Kitabı oku: «Um Gottes willen, ein Mediziner!», sayfa 2
Das Studentenleben in Graz war natürlich auch von den korporierten Studenten geprägt. Diese führten schon damals so wie heute am Samstag einen traditionellen Bummel durch die Innenstadt durch. Viele unserer Studienkollegen gehörten einer Burschenschaft an. Man traf immer wieder einen mit schwarzen Binden über dem Kopf. Sie erzählten stolz von ihrer letzten Mensur. Es gab bei ihnen strenge Benimmregeln und man lernte auch Reden zu halten. Man warf ihnen damals noch nicht politische Haltungen vor. Da auch das Trinken einem gewissen Reglement unterlag, wurde dies sehr oft systematisch bis zum totalen Untergang durchgehalten. Das ist eine Gewohnheit, die Burschenschafter ihr ganzes Leben nie mehr ganz ablegen können. Besonders wichtige Feiern sind für sie die Stiftungsfeste. Alte Herren, Burschen und Füchse feiern gemeinsam ihr Gründungsfest. Ein guter Bekannter von mir hatte einmal den Einfall, mit dem Feiern schon früh am Morgen zu beginnen. Diese Vorfeier brachte ihn in übel beleumundete Lokale auf dem Griesplatz. Er schloss dort die Freundschaft mit einer hübschen jungen „Dame“. Diese gefiel ihm so gut, dass er beschloss, sie auf sein Stiftungsfest mitzunehmen. Die beiden trafen dort ein, als das Fest schon etwas vorgerückt war. Die Dame war ein großer Erfolg. Die alten Herren waren von ihr begeistert, begrüßten sie mit: Küss’ die Hand, gnädige Frau. Keiner schien zu merken, woher sie kam. Sie genoss diese Behandlung und begann sogar Hochdeutsch zu sprechen. Sie wurde pausenlos zum Tanzen aufgefordert und genoss es im Zentrum des Festes zu stehen. Die alte Redensart, dass man Damen wie Huren und Huren wie Damen behandeln soll, scheint doch etwas für sich zu haben. Als die Geschichte mit der Dame aufflog, hat sie meinem Freund bei seiner Burschenschaft ziemlich geschadet.
Die studentische Jugend von Graz hat damals nicht ausschließlich studiert und getrunken, sondern auch Sport betrieben. Die wichtigste Sportart war Basketball. Es gab unzählige Vereine, die wichtigsten waren der GAK und die BUG. Weiters gab es eine sehr gut spielende griechische Studentenmannschaft namens Hellas. Bei dem Spiel Hellas gegen Graz kamen damals fast so viele Zuschauer wie bei einem Fußballspiel. Fand dieses Spiel im Freien statt, so wurden von erregten griechischen Fans immer wieder Rasenstücke auf das Spielfeld geworfen. Das Basketballgeschehen war in der Landesturnhalle beheimatet. Hier war auch so etwas wie ein gesellschaftlicher Mittelpunkt. Man kam, um das ganze Wochenende zu spielen, Spielen zuzusehen, jemanden kennen zu lernen und Freunde zu treffen. Die Basketball spielenden Studenten von damals sind fast alle etwas „Besseres“ geworden und bilden auch so etwas wie einen Geheimbund.
Wie bei allen Studien schied sich auch bei uns rasch die Spreu vom Weizen. Die ganz Fleißigen gingen nie aus, sie lernten nur, viele hatten ihren Spaß und lernten trotzdem, und einige hatten nur ihren Spaß. Einige Kolleginnen heirateten im Vorklinikum und hörten mit dem Studium auf. Nur wenige Damen promovierten. Von denjenigen, die nicht lernten, gaben viele auf. Manch einer, der uns als älterer weiser Kollege einen guten Rat erteilt hatte, war überholt worden. Es gab einige echte Methusalems. Ich erinnere mich an einen stets würdevollen, vor der Universität mit Bierbäuchlein und Spaniel einher schreitenden Kollegen, den wir immer bewundert hatten. Er beendete sein Vorklinikum erst, als wir promoviert hatten. Für eine spätere politische Karriere war das lange Studium kein Hindernis. Er wurde Staatssekretär.
Universitätsklinik
Die Erfolgreichen durften im 2. Studienabschnitt auf der Universitätsklinik beginnen. Nicht mehr Leichen, sondern der erkrankte Körper war der Gegenstand unserer Studien. Die Universitätskliniken sind in Graz in einem großen öffentlichen Krankenhaus untergebracht. Dies liegt am Rande eines großen Waldes, des Leechwaldes, und einige Gebäude verlieren sich in diesem. Das Spital wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem späten Jugendstil erbaut und ist eines der größten Europas. Es war mit seinem Pavillonsystem und seiner großzügigen Planung eine architektonische Perle. Der Krieg, zahlreiche Zubauten und Erweiterungen haben der architektonischen Substanz großen Schaden zugefügt. Verputze und Ornamente wurden heruntergeschlagen, nicht ergänzt, Zubauten und Betonrampen hinaufgeklebt. Als krönende Scheußlichkeit wurde aber ein 10-stöckiger Betonklotz der Chirurgie aufgeführt. Heute ist das Spital weiter gewachsen, sprunghaft und unorganisch, sich den Bedürfnissen unserer Tage anpassend. Nahezu unversehrt und sauber im Jugendstil präsentiert sich heute nur mehr das Verwaltungsgebäude. Die Direktoren haben offenbar genug Geschmack gehabt, ihr Reich stilrein zu halten.
Es ging uns wie allen Studiosi zuvor. Jede neue Erkrankung, von der wir hörten, erfüllte uns mit Angst, da wir unschwer eines ihrer Symptome an uns entdeckten. Nervös saßen wir auf den Hörsaalbänken, um bei den ersten Operationen zuzuschauen. Damals saß man noch in einem halbrunden Hörsaal, während der Patient unten operiert wurde. Man fürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen und somit dem Gespött der Kollegen ausgeliefert zu sein.
Es dauerte aber kaum ein Semester und wir hatten uns adaptiert, auch die alte Keckheit war zurückgekehrt. Man lernte rasch die notwendigen Assistenten und Laboranten kennen, die einem halfen, die Praktika zu bewältigen. Bei der damaligen Studienordnung musste man zwei Jahre keine Prüfung ablegen. Dies verleitete zum Bummeln. Die viel gepriesene studentische Freiheit war in diesen Jahren wirklich vorhanden. Die Praktika wurden normalerweise mit Unterschrift bestätigt.
So war es auch auf der Medizinischen Klinik. Der Assistent, der das Praktikum geleitet hatte, unterschrieb die Praktikumskarte. Er achtete nicht sonderlich darauf, wie viele Karten er zu unterschreiben hatte. Nur unterschrieb er in der Regel weitaus mehr Karten als Studenten anwesend waren. Es war meine Idee, im Voraus eine Karte mit Unterschriften anzulegen. So legte ich grundsätzlich immer zwei Karten zur Unterschrift vor, beide für mich. Ich konnte daher im letzten Semester die Praktikumszeit für andere Dinge nützen, weil ich bereits alle Unterschriften besaß. Als ich dann am Ende meine Karte im Sekretariat abgab, wurde diese vom Vorlesungsassistenten kontrolliert. Er meinte nur: „Ich verstehe nicht, wie Sie vom Kollegen B. Unterschriften haben können. Dieser hat die Klinik doch schon vor einem Jahr verlassen.“
Landeskrankenhaus Graz
Im Dekanat der Medizinischen Fakultät saß ein lang gedienter Beamter. Er war ein sehr bedeutender Mann, da er, nicht völlig unentgeltlich, die Prüfungstermine zuteilte. Es war keineswegs gleichgültig, welchen Prüfungstermin man erhielt. Die Professoren hatten immer wenig Zeit für Prüfungen, und man konnte durch einen ungünstigen Termin Monate des Studiums verlieren. Ich war gleich zu Beginn meines Studiums von älteren, weisen Studenten über die absolute Wichtigkeit und auch über die Tarife dieses Beamten informiert worden. Als ich bei der Inskription ehrfurchtsvoll das Dekanat betreten hatte und neben meinen Inskriptionspapieren auch mein Maturazeugnis vorgelegt hatte, nahm es ausgerechnet dieser Beamte entgegen. Er selbst hatte keine Reifeprüfung. Das hinderte ihn aber nicht, mein Zeugnis mit strenger Miene zu studieren und zu sagen: „Mit diesem Zeugnis wollen Sie Medizin studieren?“ Zugegeben, das Zeugnis war nicht berühmt. Ich hatte in den naturwissenschaftlichen Fächern nur Genügend stehen. In meiner Selbstachtung getroffen, sagte ich: „Ich will damit nicht nur Medizin studieren, sondern auch noch um ein Stipendium ansuchen. Ich kann das, weil mein Notendurchschnitt 2,9999 ist!“ Es war nämlich für ein Stipendium ein Notendurchschnitt unter 3 erforderlich. Die abfällige Bemerkung hat den wackeren Beamten viel Geld gekostet. Von mir bekam er nie etwas geschmiert. Ich verwendete immer sehr viel Zeit, um gemeinsame Prüfungstermine der Kollegen so zu organisieren, dass es nicht mehr seiner käuflichen Gunst bedurfte, sie zum gewünschten Termin antreten zu lassen.
Da das Studium, von dem hier die Rede ist, in Österreich stattfand, wird es natürlich erscheinen, dass Gefälligkeiten im Studienbetrieb nicht umsonst waren. Jedes Institut hatte Assistenten, die Paukkurse abhielten, und Laboranten, die Präparate, Demonstrationsobjekte und Leichen zur Verfügung stellten. Es wurden Verbandkurse abgehalten und pathologische Schnitte verliehen. Mit Schädeln und Skeletten betrieb man einen schwunghaften Handel. Diese Lehrtätigkeit fand neben der offiziellen statt und war nicht gerade billig. Die guten Studenten bedienten sich ihrer nur wenig, die schlechten versuchten sich mit Geld die Gunst der jeweiligen Institute zu erkaufen. Was nützt aber ein leichter Fall, eine eingesagte Diagnose bei einer Prüfung, wenn man sonst nichts weiß. Einzelne Laboranten hatten an den Instituten eine sehr große Macht. Ein besonders negatives Exemplar dieser Gattung werkte auf der Pathologie, wo ohne Bezahlung nichts ging. Gegen ihn war sogar der Herr Professor machtlos. Auch die Assistenten mussten sich die Gunst dieses Individuums mit viel Bier ständig erkaufen. So hatten einige von uns vor ihrer Pathologieprüfung seinen so genannten Leichenkurs nicht besucht und auch nichts für das Auflegen einer schönen Leiche bezahlt. Bei der Prüfung streikte er und stellte einfach keine Leiche zur Verfügung, so dass die Prüflinge zunächst nicht sezieren konnten. Erst durch das gehörige Donnerwetter des Herrn Professors kam die Leiche auf den Tisch. Auch später, als man schon Assistent oder Dozent war, musste man für Leichenteile und Präparate immer wieder gehörig in die Tasche greifen.
Auch die klinischen Professoren waren damals Originale. Ein ausgezeichneter Mann war der Ordinarius für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Seine Vorlesung hielt er überdurchschnittlich gut. Es war nicht nur seine Didaktik, sondern auch seine Sprachgewohnheiten und seine Moralpredigten, die diesen unappetitlichen Stoff würzten. Als überzeugter Katholik geißelte er in jeder Vorlesung den außerehelichen Geschlechtsverkehr mit strengen Worten. Er erklärte uns voll Stolz, dass er als Jungmann in die Ehe gegangen sei. Er hatte die Sprechgewohnheit der Echolalie, d. h., er wiederholte mehrfach einzelne Wörter. Eine weitere typische Gewohnheit von ihm bestand darin, seine Brille abzunehmen und mit dem Brillenbügel auf die grässlichsten Hautveränderungen aus nächster Nähe zu zeigen. Dann setzte er die Brille wieder auf oder nahm den Bügel in den Mund. Wir wetteten stets: Hat er jetzt die Wunde mit dem Bügel berührt oder nicht?
Die Syphilis war in den 50-er Jahren eine seltene Erkrankung. Wir bekamen in jenem Semester nur einen Fall zu sehen, das war ein großer Auftritt. Ein herkulisch gebauter junger Mann wurde hereingeführt. Er trug eine Maske, die sein Gesicht verdeckte. Die Maske gab ihm ein geradezu mittelalterliches Aussehen. Er musste seine Hose ausziehen, und dann kam ein großes Glied mit einem frischen Primärinfekt zum Vorschein. Seine Befunde und Symptome wurden im Detail demonstriert. Wie immer nahm der Professor seine Brille ab, benutzte sie um auf den Affekt zu zeigen und kam in gefährliche Nähe zum Geschwür. Der Patient stand dabei regungslos mit den Armen vor der Brust verschränkt auf der Bühne. Als die Präsentation vorbei war, wurde er wieder hinausgeführt, und der Herr Professor kam mit blitzenden Augen auf die besonderen Umstände dieses Falles zu sprechen: „Wir wissen bereits, wie die Ansteckung vor sich gegangen ist. Dieser Mann hat ein Mädchen mit seinem Moped mitgenommen, und dann sind sie durch den Wald gefahren. Plötzlich sind sie abgestiegen, dann geschah es. Wir sind dem Dämchen bereits auf der Spur. Über das Recht, einen außerehelichen Geschlechtsverkehr zu haben, will ich hier nicht richten.“ Wir grinsten uns schuldbewusst an.
Unser Professor war ein strenger und gerechter Prüfer. Dank seiner ausgezeichneten Vorlesung war unser Wissen in der Dermatologie auch profund. Einmal ritt bei einer Prüfung einen Kandidaten der Teufel. Als er über eine Hautveränderung gefragt wurde, was ihm dabei auffiele, antwortete er wie aus der Pistole geschossen: „Es schuppt, schuppt, schuppt.“ Obwohl der Herr Professor ein in manchen Belangen naiver Mann war, blickte er den frechen Studenten durchdringend an. Er hatte es wohl verstanden, dass er imitiert worden war, war aber großzügig genug, um den Prüfling nicht durchfallen zu lassen.
Kurz vor seinem Ruhestand hielt er einen Vortrag im steirischen Ärzteverein. Der Titel war „Die Syphilis in der Steiermark.“ Noch nie waren in diesem Hörsaal so viele Leute gewesen. Man drängte sich auch auf den Stiegen. Wir mussten dabei erfahren, dass trotz der Flaute der Syphilis in den 50-er und 60-er Jahren die Erkrankung dank Pille und Promiskuität wieder im Ansteigen war. Mit den gleichen blitzenden Augen und ungebrochenem Eifer geißelte der schon über 70-jährige die Erkrankung und die Vorgänge, die zu dieser Erkrankung führen konnten. Wir genossen seinen Vortrag, weil wir uns in die Studentenzeit zurückversetzt fühlten.
Auch noch einen anderen Eindruck von der Hautklinik habe ich mir bewahrt. Wir besuchten im Rahmen des Praktikums die Station mit den Kranken und kamen dabei auf der Suche nach dem Assistenten in ein Badezimmer. Es war so groß wie eine Halle. Inmitten dieses Zimmers saß auf einem Holzschemel ein Patient, der über und über mit Ausschlägen bedeckt war. Ich weiß bis heute nicht, welche Erkrankung dieser Patient hatte. Die Hautärzte pflegten damals immer ihre Patienten mit irgendwelchen Farben anzustreichen, es gab rote und blaue Anstriche. Auch dieser Patient war eingefärbt. Der Bedauernswerte sah wirklich zum Fürchten aus, mit seinen roten und blauen Flecken und diesen fürchterlichen Hautveränderungen. Neben ihm stand ein Wärter mit Handschuhen, einem Eimer und einer Bürste und bürstete den auf dem Holzschemel Sitzenden unbarmherzig mit einer mir unbekannten Flüssigkeit. Die ganze Szene hatte etwas Gespenstisches an sich. Man hatte den Eindruck, irgendeine arme Seele ist gerade aus dem Fegefeuer gekommen und wird nun vor dem Eintritt in den Himmel nochmals gründlich geschrubbt.
Ein weiteres Original war der Professor für Neurologie und Psychiatrie. Er besaß ein gutes Fachwissen und war ein gebildeter Mann. Er machte sich gerne über das eigene Fach lustig. Einmal stellte er in der Vorlesung einen Fall von Delirium tremens vor. Er schilderte zunächst die Symptome, die örtliche und zeitliche Desorientiertheit, die Schwierigkeit, gewisse Dinge nachzusprechen, und die Halluzinationen von Tieren. Der Patient wurde nun hereingebracht. Er sah völlig normal aus. Professor B. warf einen fragenden Blick auf seinen Vorlesungsassistenten.
Die erste Frage lautete: „Wissen Sie, wo sie sind?“
„Jawohl Herr Professor, auf der Nervenklinik.“
„Der wievielte ist heute?“
„Heute ist der 27. April“, war die genaue Antwort.
„Sprechen Sie sofort nach: Hottentotten, Stottertrottel.“ Dabei verhaspelte sich der Psychiater selbst.
Die Antwort des Patienten jedoch kam wie aus der Pistole geschossen völlig richtig. Der Herr Professor nahm seinen Assistenten auf die Seite, um sich nochmals zu vergewissern.
„Hat der wirklich ein Delirium?“ Der Assistent bestätigte die Diagnose.
„Kennen Sie mich?“, war die nächste Frage.
„Jawohl, Sie sind der Herr Professor B.“
„Von wo kennen Sie mich? Ich habe Sie noch nie gesehen.“
„Ja, Herr Professor, kennen Sie mich nicht? Ich komme doch schon so viele Jahre zu Ihnen und schneide die Obstbäume und Hecken in Ihrem Garten.“ Wir brüllten vor Lachen.
Der Herr Professor meinte: „Der ist normaler als wir.“
Dann stellte er die letzte Frage: „Was sehen Sie hier?“
Die Antwort: „Studenten.“
„Sonst nichts?“
Und plötzlich brach der Wahnsinn aus dem Mann heraus. „Ich sehe Krähen, überall Krähen.“ Er konnte sich kaum mehr beruhigen. Wir waren damals nach all dem Spaß dann sehr erschüttert und tief beeindruckt.
Die Katalepsie ist ein Zustand, in dem aktiv oder passiv eingenommene Körperhaltungen übermäßig lange beibehalten werden. Wird zum Beispiel ein Bein passiv von der Unterlage abgehoben, bleibt dieses nach dem Loslassen in der Luft. Diese Störung tritt vor allem bei einer Schizophrenie, aber zum Teil auch bei organischen Hirnerkrankungen auf. Wir bekamen nun einmal einen Patienten mit so einem Leiden vorgestellt. Der Herr Professor erzählte uns voll Begeisterung alles Mögliche über diese bedrückende Erkrankung und um das zu demonstrieren, ließ er den Patienten auf einem Bein stehen. Der Professor stand vorne und vergaß dabei den Patienten und deklamierte weiter. Der arme Patient stand nun da wie ein Storch und erst nach einer Weile löste sich seine Starrheit und er konnte sein zweites Bein auf den Boden stellen.
Bevor er hinausgebracht wurde, sagte er zum Professor: „Wenn wir mehr wären, würden wir Sie auch einmal auf nur einem Bein stehen lassen.“
Ausgerechnet in diesem Fach geschah es, dass ich zu meinem einzigen „Flug“ kam. Professor B. genoss normalerweise den Ruf eines sehr milden Prüfers. Doch ich hatte zu wenig gelernt und traf auf einen ernsten, strengen Mann. Dann verwechselte ich noch das Mittelhirn mit dem Zwischenhirn. Das tat mir nicht gut. Ich versuchte einige Zeit später mein Glück wieder, diesmal mit Erfolg. Ich gestehe, dass ich den Unterschied zwischen diesen Hirnteilen auch heute noch nicht genau kenne.
Der ihm nachfolgende Ordinarius entsprach dem Bild, das die Allgemeinheit von einem Professor dieses Faches hat. Die Vorlesung war verwirrend, der Stoff wurde zusammenhanglos gebracht, bei der Visite wusste er nie, um welchen Patienten es sich handelte. So blieb er einmal bei einem Patienten, den er aus unerfindlichen Gründen für einen Simulanten hielt, stehen und sagte mit erhobener Stimme: „Aber eines sage ich Ihnen, Sie gehen noch heute nach Hause.“
Erschrocken soufflierte ihm der begleitende Oberarzt: „Nein, Herr Professor, der nicht, wir haben bei dem lange gebraucht, um ihn zu der notwendigen Operation zu überreden.“
Kaltblütig setzte der Professor fort: „Aber eines sage ich ihnen, sie bleiben da.“
Trotz dieser Geistesabwesenheit im täglichen Berufsalltag war er in finanziellen Angelegenheiten äußerst geschickt. Er war ihm gelungen mit dem Spitalserhalter einen Exklusivvertrag abzuschließen, der ihn berechtigte, alle Elektroencephalogramme unseres Bundeslandes zu befunden. Viele Jahre hatte dieser Vertrag segensreiche Auswirkungen auf sein Einkommen. Er wohnte und ordinierte in einem palaisartigen Gebäude.
Bei Prüfungen war er launisch, aber nicht unbedingt bösartig. Waren ihm Prüflinge sympathisch, meist waren es die Damen, so fragte er sie, ob es ihnen nicht schlecht sei. Wenn sie bejahten, denn sagte er ihnen, sie mögen doch nach Hause gehen, sich erholen und in 14 Tagen wiederkommen.
So geschah es auch bei einer Prüfung von zwei Damen. Beide wussten nicht viel, er stellte die übliche Frage.
„Ist ihnen schlecht?“
Die erste bejahte sofort, die zweite aber kannte die Bräuche nicht und verneinte. Sie fühle sich wohl.
Die erste wurde gnädig nach Hause geschickt und die zweite weiter befragt. Sie blieb weiterhin richtige Antworten schuldig, sah ihr baldiges Ende voraus und so sagte sie schnell: „Herr Professor, ich glaube mir wird es auch schlecht.“
Er fuhr sie an: „Seien sie ruhig, wann es ihnen schlecht wird, das bestimme ich.“
Sie bestand die Prüfung nicht.
Mein späterer Chef und erster urologischer Lehrer hielt eine Vorlesung. Ich war dabei nicht sonderlich beeindruckt und schwätzte mit meinem Nachbarn. Zur Strafe wurde ich von ihm hinunter zitiert. Ich wurde befragt, wusste nicht viel und musste dann noch die Prostata eines Patienten untersuchen. So etwas hatte ich noch nie getan. Ich tastete, total ungeübt, irgendetwas Vergrößertes im Enddarm und musste dann berichten, welche Größe dieses Organ habe. Ich antwortete: „Etwa wie ein Apfel?“ „Ist Ihnen das nicht etwas zu groß? Na, wenn schon ein Apfel, welcher Apfel ist es denn?“ Ich antwortete: „So groß wie ein Maschansker.“ Das war eine damals bekannte, wohlschmeckende steirische Apfelsorte von eher kleiner Größe. Diese Nomenklatur von mir hat sich leider nicht durchgesetzt.
Da – wie schon gesagt – die Professoren eigenwillig bis schrullig waren, verliefen auch die Prüfungen unvorhersagbar. So konnten auch gut vorbereitete Studenten einmal fliegen und schlecht vorbereitete eine Chance haben.
Die wohl schwierigste klinische Prüfung ist die Pathologie. Man lernt dabei nicht mehr und nicht weniger als alle Krankheiten, die es überhaupt gibt. Man muss nicht nur Bescheid über die Krankheiten wissen, sondern muss diese auch an mikroskopischen Schnitten der erkrankten Organe erkennen. Zu meiner Zeit wurde diese Prüfung am Ende des 10. Semesters und auf einmal abgelegt werden. Man büffelte für diese Prüfung ein ganzes Jahr. Der Professor für Pathologie war ebenfalls ein strenger, aber nicht ungerechter Mann. Er hatte eine etwas hohe, schneidende Stimme und war durch seine Allergien und Migräne manchmal etwas launisch. Er pflegte zu sagen: „Heute tun mir meine Prüflinge schon leid, heute bin ich furchtbar schlecht aufgelegt.“
Die Pathologieprüfung begann mit der mikroskopischen Beurteilung eines krankhaft veränderten Gewebestückes. Dabei mussten das Organ und die Erkrankung erkannt werden. Unterlief der kleinste Fehler, war die Prüfung beendet, bevor sie richtig angefangen hatte. Es gab einige Präparate, die man während der ganzen Studienzeit gar nicht anschauen hatte können. Dies war, ehrlich gesagt, ein ungerechtes und zu hartes System. Nach dem Mikroskopieren musste man sezieren, dann folgte die theoretische Prüfung. Die Prüfung nur einiger weniger Kandidaten dauerte Stunden. Viele sind an dieser Prüfung gescheitert und haben deswegen auch ihr Medizinstudium nicht beendet.
Da gab es einen Kärntner Kollegen, der an sich gut vorbereitet war, aber das Pech hatte, das erste ominöse Präparat unter dem Mikroskop nicht zu erkennen. Der Professor stellte kurz und trocken fest, dass für ihn die Prüfung beendet sei. Der Kärntner ärgerte sich so darüber, dass er einfach sitzen blieb. Der Professor prüfte abwechselnd die anderen Kandidaten, sagte zwischendurch immer wieder zu unsren Freund: „Sie können schon gehen, sie sind durchgefallen.“ Unser wackerer Kärntner blieb stur sitzen.
Auf einmal wusste keiner der anderen Prüflinge die Antwort auf eine bestimmte Frage. Wie durch ein Wunder wusste sie der quasi ausgeschiedene Prüfling und beantwortete sie ungefragt und prompt. Mit Stirnrunzeln nahm es der Professor hin. Ähnliches wiederholte sich, der Herr Professor konnte ihn nicht mehr länger ignorieren und bezog ihn mit neuen Fragen wieder in die Prüfung ein. Unser Freund war aber nicht allwissend, und so kam er im Verlauf der Prüfung bald wieder in Schwierigkeiten. Der Herr Professor wollte ihn unbedingt eliminieren. Bei der vorletzten Fragerunde ging es beim Sezieren wieder sehr gut für den Prüfling. Der Professor unterbrach verärgert seinen Wortschwall und sagte: „Gut, es genügt, es genügt.“ Dabei bezog sich dies selbstverständlich nur auf diese eine Frage. Unser Kandidat ergriff die Gelegenheit beim Schopf und verließ den Raum.
Als es zur letzten Fragerunde kam, war er verschwunden. Er hatte sich im Leichenkeller versteckt. Der Professor fragte die Zuhörer, wo denn der Kandidat sei. Scheinheilig antworteten wir ihm: „Herr Professor, Sie haben doch gesagt, dass es Ihnen genüge. Er ist gegangen, weil er geglaubt hat, dass die Prüfung positiv beendet ist. Er ist schon mit dem nächsten Zug nach Kärnten gefahren.“
In der darauf folgenden Vorlesung klagte der Herr Professor seinem Publikum. „Heute hab ich einen so schlechten Kandidaten durchlassen müssen, ich wollte ihn schmeißen, es ist mir aber nicht gelungen.“
Unser Freund kroch nach Ende der Examen aus dem Keller und glaubte an die bestandene Prüfung erst, als ihm dies vom Dekanat bestätigt wurde.
Eine weitere Erinnerung habe ich an eine Prüfung eines schwach vorbereiteten Kollegen. Die Anfangshürden hatte er erfolgreich absolviert, dann musste er ein Herz sezieren und sollte die Herzkranzgefäße finden. Das Organ hat grundsätzlich mit all seinen Kammern, Vorhöfen und den ein- und austretenden großen Gefäßen eine etwas verwirrende räumliche Anordnung. Der Kollege hatte das Herz richtig aufgeschnitten, aber beim Drehen und Wenden fielen die einzelnen Bestandteile immer durcheinander, er konnte sich nicht orientieren.
„Na wo ist die Coronaria sinistra?“
Er konnte sie nicht entdecken.
„Wie findet man die?“, wurde er gefragt.
Ratlos wendete er das zerschnittene Herz, die angeschnittenen Bestandteile fielen hin und her. Man wusste nicht mehr, wo oben oder unten, vorne oder hinten war.
So sagte er: „Am besten findet man sie, wenn man weiß, wo sie ist.“
Womit seine Prüfung beendet war.
Der Professor für Pharmakologie war ebenfalls ein Original, seine Vorlesung extrem schlecht besucht, was ihn aber nicht sonderlich zu stören schien. Es erwies sich aber als unbedingt notwendig, vor der Prüfung eine Zeitlang in der Vorlesung zu sitzen, um sich zu zeigen. Man nannte das ein Gesichtsbad nehmen. Der Ausgang der Prüfung war bei ihm unvorhersagbar, ähnlich einem russischen Roulette. Seine Meinung über die Wirkung einzelner Drogen und deren Dosierung war oft völlig konträr von der des Ordinarius für Interne Medizin. Dies war in den jeweiligen Lernskripten auch vermerkt. Man fand hier rot unterstrichen, was der jeweilige Professor hören wollte. Selbstverständlich wurde das immer wieder verwechselt. Der Pharmakologieprofessor liebte bei den Prüfungen ein großes Publikum, im Übrigen pflegte er pausenlos zu rauchen. Wir wollten unsere Prüfungen vor den Sommerferien machen und hatten deshalb nach der Pathologie wenig Zeit, um zu lernen. Es war üblich, sich vor den Prüfungen beim jeweiligen Professor vorzustellen. Wir taten dies auch pflichtschuldig. Als wir von der Sekretärin vorgelassen wurden, fanden wir zwei Herren vor. Wir wandten uns an den uns näher Stehenden in der Meinung, das sei der Richtige, und stellten uns vor. Doch dieser lächelte nur sarkastisch und zeigte auf den zweiten und sagte: „Das dort drüben ist der Pharmaprofessor.“ Die Situation war uns peinlich, wir erröteten, stammelten eine Entschuldigung und stellten uns dann sofort bei dem Richtigen vor. Daraufhin sagte der erste Herr wieder: „Übrigens, es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, ich bin nämlich Ihr Professor für Neurologie.“ Das hieß, wir kannten auch ihn nicht. Nach diesem nicht sehr glücklichen Beginn war guter Rat teuer. Wir hielten eine Besprechung ab, wie wir das Pharmakologieproblem lösen könnten. Die ganze Prüfung wurde generalstabsmäßig besprochen. Wir beschafften uns eine große Anzahl von Zuhörern, welche wir vorwiegend aus der Maturaklasse eines jüngeren Bruders eines Kollegen, also Mittelschüler, rekrutierten. Weiters organisierten wir ein perfektes System, um das Rezeptieren ohne Fehler zu ermöglichen. Schließlich hatte jeder ein Feuerzeug bei sich, um im Notfall dem Herrn Professor beim Wechseln seiner Zigarette dienlich zu sein. Aus diesen ganzen Vorbereitung heraus mag man erkennen, was alles beim heutigen Multiple-choice-System dem Prüfer und dem Prüfling entgeht.
Bei der Prüfung war der Hörsaal voll, welchen Umstand der Professor goutierte. Er pflegte nämlich gerne im Zweifelsfalle das Publikum um seine Meinung zu fragen. Etwa so: „Soll der Kandidat durchfallen?“ Die Antwort war: „Nein, Rettungsfrage!“ Also kam noch eine Frage. Hatte er aber eine schlechte Laune, so schmiss er einen umbarmherzig und rasch. Bei unserem Sammeltermin lief alles sehr gut und alle kamen durch. Schließlich kam die Reihe an mich. Was immer ich gefragt wurde, ich konnte es nicht exakt beantworten, aber ich sprach ununterbrochen, ich überschüttete ihn mit einem Wortschwall. Er hörte mir mit geneigtem Haupt nur so halb zu. Schließlich meinte er: „Ich weiß nicht, ob ich Sie durchfallen lassen soll oder ob ich Ihnen eine Auszeichnung geben soll.“ Dann Frage an das Publikum: „Wer ist für die Auszeichnung?“ Der Saal tobte, alle hoben die Hände. „Auszeichnung, Auszeichnung, Auszeichnung“, tönte es. „Wer ist dagegen?“, fragte er und hob allein die Hand. „Ich unterwerfe mich der Mehrheit.“ So kam ich völlig unverdient zu einer Auszeichnung in der Pharmakologie, und kann auch bis heute noch nicht rezeptieren.
Nach mir kam noch ein Prüfling dran. Dem ging es ganz schlecht. Er brachte nichts heraus, auch die Rettungsfrage konnte ihn nicht herausreißen. Der Herr Professor aber war an diesem Tage sehr gut gelaunt und so gab er ihm noch eine Frage: Wieder nur sehr wenig Antwort. Der Professor schüttelte schließlich entmutigt den Kopf und steckte sich eine neue Zigarette in den Mund. So schnell wie ein Wildwestheld sein Schießeisen zieht, so schnell hatte unser Kandidat sein Feuerzeug in der Hand und gab dem Herrn Professor Feuer. Der Herr Professor machte ein paar Züge von seiner Zigarette und fragte nochmals: „Sind Sie mit einem Genügend zufrieden?“ Der Kandidat war es. Der Professor hatte aber keinen Fehler gemacht. Aus dem schlechten Kandidaten wurde noch ein ausgezeichneter Internist.
Unter unseren Kollegen befand sich auch ein schon etwas älterer Student aus Israel. Er war weit herumgekommen und sprach mehrere Sprachen. Deutsch sprach er besonders gut. Warum er bei seiner Intelligenz nicht mehr lernte, weiß ich nicht. Er war ein besonders schlechter Student. Wenn er bei einer Prüfung in Schwierigkeiten kam, konnte er plötzlich kein Deutsch mehr. Da es mit den Sprachkenntnissen unserer Professoren nicht weit her war, verlief die in Englisch geführte Prüfung meist günstig für ihn. Er hatte nur einmal Pech. Er kam nicht zum Professor, sondern zu seinem sprachgewandten Dozenten. Der Israeli wollte sich von Deutsch auf Englisch und dann auf Französisch zurückziehen. Der Dozent konnte die Sprachen alle fließend und verfolgte ihn unerbittlich. Als dann der Israeli nur noch Hebräisch sprechen konnte, warf er ihn hinaus.
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