamen nur 25. Jedenfalls sangen wir fünf oder sechs Lieder: zwei am Haus des Toten, vielleicht „So nimm denn meine Hände … “; unterwegs, im Leichenzug zur Stadt, sangen wir dann im Wechsel mit den Bläsern noch weitere zwei, drei oder vier Lieder, strophenweise und wiederholend, am Grab auch noch eins, vielleicht „Jesus meine Zuversicht … “
So, und nun kann ich endlich erklären, warum ich in Schwierigkeiten geriet zu meinem Lehrer, hier als Chorleiter, der mit uns an der Spitze des Trauerzuges schritt: Nach Ende der Beisetzung auf dem städtischen Friedhof entließ uns unser Otto nicht ohne uns aufzufordern, „unverzüglich und anständig“ in unser Dorf zurückzukehren. Aber so unverzüglich wollten wir das nicht. Da gab es in der Stadt Gelegenheiten, dies und jenes zu erkunden; oder es bestand sogar Anlass, eine interessante Kleinigkeit käuflich zu erwerben, vorausgesetzt, man hatte das nötige Kleingeld in der Tasche. Damit waren die Bauernkinder besser ausgestattet als unsereiner.
Aber nun zur Sache: Diesmal schauten wir bei „Waffen-Walter“ ins Schaufenster. Und siehe da, dort lagen neben Bolzen und Luftgewehrmunition kleine Knaller mit Docht – für drei Pfennig das Stück! – Ja, das müsste doch zu bestreiten sein. Irgendwer hatte auch einen Groschen bei sich. Ich weiß nicht, wie wir zu Streichhölzern kamen. Zu guter Letzt hatten wir drei Knaller gekauft. Daher zogen wir nun ziemlich „unverzüglich“ aus der Stadt hinaus, und gleich hinter dem Sägewerk Mährlein, in der S-Kurve sahen wir rechter Hand ein Stoppelfeld, auf dem wir Mäuselöcher vermuteten. Dem war auch so. Was folgte war klar: Die Knaller hinein ins Mäuseloch, einer muss die Dochte anzünden, und dann nichts wie weg. Es knallte beträchtlich. Es blieb jedoch ein mittelmäßiges Gaudi. In unserem Eifer hatten wir nicht weiter nach links und rechts gesehen und wohl nur so beiläufig mitbekommen, dass da ein Bauer seitwärts auf dem Feld mit den Pferden pflügte.
Am nächsten Tag in der Schule, erst am späten Vormittag, nachdem der Ehrentraut-Bauer, besagter pflügender Bauer vom Vortag, an der Klassentür geklopft und uns schießende Begräbnissänger beim Lehrer angeschmiert hatte, begann unser Otto mit der Verhandlung dieses unerhörten Vorfalls: „Ungehörig so ein Verhalten – grundsätzlich, … und schwerwiegender noch, weil unmittelbar nach einer Trauerfeier, vor allem … pietätlos … und sogar mit dem Kreuz Jesu! … das habe den Bauern, Herrn Ehrentraut, zu Recht erzürnt.“ Hier muss ich zu besserem Verständnis hinzufügen, dass außer uns Begräbnissängern stets noch einer der kräftigen Jungen in schwarzem Umhang und mit hochgehaltenem Christuskreuz vor dem Sarg stehen und auch dem Trauerzug vorangehen musste. Dieser Kreuzträger also war mit uns; und er hatte sich – da ja nicht mehr im „Dienst“ – genauso wie wir munter und flink auf dem Acker bewegt und war samt seinem zwei Meter langen schwarz lackierten Kreuz vor dem Feuerknall in Deckung gerannt. Jetzt war für uns klar: Das Christuskreuz bei der Sprengung von Mäuselöchern muss wohl den Ausschlag gegeben haben. Wenngleich wir, weil wir von einer gewissen nachbarlichen Uneinigkeit mit unserem Lehrer wussten, wiederum meinten, der „Ehrentraut-Pauer“ wolle mit seiner Anzeige unserem Otto nur eins auswischen. Mit diesem Gedankengefüge im Kopf, fand ich es überaus ungerecht, dass wir 4 oder 5 Delinquenten nun nach vorn kommen und jeder drei Stockschläge entgegennehmen mussten. Nach meinem Gerechtigkeitsempfinden erschien mir diese Bestrafung vollkommen unberechtigt! Waren wir wirklich Übeltäter? Hatten wir jemandem geschadet oder weh getan? Das war doch ein harmloses Spiel! Hat er nur so hart gestraft, um dem lästigen Ehrentraut-Bauer Genüge zu tun? – Soll er doch beim nächsten Begräbnis allein singen!
Es war für mich eine bittere Enttäuschung, und sie machte mich in der Folge trotzig. Ich verhielt mich im Unterricht in den folgenden Tagen völlig passiv, trotzte also sichtlich. Und da der Lehrer es sofort merkte, wollte er mich niederzwingen anstatt mich austrotzen zu lassen. Wir hatten Erdkunde. Und im Atlas wie an der großen Landkarte war ich ziemlich gut bewandert. Manchmal zitierte er mich nach vorn, damit ich den anderen an der Karte zeige, was man wissen müsse. Diesmal rief er mich wieder vor, doch ich blieb vor der Landkarte stehen und sagte mürrisch: „Ich weiß es nicht!“ Da wies er auf die Deutschlandkarte daneben: „Zeig uns die deutsche Hauptstadt!“ Ich blieb bewegungslos und stumm stehen. „So“, sagte er, „wer auf der Karte Berlin nicht finden kann, der kann auch nicht Klassenerster bleiben. Pack deine Sachen und setz dich auf den vierten Platz!“ Damit war ich degradiert. Die anderen vor mir rückten auf und saßen nun auf den ersten Plätzen. Das ging mir an die Nieren. In den Tagen danach muss ich wohl klein beigegeben haben, oder auch der Lehrer war nachsichtiger geworden. Jedenfalls wurde ich dann aus irgendeinem Anlass wieder vorgesetzt auf den ersten Platz und blieb auch „Klassenerster“ bis zum Ende meiner Schulzeit …
Der Lehrer und seine Schüler in der Evangelischen Volksschule Hartelangenvorwerk 1938.
Unser Schulhaus war ziemlich neu, 1913/1914 erst gebaut. Man sagte: das schönste Dorfschulhaus weit und breit, mit stattlicher Lehrerwohnung, aber für die Schüler/innen nur mit einer Plumpsklo-Anlage im Hinterhof. Das Schulgebäude lag am Dorfrand, nahe des Eisenbahngleises, über das in unmittelbarer Nähe eine Holzbrücke hinauf zum „Schießplatz“ führte, auf dem wir im Turnunterricht genügend Platz für Ballspiele fanden. Kleiner und nur eingeschränkt benutzbar war der umzäunte Spiel- und Turnplatz unmittelbar neben der Schule. Hier tummelten wir uns während der Pausen, und hier „hielt“ unser Lehrer auch meist den Turnunterricht „ab“. Das heißt, er ließ unter seiner Leitung größere Schüler/innen als eingesetzte Riegenführer oder Vorturner agieren. Dafür gab es eine Weitsprunggrube, einen Barren und ein Reck. Unser Otto war unsportlich oder seines Alters wegen nicht mehr in der Lage, mitzuturnen bzw. vorzuturnen. Er stand daneben im Anzug mit Krawatte und Spazierstock und gab lediglich theoretische Anweisungen, die wir für überflüssig hielten, denn wir mussten sowieso allein zusehen, was wir zustande brachten. Eigentlich lag alles in unserer Hand, zumindest das praktische Training und die Ausführung der Übungen. Und die Vorturner, die Geschicktesten aus unseren Reihen, die konnten trotz ihrer laienhaften Führungsrolle zumindest mit unserem sportlichen Eifer rechnen. Dass der Lehrer nur ermunternd oder bemängelnd daneben stand, störte uns nicht, aber wenn er am Reck beim Klimmzug die Schlappen anspornen wollte, indem er sie mit Hilfe einer kitzelnden Nadel am Gesäß pickte, das nahmen wir ihm übel!
Jedes Jahr, im Frühsommer, fanden die „Reichsjugendwettkämpfe“ statt. Alle Schulkinder im Alter von 10 – 14 Jahren mussten daran teilnehmen, und wir freuten uns darauf, denn viele von uns waren von sportlichem Ehrgeiz erfüllt. Es galt, im 60-m-Lauf, im Weitwurf und im Weitsprung insgesamt 180 Punkte zu erringen und möglichst zu überbieten, um als Sieger das begehrte Reichsjugend-Wettkampfabzeichen zu erwerben. Die Wettkämpfe wurden mit anderen Dorfschulen gemeinsam an zentraler Stelle ausgetragen, meistens auf einer großen Sportwiese in einem unserer Nachbardörfer. Es kam auch darauf an, dass unsere Schule gut abschnitt. Mein Bruder Helmut wie auch ich, wir konnten jedes Jahr mehr als 180 Punkte erringen und somit immer das Siegerabzeichen gewinnen.
Wir zwei Jungen wie auch die meisten der Dorfkinder waren keine Spezialisten und schon gar keine Leistungssportler im heutigen Sinne. Doch wir waren im Allgemeinen sehr behänd und flink und auf ganz natürliche Weise gut durchtrainiert, weil wir viel an frischer Luft in ständiger Bewegung waren. Unsere dörfliche Region mit Höfen, Gärten, Bergen, Wald und Wiesen war ein einzigartiger, großer Spielplatz für uns Jungen. Und wir hatten laufend Ideen und Projekte, die uns ständig in Bewegung hielten. – Im Turnunterricht, um darauf zurückzukommen, hatten wir allerdings auf Grund der Unzulänglichkeiten keine gründliche Ausbildung erhalten. Wir drängten den Lehrer auch gern zu Ball- oder Laufspielen. Mit nie erlahmender Begeisterung spielten wir „Völkerball“. Auf diese Weise lief der „Turnunterricht“ wie von allein.
Auch der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern erfolgte sehr allgemein und oberflächlich. Unter dem Begriff Naturkunde lernten wir etwas von der Lebenswelt; unter dem Begriff Naturlehre erfuhren wir einiges, was man heutzutage den Fächern Physik und Chemie zuordnet. Interessant fand ich – als „Bahner“ – Bau und Funktion der Dampfmaschine, ansonsten ist mir von Ottos Naturlehre nicht viel in Erinnerung geblieben. Auf „Rechnen“ wurde zu meinem Verdruss viel Wert gelegt, die Anzahl der Wochenstunden betreffend, doch unser Lehrprogramm ging nicht über die vier Grundrechnungsarten sowie über Bruchrechnung, Dreisatz, Prozent und Zinsrechnung hinaus. Ich sträubte mich gegen „tote“ Zahlen und tat nur das Nötigste. – Meine Lieblingsfächer waren Geschichte, Erdkunde und Deutsch, hier ging mir das Lernen leicht von der Hand, obwohl wir leider vorrangig Rechtschreibung und Grammatik betrieben. Aufsätze mussten wir schreiben, ohne zu erfahren, wie man sie schreibt. Auch im „Singen“ und „Turnen“ hatte ich beste Noten.
Was Zeugniszensuren bzw. Bewertungsnoten angeht, höre ich unseren Otto heute noch, wie er wiederholt verkündete: „Es gibt kein ‚Sehr gut‘!“ Damit wollte er uns weismachen, dass bei aller Anerkennung einer Leistung nie eine Vollkommenheit erreicht werden kann. Damals schien mir das einzuleuchten. Später habe ich diese absolute Bewertung kritisch gesehen, denn er hat den relativen Aspekt nicht berücksichtigt. Doch vielleicht hat er auf seine Weise uns sagen wollen, dass er Leistungen grundsätzlich nicht beschönigen wolle. – Wandertage gab es natürlich auch während unserer Schulzeit. Da fällt mir ein, wie wir als Abteilung der Unterstufe auf der Landstraße in Richtung Kalkbusch marschierten und uns ein eigenartiges Gefährt entgegenkam: ein Motorfahrzeug, verkleidet mit grauen Platten nach allen Seiten, oben turmartig erhöht mit einem herausragenden Rohr. Es war an uns vorbeigefahren. Alle staunten, weil so was noch nie gesehen, und der Lehrer hub an: „Bahner, was war das?“ Ich antwortete prompt: „Ein Tank!“ Er lobte meine Kenntnisse und begann nun zu erklären, das sei kein echter Tank aus Eisenplatten, sondern nur ein vorgetäuschter, und zwar ein Papptank, zur Übung für das Manöver; Deutschland dürfe auf Grund des „Schandvertrages von Versailles“ noch keine richtigen Tanks bauen usw. Er war wieder bei einem seiner Hauptthemen. – Ich erinnere mich auch an eine Fußwanderung über den Löwenberger Hospitalberg zum „Jungfernstübchen“ und zur „Löwenberger Schweiz“. Mit zunehmendem Alter hatten wir fernere Wanderziele. Einmal waren wir über Mois bis in die im Wald abgelegene Gastwirtschaft „Teufelei“ gewandert, wo wir vor Ort weder einen Teufel noch sonst was Spektakuläres zu sehen bekamen, höchstens eine Fass-Brause für 10 Pf. genießen konnten. Und als die Älteren sind wir auch einmal mit dem Lehrer per Rad losgefahren, auf den „Probsthainer Spitzberg“, das andere Mal mit der Eisenbahn auf die „Gröditzburg“. Höhepunkte waren zwei Tagesfahrten, gemeinsam mit Nachbarschulen in einem Sonderzug, 1937 nach Breslau (mit Zoobesuch, Dampferfahrt und Jahrhunderthalle), 1938 in die Sächsische Schweiz mit Dampferfahrt und Aufstieg zur „Bastei“.
Man sieht: Diesbezüglich war die einfache Dorfschule bemüht, uns den Blick über unseren kleinen Horizont hinaus zu öffnen.
Deutsche Helden
In die Kreisstadt Löwenberg sind wir mit unserem Lehrer öfter gegangen, man könnte auch sagen „marschiert“. Da mussten wir gemeinsam ins Kino und „staatspolitisch wertvolle Filme“ sehen. Mir fallen ein: „Unternehmen Michael“ – ein Kriegsfilm über unsere Helden in der Somme-Schlacht, „Verräter“ – ein Spionagefilm mit Willi Birgel, „Drei Unteroffiziere“ – ein Spielfilm über das Soldatenleben in unserer neuen Deutschen Wehrmacht – im Sinne von „Es ist so schön Soldat zu sein … “. Und in den „Reichshallen“ erlebte ich meine erste Theateraufführung, ein Gastspiel, das wir mit unserem Lehrer sahen. Der Titel, ich glaube: „Albert Leo Schlageter“. Ich weiß, wir litten unter dem tragischen Ausgang, denn jener tapfere deutsche Held wurde zum Schluß auf der Bühne von den Franzosen standrechtlich erschossen; das schürte natürlich unseren Zorn gegen den „bösen Erbfeind“!
Wir Jungen haben die verbilligten Kinobesuche sehr gern mitgemacht, aber wir haben natürlich nicht gewusst oder geahnt, mit welcher Absicht uns so „schöne“ Filme oder Geschichten vorgeführt wurden. Wir fanden sie jedenfalls „knorke“! – Ein patriotisches Hochgefühl erzeugten in mir die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Täglich verfolgten wir den Verlauf der Wettkämpfe, wir freuten uns riesig über die vielen Siege der deutschen Olympiamannschaft, und der Jubel kannte keine Grenzen, als Deutschland mit 33 Goldmedaillen als beste Nation den Gesamtsieg errungen hatte. Wir waren die „Besten“, und damit erwies sich von neuem, dass wir Deutschen ja „unschlagbar“ waren! Wieder zogen wir Schulkinder nach Löwenberg ins Kino und sahen dort den triumphalen zweiteiligen Dokumentarfilm von Leni Riefenstahl über die Olympischen Spiele in Berlin mit den grandiosen Siegen der deutschen Sportler aus Hitlerdeutschland. Noch Jahre danach konnte ich alle deutschen Goldmedaillengewinner auswendig dahersagen: Gerhard Stöck, Hans Wölke, Lutz Long, Oberleutnant Handrik und all die anderen … . Und natürlich liebten wir Max Schmeling, unseren großen deutschen Boxer und Weltmeister, und waren mächtig stolz, als er den amerikanischen „Neger“-Boxer Joe Louis auf grandiose Weise besiegt hatte.
Und nicht zu vergessen unsere großen Kriegshelden: Otto Wedding, den erfolgreichen U-Bootkommandanten von U 9 und Manfred von Richthofen, den siegreichen Jagdflieger, ein Schlesier, der im 1. Weltkrieg 80 feindliche Flugzeuge abgeschossen hatte! Selbstverständlich auch Lettow-Vorbeck, den Sieger im Kolonialkrieg in Ostafrika, oder der tapfere Pionier Klinke, der beim Sturm auf die Düppeler Schanzen die Festungsbarrikaden mit sich selbst in die Luft gesprengt und damit den Weg frei gemacht hatte für seine nachfolgenden Kameraden. Gut kannte ich mich auch aus mit dem „Schliefen-Plan“ von 1914 und mit den Schlachten Friedrich des Großen, hatten wir doch auch in den Filmen „Der Große König“ und „Der Choral von Leuten“ miterlebt, wie tapfer der Große Preußenkönig – gemeinsam mit seinen einfachen Grenadieren – bis zum Letzten gekämpft hatte gegen eine Übermacht von Feinden.
Als wir zu Hause endlich ein eigenes Radio einschalten konnten, hörten wir Jungen auch des Sonntags die Rundfunkreportagen von den großen Autorennen auf der Avus, auf dem Nürburgring, in Monaco oder Tripolis. Wir waren nun mit Begeisterung dabei, wenn unsere deutschen Rennfahrer, Bernd Rosemeier, Hans Stuck, Rudolf Carraciola, Herman Lang und Manfred von Brauchitsch, in ihren deutschen Rennwagen Mercedes und Auto-Union Sieg um Sieg für Deutschland erkämpften. „Deutsche Wertarbeit“ und „Deutsche Tüchtigkeit“ – das konnten wir doch nicht übersehen.
Löwenberg in Schlesien. Blick auf die „Löwenberger Schweiz“ und Nieder-Mois. Postkarten: Sammlung Harald Rockstuhl