Kitabı oku: «Eine verworrene Geschichte», sayfa 4
Gewaltsam wurden sie nun getrennt und Jeder in einen besonderen Kerker geschlossen.
Der alte Pächter sank auf das feuchte Stroh nieder, verbarg das Gesicht in den Händen und verharrte Stunden lang in dieser Lage, heiße Gebete zum Himmel sendend.
Es war vollständig dunkel um ihn her, auch nicht der matteste Lichtschimmer drang von außen zu ihm herein.
Als er allmählich Geräusche verschiedener Art aus der Ferne vernahm und den Boden unter seinen Füßen durch die Erschütterung vorüberfahrender Karren erzitterte fühlte, schloß er, daß es Tag geworden sei, aber wie konnte er sich Gewißheit verschaffen in dieser furchtbaren, undurchdringlichen Finsterniß?
Gleichwohl hatte er sich nicht getäuscht, denn plötzlich wurde die Thür seines Gefängnisses geöffnet und ein heller Lichtschein blendete seine Augen.
»Baas Coutermann,« sagte der Schließer, »Ihr seid frei und könnt nach Haus gehn.«
»Frei? Wir sind frei?« rief der Pächter, »o Gott sei tausendmal gepriesen!«
»Euer Sohn bleibt im Gefängnis, weil er das Verbrechen begangen hat. Der Amtmann war hier und hat ihn besucht; er gab mir den Befehl, Euch frei zu lassen.«
»Hat denn Urban ein Geständnis; abgelegt?«
»Das weiß ich nicht; da aber die Leiche nur eine einzige Wunde hat kann nur Einer den Mord begangen haben, und der ist jedenfalls Euer Sohn.«
»Ich, allein soll ich diesen Kerker verlassen?« klagte der Pächter. »Wir haben Einer so gut wie der Andere, unser Leben vertheidigt, und sind entweder Beide unschuldig oder strafbar.«
»Darüber hat der Droste zu entscheiden; er kommt jedenfalls heut Morgen noch her.«
»Ach ich bitte Euch, führt mich zu meinem armen Urban!«
»Ich darf Niemanden zu ihm lassen.«
»Auch mich, seinen Vater nicht?«
»Keinen Menschen; der Amtmann hat es strenge untersagt.«
Der Pächter legte die Hand an die Stirn und schien tief über Etwas nachzudenken. Der Schließer weckte ihn aus seinem Sinnen.
»Macht voran, Baas Coutermann,« sagte er, »lauft nach Haus und tröstet Eure Frau; sie wird es nöthig haben.«
»Ja, ja, Ihr habt Recht,« rief der Greis, »ach laßt mich zum Thore hinaus! Ich bin ein Unglücksbote, aber ich fliege!«
Und ohne auf seinen Begleiter zu warten eilte er die enge Treppe hinauf und über die Brücke ins Freie.
IV
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und schon sang im ersten Schimmer des neuen Tages hier und da ein munteres Vöglein sein Morgenlied.
Auf dem Hofe des Pächters Coutermann hörte man die Kühe brüllen und die Schweine grunzen, das helle Krähen des Hahnes aber, der durch die herausfordernden Rufe seiner Nachbarn zu immer neuen Anstrengungen angespornt wurde, übertönte jedes andere Geräusch.
Im Hause dagegen regte sich noch nichts.
Nach einem kurzen unruhigen Schlaf kam jetzt Frau Coutermann herunter.
»Noch immer nicht zurück?« seufzte sie, »o Gott was mag geschehn sein? . . . Aber vielleicht ist Blasius im Stall, der muß es wissen!«
Mit diesen Worten ging sie hinaus und öffnete die Stallthür, aber wie laut und oft sie auch nach dem Knechte rief, sie erhielt keine Antwort.
»Auch er nicht da? Ach wie ängstlich schlägt mir das Herz,« murmelte sie vor sich hin, »dieser schreckliche Traum hat mich ganz verwirrt, ich zitt’re ja wahrhaftig an allen Gliedern!«
Als sie wieder in die Stube trat fand sie dort die Magd, welche eben aufgestanden war und nun das Feuer anmachte.
»Therese,« sagte sie, »es ist noch Niemand aus Beersel zurück; ich fürchte es ist ein Unglück geschehn.«
»Lieber Gott, wie blaß Ihr seid!« gab diese zurück, »Ihr solltet Euch so nicht aufregen, auf eine bloße Vermuthung hin!«
»Ich kann mir nicht helfen; so lange ich den Pächter kenne, ist er noch nicht aus dem Hause geblieben.«
»Aber dies ist nun auch eine ganz besondere Gelegenheit: eine Kirmeß und ein Verlobungsschmaus. Zu gleicher Zeit, bei Cilia’s Ohm, mit Verwandten und Freunden.«
Ihre Worte schienen keinen großen Eindruck auf ihre Herrin hervorzubringen, denn diese blickte mit einem tiefen Seufzer zum Himmel.
»Nehmt doch Vernunft an,« fuhr die Magd tröstend fort. »Als Euch der Pächter gestern Bescheid sandte, daß er in Beersel zum Abendessen bleiben und vor zehn nicht zurück sein könne, hab ich Euch gleich gesagt, daß es sicher später würde. Man hat sie so lange dort gehalten, bis sie auf Andringen der Freunde, über Nacht geblieben sind. Zum Überfluß kam auch noch der Regen, und da wollten sie ihre besten Kleider nicht verderben.«
»Ich wollte, ich könnte so ruhig sein wie Du,« erwiederte die Pächterin, »doch habe ich nur wenig geschlafen und so schrecklich geträumt, daß ich noch zittre wenn ich daran denke; der kalte Schweiß stand mir beim Erwachen auf der Stirn.«
»Damit ist jedenfalls der Vorfall mit dem bösen Markus auf der Schützenwiese Schuld,« sagte die Magd; »als unser Nachbar Vervliet uns davon erzählte, zitterte ich auch vor Angst, aber Alles ist ja gut abgelaufen und der Amtmann hat seinen betrunkenen Neffen selbst wieder mit nach Dworg gebracht. Von ihm stand nichts mehr zu befürchten.«
Also sprechend setzte die Magd ihre Arbeit fort, sie stochte das Feuer, fegte den Fußboden rein und ordnete den Hausrath. Zerstreut lauschte die Pächterin ihren Worten, hin und wieder einen Blick durch das Fenster werfend oder vor die Hausthür tretend; immer aber kehrte sie enttäuscht und beunruhigt zurück.
»Die Füße versagen mir den Dienst,« sagte sie endlich auf einen Stuhl niedersinkend, »ach, es muß der schändliche Traum sein, der mich so erschüttert. Weißt Du, was ich träumte? . . . es ist zu schrecklich! . . . Der Pächter, Urban und Blasius gingen im Dunkeln nach Haus. Plötzlich wurden sie überfallen durch Markus der ein großes Messer in der Hand hielt. Ich hörte ihre Hilferufe, sah sie fallen, ihr Blut fließen . . . und da sollte ich nicht vergehn vor Angst?«
»Aber wo denkt Ihr denn hin,« suchte Therese wiederum ihre Herrin zu beruhigen, »was vermag Markus denn gegen drei Männer? Und hat der Amtmann nicht versichert, daß er seinen saubern Neffen den ganzen Tag bei sich behalten würde? Unser Pächter und Urban haben in Beersel geschlafen, verlaßt Euch darauf: jetzt sind sie auf dem Wege hierher, – was gilt die Wette, daß sie schon den Hügel hinter sich haben . . . Ha, da höre ich Schritte auf dass Haus zukommen, Sie sind es gewiß!«
Beide eilten erleichterten Herzens der Thür zu, blieben aber enttäuscht stehn, als sie die Schenkwirthin von Dworg darin erscheinen sahn.
»O arme Frau Coutermann!« rief diese gleich beim Eintreten, »wie beklage ich Euer Unglück! . . . Aber Ihr dürft nicht verzweifeln . . . «
»Mein Unglück? Was ist denn geschehen?« rief die Pächterin erbleichend. »Um Gottes Barmherzigkeit willen, sprecht, was wollt ihr damit sagen?«
»So wißt Ihr noch nichts?« fragte die Andere verwundert, »heiliger Michael, hat Euch denn Blasius nichts erzählt, was diese Nacht vorgefallen ist?«
»Wir haben Blasius noch gar nicht gesehen,« antwortete die Magd statt der Pächterin, sagt schnell, Base Gerts, was habt Ihr erfahren.«
»Schreckliche Dinge! Heute Nacht, als Pächter Coutermann, mit seinem Sohn und Blasius von Beersel zurückkehrte, sind sie in der Finsterniß von Markus und einigen seiner Saufbrüder unerwartet überfallen worden . . . «
»Großer Gott mein Traum!« schrie die Pächterin auf, »ach und Markus hat sie mit seinem Messer gestochen . . . «
»Nein, nein, das nicht; verwundet sind sie nicht . . . «
»Dank Dir, o Gott, Du hast mein Gebet erhört,« rief Frau Coutermann mit überströmenden Augen, »o sie leben! Und wo sind sie jetzt, Base Gerts? Noch zu Beersel?«
»So laßt mich doch ausreden,« sagte die Schenkwirthin, »Ihr sollt Alles wissen, aber macht Euch auf Schlimmes gefaßt, das Unglück ist groß genug.Es ist ein Todter . . . «
»Blasius, der gute arme Blasius?« fragte die Magd, die Schürze vor die Augen legend.
»Nein, der nicht, der Todte ist Markus.«
»Markus todt? Himmel, was werden wir hören?« rief die Pächterin und ihr plötzliches Erbleichen zeigte, daß sie einen Theil der Wahrheit erriet!
»Wenn Ihr nicht ruhig seid, kann ich nicht fortfahren,« bemerkte die Schenkwirthin. »Ein großes Unglück ist es freilich, aber sie vertheidigten ihr Leben und . . . «
»Wie mein Mann, mein Sohn, sie sollten es sein, die den Markus . . . «
»Ja, mit ihren Messern,« bestätigte die Andere.
»Heilige Mutter Gottes! und wo sind sie den jetzt?«
»Sie sitzen gefangen im Kerker unter dem Schloßthurm.«
Ein Schmerzensschrei tönte durch das Haus. Frau Coutermann verbarg das Gesicht in den Händen und weinte laut.
»Mein armer Mann!« rief sie ein über dass andere Mal, »im Kerker sitzen sie, wie die Räuber und Mörder. Barmherziger Gott verlaß uns nicht; ein so entsetzliches Schicksal haben wir doch nicht verdient!«
Halb ohnmächtig sank sie auf einen Stuhl.
»O welches Glück, da kommen sie!« rief plötzlich die Magd, »dort hinten sehe ich ganz deutlich unsern Herrn!«
Diese unerwartete Freudenbotschaft war von eben so überraschender Wirkung. Frau Coutermann sprang jubelnd auf, lief in’s Freie und fiel einige Schritte weiter, ihrem Gatten um den Hals.
»Thomas, Thomas! Du bist frei!« rief sie »dem Himmel sei Dank, daß ich Dich an mein Herz drücken darf! . . . Aber wo ist Urban? Du antwortest nicht? Ach mein armes Kind!«
»Beruhige Dich nur erst liebe Clara,« sagte der Pächter, sie nach dem Hofe zurückführend, »die Sache wird so schlimm nicht sein als Du befürchtest, wir müssen geduldig den Ausgang erwarten. Du siehst ja daß ich den Muth nicht verliere, im Gegentheil, ich hoffe, daß Alles gut endigen wird.«
Coutermanns Worte standen in direktem Widerspruch zu seiner äußern Erscheinung, denn sein Gesicht war todtenblaß, seine Lippen bebten fieberhaft und er schloß von Zeit zu Zeit die Augen um die hervorbrechenden Thränen zurückzudrängen.
Er ließ seine Frau niedersitzen, nahm neben ihr Platz und sagte, ihre Hand in der seinen haltend, anscheinend ruhig:
»Fasse Muth Muth, Clara, Du wirft sehn, Deine Furcht ist unbegründet, wir waren im Stande der Nothwehr und vertheidigten das eigne Leben, dazu hat jeder Mensch das Recht. Natürlich muß der Droste den unglücklichen Vorfall untersuchen, damit später das Schöffengericht ein klares Urtheil gewinnt aber dann kommt Urban jedenfalls frei, denn wer kann es uns verdenken, daß wir bei einem nächtlichen Ueberfall unseres Lebens uns wehren gegen Leute, die uns ermorden wollten.«
»Ermorden wollten sie Euch? Großer Gott!« seufzte Frau Coutermann, deren Angst durch die tröstenden Worte ihres Gatten einigermaßen vermindert war.
»Hat Dir denn Blasius das nicht erzählt?« fragte der Pächter.
»Blasius ist gar nicht heimgekommen,« sagte Therese.
»Nicht heimgekommen? Blasius ist noch immer nicht zurück?« fragte der Pächter noch einmal, und ein lebhafter Schrecken malte sich in seinen Zügen. »Ach, der arme Junge!«
»Was wollt ihr damit sagen, Baas,« rief die Magd »sollte ihm ein Unglück geschehen sein?«
»Ich weiß es nicht,« antwortete Coutermann nachdenklich, »er stieß bei dem Angriff unserer Feinde einen jämmerlichen Schrei aus. Ach, ich darf nicht sagen, was ich denke!«
Therese begann laut zu schluchzen Blasius war seit vielen Jahren ihr Gefährte, er hatte ein so gutes Herz und zeigte sich gegen sie stets so freundlich und so gefällig, daß es ihr zur Gewohnheit geworden war, ihn wie einen Bruder zu betrachten und zu lieben. Sie fühlte was der Pächter andeuten wollte und theilte seine Sorgen um den armen Blasius.
Frau Coutermann war von dem Leid über ihren Sohn so erfüllt, daß sie des Knechtes kaum gedachte. Bitterlich weinend saß sie da, und hörte selbst nicht mehr auf die Trostgründe, welche ihr Mann und die Schenkwirthin vorbrachten, um sie aufzurichten..
Im Geiste sah sie ihren Urban im Kerker auf dem feuchten Stroh sitzen, sah einen Thränenstrom über seine bleichen Wangen fließen, sie hörte ihn seufzen und den Namen seiner Mutter wie einen Hilferuf wiederholen.
Einmal sprang sie auf und wollte das Haus verlassen, um ihr armes Kind zu besuchen und zu trösten. Der Pächter aber hielt sie zurück indem er versicherte, ein solcher Versuch würde ganz vergeblich sein, angesichts des strengen Verbotes Jemanden zu dem Gefangenen zu lassen.
Von Neuem versuchte er ihr klar zu machen, daß sie nur von dem Rechte der Selbstvertheidigung Gebrauch gemacht hatten und daß also das Schöffengericht Urban frei sprechen müsse. Er selbst litt im Innern unsäglich, doch kämpfte er gegen den eignen Schmerz, um den seiner Frau zu erleichtern.
Plötzlich trat Cilia Roosen mit ihrem Vater in die Stube; bekümmert und fragend blickten sie bald, den Pächter an, bald seine Frau.
»Was ist geschehen? Wo ist Urban?« brachte das Mädchen endlich zitternd hervor.
Ihr unerwartetes Erscheinen überraschte die Anwesenden dergestalt, daß anfangs Niemand daran dachte, ihr zu antworten.
»Ein Bauernbursche aus Beersel kam heut Morgen in aller Frühe zu meinem Onkel,« erzählte Cilia; »er berichtete, daß ein furchtbarer Kampf zwischen Markus und Urban stattgefunden habe, beim Hohlweg in der Dunkelheit, ja er wollte wissen, daß Markus verwundet, schwer verwundet worden sei. Er selbst, der Bursche, war aus dem Gefecht davongelaufen . . . Ach, aber nun sagt mir doch, wo ist Urban.?«
Sie fiel der Pächterin um den Hals und bat mit Thränen in den Augen:
»O Mutter, laß mich nicht vergehn vor Angst; wo ist er?«
»Wir sind unglücklich, elend,« schluchzte Frau Coutermann, das Mädchen krampfhaft an ihr Herz ziehend. »Markus ist todt, Urban gefangen, er sitzt im Kerker, unter dem Schloßthurm.«
Wie ein Blitzstrahl traf Cilia diese Nachricht; sie stieß herzzerreißende Klagen aus, welche dem Jammer der Mutter neue Nahrung gaben und kniete bitterlich weinend neben Jener nieder, den Kopf in ihrem Schooße verbergend.
Von Neuem begann der Pächter seine Versuche, die Trauernden zu trösten, und wurde darin von dem Müller, der Schenkwirthin und der Magd unterstützt. Es gelang ihm dann auch endlich, die Ruhe einigermaßen herzustellen.
Cilia, die von Natur ein muthiges Mädchen war, bezwang zuerst ihre Thränen und sagte entschlossen:
»Aber was thun wir hier? Wir dürfen den armen Urban doch nicht ohne Trost und Hilfe lassen! Komm, Mutter, laß uns zu ihm gehn.«
»Daraus wird nichts,« versicherte der Pächter, »Niemand darf den Gefangenen besuchen.«
»Wer könnte den Bitten einer unglücklichen Mutter widerstehn.«
»Der Amtmann hat strenge befohlen keinen Menschen zu ihm zu lassen.«
»Ach, wäre doch der Baron im Schlosse!« seufzte Cilia, »er würde nicht unbarmherzig sein. Als mein Onkel, der Verwalter, noch lebte, war ich oft oben, und erwies der Herr Baron sich mir stets sehr freundlich, wenn er mich antraf, er würde mir sicher die Erlaubniß nicht versagen, Urbans Mutter zu ihm zu begleiten . . . O Gott, wie unglücklich muß Urban sein! Eingekerkert, vielleicht in Ketten! Sprecht doch Vater, können wir denn gar nichts für ihn thun? Unsere Thränen machen die Sache nicht besser.«
»Es bleibt uns nichts übrig als zu warten, bis der Droste oder das Schöffengericht ein Urtheil gesprochen hat,« versetzte der Pächter.
»Warten! warten! und Urban im Kerker verkommen lassen, ohne daß eine Freundes-stimme ihm zuruft: Verzage nicht!« sagte das Mädchen bittend.
In diesem Augenblick trat ein junger Mann in’s Haus; es war Karl, der Sohn des Küsters, Urbans bester Freund. Statt betrübt, schien er vielmehr entrüstet zu sein.
»Eure so unerhörte Ungerechtigkeit schreit um Rache bei Gott und den Menschen!« rief er. »Ich komme Euch zu warnen, Baas Coutermann, seid auf Eurer Hut, denn man führt Böses gegen Euch im Schilde. So eben hörte ich im »Adler« aus dem Munde des Amtmanns, was heute Nacht vorgefallen ist; er wagt zu behaupten, daß Urban, ohne vorher einen Schlag oder Stoß empfangen zu haben den Markus mit seinem Messer durchstochen hat.«
»Markus hatte bereits einen furchtbaren Hieb unserm armen Knechte versetzt,« antwortete der Pächter, während seine Frau und Cilia erschreckt aufhorchten.
»Ich weiß wohl, daß es eine Lüge ist,« fuhr Karl fort, »kenne ich doch Urban seit unserer frühesten Kindheit, nicht einem Thier kann er ein Leid anthun, während es Markus nicht darauf ankommt, einem Menschen den Schädel einzuschlagen.«
»Wir wurden durch viele Kerle angefallen, die uns aus der Ferne schon mit dem Tode bedrohten," sagte der Pächter.
»Ich zweifle keinen Augenblick daran,« sagte Karl, »und konnte es aus der eignen Erzählung des Amtmannes entnehmen, wie sehr er auch die Sache zu entstellen suchte. Urban war ohne allen Zweifel in seinem Recht, allein damit darf man sich nicht beruhigen. Der Amtmann ist Euer Feind und er erklärt laut, daß er es für seine heilige Pflicht ansieht, den Tod seines Neffen zu rächen. Ihr wißt, daß der Herr Baron bevor er seine Reise nach Wien antrat, befohlen hat, gegen Händelsucher und Raufbolde mit aller Strenge zu verfahren; darauf wird der Amtmann fußen, um den Drosten und die Schöffen gegen Urban aufzuhetzen und seine Verurtheilung zu bewirken.«
»Der Amtmann mag uns hassen, das gebe ich zu,« sagte Coutermann; »der Droste aber und die Schöffen werden mit unparteischer Sorgfalt in der Sache verfahren.«
»Verlaßt Euch darauf nicht, ich bitte Euch,« rief Karl; »das Schlimmste steht zu befürchten, wenn Ihr Eurem Feinde freies Spiel laßt.«
»Aber was kann ich thun? Der Baron ist leider abwesend.«
»Ihr müßt zunächst zum Drosten gehn und ihm auseiandersetzen, wie Alles zugegangen. Er ist kein ungerechter Mann . . . «
»Das heißt,« mischte der Müller sich ein, »allzuviel darf man ihm auch nicht trauen. Er war zweimal bei uns, um ein gutes Wort für Markus einzulegen und uns zu rathen, Cilia dem Neffen des Amtmanns zu geben. Was er bei der Gelegenheit von Urban sagte, war eben kein Beweis großen Wohlwollens.«
»Das that er dem Amtmann zu Gefallen, aber wenn es sich um eine Ausübung seines Amtes handelt, wird er doch gerecht verfahren. Immerhin wird es aber das beste sein, einer falschen Anschauung vorzubeugen und ich bin bereit, sofort zu ihm zu gehn.«
»Augenblicklich wäre das ein vergeblicher Weg, Baas Coutermann, Ihr würdet den Drosten nicht antreffen, da er so eben mit seinem Schreiber zum Schlosse gegangen vor einer Stunde kehrt er wohl kaum zurück. Dann aber begebt Euch zu ihm und macht ihm Alles klar, sagt ihm namentlich, daß der Amtmann Euer Feind ist und Euch zu schaden sucht. Auch zu jedem Einzelnen der Schöffen müßt Ihr gehn; spart keine Mühe, lauft von Morgen bis Abend, sucht Eure Bekannten und Freunde auf, es ist dringend nothwendig, daß Etwas geschieht, denn der Amtmann nennt Euren Sohn einen Mörder und spricht bereits von der Strafe, die er über ihn zu verhängen hofft.
»Was denn für eine Strafe?« fragte der Pächter erschreckt.
»Vielleicht sagte ich es besser nicht,« versetzte Karl, »doch hoffe ich Euch dadurch zu verdoppeltem Eifer anzuregen, meinen armen Freund vor seinen schändlichen Verfolgern zu schützen. Die Strafe also welche der Amtmann zu erwirken hofft, ist die der Mörder: Galgen und Rad.«
Ein furchtbarer Schrei tönte durch das Zimmer und bevor noch Jemand ihr zu Hilfe eilen konnte, sank Frau Coutermann auf ihren Stuhl zurück ihre Glieder zuckten krampfhaft, sie griff mit den Händen nach der Kehle, als fühle sie sich dem Ersticken nahe.
Alle sprangen nun hinzu, der armen Frau beizustehn; man hielt sie fest an den Armen und Schultern, damit sie nicht auf den Boden fiele. Der Krampf verlieh ihr Riesenstärke, sie war kaum zu bezwingen.
Der Pächter, wie auch die übrigen Anwesenden glaubten, sie sei von einem Schlaganfall getroffen worden.
»Clara, liebe Clara,« schluchzte er, »o Gott habe doch Erbarmen mit uns. Soll denn meine arme Frau, die ihr ganzes Leben hindurch nur Gutes that, das erste Opfer unseres Unglücks sein? Könnte mein Leben das Elend von ihr nehmen, wie gerne gäbe ich es hin! . . . Clara, beste, Clara, höre mich.«
Aber der Zustand der Leidenden dauerte fort; ihr Antlitz war aschfahl, ihre Lippen blau geworden.
Plötzlich ließ der Krampf nach und sie sank wie entseelt mit geschlossenen Augen in die Arme ihres Mannes.
»Der Doktor!« rief dieser todtenbleich, »Karl ich bitte Dich, lauf zum Doktor, ehe es zu spät ist!«
Als er Karl zur Thür hinauseilen sah, sagte er zu den Andern, die ihn erschreckt umstanden:
»Ach helft mir, meine arme Frau auf das Bett legen mir versagen fast die Kräfte, doch darf ich den Muth nicht ganz verlieren . . . Etwas höher, Baase Roosen. So nun kann sie ausruhn. Beten wir zu Gott, das ist alles was wir ohnmächtigen Geschöpfe thun können.«
Alle senkten das Haupt und falteten die Hände, Cilia und die Magd knieten nieder. Coutermann setzte sich an das Bett der Kranken, nahm ihre kalte Hand in die seine und blickte spähend in ihr blasses Gesicht, in dem nicht das mindeste Lebenszeichen erkennbar war; stille, heiße Zähren flossen über seine Wangen.
Es währte lange, ehe die Ohnmächtige sich bewegte; schon glaubte der Pächter, daß sie nicht mehr erwachen mit würde, als er ihre Brust sich heben, die farblosen Lippen leicht sich röthen sah,
Dann schlug sie die Augen auf und stierte umher mit gar einem Ausdruck des Wahnsinns, der ihren Mann aufs Neue zittern machte. Doch das Bewußtsein mußte eben so schnell zurückkehren, denn es rollten Thränen über ihre Wangen, sie schluchzte hörbar.
Alle Anwesenden versammelten sich um ihr Lager.
Der Pächter küßte ihre bleiche Stirn, indem er sagte:
»Muth, liebe Clara, sogleich kommt der Doktor er wird Dich heilen.«
»Heilen?« flüsterte sie mit schwacher Stimme »wer kann eine unglückliche Mutter heilen? Mein Sohn ist mein Leben . . . wird er verurtheilt, dann sterbe ich!«
Alle zitterten bei diesen Worten, Keiner sprach ein Wort. Der Pächter verbarg das Gesicht in beiden Händen, die Verzweiflung schien ihn zu überwältigen.
Plötzlich ergriff er ihre Hand und sagte sehr ernst und mit fester, klarer Stimme:
»Clara verzeih mir; um Dich sehn und trösten zu können ließ ich Dich leiden. Dein Sohn ist Dein Leben, sagst Du; nicht wahr, wenn er Dir in voller Freiheit zurückgegeben wird, so wirst Du genesen! Wohlan, sei getrost, ich besitze ein untrügliches Mittel, Urban aus dem Gefängnisse zu befreien; er ist unschuldig, das werde ich beweisen. Frage mich nun nicht weiter, aber glaube mir, in weniger als einer halben Stunde drückst Du Urban an Dein Herz.«
Frau Coutermann sah mit einem beseligten Lächeln zu ihm auf und versuchte ihre schwachen Arme zu ihm zu erbeben.
»Zweifle nicht,« fuhr er fort, »ich werde mein Versprechen halten, meine gute Clara, und was auch geschehn mag, ich hoffe, daß Du auf unsern Sohn gestützt, Muth und Gottvertrauen bewahren wirst.«
Langsam schritt er der Thür zu, von den Blicken Aller gefolgt.
Was hatte er vor? Was wollte er thun?
Cilia allein lief ihm nach, umarmte ihn und rief mit vor Dankbarkeit glänzenden Augen:
»Gott segne und geleite Dich, Vater.«
Gleich darauf war er hinter den Bäumen seines Obstgartens verschwunden.