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Kitabı oku: «Der Rekrut»

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Der Verfasser an seine Freunde

Antwerpen, den 15. November 1849.

Achtbare Leser und Leserinnen.

Ihr, meine guten Freunde, die Ihr dem Autor treu geblieben seid, so sehr auch aufgeregte Leidenschaften seinen Namen herabzusetzen suchten, ich bring Euch heute eine gute Nachricht.

Ich bin recht krank gewesen.

Mein Geist war ermüdet, meine Seele gedrückt, mein Körper ohne Kraft. Ich, von Gott zum Mindesten mit Muth und einem umfassenden Lebensgefühl ausgerüstet, versank in die tiefste Mutlosigkeit und fühlte mit Entsetzen, wie ein schleichendes Gift – vielleicht der Haß gegen das Menschengeschlecht – in meine beklommene Brust eindrang.

Habe ich nicht – zum ersten Mal in meinem Leben – in dieser unbegreiflichen Zeit – alle Leidenschaften nackt und frech in ihrem Wirken gesehen? Suchte sich nicht das größte Uebel – das Laster – durch den Kampf zu rechtfertigen, so wie der Mord durch den Krieg gerechtfertigt ist? Und dann, die heiligste Sache – die Sache von Flandern's Erhebung? Das Streben meiner Jugend, die Arbeit meiner Manneskraft?. . . Aber schweigen wir davon! Ich trage eine Wunde im Herzen und will sie nicht von Neuem aufreißen. – Sprechen wir lieber von süßen Erinnerungen.

Drei Monate habe ich auf der Haide zugebracht: dort kehrt die Seele in sich selbst zurück und genießt der Ruhe; dort fingt Alles von stillem Frieden; dort wirft der Geist – Gottes ursprünglicher Schöpfung gegenüber – die Fesseln des Alltagslebens von sich, vergißt die Gesellschaft und ersteht zu neuer Jugend; dort nimmt jeder Gedanke die Form des Gebetes an; dort entfällt dem Herzen Alles, was mit der frischen Ungezwungenheit der Natur nicht im Einklang steht.

Ja, dort findet das erschlaffte Gemüth Befriedigung, dort gelangt der abgelebte Mensch zum Gefühl einer neuen Jugendkraft.

So sind die Tage meiner Krankheit verlaufen, Tage von unnennbarem Genuß für meinen Geist. Die Tonne begrüßen, sobald sie In voller Majestät ihre ersten Strahlen über den Horizont sendet; die Natur belauschen, wenn sie die ersten Noten ihres großen Lobgesanges gen Himmel sendet; Wiesen und Wälder durchwandet; meine eigene Seele befragen und denken; das Leben der Kräuter und Thiere ergründen und bewundern, die reine Luft mit vollen Zügen einathmen, gehen und wiederkehren, und laut in der Einsamkeit sprechen; dazu von unbegreiflich schönen Dingen träumen! von Gott und der Zukunft, von Flandern – von Friede und der Liebe! Und des Abends! Sich an den alten Kamin niedersetzen, die Füße in die Asche gestreckt, das Auge gegen die Sterne gerichtet, die dort oben durch den Schornstein mir entgegenleuchten, als wollten sie mich jetzt schon zu sich rufen; – oder auch in Gedanken versunken ins Feuer sehen und die Flammen bewundern, wie sie entstehen, wild umherflimmern, knistern, sich mit Neid verdrängen und dann mit feurigen Zungen die Kessel belecken, – und dazu denken, das ist des Menschen Leben: geboren werden, arbeiten, lieben, hassen, groß werden und vergehen. Damit fliegt der Rauch zum Schornstein hinaus und macht dem wilden Treiben ein Ende!

Und dann aus diesem Traume aufwachen und den Dorfbewohnern ihre Gespräche ablauschen. Eine kleine, enge Welt, mit ihren naiven Schwächen und Leidenschaften verfolgen; im Herzen des Menschen lesen und seine innersten Beweggründe erforschen; – und sich an diesem einfachen Landleben erfreuen, welchem die Natur so frische Farben leiht.

Inzwischen im Gedächtniß bezeichnen, was ich meinen Freunden wiedererzählen will, um ihnen bei meiner Rückkehr einige Geschenke aus der Campine anbieten zu können . . .

Jetzt bin ich mit meinen Geschenken hier; es sind bescheidene Kränze, die ich, halb im Traume, aus Haidekraut und Kornblumen für Euch geflochten habe.

Vielen von Euch, geliebte Leser, werden diese stillen Dorfbilder nicht gefallen. Einfach wie der Grund, dem sie entwuchsen, stehen sie in schroffem Widerspruche zur herrschenden Mode: sie sind kein Gemenge von Mord und Diebstahl, von Ehebruch und Unzucht, von Unglauben und Verzweiflung; sie machen nicht, daß dem Leser aus Schreck vor seiner eigenen Tugend und der Zukunft der Menschheit die Haare zu Berge stehen. Nein, nein, sie sind nicht von dem Satan des Hasses und des Frevels eingegeben. Die Natur in ihrer makellosen Frische hat sie aus einem einfachen Stoff gewebt, worin nur hier und da eine helle Perle der Menschenseele glänzt. Um meine Gabe gehörig zu schätzen, muß man nicht alle Illusion verloren haben, denn sie berührt die edelsten Saiten des menschlichen Herzens, die Lebenslust und die Liebe zu Gott und den Mitmenschen, welche erst durch den Fluch der Gewinnsucht und des Egoismus verstummen.

Indem ich so, meine Leser und Leserinnen, die Verpflichtung übernehme, Euch die Ergebnisse zu erzählen, welche ich auf der Haide selbst hinter dem traulichen Kamine vernommen habe, dürft Ihr nur eine getreue Schilderung des Stilllebens dieser Haidebauern erwarten und mir verzeihen, daß ich mit so geringen Mitteln ein ganzes Buch füllen will.

Euch, meine flämischen Freunde, sende ich so in diesem Rekruten die erste Blume aus meinem Kranze, möge Euer günstiges Urtheil mich belohnen und mir den Muth verleihen, mit der Zeit mein Versprechen gänzlich zu lösen.

I

Die junge Frühlingssonne stand in vollem Glänze auf ihrer blauen Himmelsbahn. – Als wäre sie das majestätische Gesicht der Gottheit, die mit lächelndem Blicke der Schöpfung zuriefe. »Auf! Auf! der Winter ist vorüber, erwache zu neuem Leben, und erfreue dich meines Anblicks« – so milde leuchtete sie über Feld und Haide, und erfaßte den nackten Boden mit der Gluth ihrer Strahlen.

Noch hatten nur wenige Blumen den Ruf der Weltfreundin vernommen , das Schneeglöckchen allein bewegte seine silbernen Sternchen, der Haselbusch entfaltete seine zitternden Zweige, die Wald-Anemone öffnete furchtsam ihre zarten Blätter; aber die Vögel flatterten in dem heitern Lichtstrome, und sangen mit heller Stimme von der nahenden Liebeszeit . . .

Nicht weit von Zoerselbosch standen einsam und vergessen zwei Lehmhütten neben einander, in der Einen wohnte eine arme Wittwe mit ihrer Tochter; eine Kuh war Alles was sie in der Welt besaßen,; in der andern Hütte lebte gleichfalls eine Wittwe, mit ihrem uralten Vater und zwei Söhnen, von welchen nur der Eine die Jünglingsjahre erreicht hatte. Sie waren vom Geschicke gesegneter als die Nachbarn, den sie besaßen einen Ochs und eine Kuh, und hatten viel mehr Feld in Pacht, doch bildeten die Bewohner dieser beiden Hütten seit langen Jahren eine einzige Familie, deren sämmtliche Glieder sich liebevoll unterstützten, wo es immer nöthig war. Jan und sein Ochs arbeiteten auch auf dem Felde der armen Wittwe, Trien holte auch das Futter für den Ochsen, und half den Nachbarn in der Feldarbeit, ohne daß es ihnen jemals in den Sinn gekommen wäre, wer für den Andern am Meisten gethan.

Schlicht ja unbekannt mit dem Treiben des wogenden Menschenschwarmes lebten sie zufrieden von dem Stücke Roggenbrod, das ihnen Gott beschied. Ihre Welt hatte enge Grenzen, auf der einen Seite das Dorf und seine niedere Kirche; auf der Andern die unermeßliche Haide und der weite Horizont.

Und doch lachte und jubelte Alles in der einsamen Behausung und der nächsten Umgebung; die Freude herrschte darin in vollem Maße, und keiner dieser armen Leute hätte sein Loos gegen ein scheinbar Besseres vertauscht.

Denn der Liebe goldener Zauberstab hatte auch die Wüste berührt. Jan und Trien – sie wußten es nicht – liebten sich, mit dem unausgesprochenen und schüchternen Gefühle, das bei dem geringsten Vorfall die Herzen zu höherem Schlage bringt; das bei dem geringsten Worte die Stirne verklärt, das das Leben umändert in einen langen Traum, der den Himmel mit allen seinen Sternen eröffnet, und die Herzen in das erste Paradies der Menschheit zurückführt.

Arme Leute! sie dachten nicht an die große Gesellschaft, die draußen in den Städten sich herumtreibt, sie glaubten sich auch von ihr vergessen, und lebten voll Vertrauen in ihrem schönen und süßen Elende fort. Da kam man plötzlich um von der Lehmhütte den Blutzoll zu fordern, der einzige junge Mann, der darinnen wohnte, der einzige der stark genug war, die undankbare Erde durch seinen Schweiß zu befruchten, sollte loosen und Soldat werden; wenn seine bebende Hand eine unglückliche Nummer zog – dann mußte er seiner Haide, seiner Mutter, seiner Freundin auf lange, vielleicht auf immer Lebewohl sagen, und seine stille unschuldige Seele allen Gefahren eines wüsten Kriegslebens aussetzen.

Der verhängnißvolle Dienstag, welchen Trien in ihrem Kalender für 1833 mit einem schwarzen Kreuz bezeichnete, war gekommen. Der junge Mann zog mit einem Dutzend Kameraden aus dem Dorf nach Brecht um dort zu loosen.

Drinnen lagen die beiden Mütter und das Brüderchen vor dem Muttergottesbilde, mit aufgehobenen Armen, und beteten inbrünstig. Der alte Großvater ging auf und ab ohne eine Wort zu sprechen, und blieb endlich vor der Thüre stehen, die Hand auf den Weinstock gestützt und das Haupt zur Erde gebeugt, als ob er in ein Grab schaute.

Das Mädchen stand in dem Stalle vor ihrer Kuh, blickte ihr trübe und unverwandt in die Augen, und streichelte ihren Hals, als wollte sie das arme Thier über das neue Unglück trösten.

Ueber beide Hütten hing wie ein Trauerflor eine melancholische Stille, die nur dann und wann das dumpfe Gebrüll des Ochsen unterbrach.

Da nahte Trien und blickte den Großvater mit stummer Bitte an.

Der Greis erwachte aus seiner peinlichen Betrachtung, ergriff einen knotigen Stab, und sprach zu dem Mädchen: »Verliere den Muth nicht Trien, Gott wird uns in dieser schrecklichen Noth beistehen. Kommt, die Stunde ist nah, wir wollen dem armen Jan entgegengehen!«

Trien folgte dem Großvater auf einem Stege, der an dem Hause vorbei zum Dorfe führte. Obgleich eine brennende Ungeduld sie fortzog, ging sie doch mit trägen Schritten hinter ihm, der Greis kehrte sich nach dem Mädchen um, und bemerkte ihren unsicheren Schritt und ihre bleichen Wangen. Gerührt erfaßte er sie bei der Hand, und sprach: »Armes Kind, du hast unseren Jan doch recht gerne, er ist nicht dein Bruder, und doch bist du noch trauriger als wir. Fasse dich Trien, du weißt noch immer nicht, was Gott beschlossen.«

»Ich habe Angst,« schluchzte das Mädchen zitternd und mit stieren Blicken in das Gebüsch sehend.

»Angst?« wiederholte der Alte, der gerne die Ursache von des Mädchens Schrecken entdeckt hätte.

»Ja, ja,« schluchzte Trien, und bedeckte ihr Gesicht mit der Schürze, »es ist um uns geschehen, er hat eine böse Nummer gezogen.«

»Wie kannst du das wissen; du machst mich vollends beben,« sprach der Großvater mit unsicherer Stimme.

Das Mädchen wieß mit dem Finger weit über den Baumweg hin, und antwortete: »Dort hinter dem Walde, horcht!«

»Ich höre nichts; sputen wir uns lieber, es werden die Rekruten sein. – Um so besser.«

»Gott, Gott,« schrie das Mädchen, »ich höre eine Stimme, so ängstlich und so trüb, es ist als ob ein tiefer Seufzer in meine Ohren gellte.«

Eine Weile starrte der Alte besorgt das Mädchen an, die fernen Tönen zu lauschen schien. Auch er suchte den fernen Laut zu vernehmen , doch bald sagte er mit lächelnder Miene:

»Dummes Mädchen, es ist der Wind, der durch die Zweige rauscht.«

»Nein, nein,« antwortete das Mädchen, »es kommt weit hinter dem Walde her, hört ihr die klagende Stimme nicht?«

Nach einem Augenblick antwortete der Alte: »Jetzt weiß ich was du sagen willst. Es ist der Hund vom Pachter Claes, der über einen Todten heult, die Pächterin, die die Auszehrung hat, wird diese Nacht gestorben sein. Gott sei ihrer armen Seele gnädig!«

Das Mädchen, welchem bei der Aufregung ihres Gemüths das nahe Geheul als die Anzeige eines sicheren Unglücks erschienen war, erkannte ihren Irrthum, sie wischte die Thränen aus ihren Augen, und folgte dem Alten mit schnelleren Schritten, und stillschweigend bis dieser zu ihr sagte: »Aber Trien, wenn du so untröstbar bist, was muß seine Mutter, was muß ich sein Großvater dazu sagen, wir haben ihn mit sorgender Mühe aufgezogen und lieben ihn wie unseren Augapfel. Jetzt sind wir alt und schwächlich, er sollte für uns in unseren schlimmen Tagen arbeiten, und wenn Gott seinen guten Engel nicht gesandt hat, um ihm die Hand zu lenken, so muß er jetzt ins Militär und uns der Noth überlassen.«

Bei diesen Worten brach das Mädchen in einen neuen Thränenstrom aus. Sie antwortete fast ärgerlich: »Ja, Vater, ihr habt recht, allein ich habe auch rüstige Arme und wenn ihr nicht mehr könnt, so will ich wohl den Ochsen auf das Feld führen, und alle grobe Arbeit allein thun; aber mein armer, armer Jan, nichts hören als fluchen und schwören, und Prügel kriegen, und im Loch sitzen und Hunger leiden, und auszehren vor Verdruß, wie der arme Paul, den sie vor 4 Monaten zu Tode gemartert haben, und Niemanden mehr sehen, von Allen die ihn auf der Erde liebten, weder dich, noch seine Mutter, noch sein Brüderchen, noch. . . niemand, als die wüsten, bösen Soldaten.«

»Sprich so nicht, Trien,« sagte der Alte kümmerlich, »deine Worte schmerzen mich, warum so bitter geklagt, du weinst als ob du an seinem Unglücke nicht zweifeltest! Ich denke noch immer, daß ihm das Loos günstig war, ich habe Vertrauen in Gottes Güte.«

Die Thränen des Mädchens flossen wieder reichlich, doch antwortete sie nicht, und beide gingen still fort, bis sie das Dorf erreichten.

Auf dem Wege, den die Rekruten von Brecht zurückkommen mußten, standen viele Menschen, in Gruppen vertheilt, die Alle mit Ungeduld auf den Ausgang der Ziehung warteten; es war sehr leicht diejenigen zu erkennen, die in Brecht einen Bruder oder Liebhaber hatten; hier sah man eine Mutter, die Schürze vor den Augen, dort einen Vater, der mit Gewalt die Angst verbergen wollte, die doch auf seinem Gesichte zu lesen war; dort ein Mädchen mit bleichen Wangen und schüchternem Blicke, von einer Gruppe zur anderen laufend, als wäre sie von einer unnennbaren Angst verfolgt.

Viele Andere, welche die bloße Neugierde hergezogen hatte, schwatzten und scherzten mit lauter Stimme. Der alte Schmidt, der vor Zeiten unter den kaiserlichen Dragonern gedient hatte, lobte das Soldatenleben, und fand ein williges Echo in des Müller's versoffenem Sohn, der elf Monate lang Soldat gewesen, und seitdem sein elterliches Vermögen zur Hälfte vertrunken und vergeudet hatte. Der Schmidt that dies nicht in schlechter Absicht; er dachte vielmehr seine traurigen Freunde um ihn durch derlei prächtige Schilderungen aufzuheitern, und rief einmal um das andere:

»Alle Tage Suppe und Fleisch, viel Geld, gutes Bier, nette Mädchen, dazu tanzen und springen und fechten, daß einem die Fetzen vom Leibe fliegen: das nenn' ich das wahre Leben! Ihr kennt das Zeug nicht!«

Doch seine Worte hatten gerade die umgekehrte Wirkung; die Thränen der Mütter floßen um so reichlicher, und manches Gemüth wurde erst recht verstört.

Trien konnte sich nicht länger halten; der lose Scherz hatte sie tief gekränkt; mit drohender Faust sprang sie auf den Spötter und rief:

»Pfui, du häßlicher Schmidt! Du willst wohl alle zu Trunkenbolden machen, wie du einer bist! oder zu Fluchhelden, wie der Landstreicher, der von den Soldaten nichts gelernt hat als in Saus und Braus leben und seine Alten unter die Erde bringen!«

Des Müller's Sohn richtete sich zornig auf, und wollte schon mit dem Mädchen handgemein werden – da rief man von der andern Seite des Wegs: »Da sind sie! Da sind sie!«

Wirklich waren die Rekruten hinter dem Wald erschienen, und kamen jetzt heran, singend und jauchzend, daß die Luft davon erschallte. Einige schwenkten ihre Hüte und Mützen hoch, und sie hatten sammt und sonders das Ansehen, als kämen sie von einer Kirmeß etwas angeriffen zurück. Aber wer da sang und guter Dinge war, wer schwieg und Kummer hatte, war noch nicht zu sehen.

Sobald die Rekruten sich dem Wege näherten, liefen ihnen Blutverwandte und Freunde von allen Seiten entgegen. Der alte Großvater konnte so schnell nicht gehen, obschon Trien ihn bei der Hand fortzog. Endlich konnte sie ihre Ungeduld nicht mehr bemeistern, und während hinter ihr Mutter und Schwestern einige Rekruten umhalsten, ließ sie die Hand des Alten fahren, und rannte so schnell sie konnte, voraus. In der Hälfte ihres Laufs hielt sie plötzlich inne, als ob sie eine unbekannte Kraft gelähmt hätte. Sie wankte zur Seite, legte ihren Kopf gegen einen Baumstamm und weinte.

Der Alte holte sie ein und frug:

»Ist denn Jan nicht da, daß du stehen bleibst, Trien?«

»Gott, Gott, ich werde schier sterben,« rief das Mädchen. »Seht! da kommt er weit hinter den Anderen, mit trübem Blick und hängendem Kopf: – er ist halb todt, der Arme!«

»Vielleicht ist er von der Freude überwältigt, Trien.«

»Was seid ihr glücklich, Vater,« schluchzte das Mädchen, »daß ihr nicht mehr scharf seht!«

Inzwischen näherte sich Jan dem Platz, wo er seinen Großvater erblickte, und ging mit lässigen Schritten auf ihn zu.

Trien ging ihm nicht entgegen; statt dessen verbarg sie ihren Kopf hinter dem Baum und schluchzte.

Der Jüngling faßte den Greis bei der Hand, wies ihm eine Nummer , und sagte mit dumpfer Stimme:

»Vater, das Loos hat mich getroffen!«

Dann ging er auf das Mädchen, eine Thränenfluth stürzte aus seinen Augen:

»Trien! Trien!«

Weiter konnte er nicht, die Stimme erstickte in der Kehle.

Der alte Mann war zu sehr angegriffen um ein Wort zu sprechen oder einen Gedanken zu bilden; während einige Thränen über seine Wangen rollten, richtete er stumm seine Blicke auf die Erde.

Diese Stille wurde erst durch den schmerzlichen Ruf Jans unterbrochen:

»O, meine Mutter! meine arme Mutter!«

Dieser Ruf weckte in dem Geist des Mädchens einen neuen Entschluß, denn sie war ein edles und starkes Geschöpf. So lange sie im Zweifel war, hatte sie geweint; doch jetzt mit der Sicherheit des Unglücks und dem Gefühl einer hohen Verpflichtung gewann sie die ihr eigene Gemüthskraft wieder. Sie richtete ihren Kopf auf, wischte sich die Thränen aus den Augen und sagte gelassen:

»Jan, lieber Jan, Gott hat es so beschlossen; wer kann etwas gegen seinen Willen? Du bleibst doch noch Ein Jahr, vielleicht gibt es noch Mittel und Wege. Laßt mich gehen; ich will es auch der Mutter melden. Brächte ihr ein Anderer die Nachricht, sie stürbe vielleicht vor . . .«

Mit diesen Worten sprang sie über den Weg quer durch den Wald und verschwand.

Der Alte und der unglückliche Rekrut gingen den längeren Weg durch das Dorf. Sie hörten singen, schreien und jauchzen, waren aber in ihre Trauer zu tief versenkt, um auf den Lärm Acht geben zu können.

In der Nähe ihrer Wohnung fanden sie Trien, die ihnen mit den beiden Frauen und dem Brüderchen weinend entgegenkam.

Der junge Mann sah seine Geliebte mit einem Blick voll Dankbarkeit an; denn das Gesicht seiner Mutter zeigte ihm, daß das Mädchen der leidenden Frau einen Hoffnungsstrahl gezeigt haben müsse.

Durch diesen Anblick gestärkt, bezwang auch er seinen Schmerz und lief mit offenen Armen auf seine Mutter.

Diese Begegnung war zuerst bitter, und Thränen floßen noch einige Zeit; allmählich verschwand die Trauer, und, es wurde wieder Friede in den Hütten der beiden Wittwen.