Kitabı oku: «Tödlicher Glitzer», sayfa 2

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Dienstagmorgen 7. April

Georg saß im Schlafanzug und Morgenmantel am Küchentisch und aß genüsslich Toast mit Butter und Marmelade. Dazu trank er eine Kanne Ostfriesen-Tee. Die Tageszeitung lag auf dem Tisch und er blätterte wahllos, ohne einen Artikel richtig zu lesen. Georg fühlte sich erholt. Der Schlaf hatte ihm gutgetan. Aber für Großtaten fühlte er sich noch zu matt.

An der Haustür steckte jemand einen Schlüssel ins Schloss. Georg erschrak.

Wer konnte das sein? So früh?

Er lief mit wehendem Morgenmantel hastig in den Flur und traf Amelie Wurps, die Putzfrau. Stimmt, heute war Dienstag, ihr Tag zum wöchentlichen Saubermachen. Die Organisation ihres Haushaltes hatte Elvira geregelt und Amelie fürs Grobe eingestellt. Dunkel erinnerte sich Georg daran, dass seine Frau ihm das erzählt hatte. Im Laufe der Zeit hatte er das total vergessen.

„Hallo Amelie, ich habe vergessen, dass Sie immer dienstags kommen“, begrüßte er sie.

„Guten Morgen, Herr Pielhop. Noch hier und nicht im Büro?“, fragte Amelie.

„Ach, Sie wissen es noch nicht. Meine Frau ist gestern gestorben.“

„Das tut mir leid. Mein Beileid.“

„Danke.“

Und wieder so eine Phrase. Georg musste sich zwingen, dass er nicht einfach laut loslachte, wenn er solche Sätze sagte. Er empfand diese Redewendungen so dermaßen leer und ohne tiefere Bedeutungen.

„Sie war lange krank. Es war eine Erlösung für sie“, sagte Amelie voller Anteilnahme.

„Das stimmt. Ich bin noch ganz erledigt. Heute Vormittag habe ich einen Termin beim Bestatter“, erklärte er.

„Soll ich heute nicht putzen?“, fragte Amelie in der Hoffnung, dass sie einen freien, bezahlten Vormittag ohne Arbeit verbringen konnte.

„Nein, arbeiten Sie wie gewohnt. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind. Ich frühstücke nur zu Ende und gehe dann rasch unter die Dusche“, sagte Georg und ging in die Küche.

„Soll ich Ihnen etwas zum Mittagessen kochen“, rief Amelie ihm freundlich nach.

„Gute Idee, ich kann eine warme Mahlzeit gebrauchen. Wir haben aber nicht mehr viel im Haus. Vielleicht gibt die Kühltruhe noch Brauchbares her“, rief Georg.

Georg aß sein Brot auf, stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle und schlappte zur Dusche. Duschen. Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen. Er fühlte sich verschwitzt und schmutzig. Sein Schlafanzug klebte eklig an ihm. Und nun fiel es ihm auf, er musste sich nachts den Schlafanzug angezogen haben. War er nicht gestern in Hemd und Hose ins Bett gesunken? Georg beschloss, darüber nicht weiter nach zu grübeln. Er zog sich schnell aus, drehte die Brause auf und seifte sich ein. Mit dem warmen Wasser flossen seine trüben Gedanken in den Abfluss. In besserer Stimmung stieg er aus der Duschwanne und streifte den Bademantel über. Im Schlafzimmer suchte er im Kleiderschrank nach frischer Wäsche. Er betrachte sich im Spiegel und ihm blickte ein gutaussehender Mann entgegen. Ein Witwer, aber er fühlte sich besser.

Es wurde Zeit, sich für den Besuch beim Beerdigungsinstitut bereit zu machen. Er sammelte die Unterlagen zusammen und stopfte sie in seine Tasche. An der Garderobe schnappte er den Mantel samt Autoschlüssel.

„Tschüss“, rief er ins Haus.

„Tschüss. Das Mittagessen ist dann pünktlich fertig“, rief Amelie aus der Küche.

Amelie Wurps war eine hübsche Frau von dreißig Jahren. Sie arbeitete lieber als Raumpflegerin, weil sie bei mehreren Putzstellen mehr verdienen konnte, als bei einer festen Stelle. Als kleine Schuhverkäuferin hätte sie nie und nimmer so einen guten Verdienst gehabt. Sie arbeitete schnell und gründlich. Deshalb fiel es ihr auch leicht, an neue Putzstellen zu kommen. Alles schwarz natürlich. Rente und Sozialversicherung waren ihr egal. Sie brauchte das Geld jetzt. So argumentierte sie, wenn jemand aus ihrem Bekanntenkreis danach fragte.

Amelie färbte ihre langen Haare weißblond, die sie während der Arbeit zu einem Zopf zusammenband. Diese auffällige Haarfarbe und ihre aufreizende, körperbetonte Kleidung machten Amelie zu einem echten Hingucker. Männer schauten ihr auf der Straße regelmäßig nach. Und sie genoss es. Dann schwang sie ihre Hüften immer noch ein bisschen mehr, als sie es auf ihren hochhackigen Schuhen ohnehin schon tat. Machten ihr die Hausherren oder deren gutaussehenden Söhne Avancen bei ihren diversen Arbeitsstellen, sagte sie nicht Nein. Ohne Gewissensbisse gegenüber ihren Arbeitgeberinnen schlief sie mit ihnen. Manchmal geschah das in schönen, teuren Hotels. Das genoss sie jedes Mal ausgiebig. So ein zwangloses und unbeschwertes Leben in Luxus konnte ihr gefallen. Aber nie in den Häusern, in denen sie putzte. Klugerweise achtete sie penibel darauf, dass die jeweiligen Hausherrinnen keinen Wind davon bekamen. Dann wäre sie ihre Putzstellen sofort los gewesen und es hätte Gerüchte gegeben. Das lag nicht in ihrem Sinn.

Mit Georg hatte sie bislang nur einmal geschlafen und sie wünschte sich, sie hätten es öfter getan. Das bedauerte sie sehr, denn Georg war für sein Alter sehr gut in Form. Von ihm hatte sie Zärtlichkeit erfahren. Nicht wie bei den anderen, die sie stets die finanzielle Abhängigkeit spüren ließen. Aber während der Krankheit seiner Frau hielt er sich merkwürdig zurück. Leider kam es zu keinem weiteren Stelldichein.

Sollten meine Chancen nach dem Tod seiner Ehefrau gestiegen sein, überlegte sie. Ich kann ihm vorschlagen, auch seine Wäsche zu waschen. Für ihn zu kochen war nicht nötig, denn Georg aß in der Nähe seines Büros. Aber Einkaufen, das war es. Das würde sie ihm anbieten, wenn er zum Mittagessen kam, dachte sie. Wer weiß, vielleicht ergibt sich noch etwas mit uns beiden, jetzt wo Elvira tot ist.

Währenddessen holte sie Eimer, Besen, Lappen und Putzmittel aus dem Haushaltsraum.

Dienstagmittag 7. April

Dr. Wieland Altevogt, Institutsdirektor der Rechtsmedizin, und sein Assistent Vincent Vente diskutierten über den Leichnam von Elvira Langelott. Die beiden Ärzte begutachteten die Leiche kritisch. Woran starb sie? Keine leichte Aufgabe, die sie lösen mussten. Eher gaben sie den Leichnam für die Beerdigung nicht frei. Oft gerieten die Rechtsmediziner damit in Konflikte mit den trauernden Angehörigen, aber sie mussten die eindeutige Todesursache nachweisen. Und die Leiche Elvira, wie Altevogt und Vente sie inzwischen liebevoll nannten, gab ihnen Rätsel auf.

„Äußerlich sieht sie unauffällig aus“, gab Dr. Altevogt seine vorläufige Meinung ab.

„Keine ungewöhnlichen Druckstellen, Hämatome, Verfärbungen oder Wunden. Der makellose Körper einer Frau in den besten Jahren. Sie hat auf sich geachtet und musste keine schwere Arbeit verrichten. Schau, die Hände sind gepflegt.“

„Genau, aber mager. Die Rippen sind sichtbar. Findest du nicht?“, entgegnete Vente.

„Das stimmt. Sie war lange krank. Das geht nicht spurlos am Körper vorbei. Oder war sie dem Diätenwahn verfallen?“

„Wir müssen den Leichnam einer inneren Leichenschau unterziehen. Dann finden wir vielleicht den wirklichen Grund heraus“, antwortete Vente.

„Wir nehmen Gewebeproben insbesondere von Leber und Niere.“

„Wir lüften dein Geheimnis“, sagte Altevogt vergnügt zu Elvira.

„Ich bereite alles vor, dann können wir beginnen“, wandte sich Vente um.

„Elvira, es tut mir leid, deinen schönen Körper aufzuschneiden. Aber wir müssen. Wir nähen dich wieder zusammen. Dein Gesicht rühren wir nicht an, deine Schönheit bleibt“, behielt Vente das letzte Wort.

Mit viel Erfahrung machten sie sich an ihre Arbeit.

Anschließend schob Vente sie respektvoll zugedeckt in den Kühlschrank der Rechtsmedizin. Die Ärzte warteten auf die Ergebnisse der Blut- und Gewebeproben.

Georg passte das ganz und gar nicht. Er wollte seine verstorbene Ehefrau endlich beerdigen. Das Gespräch mit dem Bestatter war unkompliziert gewesen und die Formalitäten schnell erledigt. Die konventionellen Trauerkarten warteten beim Drucker, obwohl der Beerdigungstermin noch gar nicht feststand. Der Bestatter und Georg hofften auf die baldige Freigabe des Leichnams.

Ihm ging es inzwischen wesentlich besser und die Gewöhnung an das Witwerdasein setzte ein. Georg hing auf dem Rückweg seinen Gedanken nach:

Weshalb behalten sie den Leichnam so lange? Was fand die Rechtsmedizin? Warum informieren sie mich nicht?

Das zwecklose Kopfzerbrechen führte zu Nichts und Georg stand vor einem Rätsel. Er wusste kein bisschen und bislang hatte sich niemand bei ihm gemeldet. Wenn er ehrlich war, dann fühlte Georg sich gar nicht gut bei der langwierigen Angelegenheit. Ein Schlussstrich wäre ihm lieber gewesen. Er wollte unbelastet in sein neues verheißungsvolles Leben gehen und sich nicht länger mit der lästigen Vergangenheit abgeben.

Als er die Haustür aufschloss, schnupperte er den Duft von Essen. Amelie hatte etwas aus den Vorräten gezaubert. Er ging in die Küche, wo sie noch am Herd stand und in den Töpfen rührte.

„Hallo Amelie, schick sehen Sie mit der Schürze aus. Wo haben Sie die gefunden, habe ich noch nie gesehen“, begrüßte er sie.

„Hallo Georg. Das Essen ist gleich fertig. Es gibt Kartoffeln mit Gemüse und hart gekochte Eier. Mehr war nicht aufzutreiben.“

„Geht schon, Hauptsache etwas Warmes“, wunderte er sich kurz über die vertrauliche Anrede. Aber ja, Elvira hatte die weniger förmliche Anrede mit Vornamen, aber mit Siezen, eingeführt, erinnerte er sich.

„Der Tisch ist schon gedeckt, Sie können sich setzen. Schenken Sie etwas zu trinken ein?“, fragte Amelie.

Beiden kam ihre lockere Konversation mit Vornamen und Sie komisch vor. Aber ganz per Du traute sich Amelie nicht und Georg wollte es nicht zu vertraulich werden lassen. Kurz dachte er an ihr peinliches Erlebnis zurück. Er wollte Amelie keinen Platz in seinem Leben einräumen, nur als Raumpflegerin.

Amelie legte die Schürze beiseite, schnappte die vollen Schüsseln und setzte sich an den Küchentisch. Beide aßen mit Appetit und Georg fühlte sich rundum wohl. So konnte das Leben weiter gehen.

„Amelie, können Sie die Einkäufe übernehmen. Sie wissen sicher, was man so braucht. Ich bin da überfordert. Und vielleicht für Samstag und Sonntag vorkochen? In der Woche esse ich bei meinem Büro eine Kleinigkeit“, fragte Georg.

„Ja klar, kein Problem. Ich kann auch Ihre Wäsche waschen.“

„Das wäre prima. Eine große Hilfe.“

„Gut, dann bleibe ich drei Stunden länger pro Woche. Ist Ihnen das recht?“

„Ja, ist mir recht“, stimmte Georg ihrem Vorschlag zu.

Nach dem Essen werkelte Amelie noch in der Küche, räumte ihr Arbeitszeug beiseite und ging zur Haustür. Während sie ihren Mantel anzog, rief sie ins Wohnzimmer:

„Tschüss, bis nächste Woche.“

„Tschüss und danke für alles.“

Georg saß im Wohnzimmer, dass allmählich den Krankengeruch verloren hatte. Er fühlte sich wieder wohler. Elviras Tod ließ ihn über sein bisheriges Leben nachdenken. Er war fünfundvierzig Jahre alt, also in der Mitte seines Lebens. Er war nicht mehr jung, unverbraucht und so dynamisch wie noch vor zwanzig Jahren. Aber er spielte gerne Golf. Er liebte frische Luft, das Grün der Natur und die anregenden Gespräche mit seinen Golfpartnern. Oft schob er seinen Golftrolley ohne Mitspieler über den gepflegten Platz. Beim Golfen ließ es sich gut nachdenken und Entscheidungen treffen. Nicht zuletzt bedeutete der Trendsport Golf für einen selbstständig agierenden Unternehmer eine unbezahlbare Kontaktbörse. Aber er genoss den Sport auch ohne diesen geschäftlichen Hintergedanken. Die oft hellblond-gefärbten Golferinnen im Club tuschelten über Georg und warfen ihm interessierte Blicke zu. Er war ein attraktiver Mann. Groß, schlank, gutaussehend, mit einer Immobilienfirma und mehreren Mietshäusern und einem großen repräsentativen Wohnhaus. Das stellten anziehende Attribute eines erfolgreichen Mannes dar. Besonders die geschiedenen Golferinnen wären einer Runde Golfen mit anschließendem Ausklang an der Bar nicht abgeneigt gewesen. Georg bemerkte die Blicke der Damenwelt durchaus, doch sein Fokus richtete sich auf eine andere Frau.

Dienstagnachmittag 7. April

Besonders auf dem Rückweg vom Bestatter hatte er wieder oft an Tilda denken müssen. Tilda Viererbe war seine Ex-Freundin, die ihm auch seine Tochter Ellie geboren hatte. Tilda verdiente ihren Lebensunterhalt als Grundschullehrerin in den Fächern Englisch und Kunst. Sie war eine selbstbewusste Frau, die ihr Dasein als alleinerziehende Mutter managte. Groß, schlank und mit roten langen Haaren zog sie die Blicke der Männer auf sich. Das war Georg damals nicht entgangen. Er bewunderte Tilda, sie gab sich so ganz anders als seine verstorbene Frau Elvira. Mit Tilda hatte er anregende Gespräche bei einem Glas Rotwein geführt. Oft genug auch hitzige Streitgespräche über Ereignisse des Weltgeschehens. Elvira dagegen gab sich mit wenig zufrieden. Ihm schien, dass seiner Frau ihre Bequemlichkeit wichtiger gewesen waren. Noch immer war sich Georg nicht im Klaren darüber, warum er ausgerechnet mit Elvira zum Traualtar gegangen war und nicht mit Tilda. Sie hatten schließlich ein gemeinsames Kind, eine Heirat wäre da logisch gewesen. Mit Elvira dagegen hatte er keine Kinder. Warum eigentlich? Aber Elvira war hübscher gewesen als Tilda, das war wohl der Grund für seine Heirat. Und Tilda war ein halbes Jahr in England zum Sprachenlernen gewesen. Und ausgerechnet in der Zeit kreuzte Elvira seinen Weg. Plötzlich fühlte er sich oberflächlich und musste zugeben, dass er das auch war. Aber jetzt?

Ihre gemeinsame Tochter Ellie war inzwischen neun Jahre alt und ein lebhaftes Mädchen mit dunklen Haaren. In ihrem feinen Gesicht leuchteten große braune Augen. Es bereitete ihm Freude, sie zu betrachten. Die vereinbarten Besuchstage erlaubten Georg, sie alle vierzehn Tage am Wochenende abzuholen. An diesen außergewöhnlichen Wochenenden unternahmen Vater und Tochter gemeinsam etwas Schönes. Er genoss diese Zeit und sie hatten stets Spaß miteinander. Georg liebte seine Ellie abgöttisch. Tilda hatte ihm erst spät von ihrer gemeinsamen Tochter erzählt. Zu spät, denn da hatte er Elvira schon geheiratet. Vermutlich hielt seine Ehefrau nicht viel von eigenen Kindern, denn das war nie ein Thema zwischen ihnen gewesen. Sie liebte das unbeschwerte, sorglose Leben und machte die Buchhaltung in seiner Firma. Kinder, die Pflege und Fürsorge beanspruchten, hätten ihr bei diesem selbstsüchtigen Lebensentwurf nur im Wege gestanden und ihm auch, musste er zugeben. Erst durch Ellie sah er das Thema Kinder weniger egoistisch. Er war stolz auf seine Tochter.

Der Tee dampfte aus der Tasse. Er saß am Wohnzimmertisch, schaute den emporsteigenden Dampfschleiern zu und hing wieder mal seinen Gedanken nach.

„Ich muss mir jemand für meine Buchhaltung suchen“, murmelte Georg.

Ihm war plötzlich aufgefallen, dass er Ersatz für Elvira einstellen musste.

„Das darf ich nicht vergessen.“

Um seinen Gedankenblitz gleich in die Tat umzusetzen, griff er zum Telefon auf seinem Wohnzimmertisch. Er wählte die Nummer seines Büros und wartete, bis sich die gute Frau Hempel meldete:

„Immobilien Pielhop, Hempel, guten Tag.“

„Hallo Frau Hempel, Pielhop hier. Mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen. Meine Frau machte doch die Buchhaltung. Wir brauchen jemanden als Ersatz.“

„Herr Pielhop, wie geht es Ihnen? Wissen Sie schon Näheres?“, fragte Frau Hempel spontan.

Wohl oder übel musste er Auskunft geben. Sie würde sonst nicht lockerlassen.

„Mir geht es inzwischen leidlich. Morgen komme ich ins Büro. Ich muss wieder arbeiten, sonst werde ich verrückt. Ich habe noch keine weiteren Informationen. Ich warte auf die Freigabe des Leichnams. Der Bestatter ist ungeduldig.“

„Kann sachte angehen, meiner Meinung nach. Ihre Kunden, mit denen ich telefonierte, zeigten sich wegen des Todesfalls sehr verständnisvoll“, antwortete Frau Hempel.

„In Ordnung, dass kommt mir sehr entgegen. Setzen Sie bitte eine kleine Anzeige auf und geben Sie die in die Tageszeitung für das kommenden Wochenende?“, kam er wieder zum eigentlichen Anliegen zurück.

„Oh ja, das nehme ich gleich in Angriff“, erwiderte Frau Hempel geflissentlich.

„Vielen Dank und auf Wiedersehen, bis morgen“, beendete Georg das Gespräch.

„Auf Wiedersehen Herr Pielhop, alles Weitere können wir Morgen besprechen“, verabschiedete sich Frau Hempel und Georg drückte das Gespräch weg.

Erschöpft rekelte er sich im Sessel und schaltete gelangweilt den Fernseher ein, indem gerade ein Kommissar eindringlich telefonierte.

1813

Das Gift, womit ich meine Mutter umbringe, habe ich ausgerechnet in ihrem Kleiderschrank entdeckt. Ist das nicht ein Witz, ein Wink des Schicksals? Ich habe sie ohnehin in meinem Haus gepflegt. Soll ich das neue, frische Gift an ihr ausprobieren? Ich mache es. Während ich das Gift in ihr Essen einrühre, gibt mir Gott ein herzliches Lachen. Ich bin mir sicher, dass meine Mutter bald im Himmel lachen wird. Ich fühle mich eins mit Gott und der Schöpfung.

Donnerstagvormittag 9. April

Am Donnerstagmorgen hatte sich Georg gerade angezogen, als das Telefon klingelte.

„Pielhop.“

„Kriminalpolizei Bremen, Lapschies. Es geht um Ihre verstorbene Frau Elvira Langelott“, meldete sich der Kriminalhauptkommissar.

„Polizei! Was ist mit Elvira los?“, reagierte Georg verwirrt.

„Wir bekamen eine Meldung von der Rechtsmedizin. Der gehen wir nach“, ließ sich der versierte Kommissar Felix Lapschies nicht aus der Ruhe bringen.

Solche Telefonate gehörten zu seinem alltäglichen Dienst. Eines hatte er in den Jahren bei der Polizei gelernt: ruhig bleiben.

Felix Lapschies war knapp fünfzig Jahre alt, hatte volles Haar, aber an den Schläfen zeigten sich graue Strähnen. Sein Kennzeichen waren der alte Trenchcoat und die bunten Schals, die seine vier Töchter ihm jährlich zu Weihnachten schenkten. Er zog seine Kinder ohne Mutter groß, denn seine Frau Lisbeth hatte vor acht Jahren Selbstmord begangen.

„Rechtsmedizin, Meldung. Was soll das bedeuten? Was ist los? Wann wird sie endlich freigegeben?“

Georg fühlte jäh seinen Blutdruck steigen.

„Herr Pielhop. Ich komme bei Ihnen vorbei. Dann besprechen wir alles Nähere. Ist Ihnen das recht?“

„Ja, kommen Sie. Ich bleibe heute zu Hause“, stimmte Georg mürrisch zu.

Widerstand zu leisten und Informationen aus dem Kommissar herauslocken zu wollen, erschien ihm zwecklos.

„Gut, in einer halben Stunde bin ich bei Ihnen. Die Adresse haben wir.“

„Ich erwarte Sie“, stimmte Georg zu, obwohl ihm mehr als mulmig zumute war.

„Auf Wiederhören, Herr Pielhop, bis gleich“, verabschiedete sich der Kommissar.

Georg verabschiedete sich nicht, er drückte einfach das unerfreuliche Gespräch weg. Was sollte das bedeuten? Polizei, Elvira, Rechtsmedizin. Er konnte sich keinen Reim auf den Anruf machen. Es dämmerte ihm langsam, dass seine Lage aussichtslos war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Kommissar zu warten. Um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, holte er sich ein paar Kekse aus der aufgeräumten Küche. Er sollte aufpassen. So schnell geriet man selber unter Verdacht oder ins Visier der Ermittlungen.

Die bittere Erfahrung hatte er bei einer Zeugenaussage gemacht. Das Verfahren betraf ihn gar nicht direkt. Es ging um einen Kunden seiner Firma, der strafbare Geschäfte betrieb. Georg hatte sich damals sofort einen erfahrenen Rechtsanwalt genommen. Der hatte es tatsächlich geschafft, ihn und seine Firma aus diesem verzwickten Fall herauszuhalten. Bei der Polizei hatte er nicht aussagen müssen. Das Risiko, dass Stellungnahmen in die Medien gelangten, war zu groß, denn bei dem Beschuldigten hatte es sich um eine schillernde Persönlichkeit gehandelt. Das hätte seinen guten Namen und das Renommee seiner Firma ruiniert, obwohl Georg völlig unschuldig war. Viel hatte er zur Aufklärung ohnehin nicht beitragen können. Aber allein schon die Anrufe der ermittelnden Dienststelle hatten ihn deutlich spüren lassen, dass sie ihn ebenfalls im Visier hatten.

Er nahm sich vor, achtsam zu sein. Georg wollte dem Kriminalhauptkommissar das Wort überlassen. Während des Gespräches verplapperte er sich womöglich noch und belastete sich damit ungewollt selber. Georg mahnte sich zur Gelassenheit. Er durfte nicht so aufgeregt und übernervös reden, wie eben am Telefon.

Es klingelte an der Tür. Das musste der Kommissar sein. Nichts Gutes ahnend stand Georg auf, ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand ein großer, kräftiger Mann mit leicht ergrauten Haaren. Aber der Haarschopf zeigte keine Tendenzen zum Haarausfall, stellte Georg fest. Seine Haare dagegen entwickelten langsam lichte Stellen.

„Herr Pielhop, nehme ich an? Guten Tag“, sagte Kriminalhauptkommissar Felix Lapschies.

Neben ihm stand seine aparte Kollegin Kriminalkommissarin Jasmina Gante.

„Ja, Sie sind der Kommissar?“, fragte Georg.

„Ja, ich habe mich angekündigt. Das ist meine Kollegin Jasmina Gante“, stellte Lapschies seine Kollegin vor.

„Bitte treten Sie ein. Wir gehen am besten ins Wohnzimmer.“

Georg gab zögerlich die Tür frei und machte eine einladende Handbewegung.

„Hier ist gleich die Garderobe. Wenn Sie ablegen möchten?“

Die beiden Kommissare traten ein, zogen ihre Mäntel aus und hängten sie auf die Haken. Jasmina Gante legte erst die mitgebrachten Unterlagen auf das kleine Schränkchen, um ihren Mantel besser abstreifen zu können. Dann folgte sie ihrem Chef ins Wohnzimmer.

„Bitte nehmen Sie Platz“, sagte Georg und zeigte auf die teure Sitzgarnitur.

Für jeden Einrichtungsgegenstand im Hause Pielhop hatte Georg ein erkleckliches Sümmchen bezahlt. Denn Elvira hatte die Angewohnheit gehabt, automatisch das Teuerste auszuwählen. Sie hatte das für ihr gutes Recht gehalten, denn ihr Ehemann verdiente gut.

„Danke.“

„Herr Pielhop, Ihre Frau Elvira Langelott ist am Montag verstorben. Mein Beileid“, eröffnete Lapschies das Gespräch.

„Ja, sie war lange krank. Kein Arzt wusste, was dahintersteckt“, erwiderte Georg und erinnerte sich mit Schrecken an seinen Vorsatz, sich keinesfalls als Plaudertasche zu geben.

„Herr Pielhop, ich habe hier den Bericht der Rechtsmedizin vorliegen.“

Lapschies zögerte einen kurzen Moment und fuhr dann fort.

„Ihre Frau ist vergiftet worden.“

„Was? Wie kann das geschehen?“, sagte Georg verblüfft. „Vergiftet. Was soll das? Wieso vergiftet? Wer sollte so etwas tun? Ich kann mir das nicht erklären.“

Völlig überrascht rutschte Georg in seinem Sessel ein Stück nach vorne. Das vermittelte den Eindruck, als wollte er kein Wort des Kommissars verpassen oder gar überhören.

„Die Rechtsmedizin entnahm Gewebeproben, unter anderem auch von der Leber und den Nieren. Dort fanden sie unnormal erhöhte Blei- und Quecksilberwerte. So hoch, dass die Organe schließlich versagten und sie daran gestorben ist“, erklärte Lapschies.

„Blei, Quecksilber“, echote Georg und seine Stimme versagte.

Seine Selbstbeherrschung war vollkommen futsch.

Unbeirrt redete Lapschies weiter: „Die gehören zu den Umweltschadstoffen, die ab bestimmten Werten sehr giftig sind. Bei Ihrer Frau waren die Werte sehr stark erhöht“, erklärte der Kommissar.

„Es tut mir leid, dass ich Ihnen das mitteilen muss. Es ist sehr bedauerlich.“

Georg saß angespannt im Sessel und presste die Knie zusammen. Er schwitzte, seine Hände transpirierten und feuchteten seine Hose an. Das unangenehme Gefühl nahm er aber überhaupt nicht wahr. Sein Gesicht zeigte mur grenzenlose Ratlosigkeit.

„Wie kann das geschehen?“

„Wir müssen dem nachgehen. Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?“

„Natürlich, fragen Sie. Ich will alles wissen. Lebt etwa der Mörder in meiner Nähe?“

Erschrocken blickte sich Georg im Wohnzimmer um, als wenn der Mörder in einer Ecke lauern würde. Diese Konsequenz wurde Georg schlagartig klar. Er fühlte sich plötzlich zutiefst verunsichert.

„Das versuchen wir herauszufinden, Herr Pielhop“, sagte Lapschies. „Mit welchen Menschen hatte Ihre Frau Kontakte?“

Nüchtern stellte Lapschies seine erste Frage. Jasmina Gante hatte zwischenzeitlich ihren Block und einen Stift hervorgekramt und wartete. Die Namen und Telefonnummern, die sie bald vom frischen Witwer erhalten würde, brachten ihr und ihren Kollegen mühselige Recherchearbeit für die nächsten Tage ein.

„Zuallererst ich selbstverständlich. Brauchen Sie meinen Ausweis? Dann hole ich meine Geldbörse.“

„Später, im Moment nicht“, beschwichtigte Lapschies Georgs Eifer.

„Dann unsere Putzfrau Amelie Wurps, ihre Mutter Aloisia Märis, ihre Freundinnen, mit denen sie manchmal Golf spielte, ihre Gruppe von alten Schulfreundinnen, Frau Hempel, meine Sekretärin. Elvira arbeitete halbtags bei mir im Büro. Sie erledigte die Buchführung und dort traf sie Frau Hempel. Wer kam noch mit ihr zusammen?“, rätselte Georg.

„Kochte sie hier selbst?“, fragte Lapschies.

„Ja, sie bereitete sich, wenn sie mittags von der Arbeit kam, eine kleine Mahlzeit zu. Sie achtete ständig auf ihr Gewicht und ihre Figur. Außer dienstags, dann kochte Frau Wurps eine Kleinigkeit für sie“, erklärte Georg.

„Fallen Ihnen noch mehr Kontaktpersonen ein?“, wollte Lapschies wissen.

„Lassen Sie mich überlegen. Sie ging zweimal in der Woche zur Gymnastik, einmal im Monat zum Friseur und alle zwei Monate zur Kosmetikerin. Mehr fällt mir im Moment nicht ein. Jedenfalls keine Personen, von denen ich weiß.“

„Alte Freunde?“ Der Kommissar half Georg auf die Sprünge.

„Ja, ich erinnere mich. Da war einer. Das lief damals etwas unschön ab. Elvira trennte sich spontan von ihm und war dann mit mir zusammen. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Er stalkte sie ein paar Wochen lang. Dann ließ das nach und sie hatte ihre Ruhe.“

„Können Sie mir seinen Namen sagen?“, hakte Lapschies nach.

„Nein, an den Namen kann ich mich nicht erinnern. Der ist vielleicht in ihren Unterlagen zu finden. Sie führte Tagebuch, falls es zu einer Anzeige kommen sollte.“

„Können Sie mir das Tagebuch geben, Herr Pielhop?“, fragte Lapschies vorsichtig.

„Ich hole es aus ihrem Zimmer, einen Moment.“

Währenddessen schauten sich Lapschies und Jasmina im geräumigen Wohnzimmer um. Wo könnten die Umweltschadstoffe sein?

Georg kam wieder und hielt ein Notizbuch in Händen.

„Hier ist es, bitte“, und überreichte Lapschies das Buch.

„Danke. Sie bekommen es selbstverständlich zurück.“

„Okay.“

„Herr Pielhop, die Spurensicherung muss das ganze Haus nach Blei- und Quecksilberquellen durchsuchen. Geht das morgen? Ich gehe davon aus, dass Sie dann anwesend sind?“

„Und am Montag untersuchen wir Ihr Büro", ergänzte der Kommissar.

„Ja, kein Problem. Ich bin zur Stelle. Dann handelt es sich wirklich um Mord?“, wurde ihm schlagartig und mit Schrecken bewusst.

Elvira ermordet? Wer sollte einen Grund dafür gehabt haben, sie zu ermorden. Ausgerechnet die harmlose Elvira. Wer sollte das sein? Vielleicht sah der Mörder es auch auf ihn ab? Seine Hände zitterten. Die Spurensicherung würde nicht nur der Polizei Klarheit bringen, sondern auch ihm. Dann wusste er wenigstens sicher, ob er auch im Visier des hinterhältigen Mörders stand.

„Haben Sie einen Verdacht?“

„Nein, mir fällt kein Mensch ein. Sie war nicht streitsüchtig, ganz im Gegenteil.“

„Herr Pielhop, eine Frage noch, dann sind wir vorerst fertig. Haben Sie eine Lebensversicherung abgeschlossen?“

„Ja, ich schloss einen Vertrag für uns beide ab. Falls einer von uns beiden zuerst sterben sollte, bekommt der andere die Summe ausgezahlt“, gab Georg dem Kommissar bereitwillig Auskunft.

Ein Verschweigen dieses wichtigen Details brachte ihm ohnehin keine Vorteile, sondern eher Nachteile. Also besser bei der Wahrheit bleiben, gestand sich Georg notgedrungen ein. Gleichzeitig erkannte er messerscharf, dass eine hohe Lebensversicherung als ein lupenreines Mordmotiv galt. Damit rutschte er in den Augen der Kommissare in der Hierarchie der möglichen Täter an die erste Stelle der Favoritenliste. Georg fühlte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Doch er musste Rede und Antwort stehen. Es führte kein Weg daran vorbei. Außerdem verfügte die Polizei über Mittel und Wege, solche Informationen ans Tageslicht zu zerren. Es war naiv zu glauben, eine Lebensversicherung verschweigen zu können.

„Um welche Summe geht es da?“, fragte Lapschies nach.

„Die Versicherungssumme beträgt 500.000 Euro. Würden wir beide gleichzeitig sterben, bei einem Unfall zum Beispiel, bekämen unsere Erben das Geld.“

„Wer kommt da infrage?“

„Ich machte noch kein Testament, doch da sind mein Bruder und dessen Kinder und Elviras Mutter. Meine Eltern sind gestorben.“

Bei dieser Frage bemerkte Georg plötzlich, dass er dringend ein Testament verfassen sollte. Und was ist überhaupt mit meiner Tochter? Bisher hatte er kaum Vorsorge für seinen Tod getroffen und für unnötig gehalten. Er war erst fünfundvierzig Jahre alt, wer denkt schon an so was. Er stand in der Blüte seines Lebens und Testament sowie Vorsorge für das eigene Ende waren bislang nicht in seinen Fokus geraten. Das war doch eher etwas für alte Leute, hatte er gedacht. Testament und Vorsorgevollmacht hatte er in die hinterste Schublade seines Gehirns geschoben. Doch jetzt trat ihm sein Versäumnis vor Augen: Schicksalsschläge kamen schneller als erwartet. Er musste sich unbedingt in allernächster Zeit darüber Gedanken machen. Die hinterhältige Vergiftung hätte auch ihn treffen können. Konnte er sicher sein, dass der Anschlag nicht ihm galt oder ihn miteinbezog?

Der Kommissar unterbrach seine Gedankengänge.

„Herr Pielhop, die Leiche Ihrer Frau wurde freigegeben. Sie kann aus der Rechtsmedizin abgeholt werden“, teilte Lapschies Georg mit.

„Endlich, dann gebe ich dem Bestatter Bescheid“, musste Georg seine Erleichterung darüber eingestehen.

„Für heute sind wir fertig. Morgen kommen wir um neun Uhr, Herr Pielhop“, kündigte Kommissar Lapschies die Spurensicherung an.

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