Kitabı oku: «Das Glück reich zu sein», sayfa 6
VI
Des andern Morgens verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, Baesin Smet habe nicht geerbt, und könne auch nicht erben. Der Advokat, der lange Jahre mit der Aufsuchung ihrer Verwandten beauftragt gewesen, hatte hierüber die bestimmtesten Erklärungen abgegeben und versichert, daß die Smet’s in Holland gar keine Familie hätten.
Diesem Gerücht gab das räthselhafte trübsinnige Benehmen des Schornsteinfegers noch festeren Bestand; die Scheelsucht und die Erbitterung der Nachbarn über den Hochmuth seiner Frau ließen diese Beschuldigung bereitwillig aufgreifen, und man fing an, allerlei Verdächtigungen über den vermuthlichen Ursprung von des Kaminfegers plötzlichem Reichthum auszusprengen.
Noch mehr wurden die Nachbarn bei ihren bösen Vermuthungen unterstützt, als sie drei bis vier Polizeidiener, scheinbar ohne bestimmte Absicht, durch die Straße ziehen sahen; es entging ihnen nicht, wie dieselben Übles deutende Blicke um sich warfen, gleich Raubvögeln, die ihre Beute gerochen haben, noch ehe sie wissen, wo sie zu suchen ist.
Unter Anderem erzählte man sich, daß vor etwa acht Tagen – gerade in der Nacht, welche jener Nachricht von der Erbschaft voranging – bei einem Geldwechsler in der Stadt ein Diebstahl verübt worden sei und die Diebe einen Haufen Gold- und Silbergeldes aus einer Kiste entwendet hätten. – Niemand zwar wollte behaupten, daß der Schornsteinfegermeister Smet im Stande wäre, auch nur einen Centimen zu stehlen, aber das Geld konnte doch auch nicht vom Himmel fallen, und die Smet’s mußten wissen, wo sie es her geholt hatten!
Pauw saß indessen beim Schuhmacher an Käthchens Seite, die, mit ihrer Bordirarbeit beschäftigt, nur mit Mühe das Tröpfeln ihrer Thränen auf ihre Arbeit verhüten konnte. Schweigend saß der Junge da; aber sein Gesicht verkündigte um so lauter die ungestümsten Gemüthsbewegungen; bald glühte ihm die Stirn vor Zorn und Erbitterung, bald entspannte sich sein Antlitz unter der Empfindung schlaffer Muthlosigkeit, oder es durchschauderte das Frösteln der Angst seinen Körper. Er mußte die Beschuldigungen schon kennen, die man in der Stadt gegen seinen Vater herumtrug; denn er war sichtlich von Verzweiflung und dem Gefühle demüthigender Schande tief erschüttert.
Das Mädchen, von diesem Seelenleiden ihres Geliebten innig gerührt, suchte ihren eigenen Schmerz zu unterdrücken und flüsterte tröstlich:
– »Lieber Pauw, laß dir doch das Alles nicht so zu Gemüthe gehen. Es sind ja nur böse Zungen; kehre dich nicht daran. Was liegt an dem Geklatsche der Leute, wenn deine Eltern nachweisen können, woher sie das Geld erhalten haben?«
– »Das Geld?« erwiderte ärgerlich der Jüngling, »Kind, das Geld wird noch unser Ruin! Mein Vater wird dürr und mager, wie ein Rebenpfahl, und ich fürchte fast, daß ihm die Auszehrung schon am Leibe nage. Meine Mutter, du lieber Gott, an die darf ich gar nicht denken! Wohl hat sie noch ihre fünf inne beisammen; aber wie lange wird’s dauern? ja es kommen Augenblicke, o es wird mir angst und bange darum. Auch dein Vater läßt mich immer Unfreundlicher an; und ich kann’s ihm nicht verargen, denn er muß gar manches unglimpfliche, demüthigende Wort über sich ergehen lassen. Wie wird’s jetzt vollends werden, da sie draußen auf der Straße von meinem schuldigen Vater Dinge sagen, die mir die Haare vor Schreck und Schande sträuben machen. Ja, Käthchen, es ist mir recht schwer zu Muth; es sagt mir etwas in der Seele, daß wir uns noch von einander trennen . . . daß wir fortan unser Leben lang nur Kummer und Herzeleid haben sollen . . . «
Das Mädchen hielt sich die Hände vors Gesicht und weinte.
– »Käthe,« sagte dann Pauw aufs Neue mit einem Tone innigster Rührung, »diesen Morgen bin ich nach der Kirche gegangen und habe wohl eine Stunde lang vor dem Kreuze gebetet . . . gebetet zu Gott, daß er doch barmherzig sein und uns die Armuth zurückschenken möge.«
Die Jungfrau schaute mitleidsvoll zu ihm auf und sagte:
–«Pauw, du mußt diese deine traurige Stimmung nicht übertreiben. Es giebt ja doch so viele reiche Leute; sind denn die allzumal unglücklich?«
– »Das kann ich dir nicht sagen; so viel weiß ich, daß für uns das Geld nur Gift und Galle geworden ist. Seit dem unseligen Tage, da es ins Haus gekommen, haben wir noch Nichts gehabt, als Zwist, Unglück, Schrecken und Schmerz. Gestern ist der Vater mit knapper Noth den Händen der Mörder entkommen . . . um heute der Ehrenräuberei zum Opfer zu fallen. Ist es nicht entsetzlich für mich, hören zu müssen, daß mein Vater gestohlen habe, daß er in erbärmlicher Dieb sei? Und dabei die Schlange nicht einmal kennen, die zu erst dieses Gift über unsern Namen gespritzt hat!«
Der Schuhmacher kehrte eben nach Hause zurück. Sein Gesicht war bleich und verrieth eine heftige Gemüthsaufregung.
– »Käthe,« sagte er hastig, »gehe auf dein Zimmer und laß uns hier allein. Schließe aber erst die Hausthüre zu.«
Das Mädchen schluchzte laut auf und warf einen flehenden Blick auf ihren Vater, als wollte sie ein grausames Urtheil über ihren Geliebten abwenden; aber die gebieterische Gebärde des Vaters ließ sie nicht länger widerstreben. Die Hände vor die Augen haltend, stieg sie die Treppe hinauf.
Mit bewegter Stimme fragte der Schuhmachermeister, indem er sich vor ihn stellte, den Jüngling:
– »Pauw, wo hat euer Vater das Geld hergeholt, das eure Mutter überall haufenweise zur Schau trägt?«
Der junge Mann schaute verdutzt auf und fand keine Antwort.
– »Redet, redet!« begann der Schuhmacher aufs Neue; »woher kommt das Geld? In eurem eigenen Interesse stelle ich diese Frage.«
– »Meine Mutter hat es geerbt,« stammelte Pauw.
– »Ist das Erbe schon wirklich eingetroffen?«
– »Nein, noch nicht.«
– »Wer hat denn einstweilen das Geld hergegeben?«
– »Es hat es ohne Zweifel Jemand vorgeschossen.«
– »Ja, aber wer denn?«
– »Das weiß ich nicht·«
– »Ihr wißt es nicht, Unglücklicher? . . . Gott, wie wird’s meinem armen Freund Smet noch ergehen!«
– »Was habt ihr denn?« rief Pauw mit Schrecken. »Sprecht doch; eure Rede macht mich zittern und vergehen vor Angst.«
Der Schuhmacher faßte ihn bei der Hand, führte ihn vom Fenster weg und sprach dann mit geheimnißvoller, trauriger Stimme:
»Denkt euch, Pauw, ich bin vorhin gerufen worden, um dem Bedienten des Polizeikommissärs das Maß zu einem Paar Schuhe zu nehmen. Das war aber nur eine List; der Kommissär selbst wollte mich sprechen. Der fragte mich alles Mögliche über euren Vater, über das Erbe, über die Art und Weise, wie sich eure Mutter über den Besitz der Goldstücke verantwortet, die sie bei sich führt. Ich will euch nicht sagen, was mir der Kommissär anvertraut hat; aber es dauert mich euer Vater, der mir von jeher ein guter Freund war; und sollte er wirklich sich so weit vergangen haben, ich würde doch immerhin sein unglückliches Schicksal beklagen.«
Starr und fieberhaft zitternd sah Pauw dem Schuhmacher in die Augen.
– »Es thut mir recht leid um euch, Pauw, und um mein armes Käthchen, die doch nichts dafür kann – so wenig als ihr selber, Pauw.«
– »Aber, um Gottes willen! sprecht doch, was ist geschehen, was hat man euch gesagt?« bat der Jüngling fast außer sich.
– »Pauw,« flüsterte der Schuhmacher, »sagt eurem Vater, daß er sich so hurtig als möglich aus dem Staube mache; die Justiz sitzt ihm schon aus den Fersen.«
– »Die Justiz!« rief Pauw in der höchsten Aufregung, »die Justiz! mein Vater verhaftet? Dummes Zeug!«
– »Glaubt mir, Pauw,« wiederholte der Schuster, »folgt meinem Rathe, oder euer Vater ist verloren!«
Dann sprach er noch leiser dem Jüngling ins Ohr:
– »Es ist eine starke Summe Geldes gestohlen worden hier in der Stadt bei einem Wechselagenten, und man hegt den Verdacht, daß euer Vater dabei mit im Spiele gewesen sein könne.«
Pauw starrte den Schuhmacher wie vom Fieber ergriffen an.
– »Wie?« rief er, »und ihr glaubt solchem Lästergerede? Ihr haltet es für möglich, daß mein Vater ein Dieb sei?«
– »Nein, gewiß nicht; aber wenn er sich nicht zu verantworten weiß, woher er das Geld hat, wie soll man da nicht Verdacht schöpfen?«
– »Er wird sich wohl zu verantworten wissen. Warum zweifelt ihr daran?«
– »Nun, desto besser. Ich habe ihn oft genug darnach gefragt; aber es wollte mir jedesmal bedünken, als stünde es nicht recht sauber mit seiner Erbschaft. Thut nun, was euch beliebt, Pauw; aber eines müßt ihr begreifen, daß, so lange die Sache nicht ins Klare kommt, ihr von meinem Hause wegbleiben müßt. Käthchens Reichthum ist allein ihr guter Ruf. Dieses einzige Gut darf ich ihr nicht entwenden lassen . . . «
Dem Jüngling entfuhr bei diesen Worten ein Schrei der Verzweiflung, und mit schmerzlichem Tone rief er aus:
– »Ich werde, ich muß es wissen!«
Mit diesem Ausruf lief er zur Thüre hinaus.
Zu Hause traf er seinen Vater einsam im Zimmer sitzend.
Er schloß die Thüre, schob den Riegel vor und redete ihn mit beklemmter Brust an:
– »Vater, lieber Vater, nehmt es mir nicht für ungut, aber ich halte es nicht länger aus; ich muß Aufklärung haben!«
Der Schornsteinfeger sah verwundert auf.
– »Vater, sagt mir doch, ich bitte, woher kommt das Geld, das mir die Mutter gezeigt hat?«
– »Von einer Erbschaft,« war die Antwort.
– »Diese Erbschaft ist aber doch noch nicht eingehändigt; und so ist das Geld nur vorläufig zugestellt worden; ist dieser Vorschuß von irgend Jemand hier aus der Stadt geleistet?«
– »Nun ja. Was kümmert’s dich aber?«
– »Wer hat das Geld geliefert? bitte, sagt’s mir,« bat abermals der Jüngling mit fieberhafter Ungeduld.
– »Aber Pauw, was fällt dir ein!« rief der Vater strengen Tones. »Wie unterfängst du dich, deinen Vater auszuforschen, als wärest du ihm zum Richter gesetzt!«
Dieses Wort kränkte den Jüngling aufs tiefste.
– »Ich will, werde und muß es wissen,« schrie er zur Antwort.
Baes Smet schüttelte bedenklich den Kopf und sprach mit traurigem Tone:
– »Ach, Pauw, du frägst da nach etwas, was ich dir nicht sagen darf.«
– »Das ihr mir nicht sagen dürft?« seufzte angstvoll sein Sohn . . . »Gott im Himmel; was wird daraus werden!«
– »Was hast du denn, Pauw?«
– »Vater, Vater,« jammerte er. »Denkt euch; es ist bei einem Wechsler eine beträchtliche Summe Geldes gestohlen worden und man verdächtigt euch einer Betheiligung an diesem Frevel!«
Der Schornsteinfeger fühlte sich wie vom Blitz getroffen; doch bemeisterte er seine Aufregung und sagte:
– »Ach, das sind boshafte Lästerreden, die der Neid ausgesprengt hat; kehr’ dich nicht weiter daran.«
– »Ja, ja, wohl würde ich so thun, aber es ist ernstlicher als du glaubst, und die Gensdarmen werden gleich hier erscheinen, um euch zu verhaften, Vater . . . «
Smet wurde todtenbleich, er stieß einen dumpfen Schrei des Schreckens aus und begann heftig zu zittern.
Auch Pauw erschrak bei diesem Zustande seines Vaters. Bittend und mit inständiger Gebärde rief er diesem zu:
– »Um Gottes willen, Vater, nennt mir doch die Person, von der ihr oder die Mutter das Geld bekommen habt.«
Meister Smet schwieg.
– »Also wahr sollte es sein,« klagte Pauw. »Wahr? Mein Vater ist gezwungen mir den Ursprung des Geldes zu verhehlen!«
Gott, ich sterbe vor Schande!«
Als er diese anklagenden Aeußerungen aus dem Munde seines Sohnes vernahm, da sing der Alte bitterlich an zu weinen, und die reichlich fließenden Thränen des Vaters erfüllten den Jüngling mit der innigsten Wehmuth. Sanft umschlang er dessen Hals, küßte ihn liebevoll auf die Stirne und weinend sprach er:
– »O, vergebt mir, Vater; es ist mir gar so wehmüthig zu Muthe.«
– »Von meinem eigenen Sohne beschuldigt!« schluchzte der Alte. »O Gott, wie habe ich Solches verdient?«
– »Nein, nein,« bat flehentlich Pauw; »glaubt nicht an meine Lieblosigkeit; aber ich habe hören müssen, wie man euch lästerte, und war nicht im Stande Euch zu vertheidigen. Man wollte wissen, woher ihr das Geld empfangen habt, und ich konnte nicht antworten. So sagt’s mir doch, sagt es, lieber Vater.«
– »Ich kann, ich darf nicht,« wiederholte Baes Smet.
Und da er sah, wie sein Sohn bei dieser Antwort aufs Neue erbleichte, fügte er hinzu:
– »Aber beruhige dich und sei überzeugt, dein Vater ist ein ehrlicher Mann jetzt noch so gut als zuvor.«
– »Und den Gensdarmen, Vater, werdet ihr es denen auch verschweigen?« rief Pauw.
Da stand der Schornsteinfeger, um einer weiteren Erklärung auszuweichen, von seinem Stuhle auf und zur Thüre weisend, befahl er:
– »Verlasse mich, Pauw; ich will allein sein, verstehst du?«
– »Nicht doch, Vater!« flehte der Sohn in der äußersten Verzweiflung.
– »Gehorche und gehe!« war die scheinbar im Zorne gesprochene Antwort des Vaters.
In der entsetzlichsten Aufregung gehorchte der Jüngling und lief auf die Straße.
Eine halbe Stunde lang blieb der Schornsteinfeger ganz allein im Zimmer. Vor sich hinstarrend überdachte er, was ihm der Schatz schon für Ungemach bereitet und wie sein Haus zu einer Hölle der peinlichsten Unruhe und des Haders geworden sei. Bei diesen düsteren Betrachtungen entstand in ihm ein Gefühl des bittersten Widerwillens gegen das unheilvolle Geld, das ihm den Frieden und das Glück seines Lebens geraubt hatte. Wohl suchte der Teufel der Habsucht diesen Aufstand seines Gemüthes nieder zu drücken; doch der Gedanke an die Anklage seines Sohnes und die Angst vor den angekündigten Gensdarmen, verliehen ihm die nöthige Kraft, um den Einflüsterungen des Geizes zu widerstehen.
So faßte er den Entschluß, der Justiz, wenn sie sich bei ihm einstellen würde, die nackte Wahrheit zu enthüllen, und sollte man auch den Schatz davon tragen, nun so wolle er eben in Gottes Namen wieder ein schlichter Kaminfeger werden, wie er es bisher gewesen.
Dieser Entschluß erleichterte ihm das Herz und er freute sich darauf, wieder der sorgenlose, aufgeräumte Hans-Spaß zu werden, als welcher er früher so heitere Tage verlebt hatte.
Als nun Frau Smet von ihrem Morgenausgang zurückgekehrt war, erzählte er ihr, was Pauw ihm gesagt hatte, und fügte hinzu, daß er unwiderruflich entschlossen sei, Alles rund weg zu bekennen und selbst der Justiz, wofern sie es verlangte, den Schatz auszuliefern.
Seine Frau indessen kannte die ausgestreuten Gerüchte noch besser als er und wußte recht wohl, was sie dabei zu befürchten hätten. Sie brach zunächst in Schmähungen gegen den Schuhmacher aus, der aus purem Neid zum Kommissär gegangen und so schuld an Allem sei. Dabei betheuerte sie aufs Neue, daß an eine Heirath Pauw’s mit Käthe jetzt gar nicht mehr zu denken sei. Dann ließ sie ihren Mann wiederholen, was er am Schluß seiner Rede gesagt hatte, und antwortete daraus spöttisch:
– »Aber, Smet, was bist du doch für ein Tropf geworden. Beim bloßen Wort Gensdarmen sinkt dir das Herz in den Strumpf. Hast du gestohlen? Hast du geplündert? Nun denn, was können sie dir anhaben?«
– »Gleichviel, ich will vor der Justiz nicht lügen.«
– »Nun sage es nur heraus, Dummkopf! Du weißt ja, wie leicht man eine Sache, die man der Justiz überlassen hat, wieder auslöst. Gut, laß nur die Advokaten oder die Brüsseler Schwarzröcke über dein Geld herfallen, sie werden sich schon recht lustig machen über den Vogel, der sich so gutwillig hat pflücken lassen.«
»Du magst mir vorschwatzen, was du willst; ich werde nichts verbergen . . . und zum zweiten, mußt du wissen, daß ich das Geld recht satt zu bekommen anfange und wollte, es wäre noch zu suchen in dem Berge, wo das vermaledeite Gold gewachsen ist!«
Baesin Smet brauste auf und sich die Arme an die Hüften stemmend, belferte sie:
– »So! dies Liedchen wolltest du mir vorpfeifen? Wir wollen aber doch sehen. Das Geld ist mein Geld, denn deine Eltern haben nicht einen Deut mehr besessen, als sie täglich brauchten, um nicht Hungers zu sterben. Wie? und wolltest das Erbe meines Vaters der Justiz in die Hände liefern? Sage, ist es dir wirklich ernst mit diesem erbärmlichen Entschluß?«
Der Mann, eingeschüchtert durch die glühenden Augen seiner Frau und in der Befürchtung, diese möchte es nicht bei bloßen Worten bewenden lassen, wagte es nicht ein Ja auszusprechen, und begnügte sich mit einem entsprechenden Kopfnicken.
– »Dieb, Schlingel,« ließ sich nun seine liebenswürdige Ehehälfte verlauten, »wie, du willst mich um mein Geld bringen und es Fremden überlassen, die nichts damit zu schaffen haben? Es sei; aber ich bleibe nicht länger die Frau eines solchen Hans-Simpel. Sofort gehe ich zum Advokaten, um auf Scheidung anzutragen; die Justiz berechtigt mich dazu . . . und du magst dann ach Herzenslust arm bleiben und Kamine kehren, soviel du willst; – denn die Misère sitzt dir noch im Blut, elender Jan Hagel, der du bist!«
– »Aber, liebe Frau,« sprach besänftigend der erschrockene Schornsteinfeger, »horch doch auf eine vernünftige Rede . . . «
– »Was vernünftige Rede? Habt doch allzusammen in eurer Familie nicht ein Körnchen Verstand. Ich frage kurzweg: willst du dich benehmen, wie ich will, oder nicht?«
Der Mann schwieg.
– »Gut denn,« schrie sie aus vollem Hals, »so werd’ ich kurzen Prozeß machen, packe mich fort mit dem Gelde und deiner Lebetage kriegst du mich nicht wieder zu sehen!«
Ihr Zorn stieg immer höher, als sie den Schornsteinfeger ruhig und mit geneigtem Kopfe stehen bleiben sah. Sie sprang auf den Kasten zu und fing wirklich an, sich die Taschen voll zu stopfen und das Uebrige in ein Tuch zu thun, indem sie dabei vor sich hin murmelte:
– »Ja, ja, bleib du nur hier, Hans Smet, und laß dich von den Gensdarmen an den Galgen hängen! Ich einstweilen fahre mit dem ersten Schiff nach Amerika, ja noch weiter, daß ich nichts mehr von dir höre . . . Adieu, lebe echt wohl!«
Meister Smet war es nicht bange, daß sie diese Androhungen zur Ausführung bringen möchte, aber was er fürchtete war, daß sie, also mit Geld beladen, bei den Bauern herumlaufe und sich selbst zum Gegenstand des allgemeinen Gespöttes mache.
Schnell sprang er daher auf die Thüre zu, drehte den Schlüssel um und steckte ihn zu sich.
Da brach die Frau in die heftigsten Ausdrücke aus und wollte ihrem Mann den Schlüssel mit Gewalt abzwingen.
Dieser häusliche Zweikampf dauerte so lange, bis der Mann den Muth verlor und das Versprechen gab, sich dem Willen seiner Frau zu unterwerfen.
Es wurde nämlich beschlossen, daß, wenn die Justiz oder die Polizei Nachfrage hielte, sie behaupten würden, das Geld käme vom Vater der Frau her und sie hätten es bisher unangetastet gelassen. Von einem Vorschuß auf das Erbe aus Holland sollte nicht weiter die Rede sein, weil es dabei unmöglich gewesen wäre, die Person zu nennen, die den Vorschuß gemacht hätte. Ferner wollten sie das Geld wieder in den Balken stecken, aus dem es ihnen unversehens zugefallen war, und das Brettchen, das so gut aus das Loch paßte, wieder darauf nageln. Nachdem die Frau ihrem Gatten das Fürchterlichste für den Fall angedroht, daß er sich unterstehen sollte, mit Blick oder Rede merken lassen, wo der Schatz läge, machte sie sich sofort an die Ausführung ihres Vorsatzes.
Als der Schatz bis auf das letzte Stück wieder auf den Söller gebracht worden, suchte Frau Smet ihrem Manne den Muth aufzufrischen und ihm wieder Liebe zum Reichthum einzuflößen; aber er fühlte sich von dem Gedanken, daß er vor der Justiz eine Lüge aussprechen müsse, ganz und gar niedergeschlagen. Er hielt diese für eine schändliche, strafbare Missetat; und jetzt erst zitterte er vor Angst wie ein Dieb, den man seines Frevels überführen würde. Er hörte die Worte seiner Frau nicht mehr; aber um so mehr traf das geringste Geräusch auf der Straße seine erschütterten Nerven und in jedem Tone, der zu seinen Ohren drang, glaubte er die drohende Stimme der Gensdarmen zu vernehmen. Nur zuweilen entschlüpfte ihm der schmerzliche Ausruf:
– »Das Teufelsgeld! Der verfluchte Schatz!«
VII
Eine Stunde nach obigem Austritt stand die enge Straße voller Menschen, die neugierig nach des Schornsteinfegers Haus ihre Blicke richteten, vor welchem ein Gensdarm Wache hielt.
Käthchen hatte sich gegen die Mauer ihrer Wohnung gelehnt, hielt die Schürze vors Gesicht und weinte bitterlich. Einige Freundinnen, die sie umstanden, nahmen innigen Antheil an ihrem Schmerze; Annemarie besonders gab sich alle Mühe, sie aufzurichten, ob sie gleich ihre eigenen Thränen kaum zurückzudrängen vermochte.
Der Hausthüre Smet’s gegenüber befand sich der Volkshaufe am dichtesten und die buntesten Gerüchte gingen unter diesen Leuten von Mund zu Mund.
– »Geschieht ihr ganz recht,« sagte ein Fischerweib, »das wird sie lehren, die Madame spielen zu wollen. Die Putzsüchtige mit ihrem seidenen Hute und ihrem Atlaßkleide mag jetzt der honneten Kompagnie im Zuchthause vorerzählen von der guten Familie, aus der sie stammt. – Und will sie durchaus paradieren, nun, das Schaffot ist hoch genug.«
– »Gewiß kann sie sich nunmehr einer großen Verwandtschaft rühmen,« spottete eine andere; »zu Vilvorde14 wird sie wohl sechs bis siebenhundert ihrer Vettern begrüßen!«
– »Aber wie ist das nur möglich,« sagte mitleidsvoll ein alter Bürstenbinder, »ich hätte dem Hans-Spaß meinen letzten Stüber anvertraut . . . «
– »So gute Leute, die Niemand je Leid noch Schaden zugefügt haben?« fügte ein Anderer hinzu.
– »Die sich so wenig aus dem Gelde machten, daß sie noch Almosen gaben, obgleich es bei ihnen selber ziemlich knapp herging?«
– »So freundliche, seelengute Gesellen?«
–« Die Freude und Lustigkeit selber. Die sollten auf so schmähliche Weise, mittels nächtlichen Einbruchs, gestohlen haben?«
–«Ja,« bemerkte eine Schneidermeistersfrau, »heutzutage darf man seinem eigenen Bruder nicht mehr trauen: es stiehlt wer Beine hat. Desto schlimmer für den, der sich anführen läßt.«
– »Geht doch, Betteken,« erwiderte Metzger Van Trip, »so arg ist’s eben noch nicht? Weil euer Mann das Tuch durch die Schere zieht, glaubt ihr gleich, es gebe gar keine ehrlichen Leute mehr in der Welt.«
– »Ihr freilich kommt nicht an den Galgen,« schnaubte die Frau Schneiderin ihm zu; »dafür seid ihr viel zu lumpig.«
– »Danke schönstens, liebenswürdige Frau Bethe!« scherzte der Metzger.
– »Wer was verdient, der muß es auch haben,« fiel das Fischerweib in die Rede. »Ich sehe nicht gerne andere leiden; aber wenn diese Kaminfegersmadame aufs Schaffot steigen müßte, auf den großen Markt liefe ich, es mit anzusehen, und läge ich am Sterben.«
– »Pfui, ihr losen Zungen!« rief ein Mädchen; »ich begreife nicht, wie ihr euch am Unglück eures Nächsten so ergötzen könnt. Was kommt euch denn daraus zu gute, wenn Smets im Gefängniß sitzen?«
»Ei, du Tröpfchen,« lachte das Fischerweib; »möchtest vielleicht, daß man die Diebe gar laufen ließe?«
Das Mädchen wollte antworten, aber da steckte ein altes Weib ihren Kopf in den Kreis und sagte:
– »Jesus Maria, habt ihr denn auch gehört, wie Hans-Spaß seinen Schlag ausgeführt?«
Alle schauten neugierig auf.
– »Denkt euch einmal!« begann sie; »ja, du liebe Zeit, wer möchte noch Jemand trauen; aber ich hab’s immer gesagt und sage es noch, es sollte von Polizei wegen verboten sein, so viel Gold in den Fensterauslagen zur Schau zu stellen. Denn, wenn so ein armer Schlucker vor dem Laden eines Geldwechslers stehen bleibt und seine Augen auf die Haufen Geldstücke fallen läßt, ist es als ob der Teufel über ihn käme. Ich bin alt, und doch muß ich gestehen, daß, so oft ich vor einer Wechslerauslage vorbeigehe, und das Geld blinkt mir so lockend entgegen, es mir gewaltig im Herzen zu klopfen anfängt und es mir wirr wird im Geiste. Es ist als ob ich Angst davor kriegte. Vorgestern sagte ich noch zur Therese, der Waschfrau, die auch so gerne mit ihren Kindern vor den Fenstern stehen bleibt: Paßt auf, Therese, der Weg nach dem Schaffot führt hier vorbei!«
– »Ihr habt Recht,« bemerkte der Bürstenbinder; »mancher ist durch den bloßen Anblick des Geldes ein Bösewicht geworden.«
– »Aber auch wenn einer sieben Kinder zu Hause hat, die vor Hunger und Kälte zusammenschrumpfen,« murrte ein Arbeiter, »und er sieht so ganze Stöße Goldes unbenutzt da liegen, wovon ein einziges Stück ihn und seine Kinder glücklich machen könnte, da möchte man leicht versucht werden, seine Pflicht zu vergessen . . . «
–«Aber, Mutter Bethe, was wolltet ihr denn vorhin von Baes Smet eigentlich erzählen,« fragte Jemand.
– »Nun ja; dem ist es gerade so ergangen. Hans-Spaß hatte ebenfalls die schlechte Gewohnheit, an den Wechslerauslagen das blanke Geld zu beliebäugeln. Nun geschah es vor acht oder zehn Tagen, daß er zu einem Wechsler gerufen wurde, um ein Kamin zu kehren. Die kleinen Goldvögelein, die er dort haufenweise so ganz in der Nähe sah, waren ihm gar im Kopfe hängen geblieben und in der Nacht hat er die Thüre des Wechslers erbrochen und so viel Geld gestohlen, als er nur tragen konnte . . . «
– »O der Dieb!« rief wehmüthig die Schneidersfrau.
– »Er hatte seinen Schlag wohl berechnet,« fuhr die Alte fort »und die Krähen würden es nicht ausgebracht haben, wenn es seine hoffärtige Frau mit ihrem Prahlen nicht selber ausposaunt hatte.«
– »Wißt ihr, wer dabei am meisten zu bedauern ist?« sagte ein Mädchen; »das ist Schuhmachers Käthchen. Seht, wie sie dort sitzt, halb todt vor Schrecken!«
– »Glaub’s wohl,« antwortete man, »Baesin Smet machte ihr weis, daß auch sie einst eine Madame sein und ein Haus auf dem Meir bewohnen würde, und hat so das unschuldige Schaf stapelstolz gemacht – und jetzt liegen alle ihre Schlösser in Trümmern! Sie sollte in Kurzem getraut werden; seht kann sie nicht zehn oder fünf- zehn Jahre warten, bis ihr Pauw in Vilvorde das Knopfmachen gelernt hat.«
– »Was kann Pauw dafür, daß sein Vater ins Unglück kommt?« bemerkte das Mädchen.
– »Wohl wahr, aber leider beweisen die Fußtritte im Hause des Wechslers, daß Meister Smet nicht allein gewesen.«
– »Armer Pauw, armes Käthchen,« klagte das Mädchen, wie von einer peinlichen Ueberzeugung niedergedrückt.
– »Seid ohne Sorge; den Pauw kriegen die Gensdarmen nicht in die Schlinge,« bemerkte Jemand. »Der ist pfiffig genug und hat sich zeitig aus dem Staube gemacht. Ohne Zweifel ist er schon über der Grenze und zwar gewiß mit gefüllten Taschen . . . «
– »Kobe, du spritzest Gift,« rief der Arbeiter. »Vor einem Augenblick habe ich den Pauw noch am Stadtgraben gesehen, er läuft herum wie ein seiner inne beraubter Mensch.«
– »Daraus seht ihr eben, daß er um die Sache weiß. Wen keine Schuld drückt, dem braucht nicht bange zu sein.«
– »Er sollte also wohl Späße machen, während die Gensdarmen seine Eltern ins Gefängniß schleppen?«
Niemand schien an der Richtigkeit der gegen Smet erhobenen Anklage zu zweifeln; ja die meisten empfanden eine geheime Freude über die Schande, womit seine hochmüthige Frau nunmehr belegt worden.
Wohl gab es mehrere, die aufrichtiges Mitleid mit dem Schornsteinfeger und seinem Sohne hegten, und die sich von der Möglichkeit einer so verbrecherischen Handlung von Seiten so gemüthlich-heiterer Menschen nicht überzeugen konnten. Hans-Spaß und Pauwken-Frohmuth, die sich stets vertrauensvoll aus Gottes Gnade verließen, sollten aus schnöder Geldgier einen schändlichen Frevel begangen haben?
Aber so sehr sich das Gemüth dieser wohlgesinnten Freunde auch sträubte, der Anblick des Gensdarmen, der vor Smets Hause Wache stand, drängte wieder jeden günstigen Zweifel zurück.
Im vordern Zimmer seiner Wohnung saß der Schornsteinfeger wie zerknirscht den Kopf auf die Hände gestützt. Ein Gerichtsdiener bewachte ihn, während man im Hinterstübchen beschäftigt war, seine Frau zu verhören.
In diesem Stübchen befanden sich zwei oder drei Personen vom höheren Gerichtshofe nebst dem Polizeikommissär und zwei Gensdarmen.
Frau Smet saß dem verhörenden Richter gegenüber und lächelte ihm trotzig entgegen, ohne die geringste Bewegung zu verrathen.
– »Ihr behauptet also,« wiederholte der Richter, »daß ihr das Geld schon längst im Besitz habt und daß dasselbe zum Nachlaß eures Vaters gehört.«
– »Ja.«
– »Es ist aber doch stadtkundig, daß euer Vater kein Geld hinterließ.«
– »Das muß ich am besten wissen,« entgegnete kaltblütig die Frau. »Was er mir während seiner Krankheit geschenkt, das konnte natürlich bei seinem Tode nicht vorgefunden werden.«
– »Und wie hoch belief sich die Summe, die ihr davon bis jetzt behalten habt?«
Die Frau schien nachzurechnen.
– »Nun, sprecht, wenn ihr’s nicht mehr ganz genau wißt, wie viel war es ungefähr?«
– »Ich sehe schon,« erwiderte Frau Smet, »Sie wollen mich über Kleinigkeiten in Verlegenheit sehen, aber das geht so leicht nicht, meine Herrn.«
– »Wie viel? frage ich,« sagte der Richter mit Ungeduld.
– »Es mögen wohl ein paar tausend Gulden sein.«
– »Aber wie viel solcher Tausende?«
– »Das kann ich so genau nicht sagen; ich habe es nirgends aufgeschrieben.«
– »Sind es wohl zehn Tausend?«
– »O, weit mehr.«
– »Wie ist es aber zu erklären, daß ihr zwanzig Jahre lang als geringe Handwerksleute gelebt und nun auf einmal die Taschen voller Goldstücke in den Läden herumstreift, Hunderte von Gulden auf Kleider und Kostbarkeiten verwendet und sogar mit dem Gedanken umgeht, ein Haus zu miethen, das ihr euch jährlich an viertausend Franken kosten lassen wollt?«
– »Es hat Jedermann seine kleinen Gelüste. Ich bin aus guter Familie, und hatte vernommen, daß ich nächstens von meiner Tante in Holland, die Steinreich ist, eine Erbschaft anzutreten habe. Dies brachte mich auf den Gedanken, fernerhin nicht mehr zu sparen und endlich ein Leben zu führen, wie es meinem Stande angemessen ist.«
– »Wie viel Geld habt ihr noch in Händen?«
– »Nichts mehr.«
– »Wie das, nichts mehr? Gestern noch habt ihr dem Besitzer eines Hauses auf dem Skt. Jakobsmarkt eine Handvoll Goldstücke gezeigt. Wo sind diese hingekommen?«
– »Wenn ich die verschenkt hätte und nicht zu sagen für gut fände, wem?«
Der Richter schüttelte unwillig den Kopf und sagte:
– »Ihr sagt die Wahrheit nicht; so sind wir gezwungen sie euch mit Gewalt zu entlocken. Euer Gatte wird jetzt gleichfalls vor uns erscheinen. Gebt aber wohl Acht, daß ihr nicht ein Wort sprecht, es sei denn auf meinen Befehl; sonst lasse ich euch sofort ins andere Zimmer führen.«
Zu einem der Gensdarmen sich wendend, befahl er:
– »Bringt den Mann herein!«
Als der Schornsteinfeger ins Zimmer trat und die Gerichtsleute ansichtig wurde, überfiel ihn ein solches Zittern, daß man ihn an den ihm bestimmten Stuhl führen mußte. Er war todtenblaß und schien die ersten Fragen des Richters nicht zu hören.
Man ließ ihm eine kleine Weile, um sich zu sammeln, und unterdessen wechselten die Untersuchungsrichter Blicke untereinander, als hätte ihnen der Schrecken des Verdächtigten die Ueberzeugung beigebracht, daß der wahre Schuldige vor ihnen stände.