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Kitabı oku: «Rikke-Tikke-Tak», sayfa 4

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V

Noch eine Stunde, und die Sonne übergießt die Haide mit ihren Strahlen; bereits ist sie im Steigen; das Dunkel weicht schon gen Westen zurück; ein geheimnißvolles, leises Gesumme verkündet schon das Erwachen der Natur.

In der Kammer des einsamen Hofes setzt die alte Uhr ihr Ticken ruhig fort; die dumpfe Stille der Nacht herrscht noch ganz daselbst; der Heerd ist kalt.

In der halbdüstern Ecke der Kammer steht ein Spinnrad, dessen Rocken noch voll des feingehechelten Flachses hängt, dessen Faden ungebrochen ist, wie wenn die Spinnerin es eben just verlassen hätte.

Zwei oder drei Schritte davon sehen wir die unbestimmten Umrisse einer Menschengestalt; es ist ein junger Mann, der niedersitzend das Spinnrad mit eigenem Ausdrucke besieht. Die Arme auf der Brust gefaltet, das Haupt gebeugt, irrt sein Auge von dem Rade zu dem nahen Stuhle, und von dem Stuhle wieder zu dem Rade. Seine Züge tragen den Stempel tiefster Betrübniß; wie gedämpftes Feuer strahlt es aus seinen Augen, wie wenn die Verzweiflung in seinem Herzen sich gefestet hätte, und doch irrt zuweilen ein Lächeln über seine Lippen. Wer ihn so dasitzen gesehen, der hätte glauben können, daß an dem Spinnrade etwa eine, dem Auge Anderer unsichtbare Spinnerin säße, mit welcher der Andere ein Augenzwiegespräch führte. Leise Töne, so leise, daß sie die Stille der Nacht nicht brechen, schweben durch die Kammer; der Jüngling legt den Finger an den Mund und er scheint zu horchen, obgleich er selber es ist, der bewußtlos singt:

 
Rikke-tikke-tak,
Rikke-tikke-tu,
Eisen warm,
Hoch den Arm,
schlaget zu,
Rikke-tikke-tu.
 

Nun steht er auf, nimmt einen Stab aus der Ecke und verläßt mit langsamen schritten die Kammer. Träumerisch geht er längs den Erlen hin und zerpflückt lächelnd Haideblumen. Am Rande der Landstraße schaut er über die Haide hin nach den kleinen Hügeln, die unfern sich erheben; Thränen drängen sich ihm in's Auge, er setzt sich nieder und weint bitter.

Nach einigen Augenblicken erhebt er sich wieder und tritt näher zu der hohen Buche, neben welcher kleine Wachholdersträuche im Morgenwinde wanken. Selbstvergessen steht er da und horcht, wie wenn eine geheime Stimme aus dem Baume zu ihm spräche; ein leiser Sang drängt sich aus seiner Brust und enttropft Wort für Wort seinen Lippen:

 
Rikke-tikke-tak,
Rikke-tikke-tu,
Eisen warm,
Hoch den Arm,
schlaget zu
Rikke-tikke-tu.
 

Auch der Traum ist zu Ende, auch die Buche verläßt er und schreitet die Haide entlang. Er erklimmt einen hohen Sandhügel; oben steckt er den langen Stab vor sich hin, lehnt die Schulter dran, schlägt den rechten Arm darum und steht, halb gestützt darauf, bewegungslos, wie ein steinern Bild. Sein Auge haftet auf einem erblauenden Punkte, von dem aus der schlangenförmige Haideweg sich krümmt bis er neben dem Sandhügel verschwindet.

Was nur mag er erwarten? Was hofft er, das der Haideweg ihm bringen könne? Zu wem hin führt der Morgenwind, die Seufzer, die so schmerzlich aus seiner Brust aufsteigen? Horch, er sagt es selber, denn der Seufzer wird zum Worte, zu einem in Liebe und Pein ausgesprochenen Namen: »Lena! . . . Monika!«

Hinter ihm besteigt eine Bauerndirne den Sandberg; ihm nahe gekommen, ruft sie ihm heftig zu:

»Jan, du sollst nach Haus kommen!«

Der junge Bauer springt auf und blickt sie recht bitter an, doch werden seine Züge gleich schnell wieder ruhig und fast gleichgültig; er steigt den Hügel herab und sagt:

»Nun, ich komme, Schwester.«

Während er ihr gesenkten Hauptes folgt, fährt sie in gleichem Tone fort, wie sie eben begonnen hatte:

»Das ist mir ein schön Leben, was du führst. Mit all den dummen Grillen. Du denkst wohl, daß du dein täglich Brod mit Träumen verdienen kannst. Das ist nun seit drei Monaten eben so geck, als die faule Len, die mit ihrem Vater, wie die Leute sagen, weg ist. Hast ihr die Narrethei schön abgelernt. Das steht ja von Morgens bis Abends in naß und trocken auf dem Sandberg und gafft nach den Krähen. Ich würd mich schämen. Läßt unsre kranke Mutter im Bett keifen und gehst deinen närrischen Gang. Sollst wohl den Hof noch in den Grund bringen, uns aufs Stroh und dich nach Gheel.8

Jan antwortete nicht auf all diese Verweise; erschien selbst sie nicht zu hören. Er ließ seine Schwester fortplaudern, ohne sich im Mindesten darüber zu ärgern, und folgte ihr gleichgültig zu dem Hofe.

VI

Eines Nachmittags stand Jan wieder vor der Buche. Er schien schwach und hinsiechend; das frische Roth in seinem Gesichte war grauen, transparenten Tönen gewichen; seine Augen schwammen, wie die eines sinnlosen, und mißmuthig lehnte sein Haupt auf der linken Schulter.

Schon hatte er länger als eine halbe Stunde so gestanden, ohne sich zu rühren, als hinter ihm zwischen den Erlen die abgefallenen Blätter der Bäume unter eines Menschen Tritt raschelten; er wandte sich um, es war der alte Pfarrer von Desschel. Sichtlich kostete es ihn Mühe, seinen Zügen einen heiteren Ausdruck zu geben; den Geistlichen ehrerbietig grüßend, versuchte er gar zu lächeln, doch dieß Lächeln zeugte um so mehr von dem Weh und dem Schmerz, die sein Inneres bewegten.

Der Pfarrer wies mit der Hand auf's Gras, Jan zum Niedersitzen einladend; dann nahm er ihn bei der Hand, sah ihn tief mitleidig an und sprach in recht väterlichem Tone zu ihm:

»Jan, Jan, hältst du also dein feierlich Versprechen? Noch immer unter der Buche? Du willst also, daß deine Mutter ihre Drohung bewahrheite und den Baum umhaue?«

Bei den Worten zitterten die Glieder des jungen Bauern krampfhaft, und den stechenden Blick fest auf den Geistlichen geheftet, rief er:

»Was, den Baum? die Buche umhauen? Ich schlüge den Arbeitern den Kopf ein . . . «

Das wunderte den guten Pfarrer nicht wenig; er dachte, durch wiederholten Rath Jan's Betrübniß bereits halb getilgt zu haben, er glaubte, der Arme habe den Gegenstand derselben schon fast vergessen. Mit recht väterlicher Stimme fuhr er fort:

»Jan, mein Sohn, das sind sündige Worte, die du da sprichst. Deine Mutter hat das so gesagt und du weißt, daß ihre Worte nicht just ein Evangelium sind. Daß du aber, der du doch mit Gefühl und Verstand begabt bist, dich durch solch nichtige Dinge, durch einen sinnlosen Traum zu einer Drohung zu morden verführen lassen kannst, das begreife ich nicht und das thut mir leid. Hab ich denn verdient, daß du mir so antwortest? . . . «

»Vergebt mir,« sprach Jan mit wahrhafter Reue; »ich weiß, daß ihr nichts verlanget und wünschet, als was mir vortheilhaft und zu meinem Besten ist, doch in meinem Herzen steckt etwas, worüber ich mir selbst keine Rechenschaft geben kann, was mehr Macht hat, als, eure Worte und mein Wille.«

»Höre, Jan, es steht geschrieben, wer die Gefahr liebt, der kommt darin um; so ist's auch mit dir, mein Junge. Wenn du nicht Alles in deinen Träumereien suchtest, die deinen Körper doch ganz und gar aufreiben, wenn du arbeitetest, wie ehedem, wie es deine Pflicht ist, dann würdest du bald die Ursache deines Schmerzes vergessen; Gesundheit und Muth würden dir wiederkehren, und du könntest wacker für deine kranke Mutter arbeiten. Dagegen aber bringst du deine Zeit müßig unter dem Baume, oder auf dem Sandberge zu, und wirst dadurch nicht nur ein großer Sünder, weil du deine Pflichten gegen Gott und gegen deine Mutter nicht erfüllest, sondern bist dazu noch ein Narr, der sich mit der Hoffnung auf unmögliche Dinge quält, und sein ganzes Leben einem eitlen Traume opfert.«

»Ho, ich habe noch lange nach ihrer Abreise gearbeitet und kam hierhin nur nach den Arbeitsstunden. Da hoffte ich noch, daß ich sie vergessen könnte, doch sie war ja überall bei mir. Am Pfluge hörte ich ihren Namen, auf der Tenne sangen die Flegel mir das Rikke-tikke-tak, und überall hörte ich nur Monika rufen. Wozu doch nützte mir die Arbeit? Wußt ich, was ich that? Es half mir Alles nicht. Mein Schlaf selbst war nur ein helleres Leben, dann hatte ich Trost, sah sie, sprach mit ihr, aber ich hatte keine Ruhe. Nun kann ich beim besten Willen nicht mehr arbeiten; ich bin schwach und krank.«

Der Pastor schüttelte den Kopf und schwieg eine Weile; dann faßte er aufs Neue des Jünglings Hand und frug:

»Nun, Jan, du mußt mir jetzt sagen, ob das so fortgehen soll oder nicht. Es ist gewiß, und das weißt du auch, daß Monika nicht wiederkommen wird – und käme sie, dann wäre es noch ärger; sie ist jetzt ein reiches Mädchen und du bist ein gewöhnlicher Bauernjunge. Deine Krankheit ist also eine Narrethei.«

»Kann ich sie denn vergessen, Herr Pastor?«

»Wünschest du das in der That?«

»Ich wünsch es aus Herzensgrund, denn seit lang sind meine Träume bitter, wie Galle, und mein Herz ist voll von Verzweiflung.«

»Wohlan, dann beweise einmal, daß du Muth hast und genesen willst. Erfülle den Wunsch deiner Mutter und folge meinem Rath: Geh nach Mecheln.«

»Da stürbe ich, Herr Pastor.«

»Warum?«

»Oh, warum? Vor einigen Monaten war ich zu Brüssel und mußte acht Tage dort bleiben, und was hab ich geweint während der Zeit! Was hab ich da ausgestanden!«

»Ich begreife dich nicht.«

»Nun ich will's euch sagen. Als ich zurückkehren durfte, ging ich Nacht und Tag ohne zu ruhen durch. Als der Wind mir zuerst wieder den Geruch der Schaddenfeuer zutrug, da erst athmete ich auf; im ersten Tannenbusche warf ich mich auf die Kniee nieder und dankte Gott, daß ich meine Nadelbäume wiedersah, das erste Haidekraut habe ich vor Entzücken gegessen, und als ich hierhin kam, ging ich zuerst zu der Buche und sprach mit nassen Augen zu den Wachholdersträuchern, als hätten sie mich verstanden. Und ihr wollt, daß ich sechs Jahre von der Haide fern bleiben soll? Unmöglich.«

»Mein Sohn, ich weiß, warum du die Haide mehr denn jemand anders liebst, doch die Ursache davon just müssen wir zu heben trachten. Das Studium wird mehr als körperliche Arbeit das Bild, welches dich verfolgt, aus deinem Geiste vertreiben, und die Ueberzeugung, daß du bestimmt bist, ganz dem Dienste Gottes geweiht zu werden, wird dir helfen, die weltlichen Träume zu überwinden. Noch andere Gründe will ich dir anführen, welche auch wohl geeignet sein mögen, dich auf bessere Gedanken zu bringen. Jan, du tödtest dich selbst, so du dich durch unaufhörliches Jammern aufreibest. Meinst du denn, Gott könne dir die sündige Thorheit vergeben, wenn du bis zu deinem Tode darin beharrest? In deinem eitlen Traumleben denkst du nur einer Sache, kein Gedanke an Höheres, an himmlische Dinge steigt aus deinem Herzen mehr auf, oder nennst du das beten, was du etwa mit dem Munde sprichst, während dein Inneres die Gottheit höhnt, da du ein Menschenbild, selbst in dem Tempel des Herrn anbetest? Denkst du wohl daran, daß ein Grab deiner wartet, daß du deine Seele dem Bösen überlieferst, daß das ewige Feuer der Lohn deiner Gottlosigkeit werden muß?«

Der Ernst, mit welchem der Pfarrer diese Worte zu dem armen Jan sprach, hatten dessen Gemüth tief getroffen. Er meinte wohl, der Geistliche habe ihm schreckliche Wahrheiten gesagt, und erbebte innerlich bei der gräßlichen Drohung der Hölle. Eine Zeitlang stand er sprachlos da und blickte starr vor sich hin, dann erhob er das Haupt, wie jemand, der gewaltsam einen Entschluß faßt und sprach:

»Wohlan denn, Herr Pfarrer, ich will nach Mecheln gehn.«

»Morgen?« frug der Pastor hocherfreut.

»Morgen bereits?« frug der junge Bauer halb erschrocken.

»Morgen für immer?«

»Nein Jan, sprich doch nicht so dumm. Du kannst mehr denn einmal im Jahre deine Mutter besuchen, und während der Ferien hast du Zeit genug, deine Haide zu durchwandeln. Und dann, wenn du einmal Priester bist, kannst du leicht in einem Dorfe der Kempen9 angestellt werden, und dann kannst du dein Leben recht friedlich und ruhig auf der Haide hinbringen. Morgen gehst du, nicht wahr?«

»Nun ja denn, morgen; so sei es,« rief Jan mit so schneidender Stimme, daß der Ruf das ganze Gebüschchen durchdrang.

»Morgen, morgen!«

Eine halbe Stunde später ging er an der Hand des Pfarrers dem Hofe zu.

VII

Als Monika das Dorf Moll und Kempnerland verließ, um ihrem Vater nach Frankreich zu folgen, war ihr Herz voll Betrübniß, und stets mußte sie an ihn denken, der nun um sie trauern und leiden mußte. Doch die zärtliche Liebe ihres Vaters und seine Bestrebungen, ihr nur Freude zu machen, verbannten nach einiger Zeit die Trauer aus ihren Zügen und aus ihrem Herzen. Die große Welt und die unaufhörlichen Vergnügungen, welche ihr geboten wurden, ließen die Erinnerungen aus ihrem vorigen Leben mehr und mehr in den Hintergrund treten, und wenn sie auch den einsamen Pachthof und ihn, der ihr Beschützer und Bruder gewesen war, nicht ganz vergaß, dann dachte sie doch seltner und mit weniger Innigkeit daran zurück.

Mit ihrem Vater in Paris angekommen, bekam sie bald die besten Lehrer, und da sie mit schneller Fassungskraft begabt war und durch die steten Ermuthigungen ihres Vaters sich ermuntert sah, lernte sie in Zeit von etwa vier Jahren Alles, was ein gebildetes Mädchen wissen muß, um in der Gesellschaft neben andern zu glänzen.

Bald erschien eine leichte Röthe auf Monika's Wangen, auch nahm sie sichtlich an Kraft und stärke zu; ihre Gesundheit wurde fester und ihr Hinsiechen schien ganz gewichen. Man gewöhnt sich so bald an Alles und am leichtesten an das Glück. so ging es auch Monika; während eines ganzen Jahres ergötzte sie sich an Allem; Abendfeste und Bälle folgten unaufhörlich einander, sie gewann die Welt immer lieber und verlangte nach ihrem Beifalle.

Doch hielt dieser Genuß nicht lange stand; oft traten nun flüchtige Erinnerungen vor ihren Geist, und im Laufe des zweiten Jahres schien eine stille Träumerei wieder über sie zu kommen. Bei dem jauchzenden Rauschen der Musik, bei dem Glanze der Kerzen, inmitten des Jubels der Feste, blieb sie zerstreut, wie wenn ein geheimer Gedanke sie überall verfolgt hätte. Zuerst war dieß Aufwallen ihres Herzens nur schwach; sie bekannte ihrem Vater geradezu, daß sie noch oft an die Haide mit der prächtigen Buche und den wankenden Wachholdersträuchen denke, und dieselben recht lebendig vor sich sehe; doch lachte sie dabei und spottete mit ihrer Träumerqual, wie sie es nannte.

Sah sie auch in ihren Traumbildern zwischen dem Gebüsche der Haide den armen Jan, der so unendlich um sie trauerte? Wer weiß es? Immerhin bekannte sie nie etwas darüber weder sich selbst noch Andern.

Langsam aber regte sich eine Art von Widerwillen in ihr gegen diese Vergnügungen; sie ging nur zu Abendfesten und Gesellschaften, wenn sie nicht dem ernsten Zudringen ihres Vaters ausweichen konnte, und suchte stets mehr die Einsamkeit. Von Zeit zu Zeit regten sich ihre Lippen fast unwillkürlich, und ohne daß sie an Weiteres dachte, schwebte das seit lange vergessene Lied um ihren Mund. Die Röthe floh wieder von ihren Wangen, sie magerte ab und kränkelte wieder und dieß so, daß der arme Vater zu fürchten begann, er werde sein Kind überleben. Ein gelehrter Arzt, den er zu Rathe zog, rieth baldige Verehlichung als das beste und einzige Mittel und behauptete, Monika müsse unfehlbar genesen, so man sie bereden könne, eine Wahl zu treffen. Der Colonel dachte alsbald an seinen treuen Reisegenossen, den Lieutenant, und gab sich alle Mühe, Monika's Aufmerksamkeit auf denselben zu lenken; er fand sie auch nicht gefühllos für dessen Liebesbezeugungen und für seine mannichfachen guten Eigenschaften, doch Liebe für ihn wohnte nicht in ihr; ihr Herz blieb eiskalt für ihn. Das schmerzte den Vater sehr; sah er sich doch nun des einzigen Mittels beraubt, auf welches er noch alle Hoffnung zur Rettung seines Kindes gesetzt hatte. Fast täglich bot er nun Alles auf, von ihr zu wissen, was sie wünsche, was sie begehre, was die Quelle ihrer Qual sei, doch sie sagte, sie sei nicht krank, und wußte meist seinen Fragen durch irgend einige Schmeicheleien ein Ende zu machen. Das einzige, was er aus ihr herausbringen konnte, war, daß sie nach Brabant und nach der Haide zurückzukehren verlange, kurz, daß sie eine Art von Heimweh habe.

Mehr denn einmal hatte er Monika versprochen, mit ihr nach dem Kempnerlande zu reisen und dort für lange zu bleiben, damit sich in der Haideluft ihre Gesundheit wieder kräftigen könne, doch immer kam durch die schnell einander folgenden Kriegsläufte ein Hinderniß dazwischen.

Gegen das Ende des Jahres 1813 endlich hatte er, durch sein unaufhörliches Andringen, vom Kriegsministerium das Versprechen erlangt, im nächsten Frühling einen dreimonatlichen Urlaub zu bekommen. Monika lebte, schien es, wieder auf, bei dem Gedanken an die Rückreise in das liebe Vaterland. Bald aber kamen aus dem Norden beunruhigende Nachrichten; fast das ganze französische Heer war durch die Russen und die Kälte aufgerieben, und niemand konnte voraussehen, welche Folgen diese Niederlage haben werde. Ein allgemeines Entsetzen hatte die in Frankreich zurückgebliebenen Krieger befallen ob der gräulichen Zeitungen. Der Colonel konnte Monika dieß Alles nicht verbergen, und sie erkannte nur zu wohl, daß nun nichts weniger sicher für sie sei, als ihre Reise nach dem Kempnerland.

Plötzlich kehrte der Kaiser ohne sein Heer allein aus Rußland zurück, und ließ durch den Senat einen Beschluß verkünden, durch welchen 350.000 junge Männer zu den Waffen gerufen wurden. Der Colonel erhielt ingleichen Befehl, an der Spitze seiner Leute sich zu dem Heere nach Deutschland zu begeben. Er brachte seine Tochter in ein anständiges Haus in Paris, und riß sich von der siechelnden los, um Napoleon über den Rhein zu folgen.

Sechs Monate später traf ihn bei Dresden eine Kugel in's Knie. Wohl genaß er, doch sein Bein blieb steif und er mußte lebenslang an einem Stocke hinkeln. Dieß war auch die Ursache, warum man ihn auf sein Ansuchen nach Paris zurückkehren ließ. Da fand er Monika noch mehr abgemagert, mit dem alten transparenten Gesichtchen, den schwimmenden Augen, nachläßig und träumerisch.

Zwei Saiten nur waren nicht tonlos in ihrem Herzen geworden: ihre Liebe zu ihm und der Heimath.

Unmittelbar machte er nun alle Anstalten, um mit Monika nach Brabant zurück zu kehren. Ein Bote wurde nach Antwerpen voraus geschickt, dort ein hübsches Haus zu miethen und einzurichten; später wollte der Colonel ein kleines Landgut in der Nähe von Moll gekauft oder auch gemiethet haben, was er jetzt, in den Kriegszeiten, nicht für gar zu rathsam hielt.

Einige Tage später reisten sie in einer Postkutsche nach Antwerpen ab. Nicht ein erheblicher Zufall unterbrach die frohe Heimkehr, nur in Antwerpen selbst fiel eine kleine Störung vor. Als der Wagen des Colonels dort der neuen Wohnung nahte, schaute Monika zufällig durch eins der Fenster; in demselben Augenblick entfloh ihr ein lauter Angstschrei, der den Colonel vor Schrecken hoch von seinem Sitze aufspringen machte.

8.Ein Dorf in dem Kempnerland, wohin man die Geisteskranken zur Genesung sendet.
9.Kempen heißt die große Haide, welche den Norden von Belgien bildet.