Kitabı oku: «Die Revolution der Städte», sayfa 3
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1 La révolution urbaine (1970) erschien 1972 in deutscher Übersetzung beim Paul List Verlag. Syndikat Buchgesellschaft brachte das Buch 1976 erneut heraus. 2003 erschien bei b-books eine weitere limitierte Auflage.
2 Lefebvre wandte sich Ende der 1920er Jahre dem Marxismus zu und war lange Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs. 1958 wurde er wegen »Revisionismus« aus der Partei ausgeschlossen.
3 Le droit à la ville (1968); Du rural à l’urbain (1970); La révolution urbaine (1970); La pensée marxiste et la ville (1972); Espace et politique (1973); La production de l’espace (1974).
4 Die deutsche Übersetzung des Titels La révolution urbaine mit »Die Revolution der Städte« ist deshalb irreführend. Entsprechend bedeutet der Begriff société urbaine nicht »verstädterte Gesellschaft«, sondern »städtische« bzw. »urbane« Gesellschaft (Schmid 2005, S. 114).
5 In der deutschen Übersetzung wird das französische global schlicht übernommen. Es bedeutet aber eigentlich »ein Ganzes ausmachend«.
6 Lefebvre bezieht sich dabei auf einen existentialphilosophischen Begriff von Martin Heidegger. In Das Darmstädter Gespräch 1951 (1991 [1952]) über »Mensch und Raum« definiert dieser »Wohnen« als »auf der Erde sein«, »Aufenthalt bei den Dingen“. Aufgrund seiner »Heimatlosigkeit« müsse der Mensch das Wesen des Wohnens immer wieder suchen.
7 Die deutsche Übersetzung (»Lebensraum« versus »Wohnraum«) sorgt für einige Verwirrung. Lefebvre greift hier einen Begriff der Chicago School auf, die in Anlehnung an biologische Episteme die Stadt als sozialökologisches System auffasst. Bezeichnete das Habitat ursprünglich ein Milieu (Lebensraum), so gilt es nun als Synonym für Wohnbedingungen (z. B. l’habitat pavillonaire, »Eigenheimvorstadt«). Habiter steht hingegen für eine aktive und kreative Tätigkeit des Menschen (vgl. Guelf 2010, S. 96 f.; Meyer 2007, S. 263).
8 Das »Erlebte« (vécu) steht bei Lefebvre für die alltäglich gelebten und erlittenen Raumnutzungen der Bewohnerinnen und Bewohner.
9 Im Original lautet der letzte Halbsatz: »[…] voilà ce qui fait l’urbain.« (Lefebvre 1979 [1970], S 157)
10 So wurde beispielsweise 1971 Lefebvres Buch Der dialektische Materialismus vom Suhrkamp Verlag in der 5. Auflage (29.–36. Tausend) herausgebracht.
11 In den siebziger Jahren setzten sich lediglich die kritischen Stadtforscher David Harvey (1973) und Manuel Castells (1973) eingehend mit La révolution urbaine auseinander. Für den deutschsprachigen Raum ist auf die Kulturwissenschaftlerin Gerburg Treusch-Dieter (1976) zu verweisen.
12 Siehe dazu im deutschsprachigen Raum Schmid (2005) und Guelf (2010).
I Von der Stadt zur verstädterten Gesellschaft
Allem voran sei eine Hypothese gesetzt: die von der vollständigen Verstädterung der Gesellschaft. Wir werden für diese Hypothese Beweise erbringen und sie mit Fakten untermauern müssen. Unsere Hypothese enthält eine Definition. Wir wollen also die Gesellschaft eine »verstädterte« nennen, die das Ergebnis einer vollständigen – heute potentiellen, morgen tatsächlichen – Verstädterung sein wird. Eine solche Definition setzt der Vieldeutigkeit der Begriffe ein Ende. Denn bislang verstand man alles mögliche unter einer »verstädterten Gesellschaft«: den griechischen Stadtstaat, die orientalische oder die mittelalterliche Stadt, die Handels- oder die Industriestadt, Kleinstadt oder Großstadt. Damit entsteht ein Zustand extremer Verwirrung, bei dem man die Gesellschaftsbeziehungen außer acht läßt oder ausklammert, aus denen der jeweilige Stadttypus entstanden ist. Man vergleicht »verstädterte Gesellschaften« miteinander, die in nichts vergleichbar sind, um die jeweilige Ideologie zu belegen: den Organizismus (jede »verstädterte Gesellschaft« wird für sich genommen und gilt als organisches »Ganzes«), die Kontinuitätslehre (die eine historische Kontinuität bzw. ein ständiges Vorhandensein der »verstädterten Gesellschaft« postuliert), den Evolutionismus (Zeitabschnitte, die Gesellschaftsbeziehungen verwischen bzw. sie verschwinden machen). Wir wollen uns den Ausdruck »verstädterte Gesellschaft« für eine Gesellschaft vorbehalten, die aus der Industrialisierung entsteht. Unter »verstädterter Gesellschaft« verstehen wir also eine Gesellschaft, die aus eben diesem Prozeß hervorgegangen ist und die Agrarproduktion beherrscht und aufbraucht. Diese verstädterte Gesellschaft entsteht erst nach Beendigung eines Prozesses, in dessen Verlauf die alten Stadtformen zerfallen, abgelöst von zusammenhanglosen Veränderungen. Ein wesentlicher Aspekt des theoretischen Problems besteht darin, daß Diskontinuitäten und Kontinuitäten miteinander in Beziehung gesetzt werden und umgekehrt. Denn wie könnte eine absolute Zusammenhanglosigkeit bestehen, ohne daß unter der Oberfläche Zusammenhänge vorhanden wären, ohne Gemeinsamkeiten, ohne daß ein inhärenter Prozeß abliefe? Und wie gäbe es umgekehrt eine Kontinuität ohne Krisen, ohne das Auftauchen neuer Elemente und neuer Beziehungen?
Die einzelnen Wissenschaftszweige (die Soziologie, die politische Ökonomie, die Geschichte, die Humangeographie usw.) haben zahlreiche Benennungen vorgeschlagen, die »unsere« Gesellschaft mit ihren Realitäten, ihren unter der Oberfläche vorhandenen Strömungen, ihren Fakten und Möglichkeiten charakterisieren sollten. Man hat von der Industriegesellschaft und in jüngerer Zeit von der nachindustriellen Gesellschaft gesprochen, von der Gesellschaft des technischen Zeitalters, der Wohlstandsgesellschaft, der Freizeitgesellschaft, der Konsumgesellschaft usw. Jede solche Benennung enthält einen Teil der empirischen oder begrifflichen Wahrheit, der Rest ist Übertreibung und Extrapolierung. Um die Gesellschaft der nachindustriellen Zeit, also die aus der Industrialisierung hervorgegangene und ihr folgende zu benennen, wird hier der Begriff verstädterte Gesellschaft vorgeschlagen, womit mehr eine Tendenz, eine Richtung, eine Virtualität und weniger ein fait accompli zum Ausdruck gebracht werden sollen. Infolgedessen bleibt die kritische Darstellung zeitgenössischer Realitäten, etwa die Analyse der »bürokratisch gelenkten Konsumgesellschaft«, davon völlig unberührt.
Es handelt sich also um eine theoretische Hypothese, die zu formulieren und als Ausgangsbasis zu benutzen das wissenschaftliche Denken berechtigt ist. Dieses Verfahren ist in der Wissenschaft nicht nur gang und gäbe, sondern sogar notwendig. Ohne theoretische Hypothesen keine Wissenschaft. Schon jetzt muß darauf hingewiesen werden, daß unsere Hypothese, die sogenannten »Gesellschaftswissenschaften« betreffend, eng mit einem epistemologischen und methodologischen Begriff verbunden ist. Erkenntnis muß nicht unbedingt Kopie oder Abbild, Vortäuschung oder Nachbildung eines schon jetzt tatsächlich vorhandenen Objektes sein. Umgekehrt wird sie ihr Objekt nicht unbedingt im Namen einer der Erkenntnis vorausgehenden Theorie aufbauen – einer Theorie über das Objekt oder die »Modelle«. Für uns hier ist das Objekt in der Hypothese enthalten, die Hypothese befaßt sich mit dem Objekt. Nun befindet sich dieses »Objekt« zwar jenseits des (empirisch) Feststellbaren, dennoch ist es nicht fiktiv. Wir setzen ein virtuelles Objekt ein, die verstädterte Gesellschaft, ein mögliches Objekt also, dessen Entstehen und Wachstum, in Verbindung mit einem Prozeß und einer Praxis (einer Aktion), wir darlegen wollen.
Freilich muß die Gültigkeit dieser Hypothese bewiesen werden, wir werden nicht zögern, immer wieder auf sie hinzuweisen und darin nicht nachlassen. Weder an Argumenten noch an Beweisen, die für sie sprechen, angefangen bei den einfachsten bis hinauf zu den subtilsten, fehlt es uns.
Wir brauchen wohl nicht weiter auf den weltweiten Autonomieverlust der Agrarproduktion in den großen Industrieländern hinzuweisen, darauf, daß sie weder der wichtigste Wirtschaftssektor mehr ist, noch auch ein Sektor mit hervorstechenden Merkmalen (es sei denn dem der Unterentwicklung). Wenn auch lokale und regionale Eigenarten aus einer Zeit, als die Landwirtschaft der wichtigste Erwerbszweig war, nicht verschwunden sind, gewisse Unterschiede hier und da sogar schärfer hervortreten, so läßt sich dennoch nicht leugnen, daß die Agrarproduktion zu einem Sektor der Industrieproduktion geworden ist und sich deren Forderungen und Zwängen unterwirft. Wirtschaftswachstum und Industrialisierung – Ursache und oberste Daseinsberechtigung zugleich – ziehen Landstriche, Länder, Völker und Kontinente in ihren Bann. Das Ergebnis: Die für das bäuerliche Dasein typische traditionelle Gemeinschaft, das Dorf, wandelt sich; es geht in größeren Einheiten auf oder wird von ihnen überdeckt. Der Industrie angegliedert, konsumiert es deren Erzeugnisse. Hand in Hand mit der Konzentration der Bevölkerung geht die Konzentration der Produktionsmittel. Das Stadtgewebe beginnt zu wuchern, dehnt sich aus und verschlingt die Überbleibsel des ländlichen Daseins. Mit »Stadtgewebe« ist nicht nur, im strengen Sinn, das bebaute Gelände der Stadt gemeint, vielmehr verstehen wir darunter die Gesamtheit der Erscheinungen, welche die Dominanz der Stadt über das Land manifestieren. So verstanden sind ein zweiter Wohnsitz, eine Autobahn, ein Supermarkt auf dem Land Teil des Stadtgewebes. Mehr oder weniger dicht und aktiv, spart es nur stagnierende oder im Verfall befindliche Gebiete aus, eben die der »Natur« vorbehaltenen. Für die Agrarproduzenten, die »Bauern«, zeichnet sich am Horizont die Agrarstaat ab, das einstige Dorf verschwindet. Chruschtschow hatte den sowjetischen Bauern die Agrarstadt versprochen, und hier und da auf der Erde entsteht sie bereits. So gibt es in den Vereinigten Staaten – von gewissen Gebieten in den Südstaaten abgesehen – praktisch keine Bauern mehr; es gibt nur Inseln ländlicher Armut neben solchen städtischen Elends. Und während dieser weltweite Prozeß (Industrialisierung und/oder Verstädterung) seinen Lauf nimmt, birst die Großstadt auseinander, fragwürdige Protuberanzen entstehen: Vororte, Wohnviertel oder Industriekomplexe, Satellitenstädte, die sich kaum von verstädterten Marktflecken unterscheiden. Kleinstadt und mittelgroße Stadt geraten in ein Abhängigkeitsverhältnis, werden praktisch zu Kolonien der Großstadt. Somit drängt sich unsere Hypothese als Endpunkt bislang erworbener Kenntnisse und zugleich als Ausgangspunkt für eine neue Untersuchung und einen neuen Entwurf auf: die vollständige Verstädterung.
Die Hypothese greift vor. Sie projiziert die Grundtendenz der Gegenwart in die Zukunft. Überall und mitten in der »bürokratisch gelenkten Konsumgesellschaft« wächst die »verstädterte Gesellschaft« heran.
Das negative Argument, die Gegenprobe durch das Absurde: keine andere Hypothese, die taugen, keine, die sämtliche Probleme erfassen würde. Die nachindustrielle Gesellschaft? Das heißt eine Frage aufwerfen: Was kommt nach der Industrialisierung? Die Freizeitgesellschaft? Das heißt, sich mit einem Teil des Problems zufriedenzugeben, man beschränkt die Untersuchung von Tendenzen und Möglichkeiten auf die »Ausrüstung«, womit man realistisch bleibt, ohne dabei den demagogischen Charakter der Definition zu beeinträchtigen. Gewaltiger und endlos ansteigender Konsum? Hier begnügt man sich mit der Erfassung der Zeitzeichen und extrapoliert, riskiert es so, Realität und Virtualität auf einen einzigen ihrer Aspekte zu reduzieren. Und so weiter. Der Ausdruck »verstädterte städterte Gesellschaft« entspricht einem theoretischen Bedürfnis. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine literarische oder pädagogische Darstellung, noch auch um die Formulierung erworbenen Wissens, sondern um eine Entwicklung, eine Untersuchung, ja um eine Begriffsbildung. Ein Denkvorgang auf ein bestimmtes Konkretes, vielleicht sogar das Konkrete überhaupt hin, zeichnet sich ab und nimmt Gestalt an. Diese Bewegung wird, wenn sie sich bestätigt, zu einer neu ergriffenen oder wieder aufgegriffenen Praxis, der städtischen Praxis, führen. Ohne Zweifel ist eine Schwelle zu überwinden, bevor man auf konkretes Gebiet, also auf das – zuvor theoretisch erfaßte – der sozialen Praxis vorstößt. Es geht nicht darum, ein empirisches Rezept zu suchen, um das Produkt, nämlich die städtische Wirklichkeit, zu fabrizieren. Aber gerade das erwartet man doch allzu häufig vom »Urbanismus«, und gerade das versprechen die »Städteplaner« nur allzuoft. Im Gegensatz zu einer feststellenden Empirie, zu abenteuerlichen Extrapolierungen, als Gegensatz schließlich zu einem angeblich verdaulichen, weil tröpfchenweise mitgeteilten Wissen, ist da eine Theorie, die sich vermittels theoretischer Hypothese ankündigt. Diese Suche, diese Entwicklung wird in methodischen Schritten vor sich gehen. So trägt zum Beispiel die Suche nach einem virtuellen Objekt, der Versuch, dieses zu definieren und an Hand eines Projektes zu verwirklichen, schon einen Namen. Neben klassischen Methoden wie der Deduktion und der Induktion haben wir die Transduktion (Reflexion über das mögliche Objekt). Somit ist der hier eingeführte Begriff der »verstädterten Gesellschaft« eine Hypothese und eine Definition zugleich. Desgleichen werden wir, uns dabei des Ausdrucks »Revolution der Städte« bedienend, im folgenden darunter die Gesamtheit der Wandlungen und Veränderungen zu verstehen haben, die unsere heutige Gesellschaft durchschreitet, um von einer Epoche, deren maßgebliche Probleme Wachstum und Industrialisierung (Modell, Planung, Programmierung) sind, zu jener überzugehen, wo die durch Urbanisierung entstandenen Probleme den Vorrang haben und die Suche nach den Lösungen und nach den für die verstädterte Gesellschaft spezifischen Modalitäten größte Bedeutsamkeit gewinnt.
Manche Umwälzungen werden abrupt vor sich gehen, andere allmählich, vorgeplant, erwartet und konzertiert sein. Welche? Man wird versuchen müssen, eine so berechtigte Frage zu beantworten. Es gibt allerdings keine Gewähr dafür, daß die Antwort klar, befriedigend und eindeutig sein wird. Der Ausdruck »Revolution der Städte« deutet nicht unbedingt auf gewaltsame Aktionen hin. Ausgeschlossen sind sie allerdings nicht. Wie aber sollte man voraussagen können, was auf gewaltsame, was auf vernünftige Weise erreicht werden wird? Ist es nicht das Wesen der Gewalttätigkeit, unvermittelt zum Ausbruch zu kommen? Und ist es nicht das Wesen des Denkens, Gewalttaten auf ein Minimum zu beschränken, indem es denkend die Fesseln bricht?
Zwei Marksteine stehen auf dem Weg, den der Urbanismus einschlagen wird:
a) Seit einigen Jahren betrachtet man vielerorts den Urbanismus als eine soziale Praxis wissenschaftlichen und technischen Charakters. In diesem Fall könnten und müßten die theoretischen Überlegungen sich auf diese Praxis erstrecken, sie auf ein begriffliches oder, genauer, auf ein epistemologisches Niveau heben. Folglich ist das Nichtvorhandensein einer solchen Epistemologie des Urbanismus auffallend. Werden wir nun hier versuchen, diese Lücke zu schließen? Nein. Denn diese Lücke hat einen Sinn. Stimmt es nicht, daß das, was wir Urbanismus nennen, vorerst noch mehr institutionellen und ideologischen als wissenschaftlichen Charakter trägt? Wenn wir annehmen, daß das Verfahren zu verallgemeinern und jede Erkenntnis nur über die Epistomologie zu gewinnen sei, so scheint das für den heutigen Urbanismus dennoch keine Geltung zu haben. Man wird herausfinden und erklären müssen, warum dem so ist.
b) Der heutige Urbanismus – als Politik (in zweifachem Sinn als Institution und Ideologie) – wird von zwei Seiten her angegriffen, von der Rechten wie von der Linken.
Die Kritik der Rechten, von jedermann beachtet, ist zuweilen vergangenheitsgläubig, oft humanistisch. Sie beinhaltet und rechtfertigt, direkt oder indirekt, eine neo-liberale Ideologie – die »freie Marktwirtschaft« – und fördert in jeder Weise die »Privat«-Initiative der Kapitalisten und ihres Kapitals. Die Kritik der Linken – und das ist weniger bekannt – wird nicht von der einen oder anderen Gruppe oder Partei, dem einen oder anderen Klub, Apparat oder den der Linken »zugerechneten« Ideologen formuliert. Sie ist vielmehr bemüht, dem Möglichen einen Weg freizumachen, Neuland zu erforschen und zu markieren, wo es nicht nur das »Wirkliche«, das bereits Erreichte gibt, das nicht schon von den vorhandenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kräften beherrscht ist. Sie ist daher eine u-topische Kritik, denn sie distanziert sich vom »Wirklichen«, ohne es jedoch aus den Augen zu verlieren.
Nachdem dies gesagt ist, wollen wir eine Achse zeichnen,
die von der nicht existenten Urbanisierung (von der »reinen Natur«, der den »Elementen« ausgelieferten Erde) bis zur gänzlichen Vollendung des Prozesses gehen soll. Diese Achse, die die Wirklichkeit des städtischen Geschehens symbolisiert, verläuft sowohl im Raum als auch in der Zeit: im Raum, weil der Prozeß sich räumlich ausdehnt und den Raum verändert – in der Zeit, weil er sich in der Zeit entwickelt, ein zunächst nebensächlicher, dann aber dominierender Aspekt der Praxis und der Geschichte. Das Schema zeigt nur einen Aspekt der Geschichte: die Zeit wird bis zu einem bestimmten, abstrakten, willkürlich gesetzten Punkt zerschnitten, womit eine von vielen anderen Operationen vorgenommen wird (Einteilung in Zeitabschnitte), die im Vergleich zu anderen Einteilungen nicht privilegiert, wohl aber von gleicher (relativer) Notwendigkeit ist.
Wir wollen einige Marksteine an den bis zur Verstädterung zurückgelegten Weg setzen. Was ist zu Beginn vorhanden? Populationen, die in den Bereich der Ethnologie, der Anthropologie fallen. Um diese Anfangsnull herum markierten und benannten die ersten Menschenhorden (Sammler, Fischer, Jäger, vielleicht Hirten) den Raum; sie erforschten ihn, indem sie Zeichen setzten. Sie erfanden Flurnamen, gaben die ersten Landmarken an. Der dem Boden verhaftete Bauer schuf in der Folge die Topologie und eine Raumaufteilung, die wohl vollkommen und genau war, den Raum aber nicht von Grund auf veränderte. Wichtig ist dabei, daß fast überall auf der Welt und wohl überall da, wo der Mensch ins Licht der Geschichte tritt, die Stadt dem Dorf auf dem Fuße folgte.
Die Ansicht, aus der Urbarmachung des Landes, aus dem Dorf und der dörflichen Kultur sei allmählich ein städtisches Dasein erwachsen, ist ideologisch gefärbt. Das Geschehen in Europa nach dem Zerfall des Römischen Reiches und der Wiedergeburt der Städte im Mittelalter wird als allgemeingültig hingestellt. Jedoch läßt sich das Gegenteil unschwer beweisen. Der Übergang vom Wildbeutertum zum Ackerbau vollzog sich erst unter dem (autoritären) Druck städtischer Zentren, die im allgemeinen von geschickten Eroberern bewohnt wurden, die Beschützer, Ausbeuter und Unterdrücker, das heißt Verwalter, Gründer von Staaten oder staatsähnlichen Gebilden geworden waren. Mit oder kurz nach Entstehen eines organisierten gesellschaftlichen Lebens, von Ackerbau und Dorf, tritt die politische Stadt auf.
Freilich läßt sich diese These nicht auf die endlosen Räume anwenden, in denen über lange Zeitabschnitte hinweg ein Halbnomadentum bestand, wo ein kümmerlicher Hackbau betrieben wurde. Und selbstverständlich stützt sie sich vor allem auf Analysen und Dokumente über die »asiatische Produktionsweise«, auf uralte Kulturen, die sowohl städtisches Leben als auch das ländliche begründeten (Mesopotamien, Ägypten usw.*). Die grundsätzliche Frage nach den Beziehungen zwischen der Stadt und dem Land ist noch weit entfernt von einer Lösung.
So nehmen wir also das Risiko auf uns, die politische Stadt auf der Raum-Zeit-Achse in etwa an den Anfang zu setzen. Wer bevölkerte nun diese politische Stadt? Priester und Krieger, Fürsten, »Adelige«, Kriegsherren. Aber auch Administratoren, Schreiber. Ohne Schreibkunst – Dokumente, Befehle, Listen, Steuereintreibungen – ist die politische Stadt nicht vorstellbar. Sie ist ganz und gar Ordnung, Erlaß, Macht. Allerdings gehören Handel und Gewerbe dazu, wenn auch vielleicht nur, weil man sich mit beider Hilfe die zum Kriegführen und zur Erhaltung der Macht erforderlichen Rohstoffe (Metalle, Leder usw.) beschaffen, sie verarbeiten und instand halten konnte. Infolgedessen gibt es in ihr, wenngleich in untergeordneter Stellung, Handwerker und sogar Arbeiter. Die politische Stadt verwaltet ein oftmals weitläufiges Gebiet, schützt es und beutet es aus. Sie leitet die großen Aufgaben der Landwirtschaft: Trockenlegung, Bewässerung, Eindämmung, Urbarmachung usw. Sie herrscht über eine gewisse Anzahl von Dörfern. Das Land ist in erster Linie Eigentum des Herrschers, der Symbol für Ordnung und Tatkraft ist. Tatsächlich aber bleibt das Land im Besitz der Bauern und der Tribut zahlenden Gemeinwesen.
Tauschgeschäft und Handel, die niemals fehlen, gewinnen an Bedeutung. Ursprünglich mochten sie von suspekten Leuten, den »Fremden«, wahrgenommen worden sein, aber bald werden sie auf Grund ihrer Funktion wichtig, Örtlichkeiten, die für Tausch und Handel bestimmt sind, tragen zunächst die Zeichen der Heterotopie. Gleich den dort lebenden und Handel treibenden Menschen sind auch sie ursprünglich von der politischen Stadt ausgeschlossen: Karawansereien, Märkte, Vororte usw. Der Prozeß der Integration von Markt und Ware (Menschen und Dingen) in die Stadt besteht über Jahrhunderte fort. Handel und Verkehr, unerläßlich sowohl zum Überleben als auch zum Leben, bringen Wohlstand und Bewegung. Die politische Stadt widersetzt sich dem mit ihrer gesamten Macht, ihrem ganzen Zusammenhalt; sie empfindet, sie erkennt die Bedrohung durch den Markt, die Ware, den Händler, durch deren Form des Eigentums (das bewegliche Eigentum, das Geld). Es gibt unzählige Fakten, die das beweisen: die Existenz der Handelsstadt Piräus, unweit des Stadtstaates Athen, ebenso wie die wiederholten vergeblichen Verordnungen, die das Feilhalten von Waren auf der Agora, dem freien Platz, dem Platz für politische Versammlungen, untersagten. Wenn Christus die Händler aus dem Tempel vertreibt, so treffen wir auf das gleiche Verbot, den gleichen Sinngehalt. In China, in Japan gehört der Händler lange Zeit einer niederen Bürgerschicht an, die in ein »besonderes« Viertel verwiesen wurde (Heterotopie). Im Grunde gelingt es der Ware, dem Markt und dem Händler erst im europäischen Abendland, gegen Ende des Mittelalters, siegreich in die Stadt einzudringen. Man könnte sich vorstellen, daß der halb kriegerische, halb plündernde Hausierer sich bewußt der befestigten Reste einstiger (römischer) Städte bemächtigte, um die Grundherren zu bekämpfen. Bei dieser Hypothese würde die erneuerte politische Stadt den Rahmen für eine Aktion abgegeben haben, die sie selbst umformen sollte. Im Verlauf dieses (Klassen-)Kampfes gegen die Grundherren, die das Land besaßen und beherrschten, eines Kampfes also, der im Abendland unerhört fruchtbar war und eine Geschichte, wenn nicht die Geschichte überhaupt, schuf, wird der Markt zum Mittelpunkt. Er tritt an die Stelle des Versammlungsortes (der Agora, des Forums), ersetzt ihn. Um den Markt, der zum wesentlichen Teil geworden ist, gruppieren sich Kirche und Rathaus (das von einer Kaufmannsoligarchie besetzt ist) mit Bergfried oder Kampanile, den Symbolen der Freiheit. Man beachte, daß die Architektur sich den neuen Stadtbegriff zu eigen macht und ihn übersetzt. Das Stadtgelände wird zum Begegnungsort von Dingen und Menschen, zum Umtauschplatz. Es schmückt sich mit den Zeichen der errungenen Freiheit, anscheinend mit der Freiheit schlechthin. Ein großartiger und lächerlicher Kampf. In diesem Sinn ist die Untersuchung der »bastides« (befestigte mittelalterliche Städte, die auf Befehl der französischen Könige gegründet wurden) im Südwesten Frankreichs von Interesse. In diesen ersten Städten, die um den Marktplatz erbaut wurden, mag man ein Symbol erblicken. Ironie der Geschichte. Sobald die Herrschaft der Ware mit ihrer Logik, ihrer Ideologie, ihrer Sprache und ihren Menschen, anhebt, wird die Ware zum Fetisch. Im 14. Jahrhundert glaubt man, es genüge, nur einen Markt zu gründen, Läden und Bogengänge um einen zentral gelegenen Platz zu erbauen, und Händler und Käufer würden herbeiströmen. So gründet man (Grundherren und Bürger) Handelsstädte in nahezu wüsten Gebieten ohne Ackerbau, wo noch wandernde Halbnomaden ihre Herden treiben. Die Städte im Südwesten Frankreichs tragen zwar klingende Namen, aber sie sind Fehlgründungen. Wie dem auch sei, auf die politische Stadt folgt die Handelsstadt. Um diese Zeit (im Abendland etwa im 14. Jahrhundert) wird der Handel zu einer städtischen Funktion; auf Grund der Funktion entsteht eine Form (oder entstehen Formen: baulicher und/oder städtebaulicher Art). Somit erhält die Stadtanlage eine neue Struktur. Die Umwandlungen von Paris bieten ein deutliches Bild der vielschichtigen Wechselbeziehungen zwischen den drei Aspekten und den drei Hauptkonzepten: Funktion, Form, Struktur. Flecken und Vorstädte, die anfänglich Handelsplätze und handwerkliche Gemeinwesen waren: Beaubourg, Saint-Antoine, Saint-Honoré, werden zu Mittelpunkten, die der im eigentlichen Sinn politischen Gewalt (den Institutionen) Einfluß, Ansehen und Raum streitig machen, sie zu Kompromissen zwingen und mit ihr gemeinsam eine machtvolle Stadteinheit schaffen.