Kitabı oku: «Schlehenbusch»

Yazı tipi:

Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf, Schlehenbusch

Impressum:

Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf, Schlehenbusch

1. Auflage

Umschlaggestaltung:

Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf

Umschlagbild: Gabriella Kätzler

Copyright: © Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf

LITVERLIN Literatur Verlag im Linzgau

Mühlenstraße 11 88696 Owingen

Steuer-Nr. 87317/36118 USt-IdNr. DE286484929

www.lyrik-abc.de

ISBN 978-3-8442-5025-1

published by / Druck und Vertrieb: epubli GmbH , Berlin

www.epubli.de

Helmut Frhr. v. Scheurl-Defersdorf

Schlehenbusch

Ein Bodense-Kriminalroman

Hinweis: Personen und Lokale in diesem Roman sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten können nur auf Zufall beruhen und liegen nicht in der Absicht des Autors.

Personenverzeichnis auf Seite 165-166

„Wer Täter und Motive erkannt zu haben meint

und die Wege zur Entlarvung sicher glaubt,

wird oft von der Wirklichkeit überrascht.“

Egon Schneider

Schlehen I
Samstagnachmittag, 11. September 2010

„Hey Bernd, der Schlehenbusch ….!“, tönt es, als Bernd Breunecke nach mehrmaligem Klingeln den grünen Knopf am Handy drückt und sich meldet, weil Kalle dran ist. „Willst du noch mal selbst gemachten Schlehenwein“, fragt Bernd, oder gibt’s Wichtigeres?“. – „Ja, dein Schlehen-Likör ist mir damals mächtig in die Beine gegangen. Und lecker war der, lecker…..“, schwärmt Kalle, „aber darum geht es nicht. - Wo hast du denn die Schlehen gesammelt. Vielleicht oben beim Golfplatz am Waldrand, wo im Frühjahr …..?“

„Ja, Kalle“, stöhnt Bernd, „beim Golfplatz. Vorletztes Jahr im November. An der Schlehenhecke, unter der im Frühjahr das Hundegerippe entdeckt wurde. Aber ist das denn so wichtig? Ich bin beim Packen. Ich muss auch noch alle Einkäufe für die Abschiedsparty zum Managerhaus in Nussdorf schleppen. Ute Eberle und Hilde Schneider warten schon. Wir wollen die Vorspeisen für das kalte Büffet kochen. Meine Familie ist wohl schon aus St. Gallen in Nussdorf eingetroffen. Wir müssen vorbereiten und alles Mögliche heute noch im Dorfgemeinschaftshaus Nussdorf aufbauen. – Oder willst du morgen nichts essen und trinken?“

„Ein bisschen Zeit musst du schon haben“, empört sich Kalle, „beim Schlehenbusch ist heute der Stock wieder aufgetaucht, der Wanderstock vom Unruh Franz. Und dann gibt’s noch Fragen zum Chuck. Schließlich hast du mir den Typen als Klienten aufgehängt damals beim TÜV. Da ist was zu klären, sonst kann ich mein Detektiv-Büro gleich wieder zumachen.“

„Mea culpa, mea maxima culpa, Kalle, dass ich dir den Chuck angehängt habe“, unterbricht ihn Bernd, „mein Vorschlag ist: wir treffen uns in einer Stunde in der Managerschule Nussdorf. Egon Schneider ist wohl schon da. Dem kannst du die Story erzählen. Er muss Hilde nämlich dort hinbringen und langweilt sich. Ich habe erst Zeit, wenn wir im Saal aufbauen.“

„Aber die Sache mit den Schlehen kennt Schneider doch gar nicht“, protestiert Kalle.

„Die mit dem Hundegerippe schon, Kalle! Aber die Angelegenheit mit Chuck klären wir morgen am Rande der Party“, seufzt Bernd, „ich muss jetzt los. Bis gleich, Kalle!“

Bevor eine Antwort kommen kann, drückt Bernd die rote Taste und schaltet danach das Handy ganz aus.

„Sch…ande“, denkt er, „Schneider und ich hätten ihn unbedingt davon abhalten sollen, das Detektivbüro in der Rauensteinstraße aufzumachen. Bis der Kalle sich freischwimmt, hängen wir immer wieder mit drin. Und den Chuck hätte ich ihm auch nicht vermitteln sollen! – Jeder noch so nett oder weniger nett gemeinte Gefallen rächt sich!“

Kurz nach dem Einbiegen von der Kreuzstraße in die Landstraße Richtung Andelshofener Weiher sieht Bernd rechts vor der Kurve einen Polizeiwagen in der kleinen Ackerzufahrt stehen. Rückwärts eingeparkt. Zwei Beamte stiefeln zu dem großen, von Haselsträuchern, Schlehenbüschen, Weiden und Holunder umwucherten Krater im Acker. Dort wurde vor Jahrzehnten eine Kiesblase ausgeräumt. Und der Kies war sicher im Fundament des Hauses auf der anderen Straßenseite gelandet. Damals hatte sich noch kein Gewerbeamt darum gekümmert, was ein Bauer oder Sägewerksbesitzer aus seinem Acker grub. Und um ein Loch, was dabei entstand, schon gar nicht. Die aufgelassene Kiesgrube war also seitdem allmählich mit Holunder und Schlehen zugewuchert. Davor standen am unteren Rand die Brennnesseln meterhoch, wie Bernd vom Pflücken von Holunderblüten erinnerlich ist, die er für Judith nach einem alten Rezept in Schmalz ausbuk.

Am oberen Rande des Kraters hatte Bernd beim Schlehensammeln im vergangenen Herbst zwischen den mittelhohen Eschen einen Hochsitz entdeckt, der von der Straße aus nicht zu sehen gewesen war.

Wie der Storch im Salat steigen die Beamten über die groben Maisstoppeln vom Feldweg zu dem großen Loch im Acker rüber. Daneben steht ein Mais-Vollernter. Ein Mann im blauen Overall davor winkt. Es ist wohl der Fahrer.

„Was dem nur geklaut wurde?“, denkt Bernd, „heutzutage sind wohl nicht mal mehr die Erntemaschinen sicher!“

Rückblick
Samstagnachmittag, 11. September 2010

Was Kalle mit der Sache damals beim TÜV gemeint hat, geht Bernd während der Weiterfahrt durch den Sinn. Das war, als Bernd seinen GOLF im April vorfahren musste. Den drei Jahre alten Wagen hatte er nach dem plötzlichen und unfreiwilligen Verlust seines fast nagelneuen OPEL-MERIVA beim Bombenattentat in St. Gallen günstig im Internet erstanden. Die Karre stand schon ein halbes Jahr bei einer plötzlich verwitweten alten Dame in der Gegend von Coburg in der Garage, bis deren Enkel sich um den Verkauf kümmerte. Kaum gefahren, war der GOLF voll intakt, aber TÜV-fällig. Der TÜV-Besuch daher eine wohl nur kurze Formalie.

Aber als Bernd beim TÜV eintraf, sah er schon, dass Kalle mit seiner hoch betagten ISETTA 600 auf der Untersuchungsgrube stand. Einmal gefragt, warum er den knuffigen Oldtimer eigentlich behalte, hatte Kalle geäußert: „Bei der Karre kann ich mit meinen zwei Krücken gleich durch die Fronttür aussteigen. Kann das Steuer wegklappen, muss nicht drunter her kriechen mit meinen kaputten Knochen. Kann vorn bequem allein oder zu zweit sitzen. Und hinten ist jede Menge Platz für Beifahrer und Gepäck. So einen Schlitten bekommst du heute nicht mehr. – Ist natürlich ein Akt, das Ding durch den TÜV zu bringen. Aber lieber alle zwei Jahre zittern und dafür bequem ein- und aussteigen.“

Beim TÜV gab es diesmal offensichtlich mit dem Oldtimer Probleme. Bernd musste warten, weil Kalle heftig mit dem Ingenieur diskutierte.

Eine dritte Person stand dabei, ein quirliger Unbekannter, der sich immer wieder ungefragt an der Diskussion zu beteiligen versuchte. Dem gehörte wohl das uralte GOLF-I-Cabrio mit den vielen Roststellen, hinter dem sich Bernd einordnen musste.

Beim Anhalten hatte Bernd noch überlegt, ob er aussteigen oder wieder wegfahren sollte. Denn es war nicht sicher, vor Ende der Mittagspause dranzukommen, wenn die zwei Oldtimer vor ihm so viel Zeit brauchten. Vermutlich versuchte der quirlige Besitzer des angerosteten GOLF-I-Cabrios auch schon Druck auszuüben.

Als Bernd dennoch ausstieg und die Wagentür zufallen ließ, stockte das Gespräch.

Kalle zog die Augenbrauen hoch. Er fühlte sich wohl durch einen weiteren ‚Fachmann’, der sich einmischen könnte, in der Diskussion gestört. Der Ingenieur des TÜV aber strahlte. Mit diesem hatte sich Bernd beim Besuch mit Judiths A2 TDI lange über die Mucken und Vorteile dieses futuristischen Wagens unterhalten und auch über den damals letzten Kriminalfall. Über diesen damals war nur wenig in die Zeitung gelangt, weil die Lokalredaktion betroffen war und es Ärger mit der Presse gegeben hatte.

Im Gesicht des Quirligen hatte es auch gleich überrascht aufgeblitzt. Und mit einem „Hey, Bernd, ich bin der Chuck!“, war der Typ, dem das rostige Cabrio gehörte, mit vorgestreckter Hand im Eilschritt auf Bernd losgeschossen, „du bist doch der Kriminaler, der so erfolgreich ermittelt. Kenn dich aus der Zeitung! Ich brauche deinen Rat.“

Bernd hatte wohl oder übel die Hand ergriffen und „OK, Chuck“, gesagt, „ich bin der Bernd. Nutzen wir die Zeit, bis Kalles Rostlaube durch ist. Lass also hören!“

Kalle hatte derweil herübergeschaut und den Kopf geschüttelt. Vielleicht hatte er die Bezeichnung ‚Rostlaube’ für seine geliebte Karosse gehört, und das war ihm quer runtergegangen. Das Schulterzucken und gleichzeitige die Augen zum Himmel Verdrehen des Ingenieurs, als sich die beiden wieder der ISETTA 600 zuwandten, war nicht ganz zu deuten. Es schien unklar, ob es sich auf Kalle und seine ISETTA oder den kontaktgierigen Chuck bezog.

Etwas später war jedoch klar, dass beide froh waren, Chuck aus ihrem Gespräch heraus zu haben. Sie hatten Bernd wohl auch vor Chuck warnen wollen. Denn das, was der erzählte, klang wirr.

„Da ist mir gestern was passiert, Bernd“, legte Chuck los, „und ich glaube, die Polizei sucht mich. – Hast du vielleicht schon was davon gehört? – Also. Ich bin letzte Nacht in Unteruhldingen an der Seepromenade. Auf dem Landungssteg steht ein Mann. Steht ganz merkwürdig da und guckt ins Wasser. Will ich natürlich wissen, was es da Spannendes zu sehen gibt. Ist ja schon recht dunkel. Geh also hin. Kaum steh ich neben ihm, bricht das Geländer ein, und er fällt kopfüber ins Wasser. Einfach so. Einfach weg. Ich rufe die Rettung. Nur dank meiner kleinen Taschenlampe gelang es, den Mann unter Wasser auszumachen und herauszuholen.“

Dabei hatte Chuck eine winzige LED-Lampe aus seiner Tasche gezogen, mit der man höchstens ein Schlüsselloch finden konnte. Danach hatte er fortgesetzt: „Und der Gerettete muss irgendetwas gesagt haben, was nicht stimmte. Er hat wohl behauptet, ich hätte ihn geschubst. Dabei sei das Geländer gebrochen. Jedenfalls sucht mich jetzt die Polizei! – Gib mir doch deine Karte. Du kannst sicher helfen, wenn die mir deine Kollegen komische Fragen stellen.“

„Wenn, dann suchen sie dich höchstens als Zeugen, Chuck!“, hatte Bernd ihn beruhigt und sein Kärtchen hergegeben.

Bei einem Seitenblick auf Kalle und den Monteur hatte Bernd dann ein Grinsen wahrgenommen. Denen musste Chuck die Story also auch schon erzählt haben, zumindest dem Gesichtsausdruck nach, den die Zwei aufsetzten. Deshalb ritt Bernd der Teufel. Er zog Kalles frisch gedruckte Karte ‚Karlheinz Weinig – Ermittlungen aller Art, Büro: Rauensteinstraße ….’ heraus und sagte: „Besser ist es natürlich, wenn du dich an eine gute Privatdetektei wendest, Chuck, damit die den Fall für dich untersucht. Diese hier kann ich dir sehr empfehlen. Und der Herr Karl-Heinz Weinig steht zufällig da drüben neben seiner betagten ISETTA 600!“

Als Kalle einen langen Hals machte, die Karte in Chucks Händen sah, den Kopf schüttelte und Bernd mit dem Finger drohte, hatte er diesem noch zugerufen: „Kalle, du suchst doch Kunden! Der Chuck braucht dich!“

So war dieser erster Kunde in Kalles Privatdetektei geworden und Kalle wiederum Schneiders und Bernds Sorgenkind.

Der Fall Chuck zog sich und zog sich und wurde immer seltsamer. Denn angeblich war der beim Steg in Unteruhldingen Gerettete Chuck schon früher zu dessen Zeiten in der DDR begegnet. Damals hatte Chuck noch südlich von Berlin in Jüterbog gewohnt. Dort hatte der Kerl sich angeblich an Chucks Fersen gehängt, und ihn danach immer wieder an neuen Wohnorten gesucht und gefunden. In Unteruhldingen, so behauptete Chuck am Ende, müsse der Kerl ihm diese Falle gestellt haben, um ihn der Polizei auszuliefern.

„Chuck ist nicht ganz dicht!“, war Kalles letzter Kommentar bei einem Treffen in seinem Stammlokal PFÄNNLE gewesen, „leidet unter Verfolgungswahn oder so! - Jetzt soll ich mit ihm ein paar Tage lang alle Orte abfahren, an denen er in seinem Leben gewohnt hat, und an Ort und Stelle die Leute befragen, was damals war. Ob sich da jemand an den ‚Verfolger’ erinnern kann und an das, was der getrieben hat. Er will fahren, ich soll unterwegs hören, was er mir erzählt und dann die Leute ausfragen. Er will vielleicht sogar ein Buch draus machen. Hab gar keinen Bock drauf! Muss, glaube ich, doch mal mit Chucks Frau reden!“

Worum es ging, wurde Bernd bei den verschiedenen Treffen im PFÄNNLE nie klar. Er hatte sich Kalles Ansicht, Chuck litte an Verfolgungswahn schon angeschlossen, als Kalle meinte, dass eine alte STASI-Geschichte dahinter stecken könne und Chucks Frau das leider nicht glaube. Im Übrigen wäre nach dessen Erzählungen Chucks Frau eine solche Zecke, dass er den armen Chuck nur bedauern könne. Keinen Cent ließe die dem, und das Geld lande bei den beiden Töchtern aus deren erster Ehe.

Bernd und Kalle wurden sich also nie über Chuck einig, zumal Schneider inzwischen auch den Verdacht geäußert hatte, dass der Mann nur mit jemandem plaudern wolle, weil ihm sonst keiner zu Hause mehr zuhöre. Chucks eine Stieftochter sei in seiner Lyrik-Gruppe. Bei der Frage nach Chuck habe diese nur die Augen verdreht und sonst nichts gesagt. Als Bernd meinte, dass Chucks Seelenerleichterung bei Kalle doch etwas teuer käme, hatte Schneider geantwortet: „Kann sein, aber wissen Sie, Breunecke, was ein guter Seelenklempner kostet? – Mehr als das Doppelte. Und den kriegt der Chuck auch nicht auf seinen Krankenschein. Und: Wenn er als psychisch krank in der Kartei erschiene, würde ihm wohl auch bald der Führerschein weggenommen!“

Vielleicht lag die Unklarheit auch nur daran, dass Kalle immer schon beim dritten oder vierten Weizen saß, bei seinem Zweiten Frühstück, wie Kalle diese morgendliche Übung nannte, wenn Bernd mittags im PFÄNNLE eintraf..

Beim letzten Mittagstreff im PFÄNNLE hatte Kalle davon erzählt, dass Chuck zufällig ein Bild vom Unruh Franz bei ihm im Büro gesehen und sofort behauptet habe: „Das ist der Kerl. Der verfolgt mich!“ Und das sei wohl der größte Blödsinn, den er bisher gehört habe. Franz Unruh sei völlig harmlos, der immer bestens angezogene durchtrainierte Schönling Franz bereise Süddeutschland und verkaufe zusammen mit seiner Cousine auf Märkten Natur-Kosmetika. Dafür hielte der sich so beispielhaft schön, und das fördere den Verkauf. Davon dürfe aber in Überlingen niemand etwas wissen. Und das habe er dem Chuck natürlich auch nicht auf die Nase binden können. Nun müsse er auch noch darauf achten, dass Chuck die Adresse nicht herausbekäme, damit die Beiden nicht zusammenträfen.

Jedenfalls hatte Kalle inzwischen versucht, Verbindung zu Bernds Nachfolger Nikolaus Mach und zur Sekretärin Helene Hancke aufzunehmen, um Polizeikanäle in Sachen Chuck anzuzapfen. Das war Bernd klar geworden, als Kalle fragte: „Hat die Hancke eigentlich Asthma? Die redet am Telefon so kurzatmig mit ‚gehab’ und ‚gemach’ und so. – Oder treibt die’s mit deinem Nachfolger neben dem Telefon?“

Bernd hatte lachen müssen und ihn dann beruhigt: „Nee, Kalle, die Helene Hancke kommt aus der Coburger Gegend. In Obergefranken redet man so. Sie ist übrigens ein ganz patentes Mädchen. Du hast sie doch schon damals im Smoky zusammen mit ihren Karl kennengelernt und ihnen sogar mal deine Knutschkugel ausgeliehen, bevor die am Parkplatz oben an der B 31 angefahren wurde. Erinnerst du dich nicht mehr? Hast Du vom Unfall damals solche Ausfälle?“

Kalle hatte gestutzt und gemeint: „Alles weg, seit mich die Typen der GOT in meinem Büro zusammengeschlagen haben. Und auch das weiß ich nur, weil man mir das nachher erzählt hat! – Also, was ist mit der Hancke?“

„Ich kann sie dir bei meiner Abschiedsparty in Nussdorf noch einmal vorstellen“, hatte Bernd dann gemeint, „meinen Nachfolger Mach aus Erlangen habe ich übrigens bei der Vorführungs-Fahrt für di GOT kurz kennengelernt. Ich bin mir nicht sicher, was der drauf hat. Egon Schneider hält jedenfalls nicht viel von ihm. Mach kommt morgen zur Abschieds-Party. Geht nicht anders. Da können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Dich mit dem Mach so richtig bekanntmachen und gleichzeitig Helene Hancke mal wieder näher vorstellen!“

„Was die Sache mit dem Schlehenbusch und dem Stock betrifft, so ist das schon merkwürdig“, denkt Bernd weiter, als er seinen GOLF endlich vor der Villa in Nussdorf zwischen Judiths A2 und Egon Schneiders OMEGA einparkt, „das kann mit Chuck nicht zusammenhängen. Genau so eine irre Geschichte! Vielleicht ist tatsächlich der verschwundene Stock aufgetaucht.“

„Aber“, sinniert er noch beim Aussteigen, „was soll ein Wanderstock, der bei demselben Schlehenbusch wieder auftaucht, an dem er vor einem halben Jahr verschwunden ist, schon beweisen? – Ich hätte Kalle ein bisschen zuhören sollen, dann wüsste ich, um was es geht. Zwei Minuten Zuhören kann manchmal tagelanges Suchen ersparen!“

Partyvorbereitungen I
Samstagnachmittag, 11. September 2010

Und genau so kommt es auch, denn von Kalles ISETTA 600 ist bei der Villa keine Spur zu sehen. Dafür steht aber ein Mann in Seemannskluft vor der Haustür, wohl einer von Kalles Chor-Kameraden. Und der fragt: „Wo soll der Seemannschor am Sonntagmorgen singen? Im Salon hier oder im Dorfgemeinschaftshaus? Wir müssen schließlich die Anlage aufbauen und auf den Raum abstimmen.“

„Seemannschor? - Davon weiß ich gar nichts! Tut mir leid!“, seufzt Bernd, „wer schickt Sie, und an wen sollen Sie sich wenden?“

„Na, der Kalle schickt mich natürlich. Und den sollte ich hier treffen!“, stottert der Seemann.

„Dann kommen Sie mal mit rein!“, reagiert Bernd ergeben, „das können wir drinnen klären. – Die Veranstaltung ist jedenfalls morgen ab zehn Uhr im Dorfgemeinschaftshaus. – Wenn Sie mal kurz anfassen, haben wir gleich alles aus dem Kofferraum in die Küche geräumt. Dann kann ich mit Ihnen zum Dorfgemeinschaftshaus fahren. Wir haben den Schlüssel.“

Drinnen kommt Hilde Schneider ihnen im Rollstuhl entgegen.

„Mist!“, sagt sie zu dem Seemann, „nun ist die Überraschung zum Teufel! – Aber stellen Sie den Karton mal ab und kommen Sie mit in den Nebenraum. Da besprechen wir Alles!“

Und damit rollt sie mit dem Seemann davon. Bernd steht mit seinen beiden Kartons als Depp da, der nichts kapiert und nun wie ein chinesischer Kuli all seine Schätze allein in die Küche der Managervilla schleppen muss.

Drinnen sitzt Schneider auf einem Stuhl und hält gleich den Finger vor den Mund, bis Bernd die Tür hinter sich geschlossen hat.

„Hilde hat mal wieder was angestellt!“, grinst er dann. „Was denn?“, reagiert Bernd ergeben.

„Den Seemannschor!“, lacht Schneider verlegen, „morgen Live-Musik. Sie hört die Jungs eben so gern. – Und ehrlich gesagt: als Kalle mit Fragen zu seinen Ermittlungen in Chucks Angelegenheiten bei uns in Ernatsreute auftauchte, passte es mir ganz gut, dass Hilde ihn mit dem Shanty-Chor gelöchert hat, bis er die Jungs anzuheuern versprach. Da konnte ich mich unauffällig zurückziehen. Kosten übrigens nicht viel, die Jungs. Dreihundert Euro und ein Weißwurstfrühstück. Und das übernimmt Edwin Eberle inklusive Getränke.“

„Wieso übernimmt der Edwin das denn? Und wie soll das morgen gehen?“, ist Bernd argwöhnisch.

„Alles schon geregelt“, lacht Ute Eberle ihn an, als sie dazukommt, „alles schon geregelt, Bernd. – Begrüße erst mal deine Familie. Danach erklär ich’s dir. – Egon und die Küchenmädchen können die Sachen rein tragen. Edwin ist schon mit unserer Managergruppe im Dorfgemeinschaftshaus. Die sollen eine Betriebsfeier hautnah mit organisieren und dann miterleben. So eine Gelegenheit haben die selten.“

Und damit schickt sie Bernd eine Treppe hoch. „Du wirst Judith und die Deinen schon finden. Geh immer dem Geschrei nach! Dein Simon schreit, als ob er Samson hieße!“

Bernd ist geschockt: Vom Seemannschor wusste er nichts. Auch von der Einbindung der Managergruppe in seine und Egon Schneiders Abschiedsparty hatte ihm niemand etwas erzählt. Aber er kann verstehen, dass Edwin und Ute den Kurs nur zur Hälfte ausfallen lassen können, um im Rhythmus zu bleiben. Zudem ist das mit der Betriebsfeier sehr sinnvoll. Und so muss er grinsen, als er beim Treppensteigen im Umblicken sieht, wie Egon Schneider mit den beiden Küchenmädchen Richtung Auto davon zieht.

„Klappe ist offen!“, ruft er Schneider zu.

Und der brummt zurück: „Ja, Ihre, Breunecke!“

Schneider hatte sich das Mithelfen in der Küche wohl etwas geruhsamer vorgestellt.